Gauck mit überragender Europa-Rede

Am vergangenen Freitag hat Bundespräsident Joachim Gauck eine vielbeachtete Rede gehalten, in der er sich mit dem Zustand und der Zukunft der europäischen Union beschäftigte. Dabei hat sich Gauck aber nicht in leere Schlagworte verloren, sondern betrachtete das europäische Haus sehr detailliert und differenziert. So forderte er am Freitag nicht einfach „mehr Europa“ sondern fragte, „wo kann und wo soll mehr Europa zu einem gelingenden Miteinander beitragen?“

Mit Verständnis schaute Joachim Gauck auf die Verunsicherung der Bevölkerung durch die Finanzkrise und rief dazu auf, nicht den Glauben an das gemeinsame Projekt zu verlieren. Er blickte auf die Vielschichtigkeit von Identität, die es erlaubt gleichzeitig Deutscher und Europäer zu sein,  und beschrieb die Gemeinsamkeit, die Deutsche oder Franzosen in der Welt als Europäer kennzeichnet. Auch wenn es „keinen Gründungsmythos“ der EU gibt, so verbindet uns doch „ein gemeinsamer Wertekanon“, entwickelt aus der europäischen Geschichte mit ihren Einflüssen von antiken Griechen, Römern, Revolutionen und mehr.

Neben dem Blick auf die gemeinsame Wertebasis betrachtet er aber auch die Herausforderungen vor denen die europäische Union steht. Gauck sprach die fehlende europäische Koordination bei Themen, wie Ökologie, Gesellschaftspolitik oder bei der Außen- und Sicherheitspolitik an und ging auf die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der EU ein. Das Überragende an der Rede war aber, dass es Gauck dabei gelang aus den Problemen heraus einen visionären Blick auf Europa zu entwickeln. Seine Vorstellungen einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit zeigen eine Möglichkeit das Gemeinschaftsprojekt EU weiterzuentwickeln. Er führt aber auch Ideen an, die sich mit einer Änderung des  „institutionellen Rahmens in Europa“ beschäftigen.

Die Auffassung von Daniel Brössler in einem Artikel auf sueddeutsche.de, dass Joachim Gauck, wenn es um die Perspektiven einer Europäischen Union geht, „ein bisschen der Mut verlassen“ habe [1], teile ich deshalb auch nicht. Indirekt befürwortete Gauck sogar Volksreferenden, denn „ohne die Zustimmung der Bürger könnte keine europäische Nation, kann kein Europa wachsen“. Eine europäische Gemeinschaft kann man „nicht von oben dekretieren“. Dafür mahnte er die Bürger aber auch zum Engagement, da Europa „verdient, dass mehr als 43% der Wahlberechtigten an der Europawahl teilnehmen“. In Richtung Großbritannien äußerte der Bundespräsident den Wunsch, dass sie sich nicht aus der Gemeinschaft verabschieden. Ein Wunsch nach einem Miteinander den viele Europäer teilen.

Insgesamt benannte Gauck in seiner Rede offen die Probleme und beschönigte nicht die Realitäten, dennoch schaffte er es den Zuhörer nicht hilflos zurückzulassen. Er stellte viele Fragen, zeigte aber auch mögliche Antworten und Wege. War bei bisherigen Bundespräsidenten oft die Mahnung zur Besonnenheit zwischen den Zeilen zu lesen, so war es am Freitag bei Gauck die Aufforderung zu Entschlossenheit, Mut und Engagement.

Gaucks Rede vom 22.02.2013 in der ARD-Mediathek (www.ardmediathek.de)


Ähnliche Artikel:
Zukunft EU: Dachverband der Nationalinteressen oder Gemeinschaftsprojekt? (www.mister-ede.de – 31.01.2013)


[1] Artikel auf sueddeutsche.de vom 23.02.2013 zu Gaucks Europa Rede (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)

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