Erwartung und Risiko in einer Marktwirtschaft

Innerhalb einer Marktwirtschaft entscheidet die Erwartung von Aufwand und Ertrag über den Abschluss eines Handels. Jeder Mensch bewertet für sich individuell diese beiden Faktoren. Je stärker eine Handlung unsere Bedürfnisse befriedigt, desto höher ist ihr Ertrag. Je weniger dafür an Vorhandenem geopfert werden muss, desto niedriger ist der Aufwand. Ist der Ertrag höher als der Aufwand, dann hat der Handel einen Nutzen, ansonsten schadet er. Entsprechen sich Aufwand und Nutzen, so ist der Handel neutral.
Für die Bewertung ist am Ende aber nicht der tatsächlichen Effekt, sondern die Erwartung ausschlaggebend. Die Erwartung ist zukunftsabhängig und subjektiv, wodurch sich eine gewisse Unsicherheit ergibt. Die unsichere Aussage über die Zukunft führt damit zu einem Risikofaktor für Ertrag und Aufwand. Dieser Risikofaktor muss dementsprechend auch bei allen Handlungen berücksichtigt werden. Für Geschäfte des täglichen Lebens kann dieser Risikofaktor aber als vernachlässigbar gering eingeschätzt werden. Zwar kann die Kassiererin das Geld, mit welchem man bezahlt hat, an der Kasse einfach als eigenes bezeichnen, aber dieses Risiko werden wir gar nicht als solches wahrnehmen. Im Ausland wird man vielleicht schon vorsichtiger.

Für Ertrag und Aufwand bedeutet dies, dass nicht nur der tatsächliche Nutzen, sondern auch das Risiko berücksichtigt werden muss. Würde ich Ihnen in der Fußgängerzone begegnen, und Sie bitten mir einen 10-Euro Schein in zwei 5-Euro-Scheine zu wechseln, so würden Sie genau dann wechseln, wenn für Sie der Nutzen (Ertrag – Aufwand) höher ist als das Risiko. Hätten Sie keinen Ertrag davon anderen Menschen zu helfen, würden Sie wahrscheinlich nicht einmal nachschauen, ob Sie wechseln können. Je stärker hierbei die Unsicherheit ist, desto höher muss der Nutzen sein. Je weniger vertrauenswürdig ich wirke, desto eher werden Sie sich gegen das Wechseln entscheiden.
Wirkliche Bedeutung gewinnt das Risiko aber bei Dauerschuldverhältnissen. Man kann versuchen durch Regelungen, wie eine Kaution im Mietvertrag oder eine Probezeit im Arbeitsvertrag, das Risiko selbst zu minimieren. Im Kreditvertrag ist eine Risikominimierung für den Kreditgeber durch das Hinterlegen von Sicherheiten möglich. Verbleibt dennoch ein erhöhtes Risiko, dann stellt sich die Frage wie dieses unter den Handelspartnern verteilt wird.

Ähnlich dem Nutzen wird sich das Risiko entsprechend der Machtposition der Handelnden verteilen. Je nach Situation können sogar dieselben Handelnden zu völlig unterschiedlichen Vertragsergebnissen kommen. Betrachtet man das Aushandeln eines Arbeitsvertrages, so kann ein Unternehmen zu einem Zeitpunkt dringender einen Arbeitnehmer suchen als zu einem anderen Zeitpunkt. Umgekehrt kann sich der Arbeitnehmer aus einer Anstellung heraus bewerben oder arbeitslos sein. Die Höhe des Gehaltes, die Arbeitszeit oder der Urlaubsanspruch werden sich nach der jeweiligen Verhandlungsposition richten. Aber auch die Frage, ob z.B. der Arbeitgeber eine Probezeit in den Vertrag aufnehmen wird, hängt von den beiden Verhandlungspositionen ab. Bei einer Probezeit trägt eher der Arbeitnehmer das Risiko einer Kündigung. Ohne Probezeit trägt eher der Arbeitgeber das Risiko, bei einer schlechten Einstellung den Arbeitnehmer nicht einfach entlassen zu können. So wird auch das Risiko ähnlich dem Nutzen in Abhängigkeit des Machtverhältnisses verteilt werden.

Bei einem Kreditvertrag wird regelmäßig der Kreditnehmer den Großteil des Risikos durch Zinsaufschläge tragen müssen, weil der Kreditgeber selten auf die Vergabe eines Kredites angewiesen ist, während ein Kreditnehmer meistens den Wunsch oder gar Zwang einer Kreditaufnahme hat. Durch die Ungleichverteilung der Macht kann es hier sogar zu ungewünschtem Wucher kommen, wenn der Kreditgeber eine Notsituation unter dem Vorwand des Risikoaufschlags ausnutzt. Dies kann bei dubiosen Geldverleihern genauso auftreten, wie bei der Refinanzierung von Banken und Staaten. So ist eine Grenzziehung zwischen gerechtfertigter Differenzierung und ungerechter Diskriminierung auch schwer möglich. Objektiv kann man nicht sagen ab wann Wucher beginnt, man kann lediglich einen Wert hierfür festlegen.
Der umgekehrte Fall, also die völlige Gleichbehandlung kann aber ebenfalls schwerwiegende Folgen haben. Betrachtet man die Immobilienblase in den USA, dann sieht man wohin es führt, wenn plötzlich Banken auf Teufel komm raus Kredite vergeben ohne den notwendigen Risikoaufschlag zu nehmen. Ähnliches gilt für den spanischen Immobilien-Boom.

Exkurs: Währungsrisiko

Die Risiken können sich auf sehr viele Ebenen verteilen. Neben dem Ausfallrisiko ist das Währungsrisiko ein Aspekt, welcher in der verzahnten internationalen Wirtschaft immer stärker in den Mittelpunkt rückt. Schwankende Wechselkurse müssen regelmäßig von den Handelnden durch Risikoaufschläge oder Versicherungen ausgeglichen werden. Mit dem Ziel dieses Risiko zu minimieren wurde auch damals die europäische Währungsschlange und später die europäische Binnenwährung beschlossen. Diese führt zu deutlich mehr Planungssicherheit und damit zum Entfall von Risikoaufschlägen, sowohl im Inland, als auch im Euro-Ausland.


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