Wahlnachlese zur Bundestagswahl 2013

44,29 Millionen Menschen haben sich am Sonntag an der Bundestagswahl beteiligt, rund 0,3 Mio. mehr als bei der letzten Wahl 2009. Das wesentlichste Ergebnis für Deutschland ist, dass die schwarz-gelbe Regierung keine neue Mehrheit erhalten hat. Das historischste Ereignis der Wahl ist bislang sicherlich das Ausscheiden der FDP. Mit 2,082 Mio. Stimmen (4,8%) hatte sie nur noch ein Drittel der 6,3 Mio. Stimmen von 2005 erhalten und damit die 5% Hürde verfehlt. Knapp gescheitert am Einzug ist auch die AfD (4,7%), die aus dem Stand 2,05 Mio. Stimmen erreichte.
Die Union konnte deutlich auf 41,5% zulegen und kam mit 18,16 Mio. Stimmen auf etwa 3,5 Mio. mehr als noch 2009. Auch die SPD konnte um 1,25 Mio. Stimmen von 9,99 auf 11,25 Mio. anwachsen und erreichte damit 25,7% der Stimmen. Die Grünen verloren rund 1 Mio. Wähler und kamen mit 3,69 Mio. Stimmen auf 8,4%. Die Linke erreichte nach Verlusten von ca. 1,4 Mio. Wählern noch 3,75 Mio. Stimmen (8,6%).

Soweit die Fakten. Nun aber die Beurteilung:

Union (41,5%):

Die Union hat ein hervorragendes Ergebnis eingefahren und steht doch ein wenig als Verlierer da. Die knapp verfehlte absolute Mehrheit zwingt sie zur Koalitionsbildung, wenn nicht rot-rot-grün das Land regieren soll.
Für das hohe Wahlergebnis ist meines Erachtens insbesondere ein aus Sicht der Union gut geführter Wahlkampf verantwortlich. Zum einen hat sich die Kritik an der Regierung sehr stark auf die FDP zugespitzt, so als ob diese für alles was falsch läuft verantwortlich sei, zum anderen ist es der Regierung gelungen, offenkundige Probleme, wie beim NSA-Skandal, nicht zu thematisieren und notwendige Entscheidungen zur Bankenregulierung, zur rasant steigenden EEG-Umlage, oder neuerlichen Hilfsgeldern für Europa bis nach der Wahl zu vertagen. Insgesamt stand so die aktuell ganz ordentliche wirtschaftliche Lage der Leute im Vordergrund und nicht die am Horizont erkennbaren Probleme.

SPD (25,7%):

Die SPD hat das Ziel einer rot-grünen Mehrheit klar verfehlt. Dennoch hat es nach dem Ausscheiden der FDP zu einer Abwahl der bisherigen Regierungskoalition gereicht. Im Gegensatz zu den anderen Oppositionsparteien im Bundestag konnte die SPD ihr Ergebnis zwar steigern, allerdings war das letzte Ergebnis auch das schlechteste Bundestagswahlergebnis der SPD-Geschichte. Dabei schafft es die SPD im Süden kaum und in den ostdeutschen Flächenländern gar nicht über die 20%-Marke.
Ein Grund dafür ist aus meiner Sicht der defensive Wahlkampf. Die Agenda 2010, die Entscheidungen der Großen Koalition und auch die Zustimmung zu den Euro-Rettungsschirmen drängen die SPD immer wieder in die verteidigende Rolle einer Regierungspartei. Dadurch fehlt ihr die Stärke zum Angriff bei den wichtigen Themen wie der ausufernden Prekärbeschäftigung oder der Altersarmut.

Die Linke (8,6%):

Auch wenn die Partei das schlechteste Ergebnis, seit ihrem ersten gesamtdeutschen Anlauf 2005, erreichte, dürfte die Partei Grund zum jubeln haben. Nicht nur nach der Großen Koalition 2009 sondern auch in der gemeinsamen Opposition mit der SPD konnte sie sich behaupten. Die Basis von rund 5% der Wähler im Westen sowie der Status einer Volkspartei im Osten werden wohl auch künftig reichen um bundespolitisch mitreden zu können.
Fraglich bleibt allerdings, ob diese Machtoption reicht, um die innerparteilichen Konflikte aufgrund der Strukturunterschiede zwischen West und Ost zu überwinden. Der Spagat zwischen westlichen Alternativ-Linken in meist größeren Städten und regierenden Realpolitikern des ländlichen Brandenburgs erscheint mir nicht ganz leicht.

Grünen (8,4%):

Die Grünen haben ein durchschnittliches Ergebnis erreicht. Trotz des Atom-Zick-Zack und Fukushima, erheblicher Probleme beim Emissionsrechtehandel und trotz einer Reihe von Lebensmittelskandalen haben die Grünen nicht zulegen können.
Der Grund dafür ist meines Erachtens die fehlende Konzentration auf die grünen Themen. Zwar haben die Grünen schon seit Jahren ein Rundumprogramm, aber selten sind die Kernthemen der Grünen so in den Hintergrund gerückt wie diesmal. Weder die Umweltpolitik, noch die Bildungs- oder Integrationspolitik standen im Blickpunkt der Debatten. Und auch die Gleichstellungspolitik wurde im Wesentlichen auf die Abschaffung des Ehegattensplittings reduziert.
Statt Nanopartikeln oder genveränderten Lebensmitteln standen so die Steuerpläne, die sich nicht groß von der SPD unterscheiden, im Vordergrund.

FDP (4,8%):

Die FDP hat ein Ergebnis in etwa dieser Höhe erwartet, aber bis zuletzt gehofft, es reicht zumindest für den Einzug in den Bundestag. Insgesamt hat die FDP mit wenigen Mitgliedern und einer immer kleineren Stammwählerschaft zu kämpfen. Zusätzlich waren die uneinlösbaren Versprechen, welche die FDP nach der Großen Koalition mächtig haben anwachsen lassen, nach der Enttarnung nur noch Grabsteine der Glaubwürdigkeit.
Dennoch sollte ein einzelnes Wahlergebnis nicht überbewertet werden. Nach einer entsprechenden Neuaufstellung sehe ich gute Chancen für einen Wiedereinzug in vier Jahren. Die Wahl in Hessen und bundesweit 2 Mio. Zweitstimmen zeigen, dass die FDP selbst in dieser schwierigen Phase durchaus noch eine Wählerbasis hat.

AfD (4,7%):

Für den Neustart einer Partei ein beachtlicher Erfolg, aber dennoch wohl ein Fehlstart. Das erklärte Ziel war es den direkten Einzug ins Parlament zu schaffen. Damit sollte nach dem Motto „Erfolg macht einig“ schon zu Beginn das Zusammenwachsen zu einer Partei verstärkt werden. So droht ihr als Sammelsurium an unterschiedlichen Spektren, ähnlich wie bei den Piraten, schon bald der Lack abzufallen. Welch Ironie, dass nun die europakritische AfD auf Europa hoffen muss. Ziel ist zumindest bei der kommenden Europawahl anzutreten, und mit 3% ist die Hürde auch geringer. Ob sich die EU-kritischen Anhänger zur Europawahl begeistern lassen wird sich zeigen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass umgekehrt das Desinteresse in weiten Teilen der Bevölkerung an Europawahlen zu einem verbesserten Ergebnis der AfD beiträgt.

Die Piraten (2,2%) :

Für die Piraten war das ein deutliches Ergebnis. Trotz des zwischenzeitlichen Hypes konnten sie nicht nachhaltig überzeugen. Es wird nun sicherlich immer schwieriger für die Piraten dem Wähler zu erklären, wofür es diese Partei gibt. Solange die Piraten aber selbst nicht wissen wo sie hinwollen, gehe ich nicht davon aus, dass es ihnen gelingt wieder Wähler zu überzeugen.
Dennoch wird auch für die Piraten nun das Ziel der Einzug ins europäische Parlament sein. Aber auch dafür muss die Partei bundesweit noch deutlich zu legen.

Die etablierten Parteien:

Betrachtet man die Entwicklung der etablierten Parteien, also Union, SPD, Grüne und B90, Linke und PDS, sowie die FDP, dann erkennt man einen deutlichen Rückgang der Stimmen. Hatten in den 90er Jahren und bis 2009 noch 94%-96% der Wähler etablierte Parteien gewählt, so geht der Wert bei dieser Wahl auf 89% zurück. Dafür verantwortlich ist das gute Ergebnis der AfD.
Da aber auch die Wahlbeteiligung 2009 signifikant zurückgegangen ist, kann man bei den Wahlberechtigten feststellen, dass von 1990 bis 2005 immer zwischen 73% und 76% der Wahlberechtigten etablierte Parteien gewählt haben, während es 2009 noch 66% der Wahlberechtigten waren und bei dieser Wahl nur noch 63%. Etwa 8% wählten nicht etablierte Parteien, wie AfD oder Piraten, 1% wählte ungültig und etwas über 28% wählten gar nicht. So schrumpft auch die fast absolute Mehrheit der Union im Bundestag auf einen Rückhalt von 29% bei den Wahlberechtigten zusammen.

Koalitionsmöglichkeiten:

Denkbare Koalition der nunmehr vier Parteien sind eine Große Koalition aus Union und SPD, eine Koalition aus Union und Grünen, sowie eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken. Durch die rot-rot-grüne Mehrheit ist theoretisch sogar noch eine Abwahl von Merkel möglich.

Link zu den Wahlergebnissen der Bundestagswahlen auf www.bundeswahlleiter.de

Diskussion:

Ein Gedanke zu “Wahlnachlese zur Bundestagswahl 2013

  1. ja, aber auch nur theoretisch. Mancher Sozi würde ja gern, aber zumindest bislang traut sich keiner. Und solange die “Schröder-Leute” bleiben – warum auch immer – ist das etwa so, als würde es nächstes Jahr einen gemeinsamen Karneval von Köln und Düsseldorf geben!

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