mister-ede.de » Diskriminierung https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Warum wir eine neue Gleichstellungspolitik brauchen https://www.mister-ede.de/politik/neue-gleichstellungspolitik/2350 https://www.mister-ede.de/politik/neue-gleichstellungspolitik/2350#comments Fri, 17 Jan 2014 19:55:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2350 Weiterlesen ]]> Betrachtet man die heutige Gleichstellungspolitik in Deutschland, dann handelt es sich in den allermeisten Fällen um reine Frauenpolitik. So zeigt schon die Namensgebung des „Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“, wie die Gleichstellungspolitik auf die Belange der Frauen verengt wird.
Allerdings befinden wir uns heute, anders als noch vor weniger als hundert Jahren, in einer Zeit, in welcher Frauen nicht mehr durch Gesetze diskriminiert und benachteiligt werden. So wichtig es war, die Frauenrechte bis hin zur heutigen gesetzlichen Gleichbehandlung zu stärken, so notwendig ist es daher nun, die Gleichstellungspolitik auf die heutigen Gegebenheiten anzupassen.
Unterlässt man eine solche Reform und setzt weiterhin nur eine einseitige Förderpolitik für Frauen fort, wird die Gleichstellungspolitik auf Dauer immer stärker zu einer Benachteiligungspolitik für Männer werden.
Deshalb muss eine neue Gleichstellungspolitik neben der unbestrittenen Diskriminierung von Frauen, zum Beispiel durch die oft fehlende Entgeltgleicht, auch die Benachteiligung von Männern innerhalb der Gesellschaft anerkennen.

Bereits in der Schule geht es los, dass hauptsächlich Lehrerinnen einen insgesamt stärker auf Mädchen ausgerichteten Lehrplan umsetzen. Die Jungs müssen in der Grundschule Stricken lernen, während technische Geräte, wie Fahrzeuge oder Computer, in den unteren Klassenstufen eine nachrangige Rolle spielen [1]. Und auch beim Klassenausflug geht es eher ins Puppentheater als auf die Kartbahn oder zu einem Sportevent. Daneben wird für Jungs oftmals schon eine eigene Meinung zum regelrechten Noten-Killer, während umgekehrt die desinteressierte Teilnahmslosigkeit von Mädchen, zum Beispiel im Politikunterricht, von den Lehrkörpern häufig als positives Nichtstören honoriert wird.
Doch auch wer die Schule hinter sich gelassen hat, wird als Mann in einigen Bereichen benachteiligt. Das betrifft ernstere Angelegenheiten, wie Sorgerechtsstreitigkeiten bei denen Männer öfters mal den Kürzeren ziehen, aber auch weniger Gravierendes, wie den kostenlosen Eintritt in Clubs oder Discos für Frauen während Männer ordentlich bezahlen dürfen.
Aber auch bei ganz normalen Jobs kann eine gewisse Form der Ausgrenzung beobachtet werden. „Bedienung gesucht, bevorzugt weiblich“, heißt es, und wenn man als Mann nicht gerade anbietet kostenlos zu arbeiten, hat man wenige Chancen auf eine Anstellung. Umgekehrt gibt es solche Einschränkungen für Frauen kaum. Eine Frau die ordentlich Power hat, bekommt auch als Stahlarbeiterin ihre Chance – wenn sie es will. Und „Taxifahrer gesucht, bevorzugt männlich“ oder ähnliches liest man auch eher selten.

Wenn neben Frauen aber auch Männer von gesellschaftlich geprägter Ungleichbehandlung betroffen sind, dann stellt sich die Frage, wieso die heutige Gleichstellungspolitik ausschließlich auf die Belange der Frauen ausgerichtet wird. Dazu kommt, dass im Gewand der Gleichstellungspolitik zum Teil eine Frauenpolitik gemacht wird, die bisweilen über das Ziel hinausschießt, und so statt der gewollten Gleichstellung sogar zusätzliche Ausgrenzungen für Männer mit sich bringt.
Da bietet ein „Kompetenzzentrum Frau und Beruf“, welches explizit zur Förderung von Frauen geschaffen wurde, mit Finanzmitteln der EU und des Landes eine Veranstaltung zum Selbstmarketing für Studentinnen an [2]. Wieso es aber notwendig ist, solche Fördermaßnahmen, die sicherlich auch dem einen oder anderen Studenten helfen könnten, auf das weibliche Geschlecht zu begrenzen, erschließt sich mir dabei nicht. Dennoch sind solche Ausgrenzungen kein Einzelfall. Die Karriere-Messe speziell für Frauen ist ein anderes Beispiel, bei dem ich nicht verstehe, wieso eine solche Veranstaltung überhaupt an ein Geschlecht gebunden werden muss [3]. Es soll ja auch Männer geben, die sich für Themen wie „Ethik und Business“ oder „Familie und Beruf“ interessieren, zu denen es Vorträge beim dazugehörigen Messe-Kongress gibt.

Und neben diesen Förderprogrammen gibt es auch noch die verschiedenen Quotenregelungen, durch die Männer immer wieder unberücksichtigt bleiben. Betrachtet man die Debatte um den Posten des neuen Generalsekretärs in der SPD, dann wird die Benachteiligung sehr deutlich. So bringt das Ziel einer Aufteilung von Parteivorsitz und Generalsekretär unter einer Frau und einem Mann mit sich, dass es neben dem Parteivorsitzenden Gabriel nun zwingend eine Generalsekretärin werden muss. Ich hätte mir auf diesem Posten auch gut Ralf Stegner vorstellen können, der in der Zeit der Koalitionsverhandlungen ein Aktivposten war und der mir mit seinen Positionen und seinem Auftreten gut gefallen hat. Das ist allerdings schon alleine wegen dieser gewollten Aufteilung unter den Geschlechtern nicht möglich.
Nun soll Yasmin Fahimi, von der ich bislang noch nichts gehört habe, dieses Amt bekleiden [4]. Ich finde, dass es ein ganzes Stück zu weit geht, wenn unter dem Gleichstellungswahn sogar der demokratische Prozess leidet. So wäre es für die SPD sicherlich gut gewesen, wenn nach der Wahlniederlage eine breite Diskussion über die Ausrichtung der Partei geführt worden wäre und man in diesem Rahmen dann auch die passende Person für die Aufgabe gesucht hätte. Man sieht damit, welche Blüten die Gleichstellungspolitik bisweilen trägt.

Aber es gibt diese starren Quotenregelungen ja auch an anderer Stelle. So ist neben der SPD auch bei Grünen oder Linken im Normalfall eine Parität bei der Besetzung von Ministerposten oder ähnlichem vorgesehen. Jetzt befürworte ich zwar selbst, mit Quoten die Beteiligung von Frauen in der Politik bzw. in Parteien zu stärken, aber es muss ja nicht gleich eine starre 50%-Quote sein. Statt einer Parität bei der Besetzung solcher Posten fände ich eine Quote von 25% für Frauen und dann auch umgekehrt für Männer sinnvoll. Damit wäre eine Mindestbeteiligung von Frauen und Männern gesichert und auch eine Gleichverteilung bei solchen Posten wäre dadurch ja nicht ausgeschlossen.
Nur die Tatsache, dass leider bei allen politischen Parteien schon bei den Mitgliederzahlen eine gewaltige Lücke zwischen Frauen und Männern klafft, lässt sich meines Erachtens nicht einfach schönquotieren. Ob sich Clara Zetkin oder Rosa Luxemburg als Vertreterinnen der linken Ideologie, Menschen unabhängig von Geschlecht, Stammbaum oder Herkunft gleich zu behandeln, wohl über diese Entwicklung der Gleichstellungspolitik freuen würden? Ich denke sie wären eher enttäuscht darüber, dass trotz dieser starken Förderung mit Quoten und Programmen im Vergleich immer noch weniger Frauen den Weg zum Beispiel zu politischen Parteien finden.

Doch zusätzlich wird es bald auch in der freien Wirtschaft eine solche Quote geben, wenn zukünftig ein gewisser Prozentsatz der Aufsichtsratsposten von Frauen besetzt werden muss. Zwar gilt für diesen Bereich, genauso wie für die Politik, dass eine stärkere Beteiligung von Frauen wünschenswert ist, aber dennoch befürchte ich, dass auch hier wieder mit gutgemeinter Gleichstellungspolitik über das Ziel hinausgeschossen wird.
Geht es nach dem Koalitionsvertrag so soll eine Quote von 30% schon 2016 eingeführt werden [5]. Dabei kann es doch aber weder das Ziel sein, per Gesetzesdekret eine Zwangsumstrukturierung funktionierender Aufsichtsgremien durchzuführen, noch scheint es sinnvoll die nächsten Aufsichtsratsposten solange nur mit Frauen zu besetzen, bis die Quote erreicht ist. Mit einem Stufenmodell und einem schrittweisen Aufbau einer Quote auf 30% wäre dem Gleichstellungsgedanken genauso gedient, ohne dass gleich alle männlichen Kandidaten über die nächsten Jahre völlig chancenlos wären. Auch wenn der Posten als Aufsichtsrat nur eine Nebentätigkeit ist und es sowieso nur wenige Personen betrifft, ist es für mich ein weiterer Beleg für eine Überdehnung der aktuellen Gleichstellungspolitik.

Neben der Anerkennung von Benachteiligungen der unterschiedlichen Geschlechter, ist daher vor allem ein Ende solcher Ausuferungen durch die einseitig auf Frauen ausgerichtete Gleichstellungspolitik erforderlich.
Insgesamt muss für eine Neuausrichtung viel stärker das Ziel der Gleichstellung aller Geschlechter in den Vordergrund gerückt werden. Es stellt sich in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Frage wie mit Personen ohne eindeutiges Geschlecht umgegangen werden soll. Stellt man neben eine 50%-Quote für Frauen noch eine 50%-Quote für Intersexuelle, wird wohl deutlich wohin eine Übertreibung der bisherigen Form der Gleichstellungspolitik führt.

Wenn eine neue Gleichstellungspolitik dazu dienen soll, dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleich behandelt werden, dürfen Quoten, die ja dem Grunde nach genau das Gegenteil machen, nur ein begleitendes Instrument sein. So halte ich einen Einsatz von Quoten zur Sicherung einer Mindestbeteiligung für sinnvoll oder auch dann, wenn sie mit dem Ziel eingesetzt werden, sich selbst überflüssig zu machen.
Abgesehen von der zu kurzen Übergansfrist stellt sich zum Beispiel bei der Quote für Aufsichtsräte die Frage, ob nicht eine höhere aber dafür zeitlich begrenzte Quote für das Ziel eines gesellschaftlichen Wandels hin zur Gleichstellung besser geeignet wäre. So könnte bis zum Jahr 2025 eine 40%-Quote aufgebaut werden, die ab dem Jahr 2030 aufgehoben oder in eine deutlich niedrigere Mindestbeteiligungsquote von 20% umgewandelt wird. Sobald die oft genannte „gläserne Decke“ durchstoßen ist, sollte prinzipiell auch die Notwendigkeit einer Quotenregelung entfallen. Denn insgesamt sollte es ja das Ziel sein, das jeweilige Geschlecht gerade nicht zu einer Hauptbedingung für die Besetzung einer Stelle zu machen, wie es aber gerade durch die Quote geschieht.
Und bei Parteien sieht man ja, wie dort solche festen Quotenvorgaben, die außerdem nicht die Tatsache berücksichtigen, dass aus welchen Gründen auch immer prozentual weniger Frauen den Weg zu den Parteien finden, sogar zu einer Begrenzung des demokratischen Entscheidungsprozesses führen können.

Damit sollte auch deutlich sein, dass mit Quoten alleine eine Gleichstellung nicht umzusetzen ist. Eine Forderung von 30% Erziehern in Kindertagesstätten wird alleine schon am Mangel männlicher Erzieher scheitern.
Insofern muss eine neue Gleichstellungspolitik stärker auf das Aufbrechen gesellschaftlicher Strukturen ausgerichtet sein. So könnte man zur Berufsorientierung in eine Schule, bildlich gesprochen, mal eine Pilotin und einen Flugbegleiter anstelle eines Piloten und einer Flugbegleiterin schicken.
Und gerade in diesem Zusammenhang wirkt es paradox, wenn mit dem Ziel der Gleichstellung explizit für Frauen Vorträge zum Thema „Beruf und Familie“ angeboten werden. Ob damit dann tatsächlich die Gleichstellung gefördert oder doch nur das konservative Rollenbild aufrechterhalten wird, ist aus meiner Sicht fraglich.
Aber auch durch die Förderung der Alleinverdiener-Ehe zum Beispiel durch die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern ohne Erwerbseinkommen bei den gesetzlichen Krankenkassen und den teilweise deutlich höheren Sozialabgaben bei Doppelverdiener-Ehen, werden Anreize für ein Familienmodell mit konservativer Rollenverteilung gesetzt [6]. Ähnliches gilt auch für das Betreuungsgeld, welches unter dem Namen Herdprämie besser bekannt ist. Mit solchen Maßnahmen wird nach der Schwangerschaftspause natürlich nicht die Rückkehr der Frau in die Berufswelt gefördert, sondern im Gegenteil das dauerhafte Ausscheiden aus dem Berufsleben begünstigt.

Dabei sollte gerade an dieser Stelle eine Frauenpolitik im Rahmen einer neuen Gleichstellungspolitik ansetzen. Bezahlte Weiterbildungen in der Babypause oder eine aktive Wiedereinstiegshilfe nach einer längeren Kinderpause wären sinnvolle Maßnahmen um Frauen zurück ins Erwerbsleben zu bringen. Umgekehrt muss aber auch für Männer die Möglichkeit verbessert werden, Familienzeiten geltend zu machen. Der Vorstoß von Arbeitsministerin Schwesig zur Familienarbeitszeit geht daher aus meiner Sicht auch in die richtige Richtung [7].
Ebenso sollte die Beitragsberechnung bei der Sozialversicherung grundsätzlich überdacht werden. Aus meiner Sicht wäre es hier sinnvoll, ähnlich wie beim Ehegattensplitting, die Sozialbeiträge an den gemeinsam veranlagten Lohn zu koppeln. Damit würden Doppelverdiener-Ehen im Bereich der Sozialabgaben im Vergleich zu Alleinverdiener-Ehen dann nicht mehr benachteiligt.
Überdies sollte eine neue Gleichstellungspolitik versuchen auf eine geschlechtergerechte Betreuung für Kinder und Jugendliche, z.B. durch entsprechende Bezugspersonen sowohl für Mädchen als auch für Jungs, in Kindertagesstätten und Schulen hinzuwirken.
So könnten private Betreuungseinrichtungen, welche eine gewisse Geschlechterquote bei den Erziehungskräften erfüllen, finanziell stärker gefördert werden. Damit werden Anreize gesetzt, die entsprechenden Kräfte einzustellen, oder bei Bedarf auch auszubilden. Ähnlich könnten auch Schulen, die sich nicht in staatlicher Trägerschaft befinden, zusätzlich gefördert werden.

Außerdem würde ich von einer neuen Gleichstellungspolitik erwarten, dass sie sich wesentlich stärker um die Einhaltung der bereits bestehenden Gesetze bemüht. In der heutigen Zeit, in der die Diskriminierung von Personen aufgrund ihres Geschlechts durch Gesetze untersagt ist, muss primär die Einhaltung dieser Gesetze gewährleistet werden.
So könnte die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen innerhalb eines Unternehmens überprüft oder wenn der Verdacht einer Diskriminierung bei der Einstellung aufkommt das Auswahlverfahren unter die Lupe genommen werden. Und dies unabhängig davon ob es sich um die Führungsposition in einem Unternehmen oder die Bedienung in einem Café handelt.

Es gibt aus meiner Sicht eine Reihe von Gründen für eine neue Gleichstellungspolitik. Die aktuell einseitige Ausrichtung auf die Belange der Frauen und die gelegentlichen Übertreibungen in dieser Richtung sind ein Grund. Aber auch die mangelnde Beachtung von Benachteiligungen gegenüber Männern oder die Fragen im Zusammenhang mit Intersexuellen, sind Gründe für die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Gleichstellungspolitik.
Dabei muss zukünftig die Gleichstellung aller Geschlechter im Vordergrund stehen und verstärkt das Aufbrechen von Rollenbildern gefördert werden. Nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung muss dafür vor allem die strukturelle Bevorzugung des konservativen Familienmodells beendet werden.
Daneben muss eine aktive geschlechterspezifische Politik zum Beispiel Müttern beim Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Kinderpause helfen oder für Väter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Auch der maßvolle Einsatz von Quoten ist ein geeignetes Mittel um die Gleichstellung zu fördern. Wichtig ist aus meiner Sicht aber auch, dass am Ende die Einhaltung dieser Regeln gewährleistet wird.


[1] Lehrpläne des NRW-Schulministeriums (Link zur entsprechenden Übersicht des Ministeriums auf www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de)

[2] Selbstmarketing-Seminar für Studentinnen (Link zur Seminarinformation auf www.regionalagentursi-wi-oe) (Seite mittlerweile entfernt)

[3] Messe-Kongress “Women&Work” (Link zur Homepage auf www.womenandwork.de) (Seite mittlerweile auf nächsten Kongress 2015 umgestellt)

[4] Artikel auf tagesschau.de vom 07.01.2014 zur designierten SPD-Generalsekretärin (Link zum Artikel auf www.tagessschau.de)

[5] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom Herbst 2013, S. 102 (Link zum Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.tagesschau.de)

[6] Doppelverdiener werden bei der Sozialversicherung benachteiligt (www.mister-ede.de – 26.02.2013)

[7] Artikel auf sueddeutsche.de vom 13.01.2014 zum Vorschlag von Manuela Schwesig (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)

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Erwartung und Risiko in einer Marktwirtschaft https://www.mister-ede.de/politik/erwartung-und-risiko/1061 https://www.mister-ede.de/politik/erwartung-und-risiko/1061#comments Fri, 08 Jun 2012 06:39:57 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1061 Weiterlesen ]]> Innerhalb einer Marktwirtschaft entscheidet die Erwartung von Aufwand und Ertrag über den Abschluss eines Handels. Jeder Mensch bewertet für sich individuell diese beiden Faktoren. Je stärker eine Handlung unsere Bedürfnisse befriedigt, desto höher ist ihr Ertrag. Je weniger dafür an Vorhandenem geopfert werden muss, desto niedriger ist der Aufwand. Ist der Ertrag höher als der Aufwand, dann hat der Handel einen Nutzen, ansonsten schadet er. Entsprechen sich Aufwand und Nutzen, so ist der Handel neutral.
Für die Bewertung ist am Ende aber nicht der tatsächlichen Effekt, sondern die Erwartung ausschlaggebend. Die Erwartung ist zukunftsabhängig und subjektiv, wodurch sich eine gewisse Unsicherheit ergibt. Die unsichere Aussage über die Zukunft führt damit zu einem Risikofaktor für Ertrag und Aufwand. Dieser Risikofaktor muss dementsprechend auch bei allen Handlungen berücksichtigt werden. Für Geschäfte des täglichen Lebens kann dieser Risikofaktor aber als vernachlässigbar gering eingeschätzt werden. Zwar kann die Kassiererin das Geld, mit welchem man bezahlt hat, an der Kasse einfach als eigenes bezeichnen, aber dieses Risiko werden wir gar nicht als solches wahrnehmen. Im Ausland wird man vielleicht schon vorsichtiger.

Für Ertrag und Aufwand bedeutet dies, dass nicht nur der tatsächliche Nutzen, sondern auch das Risiko berücksichtigt werden muss. Würde ich Ihnen in der Fußgängerzone begegnen, und Sie bitten mir einen 10-Euro Schein in zwei 5-Euro-Scheine zu wechseln, so würden Sie genau dann wechseln, wenn für Sie der Nutzen (Ertrag – Aufwand) höher ist als das Risiko. Hätten Sie keinen Ertrag davon anderen Menschen zu helfen, würden Sie wahrscheinlich nicht einmal nachschauen, ob Sie wechseln können. Je stärker hierbei die Unsicherheit ist, desto höher muss der Nutzen sein. Je weniger vertrauenswürdig ich wirke, desto eher werden Sie sich gegen das Wechseln entscheiden.
Wirkliche Bedeutung gewinnt das Risiko aber bei Dauerschuldverhältnissen. Man kann versuchen durch Regelungen, wie eine Kaution im Mietvertrag oder eine Probezeit im Arbeitsvertrag, das Risiko selbst zu minimieren. Im Kreditvertrag ist eine Risikominimierung für den Kreditgeber durch das Hinterlegen von Sicherheiten möglich. Verbleibt dennoch ein erhöhtes Risiko, dann stellt sich die Frage wie dieses unter den Handelspartnern verteilt wird.

Ähnlich dem Nutzen wird sich das Risiko entsprechend der Machtposition der Handelnden verteilen. Je nach Situation können sogar dieselben Handelnden zu völlig unterschiedlichen Vertragsergebnissen kommen. Betrachtet man das Aushandeln eines Arbeitsvertrages, so kann ein Unternehmen zu einem Zeitpunkt dringender einen Arbeitnehmer suchen als zu einem anderen Zeitpunkt. Umgekehrt kann sich der Arbeitnehmer aus einer Anstellung heraus bewerben oder arbeitslos sein. Die Höhe des Gehaltes, die Arbeitszeit oder der Urlaubsanspruch werden sich nach der jeweiligen Verhandlungsposition richten. Aber auch die Frage, ob z.B. der Arbeitgeber eine Probezeit in den Vertrag aufnehmen wird, hängt von den beiden Verhandlungspositionen ab. Bei einer Probezeit trägt eher der Arbeitnehmer das Risiko einer Kündigung. Ohne Probezeit trägt eher der Arbeitgeber das Risiko, bei einer schlechten Einstellung den Arbeitnehmer nicht einfach entlassen zu können. So wird auch das Risiko ähnlich dem Nutzen in Abhängigkeit des Machtverhältnisses verteilt werden.

Bei einem Kreditvertrag wird regelmäßig der Kreditnehmer den Großteil des Risikos durch Zinsaufschläge tragen müssen, weil der Kreditgeber selten auf die Vergabe eines Kredites angewiesen ist, während ein Kreditnehmer meistens den Wunsch oder gar Zwang einer Kreditaufnahme hat. Durch die Ungleichverteilung der Macht kann es hier sogar zu ungewünschtem Wucher kommen, wenn der Kreditgeber eine Notsituation unter dem Vorwand des Risikoaufschlags ausnutzt. Dies kann bei dubiosen Geldverleihern genauso auftreten, wie bei der Refinanzierung von Banken und Staaten. So ist eine Grenzziehung zwischen gerechtfertigter Differenzierung und ungerechter Diskriminierung auch schwer möglich. Objektiv kann man nicht sagen ab wann Wucher beginnt, man kann lediglich einen Wert hierfür festlegen.
Der umgekehrte Fall, also die völlige Gleichbehandlung kann aber ebenfalls schwerwiegende Folgen haben. Betrachtet man die Immobilienblase in den USA, dann sieht man wohin es führt, wenn plötzlich Banken auf Teufel komm raus Kredite vergeben ohne den notwendigen Risikoaufschlag zu nehmen. Ähnliches gilt für den spanischen Immobilien-Boom.

Exkurs: Währungsrisiko

Die Risiken können sich auf sehr viele Ebenen verteilen. Neben dem Ausfallrisiko ist das Währungsrisiko ein Aspekt, welcher in der verzahnten internationalen Wirtschaft immer stärker in den Mittelpunkt rückt. Schwankende Wechselkurse müssen regelmäßig von den Handelnden durch Risikoaufschläge oder Versicherungen ausgeglichen werden. Mit dem Ziel dieses Risiko zu minimieren wurde auch damals die europäische Währungsschlange und später die europäische Binnenwährung beschlossen. Diese führt zu deutlich mehr Planungssicherheit und damit zum Entfall von Risikoaufschlägen, sowohl im Inland, als auch im Euro-Ausland.


Ähnliche Artikel:
Die Struktur unserer Wirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)

Macht und Marktwirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)

Der Zusammenhang von Bonität und Rentabilität (www.mister-ede.de – 08.06.2012)

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ARD macht auf BILD-Zeitung https://www.mister-ede.de/politik/ard-macht-auf-bild-zeitung/375 https://www.mister-ede.de/politik/ard-macht-auf-bild-zeitung/375#comments Tue, 14 Feb 2012 15:03:51 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=375 Weiterlesen ]]> Auf der Homepage von ARD.de ist heute ein Kommentar von Klaus Sturm (SWR) veröffentlicht worden. Das Thema war ein Vorschlag der Jungen Union, Kinderlose mit einer „Strafsteuer“ zu belegen. Der Titel lautete „Billiger Populismus aus der jungen konservativen Ecke“. In dem Artikel wirft Herr Sturm der konservativen Ecke „dumme und ignorante Denkansätze“ und „pure Diskriminierung“ vor. Herr Sturm trommelte laut, aber hat doch deutlichen Widerspruch erhalten.

Sachlich argumentiert gilt: „Die Förderung des einen ist immer auch eine Benachteiligung des anderen“. Aber es gibt gute Gründe z.B. Kinder durch Kindergeld oder Eltern durch Elterngeld zu fördern. Herr Sturm käme wohl kaum auf die Idee, das Kindergeld abzuschaffen oder es als Diskriminierung von Kinderlosen zu sehen. Daher kann man die vorgeworfene Diskriminierung genauso als Populismus bezeichnen. Mein Schluss ist, dass sowohl der Vorschlag der Union, als auch der Kommentar von Herrn Sturm „dumme und ignorante Denkansätze“ sind.

Meine Vermutung war, dass die ARD mittlerweile auch gerne mal skandalisiert und BILD-Zeitung spielt. Weil ich mir nicht sicher war, ob einige Kommentare zensiert würden, habe ich diese hier noch einmal eingestellt.

Kommentar 1: Herr Stein, hat sich zu einem Machwerk hinreißen lassen. Ohne die tatsächlichen Fakten zu benennen, hat er eine plakative Meinung dargestellt. Es ist zwar keine „journalistische Nachricht“ sondern ein „Kommentar“, aber auch das sollte nicht dazu führen, dass bloße Behauptungen in den Raum geschmissen werden. Für ausgewogene Kommentare bitte nochmal bei Herrn Deppendorf üben. Kindergeld ist nach Vorstellungen von Stein wohl die Strafe für Kinderlose, eine Diskriminierung ungeahnten Ausmaßes. Wie plump und platt.

Kommentar 2: Und dafür gibt es Kindergeld oder Elterngeld. Das empfindet doch auch keiner als Diskriminierung. Hier wird aus einem Vorschlag, der nicht sinnig ist (Weil es schon Förderung gibt und damit eine „Benachteiligung“ der Kinderlosen), eine Story, die noch unsinniger ist, gemacht. Dafür GEZ zu zahlen ist schon bitter.

Kommentar von Klaus Sturm vom 14.02.2012 (www.tagesschau.de)

Link zum Tagesschau-Forum des Beitrags (www.tagesschau.de)

Nachtrag: Der Beitrag ist mit Abstand der meistkommentierte auf der ARD-Seite in den letzten Tagen. Ich denke, das bestätigt meine Vermutung, dass man mit dieser Form der Schlagzeile einfach viel Aufmerksamkeit erhält. Bewusstes Skandalisieren will ich aber eigentlich bei einem öffentlich-rechtlichen Sender nicht haben.

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