mister-ede.de » #PulseOfEurope https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die drei Hauptströmungen der Europa-Debatte https://www.mister-ede.de/politik/stroemungen-europa-debatte/8343 https://www.mister-ede.de/politik/stroemungen-europa-debatte/8343#comments Fri, 21 Apr 2017 17:04:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8343 Weiterlesen ]]> Eurokrise, Flüchtlingskrise, Brexit – all das hat dafür gesorgt, dass es heute in der Öffentlichkeit so viel Aufmerksamkeit für das europäische Projekt gibt wie nie zuvor. Geprägt wird die Debatte dabei von drei Hauptströmungen, die im Folgenden näher betrachtet werden:

Rollback ins Nationale:

Eine Vielzahl nationalistischer Kräfte in Europa möchte die europäische Integration am liebsten auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen und den Kontinent wieder in Nationalstaaten aufspalten. Ihr Narrativ ist, dass sich der Nationalstaat in der Vergangenheit bewährt habe und auch heute besser als die gemeinschaftlichen europäischen Institutionen in der Lage sei, die Interessen der Bürger zu vertreten. Dabei spielt diesen Kräften zurzeit in die Hände, dass es die europäischen Institutionen bei zahlreichen Problemen tatsächlich nicht mehr schaffen, befriedigende Lösungen zu finden. So können die Nationalisten die für die Bevölkerungen der EU-Mitgliedsländer spürbaren und sichtbaren Schwachstellen der EU für ihre Erzählung nutzen, ohne den Beweis antreten zu müssen, dass die Nationalstaaten, wenn sie für sich alleine wären, diese Probleme wirklich besser lösen könnten.
Wichtige Vertreter dieser Hauptrichtung sind z.B. die britische UKIP, die vehement für den Brexit geworben hat, der französische Front National um die rechte Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, die deutsche AfD, die österreichische FPÖ und die italienische Partei Movimento Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) um Beppe Grillo.

Status quo verteidigen:

Für ein Beibehalten der EU in ihrer jetzigen Form treten vor allem diejenigen ein, die zu den Gewinnern der bisherigen Ausgestaltung des europäischen Miteinanders gehören und deshalb wenig bis gar kein Interesse daran haben, etwas zu ändern. Hierzu gehören insbesondere die Eigentümer und Vertreter jener Unternehmen, die vom gemeinsamen Binnenmarkt und dem Wettbewerb der EU-Länder stark profitieren. Bleibt es bei der aktuellen Konstruktion, können sich deren Unternehmen weiterhin in manchen EU-Ländern das Steuerdumping, in anderen das Lohn- und Sozialdumping und in nochmals anderen EU-Ländern z.B. niedrige Umweltschutzauflagen zunutze machen. Hinzugesellen sich aber auch einige Betriebsräte und Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften, die weit weg sind von Fehlentwicklungen wie wachsendem Niedriglohnsektor und prekärer Beschäftigung und daher ebenfalls für den Erhalt der EU in ihrer bisherigen Struktur plädieren. Mit dem Status quo gut leben können außerdem Politiker wie Viktor Orbán, die keine tiefere Integration und schon gar keine gestärkten europäischen Institutionen möchten, deren Länder allerdings weiterhin vom Binnenmarkt und den EU-Fördergeldern profitieren sollen.
Zu diesen konservativen Kräften hinzuzählen muss man allerdings auch den parteilosen französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, der sich in seinem Wahlkampf nicht für einen Umbau Europas stark gemacht hat, sondern für eine Agenda-Politik in Frankreich, wie sie Gerhard Schröder einst in Deutschland durchführte. Zum Kreis derer, die vor allem die jetzige EU erhalten und bestenfalls an einzelnen Stellschrauben moderat drehen wollen, gehören außerdem Wolfgang Schäuble, der anstelle tiefgreifender Reformen lediglich einen Euro-Aufseher zur Durchsetzung des Spardiktats in Südeuropa befürwortet, genauso wie der in Deutschland stark gehypte #PulseOfEurope, der zum Fahnenschwenken für die aktuelle EU aufruft, statt substanzielle Veränderungen an dieser EU einzufordern.

Europäische Integration neu denken:

Last but not least gibt es dann noch all jene, die das europäische Miteinander weiterentwickeln und die europäische Integration neu denken wollen. Allerdings sind die Anhänger dieser Strömung quer über das politische Spektrum verteilt, weshalb es innerhalb dieser Gruppe sehr unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, wie ein Europa der Zukunft am Ende gestaltet sein sollte und wie ein Weg dorthin aussehen könnte. Trotz dieser Vielfalt lassen sich diese progressiven pro-europäischen Kräfte aber dennoch auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Sie erkennen die Strukturprobleme der jetzigen EU an, beispielsweise das Demokratiedefizit, und erachten es deshalb für das europäische Miteinander als unabdingbar, diese Konstruktionsfehler der EU durch grundlegende Reformen zu beseitigen.
Zu dieser Gruppe gehören zahlreiche Politiker von Linken und Grünen sowie einige der SPD und auch z.B. die EU-Parlamentarier Manfred Weber (CSU) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Hinzu kommen außerdem verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen, wie die Union Europäischer Föderalisten, die sich für ein föderales Europa einsetzt, oder die Bewegung DIEM25 um den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, die europaweit Dialoge für ein neues Europa durchführt. Aber auch die Wissenschaftlerin Ulrike Guérot, die ihre Vorstellung einer European Republic in ihrem Buch „Warum Europa eine Republik werden muss!“ niedergeschrieben hat und dieser Blog, der sich unter anderem für eine europäische Verfassung stark macht, sind zu dieser Gruppe progressiver Pro-Europäer zu zählen.


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linked: Ulrike Guérots „Europäische Republik“ (www.mister-ede.de – 23.11.2016)

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Warum #PulseOfEurope bislang tief enttäuschend ist https://www.mister-ede.de/politik/pulseofeurope-enttaeuschend/8336 https://www.mister-ede.de/politik/pulseofeurope-enttaeuschend/8336#comments Fri, 31 Mar 2017 15:03:09 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8336 Weiterlesen ]]> „Die EU ist einfach großartig.“ „Wir sind doch eine Wertegemeinschaft.“ „Es ist toll, ohne Passkontrollen und Geldwechseln in Urlaub fahren zu können.“ So und so ähnlich klingt es, wenn auf Kundgebungen von #PulseOfEurope nach der Haltung zur EU gefragt wird. Allerdings stellt sich die Frage, ob es am Ende nicht genau diese egoistische Wohlfühl-Mentalität einiger EU-Profiteure ist – Hauptsache mir geht es gut, scheiß auf den Rest – mit der das europäische Projekt in den letzten Jahren konsequent an die Wand gefahren wurde. Finden es die dort versammelten Demonstranten denn wirklich großartig, dass seit 2012 über 20.000 Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen gestorben sind? Oder denken die #PulseOfEurope-Anhänger gar nicht erst soweit, weil es ihnen ja nur um den eigenen angenehmen Reisespaß ohne unangenehme Grenzkontrollen geht?

Was sich also zurzeit sonntags europaflaggenschwenkend auf deutschen Marktplätzen herumtreibt, sind nicht progressive und humanistische Europäer, sondern vor allem Menschen, die gerne ungestört eine Donaukreuzfahrt nach Ungarn machen oder vielleicht in Budapest studieren wollen. Und wenn Orbán dafür Flüchtlinge aus Ungarn draußen hält, dann sind das eben die hochgelobten europäischen Werte, die es nun lautstark zu verteidigen gilt. Entsprechend sind es auch nicht die verarmten Rentner aus Griechenland, nicht die arbeitslosen Jugendlichen aus Spanien und nicht die Ausgegrenzten und Abgehängten Europas, die sich hinter #PulseOfEurope versammeln. Vielmehr ist es die wohlsituierte Stadtbevölkerung Deutschlands, die ihre Pfründe sichern und die eigenen Vorteile aus der Eliten-EU verteidigen will. Und während Solidarität, Menschenrechte und Demokratie in der EU immer kleiner geschrieben werden, ruft #PulseOfEurope: „Super, weiter so und jetzt erst recht!“

Wenig verwunderlich ist deshalb auch, dass man diesem deutschen Egoismus in den übrigen EU-Ländern vor allem mit Kopfschütteln und einem „Die spinnen, die Germanen!“ begegnet. Und so bilden die Deutschen bei #PulseOfEurope unbeirrt tolle Menschenketten, während gleichzeitig Merkels Spardiktat die EU zerstört und die deutsche Flüchtlingspolitik die Zahl der Toten im Mittelmeer explodieren lässt. Diese Naivität der #PulseOfEurope-Anhänger gepaart mit ihrer Selbstsucht und dem hochnäsigem Herabschauen ist daher einfach nur tief enttäuschend.
Sicher, noch ist die Bewegung jung und man kann hoffen, dass sie sich irgendwann doch zu einem humanistischen und progressiven Projekt weiterentwickelt. Bleibt es allerdings weiterhin bei dieser bizarren Verteidigung einer EU, mit der die europäische Integration in den Sand gesetzt wurde, dann muss man für die Zukunft Europas tatsächlich hoffen, dass #PulseOfEurope bald Geschichte ist.


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4. Fortschrittsbericht zum EU-Türkei-Abkommen: Bilanz eines europäischen Versagens (www.mister-ede.de – 28.12.2016)

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