Abschaffung des Ehegattensplittings verfassungswidrig?

Der Schutz der Ehe und der Familie ist im Grundgesetz festgeschrieben. Hierbei knüpfen sich an die Ehe sowohl Rechte, als auch Pflichten an. Zu den Rechten gehört z.B. das Aussageverweigerungsrecht vor Gericht und es gibt Vergünstigungen, wie z.B. hohe Freibeträge bei Erbschaften unter Ehepartnern. Daneben gibt es aber auch besondere Ehepflichten wie die Fürsorgepflicht. Wird ein Ehepartner arbeitslos, so muss der andere den Unterhalt alleine bestreiten. Nur wenn beide zusammen zu wenig verdienen springt der Staat mit Sozialleistungen ein.

In diesem Zusammenhang sehe ich die Abschaffung des Ehegattensplittings als kritisch an. Denn wie würde es mit dieser Pflicht nach einer Abschaffung des Ehegattensplittings aussehen? Kann die Versorgung des arbeitslosen Ehepartners dann steuerlich als Aufwand geltend gemacht werden? Oder soll der arbeitslose Ehepartner dann sogar einen eigenen Anspruch auf Sozialleistungen erhalten? Aus meiner Sicht ist das eine erste Problematik bei einer Abschaffung des Ehegattensplittings.

Eine weitere Unklarheit ergibt sich im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften. Die Ehe ist in der Regel eine Zugewinngemeinschaft. Das heißt, die Einkommen der Eheleute werden als gemeinsames Einkommen betrachtet. Bei einer Scheidung bedeutet dies, dass in der Ehe hinzugewonnene Vermögenswerte,  also Erspartes oder ein Lottogewinn, geteilt werden. Mit dem Ehegattensplitting wird dieser Zugewinngemeinschaft auch bei der Einkommenssteuer Rechnung getragen. Es bietet die Möglichkeit, das Einkommen beider Eheleute bei der Steuerfestsetzung zusammen zu veranlagen. Gerade bei Kapitaleinkünften ist es sowieso schwer festzustellen, welchem Ehepartner diese zuzurechnen sind. Wem stünden z.B. die Zinsen des gemeinsamen Kontos zu, wenn hier eine Trennung notwendig wird? Zudem kann Kapital auch leicht übertragen werden, wodurch es völlig unmöglich wird, die Einkommen wirklich getrennt zu erfassen. Durch die leichte Übertragbarkeit von Kapital entsteht so eine weitere Benachteiligung von Arbeitnehmern, bei denen der Lohn nicht einfach zwischen den Eheleuten gesplittet werden kann.

Das Hauptproblem bei einer Abschaffung sehe ich aber in der Ungleichbehandlung von Paaren mit gleichem Einkommen. Es sollte für die Steuerbemessung unerheblich sein, ob innerhalb einer Ehe nur ein Partner oder beide zum Familieneinkommen beitragen. Eine Steuergestaltung, bei der eine Verteilung von 50.000 beim einen und 0 Euro beim anderen Ehepartner eine höhere Steuer hervorruft als eine Gleichverteilung von zweimal je 25.000 Euro, könnte daher den Gleichheitsgrundsatz in Zusammenhang mit dem Schutz der Ehe verletzen.

Wenn die Ehe besonders geschützt ist, dann muss damit vor allem sichergestellt sein, dass alle Ehemodelle gleichermaßen Schutz finden. Die Alleinverdiener-Ehe darf durch den Staat aus meiner Sicht nicht schlechter gestellt werden als die Doppelverdiener-Ehe. Durch eine Abschaffung des Ehegattensplittings sehe ich aber eine solche Ungleichbehandlung als gegeben.

Gleichwohl muss man aber anmerken, dass eine andere Regelung Alleinverdiener-Familien mit Einkommen über 50.000 Euro deutlich bevorzugt. Betrachtet man die Beitragsbemessungsgrenzen für die Sozialbeiträge so stellt man fest, dass sich bei einem Familieneinkommen von 80.000 Euro die Sozialbeiträge je nach Lohnverteilung unterscheiden. Der Arbeitnehmeranteil bei Alleinverdienern liegt bei rund 12.000 Euro, während bei zwei Verdienern je 40.000 Euro der Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung rund 16.000 Euro beträgt. Hierbei sind die Arbeitgeberbeträge noch nicht berücksichtigt [1].

Was die Beitragsbemessungsgrenzen angeht, sollte aus meiner Sicht etwas gemacht werden, wenn es aber um das Ehegattensplitting geht, bin ich dafür, dieses beizubehalten, egal ob eine Abschaffung verfassungskonform oder verfassungswidrig ist.

[Anmerkung: Vor dem Online-Stellen bin ich bei der Keyword-Recherche auf einen undatierten Beitrag  „Abschaffung des Ehegattensplittings ist verfassungswidrig“ von Dr. Hanjo Allinger auf der Seite der Uni Passau gestoßen. Dass er auch ein Beispiel mit genau 50.000 Euro verwendet ist wohl Zufall, aber insgesamt gibt es einige Überschneidungen. Deshalb weise ich vorsichtshalber darauf hin, dass mein Artikel völlig unabhängig entstanden ist. Sehr interessant sind aber im Zusammenhang mit dem Ehegattensplitting auch seine Ausführungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1957. (Link zum PDF-File auf www.wiwi.uni-passau.de - inzwischen nicht mehr abrufbar)]


[1] Berechnet mit dem Gehaltsrechner auf sueddeutsche.de (Link zum Gehaltsrechner auf www.sueddeutsche.de)

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