mister-ede.de » Freihandelsabkommen https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 SPD braucht strategische, organisatorische, inhaltliche und personelle Erneuerung https://www.mister-ede.de/politik/spd-braucht-eine-erneuerung/8580 https://www.mister-ede.de/politik/spd-braucht-eine-erneuerung/8580#comments Sun, 19 Nov 2017 18:51:26 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8580 Weiterlesen ]]> Aller guten Dinge sind drei – aller schlechten leider auch. Nach der dritten Bundestagswahl in Folge mit einem SPD-Ergebnis weit unter der 30-Prozent-Marke muss sich die Sozialdemokratie nun grundlegend reformieren. Die älteste Partei Deutschlands muss die nächste Zeit nutzen, um sich strategisch, organisatorisch, inhaltlich und personell neu aufzustellen.

Strategisch:

Die gesellschaftliche Mitte ist eine Illusion – es gibt sie nicht! Vielmehr ist eine Gesellschaft eine Gesamtheit von Individuen, die sich bestenfalls als Milieus oder Gruppen zusammenfassen lassen. Anstelle einer Politik, die sich auf den Durchschnitt bezieht, z.B. auf eine Familie mit 1,6 Kindern oder auf einen 43,7 Jahre alten Arbeitnehmer mit 29.700 Euro Jahresgehalt, braucht es eine konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Bürgers.
Die SPD muss künftig politische Angebote machen, die der Lebenswirklichkeit der verschiedenen Gruppen und Milieus Rechnung tragen. Pflegende und Gepflegte, Homosexuelle, Menschen mit Migrationshintergrund, Erwerbsunfähige, Berufspendler oder Arbeitslose – um nur einige zu nennen – müssen sich gleichermaßen von der Sozialdemokratie vertreten fühlen. Alleinerziehende müssen sich von der Politik der SPD genauso angesprochen fühlen wie eine sechsköpfige Familie. Prekär Beschäftigte müssen sich in der Sozialdemokratie genauso aufgehoben fühlen wie die gewerkschaftlich organisierten Facharbeiter.
Basis für die Ausrichtung der SPD darf daher nicht länger ein fiktiver Durchschnitt sein, sondern muss die tatsächlich vorhandene Diversität sein. Denn unsere vielfältige Gesellschaft benötigt keine Politik für eine statistische Mitte, sondern eine Politik, die dieser Vielfalt am Ende auch gerecht wird.

Organisatorisch:

Die Digitalisierung hat unsere Gesellschaft grundlegend verändert, z.B. die Art und Weise der politischen Meinungs- und Willensbildung. Während das persönliche Gespräch immer stärker in den Hintergrund rückt, entstehen neue, digitale Räume des politischen Diskurses. Offline gilt, dass die SPD zu den Menschen hin muss – auf die Marktplätze, in die Vereine. Und dasselbe gilt online! Die SPD muss deshalb künftig für die Außenkommunikation viel stärker auf die von den Bürgern genutzten Plattformen im Netz gehen und darf dort nicht nur sein, sondern muss sich dort auch aktiv am politischen Diskurs beteiligen.
Daneben muss die SPD ihre Organisationsstruktur den Gegebenheiten unserer Zeit anpassen. Es braucht Netzangebote, die es ermöglichen, abseits traditioneller Parteistrukturen zielgerichtet über konkrete Themen zu diskutieren. Viele Bürger scheuen Parteien und auch viele Mitglieder wollen sich in ihrer Freizeit nicht damit beschäftigen, in welcher Farbe das Rathaus gestrichen werden soll, ob die Weihnachtsfeier im „Hirschen“ oder in der „Rose“ stattfindet oder ob man jetzt diese oder jene Kugelschreiber für den nächsten SPD-Stand organisiert. Sehr wohl aber interessieren sich zahlreiche Bürger und Mitglieder z.B. für Umweltschutzthemen, Migration, Friedenspolitik oder das Zusammenwachsen Europas.
Die SPD sollte daher nicht nur andere Plattformen bespielen, sondern dauerhaft eigene Netzpangebote für zeit- und ortsunabhängige Diskussionen entwickeln. Bürger können so aktiv in den Dialog eingebunden werden und losgelöst von Ortsvereinen von der SPD gezielt mit jenen Themen angesprochen werden, die sie besonders interessieren. Aber auch der Austausch unter den knapp 500.000 Mitgliedern kann gestärkt werden. Und wenn die Angebote entsprechend strukturiert und aufgebaut wären, könnten die Mitglieder darüber auch bei inhaltlichen Fragen am Entscheidungsprozess in der SPD mitwirken.

Inhaltlich:

Die SPD muss sich ein neues Grundsatzprogramm geben, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Es darf nicht länger zugelassen werden, dass Demokratie und Sozialstaat durch global agierende Großkonzerne ausgehöhlt werden. Vielmehr muss sich die SPD der Herausforderung stellen, die Globalisierung im Sinne von Demokratie und Sozialstaat zu gestalten. Dem Laissez-faire-Neoliberalismus der vergangenen Jahrzehnte muss daher endlich eine Absage erteilt werden und stattdessen müssen Wege zurück zur Sozialen Marktwirtschaft aufgezeigt werden. Anstelle von grenzenlosem Freihandel und nationalem Gegeneinander, braucht es Fairhandel und internationale Kooperation. Anstelle marktradikaler Deregulierung braucht es einen klaren ordnungspolitischen Rahmen. Denn nur eine Sozialdemokratie, die die Spaltung der Gesellschaft in Globalisierungsgewinner und Abgehängte verhindert, wird im 21. Jahrhundert noch eine Existenzberechtigung haben. Aus diesem Grund muss die SPD wieder zu der Partei werden, die dafür sorgt, dass nicht nur einige wenige vom technologischen Fortschritt und der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren, sondern die gesamte Gesellschaft.

Personell:

Wenn die Parteiführung eine grundlegende Reform der SPD glaubwürdig verkörpern will, darf sie sich bei diesem Erneuerungsprozess nicht ausnehmen. Anstelle ausgetretener Pfade braucht es neue Wege, anstelle des Verharrens im Gestern braucht es neue Ideen und anstelle von bestehenden Netzwerken braucht es einen frischen Wind. Statt Personalrochaden unter immer gleichen Köpfen durchzuführen, muss deshalb ein erkennbarer personeller Umbruch stattfinden.


Ähnliche Artikel:
Die Rache der GroKo: SPD steht nach NRW-Wahl vor einem Scherbenhaufen (www.mister-ede.de – 14.05.2017)

Der europapolitische Blindflug von Schwarz-Rot (www.mister-ede.de – 28.11.2013)

Die mangelnde Aufarbeitung der Wahlniederlagen der SPD der letzten Jahre (www.mister-ede.de – 12.04.2016)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/spd-braucht-eine-erneuerung/8580/feed 0
CETA ist kein Weltuntergang, ein vorläufiger Stopp aber auch nicht https://www.mister-ede.de/politik/die-welt-wird-nicht-untergehen/5608 https://www.mister-ede.de/politik/die-welt-wird-nicht-untergehen/5608#comments Wed, 26 Oct 2016 09:44:09 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5608 Weiterlesen ]]> Die Kritik am Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada ist absolut berechtigt. Schon innerhalb der EU schaffen wir es nicht, den Rahmen für den EU-Binnenmarkt so zu gestalten, dass ein tatsächlich fairer Wettbewerb entsteht. Obwohl die EU mit ihrem Europäischen Parlament oder den öffentlichen europäischen Gerichten vergleichsweise gut auf eine demokratische und rechtsstaatliche Begleitung des EU-Binnenmarktes eingestellt ist, gelingt es beispielsweise nicht, das Steuerdumping einzelner EU-Länder zu beenden. Dass nun ein CETA-Abkommen, das auf solche demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen verzichtet, plötzlich leisten kann, woran selbst die EU scheitert, ist deshalb höchst unwahrscheinlich.

So wie allerdings der EU-Binnenmarkt, trotz all seiner Schwächen, nicht der Untergang Europas ist, wäre auch CETA kein Weltuntergang. Selbst wenn also die Wallonie ihren Widerstand gegen das Abkommen aufgibt, wird sich die Welt weiterdrehen.
Die bessere Option wäre aber natürlich, wenn die Wallonie die CETA-Verhandlungen vorerst auf Eis legen und damit den Weg für ein ernsthaftes Nachdenken über die Gestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion frei machen würde. Gelänge es auf diese Weise, eine neue Rahmensetzung für den EU-Binnenmarkt zu finden, könnte später dann auch CETA abgeschlossen werden. Insofern ist aber auch ein vorläufiger Stopp von CETA sicher nicht das Ende der Welt.

Festzuhalten bleibt daher: Sollte CETA morgen von den Staats- und Regierungschefs der EU und Kanada unterzeichnet werden, wird der Weg hin zu einer gerechteren Wirtschaft in der EU oder einem faireren Welthandel schwerer, aber nicht unmöglich. Umgekehrt macht ein Stopp von CETA einen Weg dorthin zwar nicht schwerer, aber auch kein Stück leichter. So oder so wird es deshalb notwendig bleiben, für faire Bedingungen in Wirtschaft und Handel zu streiten – in Europa, in Kanada und weltweit.


Ähnliche Artikel:
Wallonie will CETA vorerst stoppen – mein Dank! (www.mister-ede.de – 24.10.2016)

CETA und die unsägliche Stimmungsmache der Tagesschau (www.mister-ede.de – 22.10.2016)

Der BIP-Vergleich: Von Monaco bis Malawi (www.mister-ede.de – 13.06.2012)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/die-welt-wird-nicht-untergehen/5608/feed 0
Wallonie will CETA vorerst stoppen – mein Dank! https://www.mister-ede.de/politik/wallonie-will-ceta-stoppen/5598 https://www.mister-ede.de/politik/wallonie-will-ceta-stoppen/5598#comments Mon, 24 Oct 2016 18:15:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5598 Weiterlesen ]]> Wir befinden uns im Jahr 2016 n. Chr. Ganz Europa ist von Wirtschaftslobbyisten besetzt… Ganz Europa? Nein! Eine von unbeugsamen Wallonen bevölkerte Region hört nicht auf, den Kapitalinteressen Widerstand zu leisten.

Für diesen Widerstand geht mein aufrichtiger Dank an die Wallonie, die Bevölkerung dort und den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Paul Magnette.

* * * * * * * * * * * *

Nous sommes en 2016 après Jésus-Christ. Toute l’Europe est occupée par les lobbyistes industrielles. Toute? Non! Une region peuplé d’irréductibles Wallons résiste encore et toujours aux intérêts du capital.

Pour cette résistance j’adresse mes remerciements sincères à la Wallonie, la population et le Ministre-président social-démocrate Paul Magnette.

* * * * * * * * * * * *

The year is 2016 A.C. Europe is entirely occupied by business lobbyists. Well, not entirely… One small region of indomitable Walloons still holds out against the capital interests.

For this resistance my sincere thanks go to Wallonia, the population there and the social democratic Minister-President Paul Magnette.


Ähnliche Artikel:
StandPUNKT: Der globale deregulierte Kapitalismus funktioniert nicht! (www.mister-ede.de – 13.04.2016)

Die wirtschaftsliberale Marktgläubigkeit wurde abgewählt (www.mister-ede.de – 27.09.2013)

Die globale Wirtschaft – Unsere Schuld und fremdes Leid (www.mister-ede.de – 12.12.2012)

CETA und die unsägliche Stimmungsmache der Tagesschau (www.mister-ede.de – 22.10.2016)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/wallonie-will-ceta-stoppen/5598/feed 0
CETA und die unsägliche Stimmungsmache der Tagesschau https://www.mister-ede.de/politik/ceta-stimmungsmache/5572 https://www.mister-ede.de/politik/ceta-stimmungsmache/5572#comments Sat, 22 Oct 2016 07:08:01 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5572 Weiterlesen ]]> Es ist mal wieder soweit. Die Tagesschau schaltet von Nachrichtenmodus auf Stimmungsmache um. Anscheinend passt es den Mitarbeitern dort nicht, dass sich die demokratisch gewählten Vertreter des wallonischen Parlaments gegen CETA wehren. Und so präsentiert die Tagesschau, wie beispielsweise bei der Ukraine-Krise, nicht nur eine eigene Meinung, sondern schafft sich gleich auch ihre ganz eigenen Fakten fern jedweder Realität.

So schreibt beispielsweis Karin Bensch in einem Kommentar für tagesschau.de, „es ist schon sehr kurios, dass eine belgische Mini-Region ein europäisches Handelsabkommen blockieren kann“ [1].
Kurios ist allerdings viel eher, dass eine Journalistin der Tagesschau nicht mitbekommen haben will, dass das Bundesverfassungsgericht in der letzten Woche CETA noch mal ganz klar als gemischtes Abkommen mit weitreichenden Eingriffen in die nationale Gesetzgebung und eben gerade nicht als reines Handelsabkommen eingestuft hat. Wenn die Tagesschau also so tut, als wäre CETA nur ein klitzekleines Handelsabkommen, dann schafft man sich dort einfach eine ganz eigene Realität.

Hinzu kommt die klar abwertende Bezeichnung „belgische Mini-Region“ für die Wallonie. Tatsächlich leben dort prozentual mehr Belgier als Bundesbürger in NRW leben. Käme Frau Bensch wohl auf die Idee, NRW als deutsche Mini-Region zu bezeichnen?
Außerdem leben dort weit mehr EU-Bürger als in Malta, Luxemburg, Zypern und Estland zusammen. Diesen Ländern würde man doch wohl auch nicht das Recht absprechen, sich im Rahmen des vorhandenen politischen Systems am demokratischen Prozess in der EU zu beteiligen. Warum jetzt aber die 3,6 Millionen Wallonen aus der angeblichen „Mini-Region“ weniger demokratische Rechte haben sollen als 3,1 Millionen Malteser, Luxemburger, Zyprioten und Esten, beantwortet Frau Bensch nicht. Wahrscheinlich wäre es auch verdammt schwer, das zu erklären.

Ein weiteres Beispiel für die Schaffung einer eigenen Wirklichkeit durch die Journalisten der Tagesschau ist die Behauptung, „der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette muss sich vorwerfen lassen, erst im letzten Moment die Brechstange angesetzt zu haben“ [2]. Auch dies ist nämlich schlicht falsch, denn bis vor 3 Monaten waren weder das belgische Parlament noch der Bundestag und eben auch nicht die Wallonie für CETA zuständig.
Die Brechstange wurde also von der EU angesetzt, die über 7 Jahre lang versucht hat, den CETA-Vertrag, trotz seiner weitreichenden Folgen für die nationale Gesetzgebung, an diesen demokratischen Institutionen vorbei zu schleusen. Und warum hätte sich in dieser Zeit das wallonische Parlament oder der Ministerpräsident Paul Magnette für Veränderungen bei CETA einsetzen sollen? Damals hätte man ihn ausgelacht und mit den Worten „CETA geht dich nichts an“ wieder heimgeschickt.

Ob den Journalisten der Tagesschau diese Fakten wirklich alle unbekannt sind oder ob vielleicht, wie schon bei der Maidan-Berichterstattung, später, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, eingestanden wird, ein völlig verzerrtes Bild präsentiert zu haben, weiß ich nicht.
Klar ist aber, dass man die Wallonie nicht als „Mini-Region“ abwerten oder das gemischte Abkommen CETA als einfaches Handelsabkommen verniedlichen muss. Und der Versuch, jetzt die Wallonen oder die Belgier dafür verantwortlich zu machen, dass 7 Jahre lang über ihre Köpfe hinweg diskutiert und entschieden wurde, muss sicher auch nicht sein. Dass es bei der Tagesschau trotzdem gemacht wird, zeigt daher, dass dort mal wieder von Nachrichtenmodus auf Stimmungsmache umgeschaltet wurde.


Ähnliche Artikel:
Eine Kritik der Kritik am EU-Türkei-Abkommen (www.mister-ede.de – 22.03.2016)

Kiew hat die Wahl zwischen Chaos und Verhandlungen mit Russland (www.mister-ede.de – 14.04.2014)

Fehlannahmen zu Griechenland und den Folgen der Griechenland-Wahl (www.mister-ede.de – 22.01.2015)


[1] Kommentar von Karin Bensch vom 21.10.2016 auf tagesschau.de (Link zum Kommentar auf www.tageschau.de)

[2] ebenda

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/ceta-stimmungsmache/5572/feed 0
Eine Neuausrichtung der europäischen Entwicklungs-, Migrations- und Asylpolitik https://www.mister-ede.de/politik/eu-entwicklung-migration-asyl/5437 https://www.mister-ede.de/politik/eu-entwicklung-migration-asyl/5437#comments Thu, 29 Sep 2016 10:23:30 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5437 Weiterlesen ]]> Die sich verändernde Welt macht auch vor Europa keinen Halt. Klimawandel, Kriege, Bürgerkriege, Terrorismus und die wachsende globale Ungleichheit, zu der auch die europäische Wirtschaftspolitik beiträgt, vertreiben immer mehr Menschen aus ihrer Heimat. Hunderttausende begeben sich deshalb in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa auf einen teuren und oftmals tödlichen Weg.
Währenddessen stehen die Europäer dieser Entwicklung eher passiv beobachtend als aktiv gestaltend gegenüber. So wurden europaweit Abschottung und das Schließen der Grenzen, z.B. zwischen Österreich und Ungarn, im nationalen Kleinklein zur favorisierten Lösung für diese globale Herausforderung.
Im Gegeneinander und mit punktuellen Maßnahmen, wie Grenzschließungen oder kleinen Kontingenten für die Aufnahme von Schutzsuchenden, werden die EU-Länder diese Herausforderung allerdings nicht meistern können. Anstelle von Tunnelblick und Kleinstaaterei braucht es daher einen breiten Ansatz und ein gemeinsames Handeln.

Die europäische Wirtschafts- und Handelspolitik

Gerade in Bezug auf den afrikanischen Kontinent steht Europa oftmals nicht nur am Ende von Flucht und Migration, sondern mit Blick auf die Gründe und Ursachen auch schon am Anfang. Doch was nutzt es Europa, wenn deutsche Großschlachter ein paar Euro mehr verdienen und dafür die kleinbäuerliche Struktur in afrikanischen Ländern zerstört wird?
Die EU und andere europäische Länder, z.B. die Schweiz, müssen daher ihre Wirtschafts- und Handelspolitik auf den Prüfstand stellen. Statt maximalem Freihandel und radikaler Marktöffnungspolitik, sollten künftig Aufbaupartnerschaften vereinbart werden, um einen behutsamen Wandel in wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern zu ermöglichen und die dortigen Volkswirtschaften zu stärken. Insbesondere die aktuellen Verhandlungen zu Wirtschaftspartnerschaften mit Entwicklungsländern (EPA) sollten deshalb konsequent neu und auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Möglich wäre auch, in diesem Rahmen die Frage nach den Kosten des Klimawandels und einer Entschädigung durch die Industrieländer zu behandeln.

Entwicklungszusammenarbeit

Neben einer fairen Handelspolitik, die schwächere Volkswirtschaften nicht ausbeutet, sondern stärkt, braucht es Instrumente, die es den Europäern erlauben, die Lebensverhältnisse der Menschen außerhalb Europas aktiv zu verbessern und mittel- bis langfristige Perspektiven zu schaffen.
Um die europäische Entwicklungszusammenarbeit effektiver zu gestalten, sollten die Maßnahmen der einzelnen EU-Länder gebündelt werden. Hierzu könnte die bereits existierende Generaldirektion der EU für Entwicklung und Zusammenarbeit zu einer EU-Agentur weiterentwickelt werden, welche nicht nur die nationale Entwicklungszusammenarbeit koordiniert, sondern in größerem Umfang auch in eigener Verantwortung gemeinsame EU-Projekte auf den Weg bringt.
Inhaltlich muss dabei allerdings noch mehr als bisher der Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe im Vordergrund stehen, um z.B. die Selbstversorgung der Bevölkerung zu ermöglichen. Außerdem muss die Entwicklungszusammenarbeit künftig neben der Ökonomie noch stärker die Entwicklung von Gesellschaft und Staat in Bezug auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vorantreiben, z.B. durch Hilfen bei der Einrichtung sozialer Sicherungssysteme oder Unterstützung bei der Korruptions- oder Terrorbekämpfung.

EU-Migrations- und Asylsystem

Auch das konsequente Nebeneinander der verschiedenen nationalen und internationalen Regelungen zum Schutz verfolgter und vertriebener Personen, z.B. nach der Genfer Flüchtlingskonvention, zum Schutz aus humanitären Gründen und Regelungen zur Arbeitsmigration und sonstigen freiwilligen Migration hat sich mittlerweile als untauglich erwiesen. Statt einer Vielzahl paralleler Systeme, sollte hier im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit in der EU auf eine Einwanderungs-, Flüchtlings- und Asylpolitik aus einem Guss gesetzt werden.
Den institutionellen Rahmen könnte hierbei eine EU-Migrations- und Asylbehörde bilden, die außerhalb der EU eng abgestimmt mit einem neugeschaffenem EU-Flüchtlingshilfswerk arbeitet, das seinerseits durch die oben angeführte europäisch koordinierte Entwicklungszusammenarbeit unterstützt wird. Auf einer solchen EU-Migrations- und Asylbehörde aufbauend, könnten dann einheitliche Verfahren eingerichtet werden, die für Schutzsuchende und Migranten auch schon in EU-Nachbarländern oder Herkunftsländern zugänglich sind. Solche ordentlichen und rechtsstaatlichen Verfahren wären ein wichtiger Bestandteil, um die heutige irreguläre und unkontrollierte Einreise künftig durch eine geregelte Migration zu ersetzen.

Skizze eines EU-Migrations- und Asylsystem (www.mister-ede.de – 29.09.2016)

Grenzsicherung

Zusätzlich zu einem System der regulären Einreise für Schutzsuchende und Arbeitsmigranten müssen die Außengrenzen aber auch gegen irreguläre Grenzübertritte geschützt werden. Selbst wenn es reguläre Wege gibt, wird es auch weiterhin Personen geben, die wegen fehlender Einreiseberechtigung abgewiesen werden müssen.
Hierzu sollten vornehmlich Rückführungsabkommen, wie sie u.a. im EU-Türkei-Abkommen vom Frühjahr vereinbart wurden, konsequent weiter ausgebaut werden. In Kooperation mit den EU-Nachbarländern kann so die Ordnung an den Grenzen in humanitär vertretbarer Weise und mit verhältnismäßig geringem Aufwand wiederhergestellt bzw. aufrechterhalten werden. Auf die aktuelle Hauptroute von Libyen über das Mittelmeer kann dies so aber nicht angewendet werden, weshalb hier UN-Camps, z.B. im angrenzenden Ägypten oder Tunesien, ein Ansatzpunkt sein könnten, um nicht schutzberechtigte Personen, die von Libyen aus in die EU einreisen, wieder zurückzuführen. Ob so etwas tatsächlich ethisch vertretbar und im Einklang mit geltendem Recht gestaltbar ist, müsste aber zunächst eingehender geprüft werden. Wenn in solchen Camps ein vollwertiger Zugang zu einem wie oben beschriebenen EU-Migrations- und Asylsystem besteht, wäre das aber sicher schon ein guter Schritt in diese Richtung.


Ähnliche Artikel:
Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)

Ein Überblick über die Herausforderungen der Europäischen Union (www.mister-ede.de – 20.04.2014)

Flüchtlinge in der EU: Grenzsicherung durch Rückführungsabkommen (www.mister-ede.de – 05.02.2016)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/eu-entwicklung-migration-asyl/5437/feed 2
Der Blick durch die nationale Brille und die Folgen https://www.mister-ede.de/politik/blick-durch-nationale-brille/4825 https://www.mister-ede.de/politik/blick-durch-nationale-brille/4825#comments Sat, 05 Mar 2016 19:31:41 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4825 Weiterlesen ]]> Vergleicht man öffentliche Debatten in Deutschland, lassen sich interessante Unterschiede erkennen.

Nutzt ein Unternehmen bescheidene Arbeitsbedingungen, z.B. in Bangladesch, um dort für unsere Wohlstandsgesellschaft zu günstigen Konditionen zu produzieren, dann können wir daran kaum etwas ändern. Es ist die Angelegenheit des dortigen Staates, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Außerdem haben die Verbraucher die Macht, so etwas durch ihr Kaufverhalten zu beenden.

Nutzt hingegen ein Unternehmen die Gestaltungsspielräume des Steuerrechts, z.B. in den Niederlanden, dann ist das hierzulande ein riesiger Skandal und überall wird erklärt, dass es einen dringenden Handlungsbedarf auf europäischer oder globaler Ebene gibt.

Nutzt wiederum ein Unternehmen niedrige Umweltauflagen, z.B. in afrikanischen Ländern, um dort für unsere Wohlstandsgesellschaft zu günstigen Konditionen zu produzieren, dann können wir daran wieder kaum etwas ändern. Es ist ja die Angelegenheit des dortigen Staates, die Umweltauflagen zu erhöhen. Und außerdem haben eben die Verbraucher die Macht, so etwas durch ihr Kaufverhalten zu beenden.

Nutzt hingegen ein Unternehmen einen geringen Datenschutzstandard, z.B. in Irland, dann ist das hierzulande jedoch wieder ein riesiger Skandal und überall wird erklärt, dass es einen dringenden Handlungsbedarf auf europäischer oder globaler Ebene gibt.

Es ist natürlich nicht verwunderlich, dass die Empörung über mangelnden Datenschutz für uns Kunden oder die Steuervermeidung zulasten des hiesigen Staatshaushaltes deutlich größer ist als die Empörung über die schlechten Arbeitsbedingungen in Bangladesch oder die Umweltzerstörung z.B. durch Müllexporte nach Afrika. Allerdings zeigt es eindrücklich, wie sehr bei öffentlichen Debatten die Welt durch eine nationale Brille betrachtet wird und die eigenen nationalen Belange in den Vordergrund gerückt werden. Der Syrienkonflikt, der hierzulande erst so wirklich interessiert, seitdem in Deutschland die Flüchtlingszahlen steigen, könnte dafür genauso als Beispiel angeführt werden.

Dieser Blick durch die nationale Brille hat jedoch auch Folgen für die deutsche Außenpolitik, die – auch wenn das eben nicht der deutschen Selbstwahrnehmung entspricht – nicht weniger interessensgeleitet ist als in anderen Ländern. So gelingt es beispielsweise, über die EU oder über die WTO Steueroasen auszuweisen, diverse Sanktionen zu verhängen, eine Datenschutzverordnung zu erarbeiten oder Produktpiraterie zu bekämpfen. Wenn es allerdings um Lohn- und Sozialdumping bzw. niedrige Arbeits- und Umweltschutzstandards geht, dann werden die Erfolge spürbar kleiner.
Nun werden vielleicht manche einwenden, es sei das gute Recht eines Landes, in der Außenpolitik den eigenen Interessen nachzugehen, allerdings hat auch diese Betrachtung einen großen Haken. Sie blendet nämlich völlig aus, dass es erhebliche Machtunterschiede gibt, die es z.B. Entwicklungsländern sehr schwer machen, ihre eigenen Interessen tatsächlich wirksam zu verfolgen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EPA zwischen der EU und afrikanischen Ländern, bei denen die EU ihre Machtposition nutzte, um Druck auf ihre Verhandlungspartner auszuüben [1].

Für öffentliche Debatten aber bedeutet dies, dass die Perspektive viel stärker hinterfragt werden müsste. Anstatt das deutsche Handeln in der Welt vorschnell zu glorifizieren, sollte zunächst die nationale Brille abgenommen werden. Häufig wird dann nämlich eine äußerst interessensgeleitetet Politik erkennbar, die sich herzlich wenig um die Welt kümmert, solange Deutschland auf der Seite der Nutznießer steht.


Ähnliche Artikel:
Zukunft EU: Dachverband der Nationalinteressen oder Gemeinschaftsprojekt? (www.mister-ede.de – 31.01.2013)

EU-Flüchtlingspolitik: Der Bumerang des deutschen Egoismus (www.mister-ede.de – 27.10.2015)

Der BIP-Vergleich: Von Monaco bis Malawi (www.mister-ede.de – 13.06.2012)


[1] Tagesschau-Artikel vom 08.06.2015 zu den EPA-Verhandlungen (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/blick-durch-nationale-brille/4825/feed 0
Die globale Wirtschaft – Unsere Schuld und fremdes Leid https://www.mister-ede.de/politik/unsere-schuld-und-fremdes-leid/1579 https://www.mister-ede.de/politik/unsere-schuld-und-fremdes-leid/1579#comments Wed, 12 Dec 2012 15:10:07 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1579 Weiterlesen ]]> Wenn über den Wohlstand in Deutschland gesprochen wird, dann wird stets auf die innovativen Produkte, die Bildungs- und Forschungslandschaft und den gut organisierten Staat hingewiesen. Eher selten wird zur Begründung die Ausbeutung ärmerer Länder herangezogen. Der Stahl der hier benötigt wird, das Öl, die Kohle oder andere Rohstoffe (aktuell z.B. seltene Erden), werden aus dem Rest der Welt hierher und in die anderen Industriestaaten verbracht. Ohne die Rohstoffimporte aus Afrika, Vorder- und Zentralasien oder Südamerika würde es in Europa, Japan oder Nordamerika nicht diesen Wohlstand geben – nicht geben können.

Wie eine Zementierung der Ungleichgewichte wirken politische Maßnahmen wie Einfuhrzölle auf der einen und Frontex auf der anderen Seite. Es ist die Trennlinie, mit der klargestellt wird, dass Kleidung aus Bangladesh aus usbekischer Baumwolle nach Europa darf, aber Baumwollpflücker und Näherin sollen bitte auf ihrer Seite der Trennlinie bleiben. Unter anderem mit Saatgut wird die wirtschaftliche Abhängigkeit vertieft (Monsanto) und durch Schürfrechte (Glencore) und Landverkauf werden die Ressourcen der Länder abgeschöpft. Wer so tut, als ob der Rohstoffreichtum Südafrikas, dem dortigen Volk zu Gute kommt, der bindet einem einen de Beers auf. Auch bei der Klimapolitik zeigt sich, dass die Industrienationen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden wollen. Leidtragende werden wieder andere sein.

Man könnte sich nun fragen, wieso sich in diesen Ländern kein Widerstand regt, aber man denke an Panzerlieferungen an den Öl-Staat Saudi-Arabien oder die Geschäfte mit Gaddafi oder Mubarak. Während wir von einer starken Bürgergesellschaft in Deutschland, vom Land der Freiheit in den USA, oder der Grande Nation sprechen, werden andere Gesellschaften klein gehalten. Von Menschenrechten oder Bürgergesellschaft wird bei Geschäften mit Russland nicht gesprochen und das ist noch die angenehmere Variante. Denn zum Teil geht es ja soweit, dass die lokalen Unterdrücker mit Waffen beliefert oder bei der Ausbildung unterstützt werden.

Mein Eindruck ist, dass einige in Deutschland ganz gut damit leben können, solange Deutschland auf der Seite der Profiteure steht. Die größten außenpolitischen Bedenken sind für diese wohl, dass sich die rund 1,5 Mrd. Menschen in Nord-Amerika, Europa, Ostasien und Australien in Zukunft die globalen Ressourcen mit 1 Mrd. Chinesen werden teilen müssen. Der Gedanke, dass auch den Indern, Afrikanern oder Südamerikanern etwas von diesem Kuchen zusteht, kommt eher selten vor. Anscheinend ist es möglich, mit der Schuld an der globalen Ausbeutung zu leben, wenn das Leid in weiter Ferne ist.


Ähnliche Artikel:
Der BIP-Vergleich: Von Monaco bis Malawi (www.mister-ede.de – 13.06.2012)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/unsere-schuld-und-fremdes-leid/1579/feed 0