mister-ede.de » Nationalsozialismus http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Heißt ZDFinfo bald Hitler-TV? http://www.mister-ede.de/medien/heisst-zdfinfo-bald-hitler-tv/8398 http://www.mister-ede.de/medien/heisst-zdfinfo-bald-hitler-tv/8398#comments Mon, 08 May 2017 19:35:55 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8398 Weiterlesen ]]> Welche Pläne ZDF-Intendant Thomas Bellut für ZDFinfo hat, ist noch unbekannt. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass der Doku-Sender des Zweiten Deutschen Fernsehens künftig unter Hitler-TV firmieren wird. Inhaltlich hat Bellut den Spartenkanal zumindest schon darauf ausgerichtet, wie ein Blick auf das Programm erkennen lässt.

Am 27.4. sendete ZDFinfo zuerst die Doku „Polenfeldzug: Der Nervenkrieg“ (ZDFinfo / 01:10 Uhr) und danach „Polenfeldzug: Der Überfall“ (ZDFinfo / 01:50 Uhr). Wer nun wissen wollte, wie der Lauf der Geschichte damals weiterging, wurde vom neuen Nazi-Sender des ZDF nicht enttäuscht, denn direkt im Anschluss folgten „Hitlers Blitzkrieg Teil 2“ (ZDFinfo / 02:40 Uhr), „Hitlers Blitzkrieg Teil 3“ (ZDFinfo / 03:25 Uhr) und „Hitlers Blitzkrieg Teil 4“ (ZDFinfo / 04:10 Uhr). Nach so viel Gemetzel hatte das neue Hitler-TV dann wohl Mitleid mit den Zuschauern und bot etwas Feinfühligeres und Menschlicheres – mit „Hitler privat: Der Künstler“ (ZDFinfo / 04:55 Uhr), „Hitler privat: Der Soldat“ (ZDFinfo / 05:40 Uhr) und „Hitler privat: Der ‚Führer‘“ (ZDFinfo / 06:20 Uhr). Fragen sie mich nun bitte nicht, warum ZDFinfo ausgerechnet den „Führer“ in Anführungszeichen setzte, wo ein Normalsterblicher mit Hinblick auf Hitlers Landschaftsmalereien wohl eher das Attribut „Künstler“ in solche gepackt hätte. Aber sei es drum, zumindest hatten die Zuschauer danach etwas Ruhe vom Adolf aus der Flimmerkiste – allerdings nur für rund 24 Stunden. Denn damit auch jeder Zuschauer von ZDFinfo die Möglichkeit erhält, in jener Vergangenheit zu schwelgen, in der in Europa eine Bombenstimmung herrschte, wurden direkt am folgenden Nachmittag alle eben genannten Dokumentationen einfach nochmal wiederholt. Und weil Nazi-Geschichten so unterhaltsam sind, sendete Adolf-Info in der anschließenden Primetime gleich noch „Hitler privat: Der Kriegsherr“ (ZDFinfo / 19:30 Uhr), „Die Jahreschronik des Dritten Reichs Teil 1“ (ZDFinfo / 20:15 Uhr), „Die Jahreschronik des Dritten Reichs Teil 2“ (ZDFinfo / 21:00 Uhr), „Die Jahreschronik des Dritten Reichs Teil 3“ (ZDFinfo / 21:45 Uhr) und „Die Jahreschronik des Dritten Reichs Teil 4“ (ZDFinfo / 22:30 Uhr). Und wem das noch nicht reichte, dem bot das neue Hitler-TV nun bis in die Morgenstunden des 29.4. die lange Nazi-Nacht mit „Die SS: Heydrichs Herrschaft“ (ZDFinfo / 23:15 Uhr), „Die SS: Der Machtkampf“ (ZDFinfo / 00:00 Uhr), „Die SS: Himmlers Wahn“ (ZDFinfo / 01:15 Uhr), „Die SS: Totenkopf“ (ZDFinfo / 02:00 Uhr), „Die SS: Die Waffen-SS“ (ZDFinfo / 02:45 Uhr), „Die SS: Mythos Odessa“ (ZDFinfo / 03:30 Uhr), „Die Atlantikschlacht: Jäger und Gejagte“ (ZDFinfo / 04:15 Uhr) und „Die Atlantikschlacht: Gräber aus Stahl“ (ZDFinfo / 04:45 Uhr).
Aber wer nun glaubt, diese drei Tage und Nächte wären eine Ausnahme gewesen, der täuscht sich gewaltig. So sendete ZDFnazi bereits am 26.4. die liebevoll gemachte Immobilien-Doku „Von Festungen und Führerbunkern“ (ZDFinfo / 22:25 Uhr) und am 30.4. folgten „Das Nazi-Geheimnis vom Toplitzsee“ (ZDFinfo / 01:20 Uhr) und „Himmlers Suche nach Atlantis“ (ZDFinfo / 02:05 Uhr).

Jetzt mal Tacheles: Eine solche Sendungszusammenstellung ist nicht öffentlich-rechtlich, sondern einfach nur krank. Dafür auch noch Reichsfunk-Beiträge Rundfunk-Beiträge zahlen zu müssen, ist hanebüchen. Denn mit dem Informationsauftrag der Öffentlich-rechtlichen lässt sich eine solche Sendungsauswahl wohl kaum begründen. Stundenlang Hitler-Storys und dazwischen keine einzige Dokumentation, in der die grauenhafte Vertreibung und Ermordung jüdischer Menschen oder beispielsweise die Euthanasie im Mittelpunkt stehen – so kann man das Dritte Reich natürlich auch verklären.
Wenn es Bellut aber einfach nur um die im Vergleich zu anderen Sendungen etwas besseren Einschaltquoten bei Nazi-Dokus geht, dann sollte er künftig auf ZDFinfo nachts Pornos laufen lassen und das als Aufklärungsfernsehen verkaufen.
Insofern würde mich eine Stellungnahme aus dem Führerhauptquartier des Dritten Reichs Fernsehens auf dem Obersalzberg – ähm, ich meine natürlich aus der Intendanz des Zweiten Deutschen Fernsehens auf dem Mainzer Lerchenberg – schon freuen. Noch besser fände ich allerdings, wenn das ZDF solche einseitigen Programmgestaltungen künftig einfach unterlassen würde.

Liste der Nazi-Dokus auf ZDFinfo vom 26. – 30.04.2017:

26.4.2017 – Sendungen und Sendezeiten laut ZDF-Mediathek
Von Festungen und Führerbunkern – ZDFinfo / 22:25 Uhr

27.4.2017 – Sendungen und Sendezeiten laut ZDF-Mediathek
Polenfeldzug: Der Nervenkrieg – ZDFinfo / 01:10 Uhr
Polenfeldzug: Der Überfall – ZDFinfo / 01:50 Uhr
Hitlers Blitzkrieg (2) – ZDFinfo / 02:40 Uhr
Hitlers Blitzkrieg (3) – ZDFinfo / 03:25 Uhr
Hitlers Blitzkrieg (4) – ZDFinfo / 04:10 Uhr
Hitler privat: Der Künstler – ZDFinfo / 04:55 Uhr
Hitler privat: Der Soldat – ZDFinfo / 05:40 Uhr
Hitler privat: Der „Führer“ – ZDFinfo / 06:20 Uhr

28.4.2017 – Sendungen und Sendezeiten laut TVMovie online
Polenfeldzug: Der Nervenkrieg – ZDFinfo / 13:30 Uhr
Polenfeldzug: Der Überfall – ZDFinfo / 14:15 Uhr
Hitlers Blitzkrieg (2) – ZDFinfo / 15:00 Uhr
Hitlers Blitzkrieg (3) – ZDFinfo / 15:45 Uhr
Hitlers Blitzkrieg (4) – ZDFinfo / 16:30 Uhr
Hitler privat: Der Künstler – ZDFinfo / 17:15 Uhr
Hitler privat: Der Soldat – ZDFinfo / 18:00 Uhr
Hitler privat: Der „Führer“ – ZDFinfo / 18:45 Uhr
Hitler privat: Der Kriegsherr – ZDFinfo / 19:30 Uhr
Die Jahreschronik des Dritten Reichs (1) – ZDFinfo / 20:15 Uhr
Die Jahreschronik des Dritten Reichs (2) – ZDFinfo / 21:00 Uhr
Die Jahreschronik des Dritten Reichs (3) – ZDFinfo / 21:45 Uhr
Die Jahreschronik des Dritten Reichs (4) – ZDFinfo / 22:30 Uhr
Die SS: Heydrichs Herrschaft – ZDFinfo / 23:15 Uhr

29.04.2017 – Sendungen und Sendezeiten laut TVMovie online
Die SS: Der Machtkampf – ZDFinfo / 00:00 Uhr
Die SS: Himmlers Wahn – ZDFinfo / 01:15 Uhr
Die SS: Totenkopf – ZDFinfo / 02:00 Uhr
Die SS: Die Waffen-SS – ZDFinfo / 02:45 Uhr
Die SS: Mythos Odessa – ZDFinfo / 03:30 Uhr
Die Atlantikschlacht: Jäger und Gejagte – ZDFinfo / 04:15 Uhr
Die Atlantikschlacht: Gräber aus Stahl – ZDFinfo / 04:45 Uhr

30.04.2017 – Sendungen und Sendezeiten laut ZDF-Mediathek
Das Nazi-Geheimnis vom Toplitzsee – ZDFinfo / 01:20 Uhr
Himmlers Suche nach Atlantis – ZDFinfo / 02:05 Uhr


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Die AfD auf dem Weg zu einer sozialnationalistischen Partei http://www.mister-ede.de/politik/die-sozialnationalistische-afd/6072 http://www.mister-ede.de/politik/die-sozialnationalistische-afd/6072#comments Sun, 22 Jan 2017 18:30:59 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=6072 Weiterlesen ]]> Die AfD ist zuvörderst eine gesellschaftspolitische Partei mit dem Ziel eines massiven Rechtsrucks. Hinter diesem inhaltlichen Kern versammeln sich die Mitglieder und Wähler der AfD, wohingegen andere Themenfelder, z.B. die wirtschaftspolitische Ausrichtung, nur eine untergeordnete Rolle spielen. Entsprechend trägt die Anhängerschaft der AfD einen neoliberalen Kurs genauso mit wie einen sozialistischen, solange es eben gegen Ausländer, Muslime, Emanzipation oder Homosexuelle geht. Genau das eröffnet der AfD aber einen großen Spielraum, sich für die kommende Bundestagswahl so aufzustellen, dass sie möglichst viele Stimmen auf sich vereint.

Nachdem bereits andere rechte Parteien, von der FPÖ (Österreich) über die PIS (Polen) bis zum Front National (Frankreich) und zur UKIP (Großbritannien), gezeigt haben, dass vor allem eine sozialnationalistische Ausrichtung erfolgsversprechend ist, wird sich daher auch die AfD für den anstehenden Bundestagswahlkampf ähnlich positionieren. Anstelle eines neoliberalen Kurses, wie er von der AfD in den vergangenen Jahren gefahren wurde, wird künftig nun vor allem die Ankündigung sozialer Wohltaten im Vordergrund stehen.
Im Gegensatz zu linken Parteien, die programmatisch auf die Verbesserung der Lebenssituation aller Menschen hinwirken, wird sich die AfD mit ihren Versprechungen allerdings auf den „Volkskörper“ beschränken. Im Klartext heißt das, dass jenen Menschen, die die AfD als zum Volk gehörend ansieht, höhere Sozialleistungen zugedacht werden sollen, während Hilfen für Migranten, Flüchtlinge oder Deutsche mit Migrationshintergrund, also für all jene, die nicht unter die schräge Volksdefinition der AfD fallen, gekürzt werden sollen.
Insofern besteht auch zwischen dem Sozialnationalismus der AfD und dem Nationalsozialismus der NSDAP, der deutschen Juden einfach das Deutschsein oder gar das Menschsein absprach, kein Unterschied. Gleichwohl wird die AfD tunlichst vermeiden, diese ideologische Verwandtschaft einzugestehen. Obwohl sie sich der gleichen Mechanismen der Ausgrenzung und Spaltung bedienen wird, wird sie deshalb stets die Distanz zum einstigen Nationalsozialismus betonen.
Während also der Nationalsozialismus offen rassistisch war, kennzeichnet sich der neue Sozialnationalismus der AfD durch die offizielle Ablehnung dieses Gedankenguts, auch wenn die dahinterstehenden politischen Forderungen inhaltlich deckungsgleich sind.

Für die kommende Bundestagswahl ist zu befürchten, dass die AfD mit dieser Ausrichtung in Deutschland auch auf einen ähnlich fruchtbaren Boden fällt wie die Politik der mit ihr verwandten Parteien im Ausland. Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte darin liegen, dass gerade linksorientierte Parteien, die diesen Boden eigentlich beackern sollten, ihn auf dem Weg in die politische Mitte preisgegeben haben.
In diese Lücke wird die AfD nun versuchen gezielt vorzustoßen und sich als Partei zu inszenieren, die sich um jene Deutschen kümmert, die von der Politik der anderen Parteien im Stich gelassen wurden. Gelingt es ihr dabei, ähnlich wie der NSDAP in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts oder jüngst auch Donald Trump, Teile der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die AfD am ehesten eine Verbesserung ihrer sozialen Lage bewirken kann, würde sie sich ein großes zusätzliches Wählerpotential erschließen. Neben all jenen, die Ressentiments gegen Fremde haben oder nichts von einer offenen und pluralistischen Gesellschaft halten, könnte die AfD dann nämlich auch andere Nichtwähler oder unzufriedene Wähler der übrigen Parteien an sich binden. Ein AfD-Ergebnis bei der kommenden Bundestagswahl um die 20% wäre bei dieser Ausrichtung dementsprechend auch nicht mehr ausgeschlossen.


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Willy Brandt wird abgeschoben – Schweden erklärt Deutsches Reich zu sicherem Herkunftsland http://www.mister-ede.de/politik/willy-brandt-wird-abgeschoben/5883 http://www.mister-ede.de/politik/willy-brandt-wird-abgeschoben/5883#comments Sat, 17 Dec 2016 18:12:18 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5883 Weiterlesen ]]> Stockholm – Wie die schwedische Regierung mitteilte, sieht sie keine Gefahr für Flüchtlinge, die zurück in das Deutsche Reich verbracht werden. Laut schwedischem Innenministerium gibt es Regionen im Gebiet des Deutschen Reiches, in denen Menschen sicher leben könnten. Gegen massiven Protest der schwedischen Opposition soll deshalb bis Ende 1942 im Rahmen eines „Joint way forward“ ein Rücknahmeabkommen mit der deutschen Reichsregierung abgeschlossen werden. Martin Bormann, Chef der deutschen Parteikanzlei, zeigte sich hierfür offen und erklärte sich bereit, mit der schwedischen Regierung schnellstmöglich Gespräche aufzunehmen. Schon in den nächsten Monaten könnten dann der vor den Nationalsozialisten geflohene Sozialdemokrat Willy Brandt und viele andere Exildeutsche aus Schweden abgeschoben werden.

Daneben will die schwedische Regierung der aktuellen Flüchtlingswelle mit einer weiteren Maßnahme begegnen. So soll demnächst eine Obergrenze für jüdische Flüchtlinge in Höhe von 3.650 Personen festgelegt werden. Täglich dürfen dann nur noch 10 jüdische Flüchtlinge nach Schweden einreisen, was laut schwedischer Regierung der Aufnahmefähigkeit des kleinen Landes entspricht. Wörtlich heißt es aus dem schwedischen Innenministerium, „Wir können die Probleme Europas nicht alleine bei uns lösen. Wir sind nicht das Sozialamt Europas!“


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März 1945 – Welch ein Zeitpunkt für eine Sozialreform http://www.mister-ede.de/politik/sozialreform-marz-1945/1703 http://www.mister-ede.de/politik/sozialreform-marz-1945/1703#comments Thu, 27 Dec 2012 07:25:15 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1703 Weiterlesen ]]> Auf der Suche nach Informationen über die Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung, bin ich auf eine Gesetzesänderung in der Reichsversicherungsordnung gestoßen, die mich ziemlich erstaunt hat. In einem Aufsatz, den ich auf der Seite der Uni Köln fand, war folgender Satz zu lesen: „Dementsprechend normierte der durch Gesetz vom 17.3.1945 neu gefasste § 168 RVO die Versicherungsfreiheit in der Kranken- und (entsprechend) in der Rentenversicherung (§ 1228 RVO) für solche Beschäftigungen“ [1].

17.3.1945 ?

Die RVO ist die Reichsversicherungsordnung, aber der Zeitpunkt der Gesetzesänderung erschien mir so unwirklich, dass ich an anderer Stelle nach einer Bestätigung dafür suchte. Auf der Internetseite der österreichischen Nationalbibliothek bin ich dann fündig geworden und konnte mir das Reichsgesetzblatt von 1945 anschauen. Ich war tatsächlich baff, dass im Frühjahr 1945 mit ziemlicher Akribie die „erste Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung“ formuliert wurde [2]. Während andere Verordnungen dieser Zeit mit teilweise nur einem Satz auskamen, wurde hier anscheinend ein kompletter Gesetzestext ausgearbeitet.

Insgesamt neun Seiten, so viel hatte keine andere Verordnung des Jahres zu bieten und auch inhaltlich wurde viel verändert. Geregelt wurde nicht nur die Abgabenbefreiung bei Geringverdienern, sondern auch die Zuzahlung zu Medikamenten oder die Mitversicherung der Familienmitglieder bei der Krankenversicherung [3]. Was die Verfasser in dieser Zeit zu so einem Gesetz bewegte erschließt sich mir bislang nicht. Etwas amüsant ist dabei aber die Formulierung „bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Zweite Weltkrieg endet“ an einer Stelle der Verordnung [4]. Dass Deutschland diesen Zeitpunkt schon wenige Monate später erreichen würde, haben die Verfasser wohl nicht erwartet. Ebenfalls amüsant ist, dass „die Krankenscheingebühr […] aus Gründen der Vereinfachung nicht mehr erhoben [wird]“ [5]. Die Parallelen zur Diskussion um die Abschaffung der Praxisgebühr könnten klarer nicht sein.

In der Welt mögen Herrscher stürzen, Systeme kollabieren oder eine Diktatur verschwinden, an den Alltagsthemen scheint dies nicht viel zu ändern.  Und so wurde eben noch im März 1945 eine Sozialreform durchgeführt.


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[1] Genenger, A., Umersbach T.: „Geringfügige Beschäftigung“  (Link zum Text auf www.jura.uni-koeln.de)

[2] RGBl I 1945, S.41 (Übersicht des RGBl 1945 von der österreichischen Nationalbibliothek – alex.onb.ac.at)

[3] Ebenda S. 46

[4] Ebenda S. 50

[5] Ebenda S. 46

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