mister-ede.de » politische Macht https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die Machtverschiebung von Parlamenten zu Regierungen in der EU https://www.mister-ede.de/politik/machtverschiebung-in-der-eu/2913 https://www.mister-ede.de/politik/machtverschiebung-in-der-eu/2913#comments Tue, 22 Jul 2014 17:53:41 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2913 Weiterlesen ]]> Die Gewaltenteilung ist ein fundamentaler Bestandteil freiheitlicher Gesellschaftsordnungen. Durch die Aufteilung der staatlichen Macht in gesetzgebende, ausführende und rechtsprechende Gewalt soll verhindert werden, dass eines der Staatsorgane zu viel Macht oder gar die alleinige Macht im Staat inne hat.

In allen Ländern der EU gibt es daher für die Legislative, also die Gesetzgebung, ein Parlament und für die Exekutive, also die Ausführung der Staatsgeschäfte, eine Regierung. Es gibt zwar hier und da kleinere Vermischungen, z.B. wird in Deutschland die Regierung vom Parlament gewählt und die Bundesregierung hat auch kleinere Freiräume eigene Rechtsvorschriften zu erlassen, aber im Großen und Ganzen wird die Gewaltenteilung gut eingehalten. Dasselbe gilt auch für die übrigen EU-Mitgliedsstaaten, die zwar jeweils andere Ausgestaltungen ihres Staatswesens haben, aber allesamt auf dem Prinzip der Gewaltenteilung aufbauen.

Gewaltenteilung und Demokratie in Deutschland und der EU (www.mister-ede.de – 12.09.2012)

Durch die Konstruktion der EU haben sich jedoch die Zuständigkeiten zwischen Parlamenten und Regierungen in nicht unerheblichem Maße verschoben. Zwar gibt es auf der europäischen Ebene genauso wie in den Mitgliedsstaaten ein Parlament, das Europaparlament, und für die Ausführung der EU-Politik mit der EU-Kommission eine Art europäische Regierung, allerdings sind daneben auch die Regierungen der EU-Mitgliedsländer über zwei EU-Institutionen entscheidend an der Gestaltung der Europapolitik beteiligt. Über den Europäischen Rat, der mit den Regierungschefs der EU-Staaten besetzt ist, und den Räten der Europäischen Union, die sich aus den Ministern der verschiedenen nationalen Regierungen zusammensetzen, wirken die Regierung der EU-Mitgliedsländer an der europäischen Gesetzgebung mit. Dem Europaparlament, das wie die nationalen Parlamente direkt demokratisch legitimiert ist, stehen damit gleich zwei EU-Organe gegenüber, die sich ausschließlich aus den Regierungen der EU-Staaten zusammensetzen.
Daneben sind die Regierungen der EU-Mitgliedsländer über die verschiedenen Räte auch an der Wahl der Europäischen Kommission beteiligt, wodurch sich der Einfluss der nationalen Regierungen noch einmal ausweitet.

EU-Kommission wird zum verlängerten Arm nationaler Regierungen:

Im Wesentlichen wird die Europäische Kommission von den Regierungen der EU-Mitgliedsländer bestimmt, die sowohl ein Vorschlagsrecht für die EU-Kommission haben als auch am Ende die Kommission bestätigen müssen. Das Europaparlament hat somit lediglich die Möglichkeit, dazwischen Änderungen bei der Zusammensetzung der Europäischen Kommission einzufordern oder eine mögliche EU-Kommission abzulehnen bzw. nicht zu wählen. Selbst wenn man, das Vorschlagsrecht des Rates ignorierend, die Wahl Jean-Claude Junckers im Juli 2014 zum Kommissionspräsidenten als Erfolg des Europaparlamentes feiert, bleiben immer noch 27 weitere EU-Kommissare, die von den Regierungen der EU-Staaten entsandt werden, wie zuletzt Günther Oettinger für Deutschland. Auf diese Weise sind die ausgesuchten Kommissare sehr eng mit den jeweiligen Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten verbunden, auch wenn die EU-Kommission gegenüber den nationalen Regierungen am Ende nicht formell weisungsgebunden ist.

Während damit in allen EU-Staaten die Regierungen entweder direkt vom Wähler legitimiert oder über demokratisch breit legitimierte Parlamente gewählt werden, wird auf der europäischen Ebene die Regierung, also die EU-Kommission, im Wesentlichen durch 28 nationale Regierungen bestimmt, die zwar auch demokratisch legitimiert sind, allerdings nur in ihrem jeweiligen Land und nicht für die Europäische Union im Ganzen. Die EU-Kommission, also die europäische Exekutiv, wird damit ein wenig zu einer Art verlängertem Arm der nationalen Regierung bzw. der nationalen Exekutiven. Während insgesamt die parlamentarische Kontrolle hierdurch zurückgedrängt wird, wächst der Einfluss der Regierung der EU-Staaten auf die Politikgestaltung innerhalb der EU an.

Europaparlament ist nur halbe Legislative:

Neben der Wahl der Europäischen Kommission sind die nationalen Regierungen über die verschiedenen Räte an der Gesetzgebung der EU beteiligt, womit sie direkt in die legislative Arbeit und damit in die Kernaufgabe eines Parlamentes eingreifen.
Von zwei Seiten wird dabei das Europaparlament bei der Gesetzgebung in seiner Kompetenz beschnitten. Auf der einen Seite kann das Europaparlament keine eigenen Gesetze einbringen, weil ihm das Initiativrecht fehlt, und auf der anderen Seite kann das Parlament keine Gesetze alleine verabschieden, da stets auch die Zustimmung des Rates der Europäischen Union notwendig ist.
Während zum einen die EU-Kommission, die zumindest in einer gewissen formellen und informellen Abhängigkeit von den nationalen Regierung steht, für das Einbringen von Gesetzesinitiativen verantwortlich ist, müssen die EU-Gesetze nach der Verabschiedung im Parlament zum anderen auch noch von den Europäischen Räten, die direkt aus den Regierungen der EU-Staaten bestehen, bestätigt werden. Allerdings anders als zum Beispiel der Bundesrat in Deutschland, der nur in einzelnen Bereichen an der Gestaltung von Bundesgesetzen mitwirkt, sind die Räte der EU grundsätzlich immer an der legislativen Arbeit zu beteiligen und ein Beschluss der Räte kann auch nicht z.B. durch eine 2/3-Mehrheit des Parlamentes gekippt werden.

Die nationalen Parlamente, z.B. der Bundestag, verlieren somit einen Teil ihrer Gesetzgebungskompetenz an den europäischen Gesetzgeber. Nachdem jedoch die Kompetenzen des Europäischen Parlaments durch die Beteiligung der nationalen Regierungen an der Gesetzgebung beschränkt sind, kann das Europaparlament diesen Kompetenzverlust der nationalen Parlamente nicht vollständig ausgleichen. Umgekehrt gewinnen hierfür die nationalen Regierungen durch ihre Mitwirkung an der legislativen Arbeit über die europäischen Ebenen genau jenen Teil an Gesetzgebungskompetenz hinzu. Die nationalen Exekutiven haben damit nicht nur Einfluss auf die europäische Exekutive, also die EU-Kommission, sondern sind auch fester Bestandteil der europäischen Legislative.

Weitere Kompetenzverschiebungen:

Zusätzlich zu den Einschränkungen bei der Gesetzgebungskompetenz verschieben sich auch zwei weitere wesentliche Aufgaben vom Europäischen Parlament zu den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten.
Nachdem das EU-Parlament weder Steuern festlegen noch Kredite aufnehmen kann, ist es bei der Budgetplanung maßgeblich auf die Zusammenarbeit mit den nationalen Regierungen angewiesen, die für die Bereitstellung der Finanzmittel der EU verantwortlich sind. Somit ist auch beim Königsrecht eines Parlamentes, dem Budgetrecht, das Europaparlament in einer ziemlich schwachen Position. Es hat zwar die Möglichkeit, Änderungen zu dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Haushaltsplan einzubringen oder den Haushaltsplan abzulehnen, es kann damit allerdings, wie bei der Wahl der EU-Kommission, nur blockieren und nicht selbständig gestalten.

Daneben verschiebt sich auch das fundamentalste Recht der Legislative, die Möglichkeit die Verfassung zu ändern, stillschweigend vom Parlament hin zu den Regierungen und Regierungschefs der EU-Staaten. Eine Verfassung, wie zum Beispiel das deutsche Grundgesetz, sind die Spielregeln eines Staatswesens, weshalb nur unter engen Voraussetzungen, z.B. einer 2/3-Mehrheit, Verfassungsänderungen durch die demokratisch breit-legitimierten Parlamente möglich sind. Die EU ist allerdings kein Staat, weshalb die Spielregeln nicht in einer Verfassung, sondern in Verträgen zwischen den Mitgliedsländern festgeschrieben sind. Diese Verträge wurden jedoch von den Regierungen abgeschlossen, die entsprechend auch für Anpassungen der Verträge zuständig sind.
Während damit z.B. in Deutschland für eine Verfassungsänderung eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig ist, sind für die Änderungen dieser Spielregeln auf europäischer Ebene alleine die Regierungschefs verantwortlich. Auch wenn es hierbei Grenzen durch die Verfassungen der jeweiligen EU-Staaten gibt, verschieben sich, durch diesen Aufbau der EU mithilfe multilateraler Verträge, Macht und Einfluss weiter vom Parlament zu den Regierungen.

Zusammenfassung:

Durch die Konstruktion der EU verschiebt sich die politische Macht von Parlamenten zu Regierungen. Dies resultiert unter anderem aus dem großen Einfluss der nationalen Regierungen auf die Zusammensetzung der europäischen Kommission, den ausgeprägten Gesetzgebungskompetenzen für die von nationalen Regierungen besetzten Räte, der finanziellen Abhängigkeit der EU von den Nationalstaaten und dem grundsätzlichen Problem, dass die EU nicht auf einer Verfassung sondern auf multilateralen Verträgen beruht. Das Europaparlament, als einzige demokratisch direkt legitimierte Institution der EU, kann dabei den Matchverlust der nationalen Parlamente aufgrund seiner beschränkten Kompetenz nicht ausgleichen.
Insgesamt führt der Aufbau der EU damit zu einer erheblichen Machtkonzentration bei den nationalen Regierungen, die auf der europäischen Ebene weitreichenden Einfluss haben. Eine weitere Folge dieser Struktur ist eine verstärkte Vermischung von Legislative und Exekutive entgegen dem Prinzip der Gewaltenteilung sowie eine Schwächung der demokratischen Legitimation der EU-Politik.


Ähnliche Artikel:
Die Konzentration wirtschaftlicher Macht (www.mister-ede.de – 17.07.2014)

Die Konzentration von Vermögen und die Auswirkungen (www.mister-ede.de – 26.11.2012)

Die Struktur unserer Wirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/machtverschiebung-in-der-eu/2913/feed 0
Die Parteien und die Vermögensschere https://www.mister-ede.de/politik/parteien-und-vermogensschere/1551 https://www.mister-ede.de/politik/parteien-und-vermogensschere/1551#comments Tue, 27 Nov 2012 08:25:17 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1551 Weiterlesen ]]> Die Fehlentwicklungen bei der Vermögensverteilung sind für die Bürger mittlerweile sichtbar. Die selbst in der Krise gewachsenen Vermögen und Gewinne auf der einen Seite, aber auch die steigenden Belastungen unterer Einkommensgruppen wird als ungerecht empfunden. Die Verteilung der gesellschaftlichen Lasten bei Steuern und Sozialkassen wird als nicht mehr ausgewogen betrachtet. Kurz um, das Auseinanderdriften von Arm und Reich ist für die Mehrheit der Deutschen spürbar geworden.

Die Konzentration von Vermögen und die Auswirkungen (www.mister-ede.de – 26.11.2012)

Für den Ausgang der kommenden Bundestagswahl wird es daher von entscheidender Bedeutung sein, ob es einer der beiden großen Parteien gelingt eine Perspektive für mehr Verteilungsgerechtigkeit aufzuzeigen. Der Verweis auf die bisherige Arbeit wird für die schwarz-gelbe Koalition genauso wenig ausreichen, wie das Steinbrücksche Bankenpapier für die SPD.

Die Vorstellung weiter sinkender Reallöhne und Renten, bei gleichzeitig steigenden Unternehmens- und Vermögensgewinnen ist für die Mehrheit der Bürger nicht zufriedenstellend. Eine wirtschaftspolitische Wende wird heute von den meisten als notwendig angesehen. Solange sich aber die Parteien in Rentenkompromissen, Betreuungsgeld, Energiewende oder Praxisgebühr verlieren, gehen sie damit an diesem Bedürfnis der Wähler vorbei.

Einzelne Ideen oder Vorschläge werden nicht ausreichen um zu überzeugen, solange ein klares Bekenntnis fehlt – ein klares Bekenntnis die Schere zwischen Arm und Reich wieder etwas zu schließen.

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/parteien-und-vermogensschere/1551/feed 0
Die Konzentration von Vermögen und die Auswirkungen https://www.mister-ede.de/politik/die-konzentration-von-vermogen/1544 https://www.mister-ede.de/politik/die-konzentration-von-vermogen/1544#comments Mon, 26 Nov 2012 10:37:59 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1544 Weiterlesen ]]> Seit der Entflechtung von Industrieunternehmen nach dem zweiten Weltkrieg gab es nicht mehr eine so starke Verdichtung von Vermögen und Macht auf so wenige Personen wie heute. Dies zumindest ist meine subjektive Wahrnehmung, aber auch statistisch lassen sich Indizien finden. Wenn man die Zahlen des ersten Armuts- und Reichtumsberichts von 2001 nimmt, dann lag das Einkommen der oberen 10% in Westdeutschland 1973 bei 21,1% des Gesamtnettoäquivalenzeinkommens [1]. Im Jahr 1993 wurde für Gesamtdeutschland der Wert von 22% ermittelt [2]. Der dritte Armuts- und Reichtumsbericht aus dem Jahr 2008 wies für 2002 schon einen Wert von 23,3% und für 2005 dann 24,9% aus [3]. Der vierte Bericht sollte 2012 erscheinen, ist aber wohl noch immer nicht veröffentlicht [4]. Auch andere Studien zeigen während der betrachteten Zeiträume einen Anstieg der Ungleichheit sowohl beim Einkommen als auch beim Vermögen [5][6][7][8].

Neben den Veränderungen von Einkommens und Vermögensverteilung zeigt sich diese Konzentration auch bei Wirtschaftsunternehmen, z.B. im Bereich der Medien. Kleine, unabhängige Zeitungen mussten weichen, während Augstein oder Springer große Medienkonzerne aufgebaut haben. Wenige Fernsehanstalten regieren das TV und nur ein paar Internetgiganten bestimmen das Netz, obwohl die IT-Technologie noch vergleichsweise jung ist.

Auch außerhalb der Medienbranche hat sich diese Konzentration vollzogen. Große Konzerne thronen über dem Markt, preisbestimmend, Gesetze diktierend und den Wettbewerb aushebelnd. Der Bäcker weicht der Backfabrik, der Handwerker dem Baulöwen, die örtliche Genossenschaftsbank fusioniert zur Regionalbank und selbst die Bar neben an wird von einer Bistro-Kette übernommen. Diese Konzentration alleine wäre nicht tragisch, wenn sich damit nicht auch die Machtverhältnisse verschieben würden.

Die Marktmacht:

Ein freier Markt entsteht nicht durch die Freiheit von staatlichen Regelungen, sondern durch die Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung. Diese Freiheit setzt aber zumindest annähernd gleiche Rahmenbedingungen beim Wettbewerb für alle Marktteilnehmer voraus und so ist die Begrenzung der Marktmacht ein fundamentaler Bestandteil der staatlichen Aufgaben. Dies bedeutet nicht, dass der Staat keine Monopole, z.B. bei der Daseinsvorsorge,  dulden darf, um ein gewisses gesamtgesellschaftliches Ziel, z.B. bei der Wohnraumschaffung, zu erreichen. Es heißt aber, dass unsere Parlamente die Wirtschaft genauso regeln müssen wie andere Bereiche der Politik, denn die Aussage von Wirtschaftsliberalen, dass sich der Markt selbst regelt, ist zwar grundsätzlich richtig, aber verschwiegen wird hierbei, dass er sich damit noch lange nicht zum Wohle der Gesellschaft entwickelt.

Betrachtet man die Macht von Automobilherstellern oder Lebensmittel-Discountern gegenüber den Lieferanten dann werden die Folgen der Marktmacht z.B. beim Milchpreis offensichtlich. In anderer Richtung kann auch der Verbraucher nicht der Marktmacht z.B. der Sprit-Riesen entkommen. Neben dem Absatzmarkt, auf dem alle Bürger als Konsumenten unterwegs sind,  ist für die Mehrheit der Deutschen auch der Arbeitsmarkt von Interesse. Auch hier ist die Marktmacht bei Leiharbeit, Werksvertrag und Minijob deutlich erkennbar. Diese Konzentration von Macht und Einfluss auf den Markt ist eine Verwerfung, die zwar den Regeln des Marktes folgt, aber nicht dem gewünschten gesellschaftlichen Ziel eines freien Marktes dient. Weder die Arbeitnehmer, noch die Milchbauern, noch die Autofahrer haben hier wirklich freien Zugang zum Markt.

Die Kapitalmacht:

Blickt man auf die Effekte um Bonität und Rentabilität innerhalb der Marktwirtschaft, sieht man eine systemimmanente Bevorteilung der Vermögenden. Gerade um diesen Effekt auszugleichen sind Gegenmaßnahmen zwingend für eine Marktwirtschaft erforderlich, wenn die Zugkraft der Gesellschaft die Innovation und nicht das vorhandene Kapital sein soll.

Der Zusammenhang von Bonität und Rentabilität (www.mister-ede.de – 08.06.2012)

In der Krise hat sich diese Spreizung  weiter verstärkt, so dass die vermögensstarken Staaten, Unternehmen oder Banken von niedrigen Zinsen profitieren, während vorher schon schwache Institutionen zusätzlich durch steigende Zinsen belastet werden.

Allerdings ist dieser Effekt, genauso wie die Konzentration von Vermögen, in der Marktwirtschaft selbst begründet und resultiert aus der individuellen Nutzenmaximierung. Ähnlich aber, wie die Nichtberücksichtigung von negativen Umweltauswirkungen auf die Preisfindung, z.B. durch Umweltauflagen oder die Besteuerung gemildert wird, muss auch die Kapitalmacht gedrosselt werden. Unter anderem funktioniert dies durch die Bereitstellung von Gründungs- oder Mittelstandskrediten zu günstigen Konditionen über die KfW auf der einen Seite. Auf der anderen Seite der Ungleichheit muss dies aber zukünftig auch zur Abschöpfung von übermäßigen Gewinnen z.B. durch eine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen führen.

Die politische Macht:

Flick-Affäre, Leuna-Affäre, EnBW-Affäre oder die Spendenaffäre um Schäuble, Kohl, Koch und Co. müssten ein deutliches Zeichen für die Einflussnahme solcher Kapitalkonzentration auf die Politik sein. Betrachtet man die Nähe von Versicherungswirtschaft und die rot-grüne Rentenprivatisierung erscheinen Fragen ebenfalls berechtigt.

Je größer die Konzentration von Kapital und Vermögen auf einen einzelnen Entscheider ist, desto größer ist die Gefahr, dass dieser seine Interessen nicht nur auf legalem Wege verfolgt. Diese Binsenweisheit gepaart mit den Millionenzahlungen von Unternehmen, wie z.B. Mövenpick, an die politischen Parteien, legt die Vermutung nahe, dass es einen Grund für die Nichtunterzeichnung des UN-Antikorruptionsabkommens gibt.

Neben den Wirtschafts-Affären sind Subventionen für große Exportunternehmen ein Ausdruck dieser Entwicklung, genauso wie die steuerlichen Regelungen, die große Aktienunternehmen regelmäßig begünstigen. Kleinunternehmer oder kleinere Mittelständlern haben hingegen einen schwereren Stand in Deutschland.

Der Verantwortungs- und Haftungsverlust:

Über die Machtverschiebung durch die Vermögenskonzentration hinaus führt eine zusätzliche Entwicklung zu weiteren Problemen. Während die freie Marktwirtschaft eigentlich von persönlich haftenden Unternehmern ausgeht, bestimmt auf der Welt zunehmend die Form der Kapitalgesellschaft das Wirtschaftsbild. Dies aber hat zur Folge, dass die Entkopplung von Unternehmer und Unternehmung zu Anleger und Anteilsschein eine deutliche Verschiebung bei Verantwortung und Haftung mit sich bringt.

Die Mehrheit der Anteilseigner von Aktienunternehmen hat meistens weder Einfluss auf das Unternehmen, noch Einblicke in den Geschäftsalltag. So halten die 3 größten Anteilseigner des Dax-Konzerns BMW immerhin gut 46% der Stimmrechte [9]. Die restlichen Aktionäre können nach dem Motto „Friss oder stirb“ entweder am Gewinn partizipieren und damit auch Leiharbeit und anderes fördern, oder aus dem Investment aussteigen. Anders als der Kleinunternehmer der seine Mitarbeiter täglich sieht, hat ein Anleger bei BMW keinerlei Kontakt mehr zu denjenigen, die den Gewinn erwirtschaften.

Umgekehrt muss man sich aber Fragen, wer diesen Einfluss, der eigentlich den vielen Anlegern zustehen würde, gewinnt. Betrachtet man wieder BMW, dann haben die drei größten Aktionäre einen rechnerischen Anteil am Eigenkapital von ca. 12 Mrd. Euro. Insgesamt hat BMW aber eine Bilanzsumme von 123 Mrd. Euro, die von der Geschäftsführung bewegt werden [10]. Die verlorene Verantwortung der einen, ist der gewonnene Einfluss der anderen.

Daneben verschieben Kapitalgesellschaften aber auch die Haftung. Kein Aktionär der Hypo-Real-Estate musste für die Fehlentwicklungen haften. Das sieht unser Wirtschafts- und Rechtssystem bislang nicht vor. Aber wie bei der Verantwortung lässt sich auch bei der Haftung die Gegenfrage stellen, wer den Schaden im Zweifel tragen muss. Es werden die Arbeitnehmer mit ausstehendem Lohn, private Gläubiger mit nicht beglichenen Rechnungen oder der Staat mit offenen Steuerforderungen oder Hilfsgeldern sein.

Wahrscheinlich ist die Vorstellung von einer Art Aktien-Haftpflichtversicherung in Anlehnung an eine KFZ-Haftpflichtversicherung im globalen Wettbewerb utopisch, aber vor 50 Jahren wäre wohl auch eine Ökosteuer belächelt worden.

Fazit:

Die Konzentration von Vermögen und die Verschiebung von Einfluss, Macht und Verantwortung führen zu sichtbaren Problemen in unserer Gesellschaft. Als Maßnahmen um diese Entwicklung zu stoppen oder zu verlangsamen wären eine Finanztransaktionssteuer, die per se ja nur Personen mit Kapital betrifft, oder höhere Steuern auf Vermögens- oder Spitzeneinkommen sinnvoll. Neben einer zusätzlichen Belastung der Stärkeren würden aber auch Grenzen bei der Leiharbeit oder ein Mindestlohn helfen um den Schwächeren eine bessere Ausgangslage zu verschaffen.


Ähnliche Artikel:
Die Konzentration wirtschaftlicher Macht (www.mister-ede.de – 17.07.2014)

Die Struktur unserer Wirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)


[1] Lebenslagen in Deutschland – Daten und Fakten: Materialband zum ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2002, S.47  (Link zum PDF – www.bmas.de)

[2] Lebenslagen in Deutschland – Daten und Fakten: Materialband zum ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2002, S.48 (Link zum PDF – www.bmas.de)

[3] Lebenslagen in Deutschland – Dritter Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2008, S.19 (Link zum PDF – www.bmas.de)

[4] Ich habe den Bericht nicht gefunden, sondern nur Artikel die den Bericht ankündigen. Z.B. Information des paritätischen Gesamtverbands vom 22.11.2012 (www.der-paritaetische.de)

[5] Joas, H.: Lehrbuch der Soziologie, 3. Aufl., Berlin 2007, S. 258

[6] Vortrag von Dr. Grabka von 2011: Die Einkommens und Vermögensverteilung (DIW) (Link zum Vortrag – www.diw.de)

[7] Lebenslagen in Deutschland – Dritter Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2008, S.308 (Link zum PDF – www.bmas.de)

[8] Integrierte Analyse der Einkommens und Vermögensverteilung, Studie des BMAS von 2007, S. 80 (Link zum PDF – www.bmas.de)

[9] Übersicht zur BMW-Aktie (www.comdirect.de)

[10] Kennzahlen zur BMW-Aktie (www.comdirect.de)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/die-konzentration-von-vermogen/1544/feed 0