mister-ede.de » Grenzzaun http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die Widersprüche der europäischen Flüchtlingspolitik http://www.mister-ede.de/politik/widersprueche-asylpolitik/4747 http://www.mister-ede.de/politik/widersprueche-asylpolitik/4747#comments Thu, 04 Feb 2016 19:38:05 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4747 Weiterlesen ]]> Schon lange ist bekannt, dass die europäische Flüchtlings- und Asylpolitik voller Paradoxien ist. So müsste z.B. Deutschland nach der im EU-Recht implementierten Dublin-Verordnung Flüchtlinge dorthin zurückführen, wo sie zuerst registriert wurden. Allerdings ist genau das nach deutscher Rechtslage zum Teil unzulässig, weil in manchen EU-Ländern Schutzsuchende nicht menschenwürdig behandelt und versorgt werden.

Aber auch an anderen Stellen offenbaren sich, insbesondere durch die im letzten Jahr stark gestiegen Flüchtlingszahlen, zahlreiche solcher eklatanten Widersprüche im Umgang mit Flüchtlingen. Ein Beispiel dafür ist die scharfe Kritik an Ungarns Regierungschef Orbán für einen Zaun an der ungarischen EU-Außengrenze zu Serbien, der jedoch bereits seit Jahren in professionellster Ausführung an den Grenzen der spanischen Exklaven Melilla und Ceuta in Nordafrika steht. So wenig ich Orbáns Politik auch mag, aber wenn es denn zulässig ist, Schutzsuchende aus Marokko abzuhalten, wieso sollte dann der Grenzzaun zu Serbien problematisch sein?
Nicht weniger widersprüchlich ist es, wenn einem Flüchtling an der griechisch-türkischen Grenze gesagt wird, dass er doch bitte in der Türkei Schutz suchen soll, während er an der deutsch-österreichischen Grenze einfach durchgewinkt wird. Umgekehrt wäre es ja noch irgendwie nachvollziehbar. Nach Österreich weist man zurück, weil die Flüchtlinge dort ordentlich versorgt werden, und aus der Türkei lässt man die Flüchtlinge einreisen, weil man zumindest darüber streiten kann, ob Schutzsuchende in der Türkei wirklich gut aufgehoben sind. Aber so herum wie es jetzt ist, müsste die Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei ja deutlich besser sein, als in Österreich.

Noch paradoxer ist es allerdings, wenn man die griechisch-türkische Grenze für sich alleine nimmt. Kommt ein Flüchtling an den offiziellen Grenzübergang, wird ihm mit dem Hinweis, in der Türkei sei es sicher, die Einreise verweigert. Zahlt der Flüchtling hingegen einem Schlepper ein paar tausend Dollar und macht sich auf den lebensgefährlichen Weg, um illegal auf eine griechische Insel überzusetzen, sieht die Sache schon ganz anders aus. Wenn er denn schon mal da ist, darf er nämlich auch bleiben. Nur, was soll das eigentlich? Ist das eine Art modernes Aufnahmeritual in die EU? Dieselbe Person, die aus demselben Land in dasselbe Land einreisen will, bekommt nach einer illegalen Einreise jene Schutzansprüche, die ihr auf legalem Wege verwehrt werden?
Insofern gehen hunderte ertrunkene Flüchtlinge auf das Konto alleine dieses einen Widerspruchs. Würde man ihn auflösen und die Frage beantworten, wie mit Schutzsuchenden, die aus der Türkei einreisen, künftig umgegangen werden soll, würde dies zahlreiche Leben retten. Bei einer Entscheidung für die Schutzgewährung könnte dann nämlich auch die Einreise über offizielle Grenzübergänge ermöglicht werden und bei einer Entscheidung dagegen könnte die illegale Einreise durch ein Rückführungsabkommen mit der Türkei unattraktiv gemacht werden. Auch in letzterem Fall würde sich dann wohl kaum noch jemand für tausende Dollar auf eine lebensgefährliche Reise machen, wenn er wüsste, dass er selbst bei geglückter Überfahrt drei Tage später wieder zurück in der Türkei ist.

Wenn sich das Drama des letzten Jahres bei einem weiter eskalierenden Syrien-Konflikt und wieder besserem Wetter in den Sommermonaten in diesem Jahr nicht wiederholen soll, werden wir nicht umhin kommen, diese großen Widersprüche aufzulösen und zentrale Fragen zum Umgang mit Flüchtlingen zu beantworten. Unterbleibt dies jedoch, wird auch 2016 das Chaos die Oberhand in der Flüchtlingspolitik behalten.


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Berechtigte und unberechtigte Kritik an Ungarns Flüchtlingspolitik (www.mister-ede.de – 08.09.2015)

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Berechtigte und unberechtigte Kritik an Ungarns Flüchtlingspolitik http://www.mister-ede.de/politik/kritik-an-ungarns-politik/4340 http://www.mister-ede.de/politik/kritik-an-ungarns-politik/4340#comments Tue, 08 Sep 2015 17:34:23 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4340 Weiterlesen ]]> Die Regierung in Budapest betreibt eine radikale Abschreckungspolitik und kümmert sich nur unzureichend um Flüchtlinge. Dazu kommt, dass Viktor Orbán die Situation in der letzten Woche anscheinend bewusst eskalieren ließ, um auf Kosten von Flüchtlingen bei seiner Wählerschaft zu punkten und künftige Flüchtlinge vom Land fernzuhalten. Auch die EU wurde auf diese Weise unter Druck gesetzt, entweder Ungarn zu helfen oder das Land von einem Teil seiner Last zu befreien, wie es durch die Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland am Wochenende dann auch geschehen ist.

Eine andere Wahrheit ist aber auch, dass Ungarn zu einem großen Teil nur die Folgen jener Probleme ausbadet, welche die EU insgesamt nicht gelöst bekommt. So ist es z.B. das Versagen der Europäischen Union und nicht die Schuld Orbáns, dass der Westbalkan noch immer das Armenhaus Europas ist.
Die Entwicklung dieser Region ist schon seit Jahren suboptimal und die logische Konsequenz daraus ist, dass immer mehr Menschen vom Balkan die Möglichkeiten der Visafreiheit nutzen und ihr Glück in anderen Ländern suchen – und sei es nur mit einem aussichtlosen Asylantrag. Erschwerend kommt für Ungarn in den letzten Jahren hinzu, dass Italien oder Frankreich als Zielregionen nicht mehr so attraktiv sind, weshalb vermehrt der Weg der Menschen nach Ungarn bzw. über Ungarn z.B. nach Österreich oder Deutschland führt. Wenn also Orbán einen deutlichen Anstieg der Migration beklagt, so ist dies vor allem das Ergebnis einer erfolglosen Balkan-Politik der EU, was dann zu manch populistischer Reaktion im Land der Magyaren führte.

Aber auch wenn man den Balkan außen vor lässt und nur auf Flüchtlinge aus anderen Weltregionen, z.B. Syrien, schaut, dann bricht ja nicht zuerst Ungarn die europäischen Regeln, sondern z.B. Griechenland. Theoretisch dürfte nach den Regeln des Dublin-Abkommens in Ungarn überhaupt kein nicht registrierter Flüchtling aus Syrien ankommen. Wenn also Dublin funktionieren würde, hätte Ungarn kaum einen Asylberechtigten, weil die meisten Antragsteller wieder abgeschoben werden könnten, z.B. nach Griechenland. Entsprechend abwegig ist es daher aber auch, jetzt von Ungarn mit seinen 9,9 Mio. Einwohnern zu verlangen, dass es das europäische Chaos alleine ausbadet und, wie das von der Bundesregierung gefordert wird, alle Flüchtlinge registriert, um später ein Asylverfahren durchzuführen und ihnen dann in Ungarn Asyl zu gewähren.

Bedenkt man außerdem, dass im Verhältnis zur Einwohnerzahl in Ungarn trotz der Dublin-Regeln im ersten Halbjahr 2015 doppelt so viele Asylanträge gestellt wurden wie in Deutschland, so wirkt manche Kritik an Orbán ziemlich deplatziert. Und so hat wohl auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nicht geahnt, dass er seine Frage vom 1.9., warum Ungarn die Flüchtlinge plötzlich unkontrolliert weiter ziehen lässt [1], nicht mal eine Woche später selbst beantworten kann, nachdem auch das bayerische Registrierungssystem aufgrund der großen Menge an Flüchtlingen zusammengebrochen ist. Insofern besteht Ungarn aber auch völlig zu Recht darauf, dass die EU entweder Griechenland zur Einhaltung der Regeln bewegt oder Ungarn in dieser Situation zumindest entlastet.


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[1] Interview im ZDF Morgenmagazin mit Joachim Herrmann (Link zum Beitrag auf www.heute.de)

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