mister-ede.de » europäische Öffentlichkeit https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die drei Hauptströmungen der Europa-Debatte https://www.mister-ede.de/politik/stroemungen-europa-debatte/8343 https://www.mister-ede.de/politik/stroemungen-europa-debatte/8343#comments Fri, 21 Apr 2017 17:04:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8343 Weiterlesen ]]> Eurokrise, Flüchtlingskrise, Brexit – all das hat dafür gesorgt, dass es heute in der Öffentlichkeit so viel Aufmerksamkeit für das europäische Projekt gibt wie nie zuvor. Geprägt wird die Debatte dabei von drei Hauptströmungen, die im Folgenden näher betrachtet werden:

Rollback ins Nationale:

Eine Vielzahl nationalistischer Kräfte in Europa möchte die europäische Integration am liebsten auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen und den Kontinent wieder in Nationalstaaten aufspalten. Ihr Narrativ ist, dass sich der Nationalstaat in der Vergangenheit bewährt habe und auch heute besser als die gemeinschaftlichen europäischen Institutionen in der Lage sei, die Interessen der Bürger zu vertreten. Dabei spielt diesen Kräften zurzeit in die Hände, dass es die europäischen Institutionen bei zahlreichen Problemen tatsächlich nicht mehr schaffen, befriedigende Lösungen zu finden. So können die Nationalisten die für die Bevölkerungen der EU-Mitgliedsländer spürbaren und sichtbaren Schwachstellen der EU für ihre Erzählung nutzen, ohne den Beweis antreten zu müssen, dass die Nationalstaaten, wenn sie für sich alleine wären, diese Probleme wirklich besser lösen könnten.
Wichtige Vertreter dieser Hauptrichtung sind z.B. die britische UKIP, die vehement für den Brexit geworben hat, der französische Front National um die rechte Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, die deutsche AfD, die österreichische FPÖ und die italienische Partei Movimento Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) um Beppe Grillo.

Status quo verteidigen:

Für ein Beibehalten der EU in ihrer jetzigen Form treten vor allem diejenigen ein, die zu den Gewinnern der bisherigen Ausgestaltung des europäischen Miteinanders gehören und deshalb wenig bis gar kein Interesse daran haben, etwas zu ändern. Hierzu gehören insbesondere die Eigentümer und Vertreter jener Unternehmen, die vom gemeinsamen Binnenmarkt und dem Wettbewerb der EU-Länder stark profitieren. Bleibt es bei der aktuellen Konstruktion, können sich deren Unternehmen weiterhin in manchen EU-Ländern das Steuerdumping, in anderen das Lohn- und Sozialdumping und in nochmals anderen EU-Ländern z.B. niedrige Umweltschutzauflagen zunutze machen. Hinzugesellen sich aber auch einige Betriebsräte und Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften, die weit weg sind von Fehlentwicklungen wie wachsendem Niedriglohnsektor und prekärer Beschäftigung und daher ebenfalls für den Erhalt der EU in ihrer bisherigen Struktur plädieren. Mit dem Status quo gut leben können außerdem Politiker wie Viktor Orbán, die keine tiefere Integration und schon gar keine gestärkten europäischen Institutionen möchten, deren Länder allerdings weiterhin vom Binnenmarkt und den EU-Fördergeldern profitieren sollen.
Zu diesen konservativen Kräften hinzuzählen muss man allerdings auch den parteilosen französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, der sich in seinem Wahlkampf nicht für einen Umbau Europas stark gemacht hat, sondern für eine Agenda-Politik in Frankreich, wie sie Gerhard Schröder einst in Deutschland durchführte. Zum Kreis derer, die vor allem die jetzige EU erhalten und bestenfalls an einzelnen Stellschrauben moderat drehen wollen, gehören außerdem Wolfgang Schäuble, der anstelle tiefgreifender Reformen lediglich einen Euro-Aufseher zur Durchsetzung des Spardiktats in Südeuropa befürwortet, genauso wie der in Deutschland stark gehypte #PulseOfEurope, der zum Fahnenschwenken für die aktuelle EU aufruft, statt substanzielle Veränderungen an dieser EU einzufordern.

Europäische Integration neu denken:

Last but not least gibt es dann noch all jene, die das europäische Miteinander weiterentwickeln und die europäische Integration neu denken wollen. Allerdings sind die Anhänger dieser Strömung quer über das politische Spektrum verteilt, weshalb es innerhalb dieser Gruppe sehr unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, wie ein Europa der Zukunft am Ende gestaltet sein sollte und wie ein Weg dorthin aussehen könnte. Trotz dieser Vielfalt lassen sich diese progressiven pro-europäischen Kräfte aber dennoch auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Sie erkennen die Strukturprobleme der jetzigen EU an, beispielsweise das Demokratiedefizit, und erachten es deshalb für das europäische Miteinander als unabdingbar, diese Konstruktionsfehler der EU durch grundlegende Reformen zu beseitigen.
Zu dieser Gruppe gehören zahlreiche Politiker von Linken und Grünen sowie einige der SPD und auch z.B. die EU-Parlamentarier Manfred Weber (CSU) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Hinzu kommen außerdem verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen, wie die Union Europäischer Föderalisten, die sich für ein föderales Europa einsetzt, oder die Bewegung DIEM25 um den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, die europaweit Dialoge für ein neues Europa durchführt. Aber auch die Wissenschaftlerin Ulrike Guérot, die ihre Vorstellung einer European Republic in ihrem Buch „Warum Europa eine Republik werden muss!“ niedergeschrieben hat und dieser Blog, der sich unter anderem für eine europäische Verfassung stark macht, sind zu dieser Gruppe progressiver Pro-Europäer zu zählen.


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linked: Ulrike Guérots „Europäische Republik“ (www.mister-ede.de – 23.11.2016)

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Weiterentwicklung der EU-Sprachpolitik: Sprachdiversität schützen – Englisch ausbauen https://www.mister-ede.de/politik/entwicklung-eu-sprachpolitik/5653 https://www.mister-ede.de/politik/entwicklung-eu-sprachpolitik/5653#comments Tue, 01 Nov 2016 18:54:01 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5653 Weiterlesen ]]> „In Vielfalt geeint“ ist nicht nur das Europamotto, sondern vor allem fundamentaler Grundsatz des europäischen Einigungsprozesses. Weder ein striktes Nebeneinander noch Gleichmacherei ist mit diesem Leitbild zu vereinbaren. Vielmehr liegt der Kern des Europäischen Projektes in der steten Suche nach einem Modus Operandi, der die unterschiedlichen Kulturen in Europa bewahrt und dennoch einen Weg zu einer geeinten EU eröffnet.
Dementsprechend baut auch der nachfolgende Vorschlag für eine Weiterentwicklung der EU-Sprachpolitik auf genau diesem Grundsatz auf und verbessert auf der einen Seite den Schutz der sprachlichen Vielfalt Europas und stärkt auf der anderen Seite das Zusammenwachsen der Europäer durch die Etablierung einer EU-weiten offiziellen Verständigungssprache.

Schutz der Landes- und Regionalsprachen in Europa

Alle Sprachen Europas sind wichtig! Sie sind identitätsstiftend und die Vielfalt dieser Sprachen ist Ausdruck des ungeheuren kulturellen Schatzes, auf dem Europa fußt.
Während bisher jedes EU-Land nur eine einzige Sprache in die Europäische Familie einbringen darf, sollten deshalb künftig alle offiziellen Landes- und Regionalsprachen der EU-Länder als Sprachen der Europäischen Union anerkannt werden. Auf diese Weise könnte z.B. Deutschland neben Deutsch auch Sorbisch oder Spanien neben Spanisch auch die katalanische Sprache in die EU einbringen. Genauso könnte die nach heutigem Wissensstand älteste europäische Sprache, Euskera (Baskisch), zusätzlich geschützt werden, wodurch auch das kulturelle Erbe Europas erhalten wird.

Im Rahmen einer solchen Weiterentwicklung der europäischen Sprachpolitik wäre es dann möglich, die EU-Länder zu verpflichten, die in den jeweiligen Landesteilen vorhandenen Sprachen im Schulunterricht anzubieten, sodass Schüler diese Sprachen erwerben und ihre sprachliche Qualifikation nachweisen können. Auch könnten Zeitungen und anderen Medien, die in Regionalsprachen erscheinen oder senden, unterstützt werden, um die mit solchen Sprachen meist verbundenen geringeren Reichweiten auszugleichen. Auch die Übersetzung literarischer Werke in Regionalsprachen könnte durch die EU gefördert werden.

Selbst wenn weiterhin EU-Dokumente nur in den offiziellen Amtssprachen der EU veröffentlicht würden, wäre diese Maßnahme schon ein großer Schritt, um die tatsächlich vorhandene Sprachdiversität in Europa, die eben weit über diese 24 Amtssprachen hinausgeht, zu bewahren.

Englisch als offizielle EU-Verständigungssprache

Bereits jetzt ist Englisch eine der offiziellen Amtssprachen der Europäischen Union – zumindest solange Großbritannien Teil der EU bleibt. Allerdings sollte die englische Sprache, die in den letzten Jahrzehnten zu einer globalen Lingua franca geworden ist, darüber hinaus einen Status als offizielle EU-Verständigungssprache erhalten.

In der Folge sollten künftig alle EU-Länder verspflichtet werden, in allen Klassenstufen Englisch zu einem Pflichtfach zu machen und Schüler im Regelfall in mindestens 20% ihrer Schulzeit in oder auf Englisch zu unterrichten.
Außerdem sollten alle wichtigen Dokumente der nationalen und darunterliegenden Ebenen nicht mehr nur in den jeweiligen Landessprachen, sondern künftig auch in dieser offiziellen EU-Verständigungssprach publiziert werden. So hätte jeder die Möglichkeit, z.B. finnische Gesetze, griechische Statistiken oder rumänische Fortschrittsberichte wenigstens auf Englisch lesen zu können.
Daneben sollte es ermöglicht werden, Anfragen oder Anträge bei Behörden uneingeschränkt auf Englisch stellen zu können. Vorstellbar wäre auch die Entwicklung eines EU-weit vereinheitlichten englischen Behördenvokabulars, um die Kommunikation mit oder zwischen Behörden unterschiedlicher Sprachräume in Europa zu erleichtern.

Insgesamt wäre der Ausbau des Englischen von einer normalen EU-Amtssprache zur offiziellen EU-Verständigungssprache ein großer Schritt, um das Zusammenwachsen Europas zu befördern.

Wie die Sprachenliste der EU künftig aussehen würde

Offizielle EU-Verständigungssprache: Englisch

Offizielle Amts- und Arbeitssprachen der EU: Die übrigen 23 Amtssprachen

Offizielle Sprachen der Europäischen Union: Alle anerkannten Landes- und Regionalsprachen

In Vielfalt geeint

Durch eine solche Weiterentwicklung der EU-Sprachpolitik, würde die kulturelle Diversität bewahrt und das europäische Miteinander gestärkt. Eine solche Reform wäre deshalb eine Chance, damit Europa ganz im Sinne des Europamottos künftig auch in sprachlicher Vielfalt geeint ist.


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Ein Überblick über die Herausforderungen der Europäischen Union (www.mister-ede.de – 20.04.2014)

Eine Neuausrichtung der europäischen Entwicklungs-, Migrations- und Asylpolitik (www.mister-ede.de – 29.09.2016)

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BIP, Finanzsaldo, Schulden und Zinsen der einzelnen Euroländer seit 2005 (www.mister-ede.de – 25.06.2015)

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Der Blick durch die nationale Brille und die Folgen https://www.mister-ede.de/politik/blick-durch-nationale-brille/4825 https://www.mister-ede.de/politik/blick-durch-nationale-brille/4825#comments Sat, 05 Mar 2016 19:31:41 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4825 Weiterlesen ]]> Vergleicht man öffentliche Debatten in Deutschland, lassen sich interessante Unterschiede erkennen.

Nutzt ein Unternehmen bescheidene Arbeitsbedingungen, z.B. in Bangladesch, um dort für unsere Wohlstandsgesellschaft zu günstigen Konditionen zu produzieren, dann können wir daran kaum etwas ändern. Es ist die Angelegenheit des dortigen Staates, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Außerdem haben die Verbraucher die Macht, so etwas durch ihr Kaufverhalten zu beenden.

Nutzt hingegen ein Unternehmen die Gestaltungsspielräume des Steuerrechts, z.B. in den Niederlanden, dann ist das hierzulande ein riesiger Skandal und überall wird erklärt, dass es einen dringenden Handlungsbedarf auf europäischer oder globaler Ebene gibt.

Nutzt wiederum ein Unternehmen niedrige Umweltauflagen, z.B. in afrikanischen Ländern, um dort für unsere Wohlstandsgesellschaft zu günstigen Konditionen zu produzieren, dann können wir daran wieder kaum etwas ändern. Es ist ja die Angelegenheit des dortigen Staates, die Umweltauflagen zu erhöhen. Und außerdem haben eben die Verbraucher die Macht, so etwas durch ihr Kaufverhalten zu beenden.

Nutzt hingegen ein Unternehmen einen geringen Datenschutzstandard, z.B. in Irland, dann ist das hierzulande jedoch wieder ein riesiger Skandal und überall wird erklärt, dass es einen dringenden Handlungsbedarf auf europäischer oder globaler Ebene gibt.

Es ist natürlich nicht verwunderlich, dass die Empörung über mangelnden Datenschutz für uns Kunden oder die Steuervermeidung zulasten des hiesigen Staatshaushaltes deutlich größer ist als die Empörung über die schlechten Arbeitsbedingungen in Bangladesch oder die Umweltzerstörung z.B. durch Müllexporte nach Afrika. Allerdings zeigt es eindrücklich, wie sehr bei öffentlichen Debatten die Welt durch eine nationale Brille betrachtet wird und die eigenen nationalen Belange in den Vordergrund gerückt werden. Der Syrienkonflikt, der hierzulande erst so wirklich interessiert, seitdem in Deutschland die Flüchtlingszahlen steigen, könnte dafür genauso als Beispiel angeführt werden.

Dieser Blick durch die nationale Brille hat jedoch auch Folgen für die deutsche Außenpolitik, die – auch wenn das eben nicht der deutschen Selbstwahrnehmung entspricht – nicht weniger interessensgeleitet ist als in anderen Ländern. So gelingt es beispielsweise, über die EU oder über die WTO Steueroasen auszuweisen, diverse Sanktionen zu verhängen, eine Datenschutzverordnung zu erarbeiten oder Produktpiraterie zu bekämpfen. Wenn es allerdings um Lohn- und Sozialdumping bzw. niedrige Arbeits- und Umweltschutzstandards geht, dann werden die Erfolge spürbar kleiner.
Nun werden vielleicht manche einwenden, es sei das gute Recht eines Landes, in der Außenpolitik den eigenen Interessen nachzugehen, allerdings hat auch diese Betrachtung einen großen Haken. Sie blendet nämlich völlig aus, dass es erhebliche Machtunterschiede gibt, die es z.B. Entwicklungsländern sehr schwer machen, ihre eigenen Interessen tatsächlich wirksam zu verfolgen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EPA zwischen der EU und afrikanischen Ländern, bei denen die EU ihre Machtposition nutzte, um Druck auf ihre Verhandlungspartner auszuüben [1].

Für öffentliche Debatten aber bedeutet dies, dass die Perspektive viel stärker hinterfragt werden müsste. Anstatt das deutsche Handeln in der Welt vorschnell zu glorifizieren, sollte zunächst die nationale Brille abgenommen werden. Häufig wird dann nämlich eine äußerst interessensgeleitetet Politik erkennbar, die sich herzlich wenig um die Welt kümmert, solange Deutschland auf der Seite der Nutznießer steht.


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Zukunft EU: Dachverband der Nationalinteressen oder Gemeinschaftsprojekt? (www.mister-ede.de – 31.01.2013)

EU-Flüchtlingspolitik: Der Bumerang des deutschen Egoismus (www.mister-ede.de – 27.10.2015)

Der BIP-Vergleich: Von Monaco bis Malawi (www.mister-ede.de – 13.06.2012)


[1] Tagesschau-Artikel vom 08.06.2015 zu den EPA-Verhandlungen (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

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Gedanken zu einem gesamteuropäischen Medienangebot https://www.mister-ede.de/politik/europaeisches-medienangebot/3247 https://www.mister-ede.de/politik/europaeisches-medienangebot/3247#comments Sat, 13 Dec 2014 10:17:11 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3247 Weiterlesen ]]> Innerhalb der Europäischen Union ergeben sich immer wieder Probleme durch eine in viele einzelne Öffentlichkeiten zersplitterte europäische Gesamtöffentlichkeit. Themen, wie z.B. die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa oder die hohe Abhängigkeit von russischem Gas im Osten der Union, beschäftigen oftmals nur die Bevölkerung in den jeweils betroffenen Regionen, selbst wenn sich hinter solchen Themen gesamteuropäische Herausforderungen verstecken. So kann allerdings keine gemeinsame europäische Perspektive entstehen, die zur Beantwortung gesamteuropäischer Fragen eigentlich notwendig wäre.
Um dieser Zersplitterung zu begegnen und die Entwicklung eines europäischen Blickes zu forcieren, bzw. eine gesamteuropäische Öffentlichkeit zu schaffen, wäre meines Erachtens ein gemeinsames europäisches Medienangebot sehr hilfreich. Unabhängig von Fragen der Machbarkeit oder der Wirtschaftlichkeit habe ich daher mal meinen Gedanken freien Lauf gelassen und im Folgenden beschrieben, wie ein solches gesamteuropäisches Medienangebot aussehen könnte.

Form:

Aus meiner Sicht müsste es sich um ein Angebot handeln, das in allen Ländern die gleichen Inhalte anbietet, allerdings in den jeweiligen Amtssprachen der EU und gerne auch in noch mehr Sprachen, egal ob nun japanisch oder katalanisch. Entsprechend müsste ein solches Medienangebot auch eine europäische multinationale Redaktion haben und für die journalistische Qualität wären auch eigene Korrespondenten rund um den Globus und in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sinnvoll. Daneben sollten regelmäßig hochrangige Gesprächspartner das Angebot bereichern, z.B. im politischen Bereich EU-Kommissare, Europa-Abgeordnete oder Vertreter von EZB, UN, Greenpeace oder ähnlichem.
Das Angebot müsste zeitgerecht und zukunftsorientiert sein, also z.B. als zentralen Anlaufpunkt eine eigene Netzplattform bieten und stets auch auf dem neuesten Stand der Technik sein, z.B. wenn es um die professionelle Produktion von Audio oder Videobeiträgen geht. Vorstellbar wäre für mich daher auch ein Medienmix, der aus Print-, Radio-, Fernseh- und Netzangeboten besteht.
Ein wöchentlich gedrucktes Magazin in Landessprache und mit Lokalteil (aus dem jeweiligen Mitgliedsstaat) könnte dabei den Printbereich abdecken und die Onlineplattform könnte vergleichbar zu heutigen Portalen, z.B. von Zeitungen oder Fernsehsendern, aufgebaut sein. Ergänzt würde dies dann durch eigene Audio- oder Video-Produktionen, die von ondemand Unterhaltungsangeboten über Reportagen bis hin zu Live-Events, Nachrichtensendungen und Lokalnachrichten (Nachrichten aus dem jeweiligen EU-Land) reichen können, die dann zu festen Zeiten über das Netz ausgestrahlt werden. Dabei könnte z.B. die Hauptnachrichtensendung im Original je nach Moderatoren-Team in wechselnden Sprachen produziert und zusätzlich in alle anderen angebotenen Sprachen übersetzt werden. Die Lokalnachrichten könnten hingegen in der jeweiligen Landessprache hergestellt werden und aus dieser Version heraus verdolmetscht werden. Auch eine Verbreitung des Angebots als Netz-Radio wäre denkbar und theoretisch könnten z.B. Reportagen oder Nachrichtensendungen auch in ein Fernsehprogramm, z.B. 3Sat, eingebunden werden.

Inhalt:

Neben diversen Unterhaltungsangeboten, von einer europäischen Kochshow über Quizshows bis hin zu Filmen oder in einem gewissen Rahmen Boulevard, Klatsch und Tratsch, braucht ein solches Angebot natürlich eine starke Informationsorientierung. Neben Berichten zu aktuellen Ereignissen, von schweren Unglücken oder Katastrophen über Straftaten oder Wirtschaftskriminalität bis hin zu Kuriosem und Erfolgsgeschichten, sollten hier die großen Themen der Zeit aus einer gesamteuropäischen Sicht bearbeitet werden, so dass sich langsam eine echte gemeinsame europäische Öffentlichkeit entwickeln kann. Als Beispiel habe ich hier ein paar europäische und globale Themen aufgelistet, die z.B. in verschiedenen Rubriken eines wöchentlichen Printmagazins bearbeitet werden könnten.

Rubrik „Weltgeschehen“:

Hier könnte der Blick auf die Welt eben nicht aus der jeweils nationalen Sicht, sondern aus der europäischen Sicht angeboten werden. Was ist z.B. Ebola oder welche Regionen sind davon betroffen? ISIS, Klimawandel oder Snowden wären weitere mögliche Themen und viel Aktuelles aus aller Welt, aus Brasilien, China, USA oder Japan, könnten diese Rubrik ergänzen.

Rubrik „EU in der Welt“:

Hier könnte erläutert werden, wie sich die EU auf der globalen Bühne verhält. Was macht die EU wegen und gegen Ebola, was hat sie versäumt und was sollte sie machen? Weitere Themen könnten TTIP, CETA, EPA, Klimakonferenzen, Ukraine oder die Russland-Politik der EU sein. Was kann die EU gegen ISIS unternehmen? Wie ist die Beziehung EU und NATO? Welche Flüchtlingspolitik betreibt die EU und was passiert an den Außengrenzen?

Rubrik „In der EU“:

In dieser Rubrik könnten entsprechend innereuropäische Themen behandelt werden. Welche Maßnahmen hat die EU getroffen, um in Europa auf Ebola vorbereitet zu sein? Was ist mit der Finanzkrise, wie kommt das Satellitenprogramm Galileo voran, wie gehen wir in der EU mit Flüchtlingen um oder was für Konsequenzen ergeben sich aus LuxLeaks oder dem Zinsmanipulationsskandal? Die Datenschutzgrundverordnung oder die EU-Haushaltsplanung könnten weitere Themen sein, genauso wie aktuelle Gesetzgebungsverfahren oder politische Initiativen.

Rubrik „In den Mitgliedsländern“:

Hier könnte dann der Blick in die einzelnen Regionen gerichtet werden. Wahlen, große Gesetzesvorhaben und weitere aktuelle Themen der verschiedenen EU-Länder könnten bearbeitet werden. Wie hat Spanien auf die Ebola-Erkrankung einer Krankenschwester reagiert? Wie ist der Stand bei der deutschen Maut-Debatte? Welche Veränderungen bringt der Regierungswechsel in Rumänien?

Rubrik „Lokalnachrichten“:

Diese Rubrik könnte Nachrichten aus dem jeweiligen Mitgliedsland bündeln, also z.B. hierzulande Meldungen und Geschichten aus Deutschland. So würde der Nachrichtenblick abgerundet, auch wenn es sich bei einem solchen „Lokalteil“ dann nicht mehr um einen gesamteuropäischen Blick handelt.

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Gauck mit überragender Europa-Rede https://www.mister-ede.de/politik/gauck-europa-rede/1935 https://www.mister-ede.de/politik/gauck-europa-rede/1935#comments Mon, 25 Feb 2013 09:55:40 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1935 Weiterlesen ]]> Am vergangenen Freitag hat Bundespräsident Joachim Gauck eine vielbeachtete Rede gehalten, in der er sich mit dem Zustand und der Zukunft der europäischen Union beschäftigte. Dabei hat sich Gauck aber nicht in leere Schlagworte verloren, sondern betrachtete das europäische Haus sehr detailliert und differenziert. So forderte er am Freitag nicht einfach „mehr Europa“ sondern fragte, „wo kann und wo soll mehr Europa zu einem gelingenden Miteinander beitragen?“

Mit Verständnis schaute Joachim Gauck auf die Verunsicherung der Bevölkerung durch die Finanzkrise und rief dazu auf, nicht den Glauben an das gemeinsame Projekt zu verlieren. Er blickte auf die Vielschichtigkeit von Identität, die es erlaubt gleichzeitig Deutscher und Europäer zu sein,  und beschrieb die Gemeinsamkeit, die Deutsche oder Franzosen in der Welt als Europäer kennzeichnet. Auch wenn es „keinen Gründungsmythos“ der EU gibt, so verbindet uns doch „ein gemeinsamer Wertekanon“, entwickelt aus der europäischen Geschichte mit ihren Einflüssen von antiken Griechen, Römern, Revolutionen und mehr.

Neben dem Blick auf die gemeinsame Wertebasis betrachtet er aber auch die Herausforderungen vor denen die europäische Union steht. Gauck sprach die fehlende europäische Koordination bei Themen, wie Ökologie, Gesellschaftspolitik oder bei der Außen- und Sicherheitspolitik an und ging auf die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der EU ein. Das Überragende an der Rede war aber, dass es Gauck dabei gelang aus den Problemen heraus einen visionären Blick auf Europa zu entwickeln. Seine Vorstellungen einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit zeigen eine Möglichkeit das Gemeinschaftsprojekt EU weiterzuentwickeln. Er führt aber auch Ideen an, die sich mit einer Änderung des  „institutionellen Rahmens in Europa“ beschäftigen.

Die Auffassung von Daniel Brössler in einem Artikel auf sueddeutsche.de, dass Joachim Gauck, wenn es um die Perspektiven einer Europäischen Union geht, „ein bisschen der Mut verlassen“ habe [1], teile ich deshalb auch nicht. Indirekt befürwortete Gauck sogar Volksreferenden, denn „ohne die Zustimmung der Bürger könnte keine europäische Nation, kann kein Europa wachsen“. Eine europäische Gemeinschaft kann man „nicht von oben dekretieren“. Dafür mahnte er die Bürger aber auch zum Engagement, da Europa „verdient, dass mehr als 43% der Wahlberechtigten an der Europawahl teilnehmen“. In Richtung Großbritannien äußerte der Bundespräsident den Wunsch, dass sie sich nicht aus der Gemeinschaft verabschieden. Ein Wunsch nach einem Miteinander den viele Europäer teilen.

Insgesamt benannte Gauck in seiner Rede offen die Probleme und beschönigte nicht die Realitäten, dennoch schaffte er es den Zuhörer nicht hilflos zurückzulassen. Er stellte viele Fragen, zeigte aber auch mögliche Antworten und Wege. War bei bisherigen Bundespräsidenten oft die Mahnung zur Besonnenheit zwischen den Zeilen zu lesen, so war es am Freitag bei Gauck die Aufforderung zu Entschlossenheit, Mut und Engagement.

Gaucks Rede vom 22.02.2013 in der ARD-Mediathek (www.ardmediathek.de)


Ähnliche Artikel:
Zukunft EU: Dachverband der Nationalinteressen oder Gemeinschaftsprojekt? (www.mister-ede.de – 31.01.2013)


[1] Artikel auf sueddeutsche.de vom 23.02.2013 zu Gaucks Europa Rede (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)

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