Warum #PulseOfEurope bislang tief enttäuschend ist

„Die EU ist einfach großartig.“ „Wir sind doch eine Wertegemeinschaft.“ „Es ist toll, ohne Passkontrollen und Geldwechseln in Urlaub fahren zu können.“ So und so ähnlich klingt es, wenn auf Kundgebungen von #PulseOfEurope nach der Haltung zur EU gefragt wird. Allerdings stellt sich die Frage, ob es am Ende nicht genau diese egoistische Wohlfühl-Mentalität einiger EU-Profiteure ist – Hauptsache mir geht es gut, scheiß auf den Rest – mit der das europäische Projekt in den letzten Jahren konsequent an die Wand gefahren wurde. Finden es die dort versammelten Demonstranten denn wirklich großartig, dass seit 2012 über 20.000 Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen gestorben sind? Oder denken die #PulseOfEurope-Anhänger gar nicht erst soweit, weil es ihnen ja nur um den eigenen angenehmen Reisespaß ohne unangenehme Grenzkontrollen geht?

Was sich also zurzeit sonntags europaflaggenschwenkend auf deutschen Marktplätzen herumtreibt, sind nicht progressive und humanistische Europäer, sondern vor allem Menschen, die gerne ungestört eine Donaukreuzfahrt nach Ungarn machen oder vielleicht in Budapest studieren wollen. Und wenn Orbán dafür Flüchtlinge aus Ungarn draußen hält, dann sind das eben die hochgelobten europäischen Werte, die es nun lautstark zu verteidigen gilt. Entsprechend sind es auch nicht die verarmten Rentner aus Griechenland, nicht die arbeitslosen Jugendlichen aus Spanien und nicht die Ausgegrenzten und Abgehängten Europas, die sich hinter #PulseOfEurope versammeln. Vielmehr ist es die wohlsituierte Stadtbevölkerung Deutschlands, die ihre Pfründe sichern und die eigenen Vorteile aus der Eliten-EU verteidigen will. Und während Solidarität, Menschenrechte und Demokratie in der EU immer kleiner geschrieben werden, ruft #PulseOfEurope: „Super, weiter so und jetzt erst recht!“

Wenig verwunderlich ist deshalb auch, dass man diesem deutschen Egoismus in den übrigen EU-Ländern vor allem mit Kopfschütteln und einem „Die spinnen, die Germanen!“ begegnet. Und so bilden die Deutschen bei #PulseOfEurope unbeirrt tolle Menschenketten, während gleichzeitig Merkels Spardiktat die EU zerstört und die deutsche Flüchtlingspolitik die Zahl der Toten im Mittelmeer explodieren lässt. Diese Naivität der #PulseOfEurope-Anhänger gepaart mit ihrer Selbstsucht und dem hochnäsigem Herabschauen ist daher einfach nur tief enttäuschend.
Sicher, noch ist die Bewegung jung und man kann hoffen, dass sie sich irgendwann doch zu einem humanistischen und progressiven Projekt weiterentwickelt. Bleibt es allerdings weiterhin bei dieser bizarren Verteidigung einer EU, mit der die europäische Integration in den Sand gesetzt wurde, dann muss man für die Zukunft Europas tatsächlich hoffen, dass #PulseOfEurope bald Geschichte ist.


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