mister-ede.de » Ehegattensplitting http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Warum wir eine neue Gleichstellungspolitik brauchen http://www.mister-ede.de/politik/neue-gleichstellungspolitik/2350 http://www.mister-ede.de/politik/neue-gleichstellungspolitik/2350#comments Fri, 17 Jan 2014 19:55:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2350 Weiterlesen ]]> Betrachtet man die heutige Gleichstellungspolitik in Deutschland, dann handelt es sich in den allermeisten Fällen um reine Frauenpolitik. So zeigt schon die Namensgebung des „Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“, wie die Gleichstellungspolitik auf die Belange der Frauen verengt wird.
Allerdings befinden wir uns heute, anders als noch vor weniger als hundert Jahren, in einer Zeit, in welcher Frauen nicht mehr durch Gesetze diskriminiert und benachteiligt werden. So wichtig es war, die Frauenrechte bis hin zur heutigen gesetzlichen Gleichbehandlung zu stärken, so notwendig ist es daher nun, die Gleichstellungspolitik auf die heutigen Gegebenheiten anzupassen.
Unterlässt man eine solche Reform und setzt weiterhin nur eine einseitige Förderpolitik für Frauen fort, wird die Gleichstellungspolitik auf Dauer immer stärker zu einer Benachteiligungspolitik für Männer werden.
Deshalb muss eine neue Gleichstellungspolitik neben der unbestrittenen Diskriminierung von Frauen, zum Beispiel durch die oft fehlende Entgeltgleicht, auch die Benachteiligung von Männern innerhalb der Gesellschaft anerkennen.

Bereits in der Schule geht es los, dass hauptsächlich Lehrerinnen einen insgesamt stärker auf Mädchen ausgerichteten Lehrplan umsetzen. Die Jungs müssen in der Grundschule Stricken lernen, während technische Geräte, wie Fahrzeuge oder Computer, in den unteren Klassenstufen eine nachrangige Rolle spielen [1]. Und auch beim Klassenausflug geht es eher ins Puppentheater als auf die Kartbahn oder zu einem Sportevent. Daneben wird für Jungs oftmals schon eine eigene Meinung zum regelrechten Noten-Killer, während umgekehrt die desinteressierte Teilnahmslosigkeit von Mädchen, zum Beispiel im Politikunterricht, von den Lehrkörpern häufig als positives Nichtstören honoriert wird.
Doch auch wer die Schule hinter sich gelassen hat, wird als Mann in einigen Bereichen benachteiligt. Das betrifft ernstere Angelegenheiten, wie Sorgerechtsstreitigkeiten bei denen Männer öfters mal den Kürzeren ziehen, aber auch weniger Gravierendes, wie den kostenlosen Eintritt in Clubs oder Discos für Frauen während Männer ordentlich bezahlen dürfen.
Aber auch bei ganz normalen Jobs kann eine gewisse Form der Ausgrenzung beobachtet werden. „Bedienung gesucht, bevorzugt weiblich“, heißt es, und wenn man als Mann nicht gerade anbietet kostenlos zu arbeiten, hat man wenige Chancen auf eine Anstellung. Umgekehrt gibt es solche Einschränkungen für Frauen kaum. Eine Frau die ordentlich Power hat, bekommt auch als Stahlarbeiterin ihre Chance – wenn sie es will. Und „Taxifahrer gesucht, bevorzugt männlich“ oder ähnliches liest man auch eher selten.

Wenn neben Frauen aber auch Männer von gesellschaftlich geprägter Ungleichbehandlung betroffen sind, dann stellt sich die Frage, wieso die heutige Gleichstellungspolitik ausschließlich auf die Belange der Frauen ausgerichtet wird. Dazu kommt, dass im Gewand der Gleichstellungspolitik zum Teil eine Frauenpolitik gemacht wird, die bisweilen über das Ziel hinausschießt, und so statt der gewollten Gleichstellung sogar zusätzliche Ausgrenzungen für Männer mit sich bringt.
Da bietet ein „Kompetenzzentrum Frau und Beruf“, welches explizit zur Förderung von Frauen geschaffen wurde, mit Finanzmitteln der EU und des Landes eine Veranstaltung zum Selbstmarketing für Studentinnen an [2]. Wieso es aber notwendig ist, solche Fördermaßnahmen, die sicherlich auch dem einen oder anderen Studenten helfen könnten, auf das weibliche Geschlecht zu begrenzen, erschließt sich mir dabei nicht. Dennoch sind solche Ausgrenzungen kein Einzelfall. Die Karriere-Messe speziell für Frauen ist ein anderes Beispiel, bei dem ich nicht verstehe, wieso eine solche Veranstaltung überhaupt an ein Geschlecht gebunden werden muss [3]. Es soll ja auch Männer geben, die sich für Themen wie „Ethik und Business“ oder „Familie und Beruf“ interessieren, zu denen es Vorträge beim dazugehörigen Messe-Kongress gibt.

Und neben diesen Förderprogrammen gibt es auch noch die verschiedenen Quotenregelungen, durch die Männer immer wieder unberücksichtigt bleiben. Betrachtet man die Debatte um den Posten des neuen Generalsekretärs in der SPD, dann wird die Benachteiligung sehr deutlich. So bringt das Ziel einer Aufteilung von Parteivorsitz und Generalsekretär unter einer Frau und einem Mann mit sich, dass es neben dem Parteivorsitzenden Gabriel nun zwingend eine Generalsekretärin werden muss. Ich hätte mir auf diesem Posten auch gut Ralf Stegner vorstellen können, der in der Zeit der Koalitionsverhandlungen ein Aktivposten war und der mir mit seinen Positionen und seinem Auftreten gut gefallen hat. Das ist allerdings schon alleine wegen dieser gewollten Aufteilung unter den Geschlechtern nicht möglich.
Nun soll Yasmin Fahimi, von der ich bislang noch nichts gehört habe, dieses Amt bekleiden [4]. Ich finde, dass es ein ganzes Stück zu weit geht, wenn unter dem Gleichstellungswahn sogar der demokratische Prozess leidet. So wäre es für die SPD sicherlich gut gewesen, wenn nach der Wahlniederlage eine breite Diskussion über die Ausrichtung der Partei geführt worden wäre und man in diesem Rahmen dann auch die passende Person für die Aufgabe gesucht hätte. Man sieht damit, welche Blüten die Gleichstellungspolitik bisweilen trägt.

Aber es gibt diese starren Quotenregelungen ja auch an anderer Stelle. So ist neben der SPD auch bei Grünen oder Linken im Normalfall eine Parität bei der Besetzung von Ministerposten oder ähnlichem vorgesehen. Jetzt befürworte ich zwar selbst, mit Quoten die Beteiligung von Frauen in der Politik bzw. in Parteien zu stärken, aber es muss ja nicht gleich eine starre 50%-Quote sein. Statt einer Parität bei der Besetzung solcher Posten fände ich eine Quote von 25% für Frauen und dann auch umgekehrt für Männer sinnvoll. Damit wäre eine Mindestbeteiligung von Frauen und Männern gesichert und auch eine Gleichverteilung bei solchen Posten wäre dadurch ja nicht ausgeschlossen.
Nur die Tatsache, dass leider bei allen politischen Parteien schon bei den Mitgliederzahlen eine gewaltige Lücke zwischen Frauen und Männern klafft, lässt sich meines Erachtens nicht einfach schönquotieren. Ob sich Clara Zetkin oder Rosa Luxemburg als Vertreterinnen der linken Ideologie, Menschen unabhängig von Geschlecht, Stammbaum oder Herkunft gleich zu behandeln, wohl über diese Entwicklung der Gleichstellungspolitik freuen würden? Ich denke sie wären eher enttäuscht darüber, dass trotz dieser starken Förderung mit Quoten und Programmen im Vergleich immer noch weniger Frauen den Weg zum Beispiel zu politischen Parteien finden.

Doch zusätzlich wird es bald auch in der freien Wirtschaft eine solche Quote geben, wenn zukünftig ein gewisser Prozentsatz der Aufsichtsratsposten von Frauen besetzt werden muss. Zwar gilt für diesen Bereich, genauso wie für die Politik, dass eine stärkere Beteiligung von Frauen wünschenswert ist, aber dennoch befürchte ich, dass auch hier wieder mit gutgemeinter Gleichstellungspolitik über das Ziel hinausgeschossen wird.
Geht es nach dem Koalitionsvertrag so soll eine Quote von 30% schon 2016 eingeführt werden [5]. Dabei kann es doch aber weder das Ziel sein, per Gesetzesdekret eine Zwangsumstrukturierung funktionierender Aufsichtsgremien durchzuführen, noch scheint es sinnvoll die nächsten Aufsichtsratsposten solange nur mit Frauen zu besetzen, bis die Quote erreicht ist. Mit einem Stufenmodell und einem schrittweisen Aufbau einer Quote auf 30% wäre dem Gleichstellungsgedanken genauso gedient, ohne dass gleich alle männlichen Kandidaten über die nächsten Jahre völlig chancenlos wären. Auch wenn der Posten als Aufsichtsrat nur eine Nebentätigkeit ist und es sowieso nur wenige Personen betrifft, ist es für mich ein weiterer Beleg für eine Überdehnung der aktuellen Gleichstellungspolitik.

Neben der Anerkennung von Benachteiligungen der unterschiedlichen Geschlechter, ist daher vor allem ein Ende solcher Ausuferungen durch die einseitig auf Frauen ausgerichtete Gleichstellungspolitik erforderlich.
Insgesamt muss für eine Neuausrichtung viel stärker das Ziel der Gleichstellung aller Geschlechter in den Vordergrund gerückt werden. Es stellt sich in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Frage wie mit Personen ohne eindeutiges Geschlecht umgegangen werden soll. Stellt man neben eine 50%-Quote für Frauen noch eine 50%-Quote für Intersexuelle, wird wohl deutlich wohin eine Übertreibung der bisherigen Form der Gleichstellungspolitik führt.

Wenn eine neue Gleichstellungspolitik dazu dienen soll, dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleich behandelt werden, dürfen Quoten, die ja dem Grunde nach genau das Gegenteil machen, nur ein begleitendes Instrument sein. So halte ich einen Einsatz von Quoten zur Sicherung einer Mindestbeteiligung für sinnvoll oder auch dann, wenn sie mit dem Ziel eingesetzt werden, sich selbst überflüssig zu machen.
Abgesehen von der zu kurzen Übergansfrist stellt sich zum Beispiel bei der Quote für Aufsichtsräte die Frage, ob nicht eine höhere aber dafür zeitlich begrenzte Quote für das Ziel eines gesellschaftlichen Wandels hin zur Gleichstellung besser geeignet wäre. So könnte bis zum Jahr 2025 eine 40%-Quote aufgebaut werden, die ab dem Jahr 2030 aufgehoben oder in eine deutlich niedrigere Mindestbeteiligungsquote von 20% umgewandelt wird. Sobald die oft genannte „gläserne Decke“ durchstoßen ist, sollte prinzipiell auch die Notwendigkeit einer Quotenregelung entfallen. Denn insgesamt sollte es ja das Ziel sein, das jeweilige Geschlecht gerade nicht zu einer Hauptbedingung für die Besetzung einer Stelle zu machen, wie es aber gerade durch die Quote geschieht.
Und bei Parteien sieht man ja, wie dort solche festen Quotenvorgaben, die außerdem nicht die Tatsache berücksichtigen, dass aus welchen Gründen auch immer prozentual weniger Frauen den Weg zu den Parteien finden, sogar zu einer Begrenzung des demokratischen Entscheidungsprozesses führen können.

Damit sollte auch deutlich sein, dass mit Quoten alleine eine Gleichstellung nicht umzusetzen ist. Eine Forderung von 30% Erziehern in Kindertagesstätten wird alleine schon am Mangel männlicher Erzieher scheitern.
Insofern muss eine neue Gleichstellungspolitik stärker auf das Aufbrechen gesellschaftlicher Strukturen ausgerichtet sein. So könnte man zur Berufsorientierung in eine Schule, bildlich gesprochen, mal eine Pilotin und einen Flugbegleiter anstelle eines Piloten und einer Flugbegleiterin schicken.
Und gerade in diesem Zusammenhang wirkt es paradox, wenn mit dem Ziel der Gleichstellung explizit für Frauen Vorträge zum Thema „Beruf und Familie“ angeboten werden. Ob damit dann tatsächlich die Gleichstellung gefördert oder doch nur das konservative Rollenbild aufrechterhalten wird, ist aus meiner Sicht fraglich.
Aber auch durch die Förderung der Alleinverdiener-Ehe zum Beispiel durch die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern ohne Erwerbseinkommen bei den gesetzlichen Krankenkassen und den teilweise deutlich höheren Sozialabgaben bei Doppelverdiener-Ehen, werden Anreize für ein Familienmodell mit konservativer Rollenverteilung gesetzt [6]. Ähnliches gilt auch für das Betreuungsgeld, welches unter dem Namen Herdprämie besser bekannt ist. Mit solchen Maßnahmen wird nach der Schwangerschaftspause natürlich nicht die Rückkehr der Frau in die Berufswelt gefördert, sondern im Gegenteil das dauerhafte Ausscheiden aus dem Berufsleben begünstigt.

Dabei sollte gerade an dieser Stelle eine Frauenpolitik im Rahmen einer neuen Gleichstellungspolitik ansetzen. Bezahlte Weiterbildungen in der Babypause oder eine aktive Wiedereinstiegshilfe nach einer längeren Kinderpause wären sinnvolle Maßnahmen um Frauen zurück ins Erwerbsleben zu bringen. Umgekehrt muss aber auch für Männer die Möglichkeit verbessert werden, Familienzeiten geltend zu machen. Der Vorstoß von Arbeitsministerin Schwesig zur Familienarbeitszeit geht daher aus meiner Sicht auch in die richtige Richtung [7].
Ebenso sollte die Beitragsberechnung bei der Sozialversicherung grundsätzlich überdacht werden. Aus meiner Sicht wäre es hier sinnvoll, ähnlich wie beim Ehegattensplitting, die Sozialbeiträge an den gemeinsam veranlagten Lohn zu koppeln. Damit würden Doppelverdiener-Ehen im Bereich der Sozialabgaben im Vergleich zu Alleinverdiener-Ehen dann nicht mehr benachteiligt.
Überdies sollte eine neue Gleichstellungspolitik versuchen auf eine geschlechtergerechte Betreuung für Kinder und Jugendliche, z.B. durch entsprechende Bezugspersonen sowohl für Mädchen als auch für Jungs, in Kindertagesstätten und Schulen hinzuwirken.
So könnten private Betreuungseinrichtungen, welche eine gewisse Geschlechterquote bei den Erziehungskräften erfüllen, finanziell stärker gefördert werden. Damit werden Anreize gesetzt, die entsprechenden Kräfte einzustellen, oder bei Bedarf auch auszubilden. Ähnlich könnten auch Schulen, die sich nicht in staatlicher Trägerschaft befinden, zusätzlich gefördert werden.

Außerdem würde ich von einer neuen Gleichstellungspolitik erwarten, dass sie sich wesentlich stärker um die Einhaltung der bereits bestehenden Gesetze bemüht. In der heutigen Zeit, in der die Diskriminierung von Personen aufgrund ihres Geschlechts durch Gesetze untersagt ist, muss primär die Einhaltung dieser Gesetze gewährleistet werden.
So könnte die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen innerhalb eines Unternehmens überprüft oder wenn der Verdacht einer Diskriminierung bei der Einstellung aufkommt das Auswahlverfahren unter die Lupe genommen werden. Und dies unabhängig davon ob es sich um die Führungsposition in einem Unternehmen oder die Bedienung in einem Café handelt.

Es gibt aus meiner Sicht eine Reihe von Gründen für eine neue Gleichstellungspolitik. Die aktuell einseitige Ausrichtung auf die Belange der Frauen und die gelegentlichen Übertreibungen in dieser Richtung sind ein Grund. Aber auch die mangelnde Beachtung von Benachteiligungen gegenüber Männern oder die Fragen im Zusammenhang mit Intersexuellen, sind Gründe für die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Gleichstellungspolitik.
Dabei muss zukünftig die Gleichstellung aller Geschlechter im Vordergrund stehen und verstärkt das Aufbrechen von Rollenbildern gefördert werden. Nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung muss dafür vor allem die strukturelle Bevorzugung des konservativen Familienmodells beendet werden.
Daneben muss eine aktive geschlechterspezifische Politik zum Beispiel Müttern beim Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Kinderpause helfen oder für Väter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Auch der maßvolle Einsatz von Quoten ist ein geeignetes Mittel um die Gleichstellung zu fördern. Wichtig ist aus meiner Sicht aber auch, dass am Ende die Einhaltung dieser Regeln gewährleistet wird.


[1] Lehrpläne des NRW-Schulministeriums (Link zur entsprechenden Übersicht des Ministeriums auf www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de)

[2] Selbstmarketing-Seminar für Studentinnen (Link zur Seminarinformation auf www.regionalagentursi-wi-oe) (Seite mittlerweile entfernt)

[3] Messe-Kongress “Women&Work” (Link zur Homepage auf www.womenandwork.de) (Seite mittlerweile auf nächsten Kongress 2015 umgestellt)

[4] Artikel auf tagesschau.de vom 07.01.2014 zur designierten SPD-Generalsekretärin (Link zum Artikel auf www.tagessschau.de)

[5] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom Herbst 2013, S. 102 (Link zum Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.tagesschau.de)

[6] Doppelverdiener werden bei der Sozialversicherung benachteiligt (www.mister-ede.de – 26.02.2013)

[7] Artikel auf sueddeutsche.de vom 13.01.2014 zum Vorschlag von Manuela Schwesig (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)

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Doppelverdiener werden bei der Sozialversicherung benachteiligt http://www.mister-ede.de/politik/doppelverdiener-benachteiligt/1940 http://www.mister-ede.de/politik/doppelverdiener-benachteiligt/1940#comments Tue, 26 Feb 2013 18:35:47 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1940 Weiterlesen ]]> Ein großer Teil unseres Sozialsystems wird durch die Lohnnebenkosten finanziert. Wie durch das Steuersystem können sich auch durch die Sozialabgaben Anreize verschieben oder es kann zu Ungerechtigkeiten kommen. Betrachtet man Arbeitnehmer mit Gehältern oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen, so können diese zum einen durch private Krankenversicherungen aus dem Solidarmodell aussteigen, oder werden durch die Beitragsbemessungsgrenzen finanziell bessergestellt.

Auch auf der Arbeitgeberseite wirkt diese Ungleichbehandlung hoher Einkommen. So ist es für den Arbeitgeber billiger einem Mitarbeiter das Bruttogehalt von 70.000 auf 80.000 Euro im Jahr zu erhöhen, als von 30.000 auf 40.000 Euro. Bei unterschiedlichen Einkommensmodellen in der Ehe, kommt dieser Effekt ebenfalls zum Tragen. Auf Allein- oder Doppelverdiener-Haushalte bezogen bedeutet dies nämlich, dass es bei einem Haushaltseinkommen von 80.000 Euro finanziell geschickter ist, wenn es sich um einen Alleinverdiener handelt, der dann über die Beitragsbemessungsgrenzen kommt, als um einen Doppelverdiener-Haushalt mit zwei Einkommen unterhalb dieser Grenze.

Aber nicht nur dies wirkt nachteilig für das Doppelverdiener-Modell. Auch durch die Ausgestaltung der Krankenversicherung als Familienversicherung und gleichzeitig der Minijobs mit niedrigeren Sozialabgaben, werden die Anreize hin zu einem Alleinverdiener-Modell verzerrt. Der Hauptverdiener hängt sich mit Überstunden für den sozialabgabenfreien Zusatzverdienst über den Beitragsbemessungsgrenzen rein, während der andere Ehepartner einen sozialabgabenreduzierten Minijob macht. Zu guter Letzt lässt sich dann noch die Einkommenssteuer durch das Ehegattensplitting, das die steuerliche Benachteiligung von Alleinverdiener-Ehen ausschaltet, reduzieren. Zwar halte ich das Ehegattensplitting und die damit verbundenen Entscheidungsfreiheit der Familien für richtig, aber man muss schon feststellen, dass es als Sahnehäubchen obendrauf deutlich zeigt, welches Familienmodell durch gesetzliche Regelungen gefördert wird, und welches benachteiligt.

Anstelle einer Abschaffung des Ehegattensplittings, halte ich aber eine Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen für den besseren Weg. Wenn das Ehegattensplitting eine steuerliche Gleichstellung fördert, egal welches Einkommensmodell die Familien wählen, dann sollten einfach auch die Beitragsbemessungsgrenzen so gestaltet werden, dass sie kein Einkommensmodell bevorzugen.

Bei einer gemeinsamen Veranlagung der Einkommen sollten daher die Beitragsbemessungsgrenzen aufaddiert werden. Bei einem Alleinverdiener-Ehepaar würde der Hauptverdiener dann erst ab rund 100.000 Euro über diese Grenze kommen. Da es Ehepaaren freigestellt ist, ob sie das Einkommen trennen oder zusammennehmen, tritt hier auch keine Benachteiligung gegenüber Alleinlebenden auf, denn im Zweifel kann zu Individualbesteuerung und individuellen Sozialabgaben gewechselt werden.

Damit würde dann eine Familie nicht nur unabhängig von der Einkommensverteilung Steuern zahlen, sondern auch unabhängig davon in die Sozialversicherung einzahlen. In diesem Zusammenhang könnten aber auch z.B. Rentenansprüche gesplittet werden, so dass in einer Ehe ein gewisser Versorgungsanspruch des nichtverdienenden Ehepartners dauerhaft sichergestellt ist.

Insgesamt würde mit einer solchen Regelung für die Beitragsbemessungsgrenzen meines Erachtens dem verfassungsmäßigen Grundsatz „Ehe und Familien zu schützen“ am besten Rechnung getragen werden, weil alle Familienformen gleichbehandelt werden. Die Entscheidung wer was zum Familieneinkommen beisteuert, wird dann nicht durch Steuergesetze beeinflusst, aber eben auch nicht durch Beitragsbemessungsgrenzen und unterschiedliche Sozialbeiträge.

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Abschaffung des Ehegattensplittings verfassungswidrig? http://www.mister-ede.de/politik/abschaffung-ehegattensplitting/1878 http://www.mister-ede.de/politik/abschaffung-ehegattensplitting/1878#comments Mon, 18 Feb 2013 06:56:21 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1878 Weiterlesen ]]> Der Schutz der Ehe und der Familie ist im Grundgesetz festgeschrieben. Hierbei knüpfen sich an die Ehe sowohl Rechte, als auch Pflichten an. Zu den Rechten gehört z.B. das Aussageverweigerungsrecht vor Gericht und es gibt Vergünstigungen, wie z.B. hohe Freibeträge bei Erbschaften unter Ehepartnern. Daneben gibt es aber auch besondere Ehepflichten wie die Fürsorgepflicht. Wird ein Ehepartner arbeitslos, so muss der andere den Unterhalt alleine bestreiten. Nur wenn beide zusammen zu wenig verdienen springt der Staat mit Sozialleistungen ein.

In diesem Zusammenhang sehe ich die Abschaffung des Ehegattensplittings als kritisch an. Denn wie würde es mit dieser Pflicht nach einer Abschaffung des Ehegattensplittings aussehen? Kann die Versorgung des arbeitslosen Ehepartners dann steuerlich als Aufwand geltend gemacht werden? Oder soll der arbeitslose Ehepartner dann sogar einen eigenen Anspruch auf Sozialleistungen erhalten? Aus meiner Sicht ist das eine erste Problematik bei einer Abschaffung des Ehegattensplittings.

Eine weitere Unklarheit ergibt sich im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften. Die Ehe ist in der Regel eine Zugewinngemeinschaft. Das heißt, die Einkommen der Eheleute werden als gemeinsames Einkommen betrachtet. Bei einer Scheidung bedeutet dies, dass in der Ehe hinzugewonnene Vermögenswerte,  also Erspartes oder ein Lottogewinn, geteilt werden. Mit dem Ehegattensplitting wird dieser Zugewinngemeinschaft auch bei der Einkommenssteuer Rechnung getragen. Es bietet die Möglichkeit, das Einkommen beider Eheleute bei der Steuerfestsetzung zusammen zu veranlagen. Gerade bei Kapitaleinkünften ist es sowieso schwer festzustellen, welchem Ehepartner diese zuzurechnen sind. Wem stünden z.B. die Zinsen des gemeinsamen Kontos zu, wenn hier eine Trennung notwendig wird? Zudem kann Kapital auch leicht übertragen werden, wodurch es völlig unmöglich wird, die Einkommen wirklich getrennt zu erfassen. Durch die leichte Übertragbarkeit von Kapital entsteht so eine weitere Benachteiligung von Arbeitnehmern, bei denen der Lohn nicht einfach zwischen den Eheleuten gesplittet werden kann.

Das Hauptproblem bei einer Abschaffung sehe ich aber in der Ungleichbehandlung von Paaren mit gleichem Einkommen. Es sollte für die Steuerbemessung unerheblich sein, ob innerhalb einer Ehe nur ein Partner oder beide zum Familieneinkommen beitragen. Eine Steuergestaltung, bei der eine Verteilung von 50.000 beim einen und 0 Euro beim anderen Ehepartner eine höhere Steuer hervorruft als eine Gleichverteilung von zweimal je 25.000 Euro, könnte daher den Gleichheitsgrundsatz in Zusammenhang mit dem Schutz der Ehe verletzen.

Wenn die Ehe besonders geschützt ist, dann muss damit vor allem sichergestellt sein, dass alle Ehemodelle gleichermaßen Schutz finden. Die Alleinverdiener-Ehe darf durch den Staat aus meiner Sicht nicht schlechter gestellt werden als die Doppelverdiener-Ehe. Durch eine Abschaffung des Ehegattensplittings sehe ich aber eine solche Ungleichbehandlung als gegeben.

Gleichwohl muss man aber anmerken, dass eine andere Regelung Alleinverdiener-Familien mit Einkommen über 50.000 Euro deutlich bevorzugt. Betrachtet man die Beitragsbemessungsgrenzen für die Sozialbeiträge so stellt man fest, dass sich bei einem Familieneinkommen von 80.000 Euro die Sozialbeiträge je nach Lohnverteilung unterscheiden. Der Arbeitnehmeranteil bei Alleinverdienern liegt bei rund 12.000 Euro, während bei zwei Verdienern je 40.000 Euro der Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung rund 16.000 Euro beträgt. Hierbei sind die Arbeitgeberbeträge noch nicht berücksichtigt [1].

Was die Beitragsbemessungsgrenzen angeht, sollte aus meiner Sicht etwas gemacht werden, wenn es aber um das Ehegattensplitting geht, bin ich dafür, dieses beizubehalten, egal ob eine Abschaffung verfassungskonform oder verfassungswidrig ist.

[Anmerkung: Vor dem Online-Stellen bin ich bei der Keyword-Recherche auf einen undatierten Beitrag  „Abschaffung des Ehegattensplittings ist verfassungswidrig“ von Dr. Hanjo Allinger auf der Seite der Uni Passau gestoßen. Dass er auch ein Beispiel mit genau 50.000 Euro verwendet ist wohl Zufall, aber insgesamt gibt es einige Überschneidungen. Deshalb weise ich vorsichtshalber darauf hin, dass mein Artikel völlig unabhängig entstanden ist. Sehr interessant sind aber im Zusammenhang mit dem Ehegattensplitting auch seine Ausführungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1957. (Link zum PDF-File auf www.wiwi.uni-passau.de - inzwischen nicht mehr abrufbar)]


[1] Berechnet mit dem Gehaltsrechner auf sueddeutsche.de (Link zum Gehaltsrechner auf www.sueddeutsche.de)

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