SPD braucht strategische, organisatorische, inhaltliche und personelle Erneuerung

Aller guten Dinge sind drei – aller schlechten leider auch. Nach der dritten Bundestagswahl in Folge mit einem SPD-Ergebnis weit unter der 30-Prozent-Marke muss sich die Sozialdemokratie nun grundlegend reformieren. Die älteste Partei Deutschlands muss die nächste Zeit nutzen, um sich strategisch, organisatorisch, inhaltlich und personell neu aufzustellen.

Strategisch:

Die gesellschaftliche Mitte ist eine Illusion – es gibt sie nicht! Vielmehr ist eine Gesellschaft eine Gesamtheit von Individuen, die sich bestenfalls als Milieus oder Gruppen zusammenfassen lassen. Anstelle einer Politik, die sich auf den Durchschnitt bezieht, z.B. auf eine Familie mit 1,6 Kindern oder auf einen 43,7 Jahre alten Arbeitnehmer mit 29.700 Euro Jahresgehalt, braucht es eine konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Bürgers.
Die SPD muss künftig politische Angebote machen, die der Lebenswirklichkeit der verschiedenen Gruppen und Milieus Rechnung tragen. Pflegende und Gepflegte, Homosexuelle, Menschen mit Migrationshintergrund, Erwerbsunfähige, Berufspendler oder Arbeitslose – um nur einige zu nennen – müssen sich gleichermaßen von der Sozialdemokratie vertreten fühlen. Alleinerziehende müssen sich von der Politik der SPD genauso angesprochen fühlen wie eine sechsköpfige Familie. Prekär Beschäftigte müssen sich in der Sozialdemokratie genauso aufgehoben fühlen wie die gewerkschaftlich organisierten Facharbeiter.
Basis für die Ausrichtung der SPD darf daher nicht länger ein fiktiver Durchschnitt sein, sondern muss die tatsächlich vorhandene Diversität sein. Denn unsere vielfältige Gesellschaft benötigt keine Politik für eine statistische Mitte, sondern eine Politik, die dieser Vielfalt am Ende auch gerecht wird.

Organisatorisch:

Die Digitalisierung hat unsere Gesellschaft grundlegend verändert, z.B. die Art und Weise der politischen Meinungs- und Willensbildung. Während das persönliche Gespräch immer stärker in den Hintergrund rückt, entstehen neue, digitale Räume des politischen Diskurses. Offline gilt, dass die SPD zu den Menschen hin muss – auf die Marktplätze, in die Vereine. Und dasselbe gilt online! Die SPD muss deshalb künftig für die Außenkommunikation viel stärker auf die von den Bürgern genutzten Plattformen im Netz gehen und darf dort nicht nur sein, sondern muss sich dort auch aktiv am politischen Diskurs beteiligen.
Daneben muss die SPD ihre Organisationsstruktur den Gegebenheiten unserer Zeit anpassen. Es braucht Netzangebote, die es ermöglichen, abseits traditioneller Parteistrukturen zielgerichtet über konkrete Themen zu diskutieren. Viele Bürger scheuen Parteien und auch viele Mitglieder wollen sich in ihrer Freizeit nicht damit beschäftigen, in welcher Farbe das Rathaus gestrichen werden soll, ob die Weihnachtsfeier im „Hirschen“ oder in der „Rose“ stattfindet oder ob man jetzt diese oder jene Kugelschreiber für den nächsten SPD-Stand organisiert. Sehr wohl aber interessieren sich zahlreiche Bürger und Mitglieder z.B. für Umweltschutzthemen, Migration, Friedenspolitik oder das Zusammenwachsen Europas.
Die SPD sollte daher nicht nur andere Plattformen bespielen, sondern dauerhaft eigene Netzpangebote für zeit- und ortsunabhängige Diskussionen entwickeln. Bürger können so aktiv in den Dialog eingebunden werden und losgelöst von Ortsvereinen von der SPD gezielt mit jenen Themen angesprochen werden, die sie besonders interessieren. Aber auch der Austausch unter den knapp 500.000 Mitgliedern kann gestärkt werden. Und wenn die Angebote entsprechend strukturiert und aufgebaut wären, könnten die Mitglieder darüber auch bei inhaltlichen Fragen am Entscheidungsprozess in der SPD mitwirken.

Inhaltlich:

Die SPD muss sich ein neues Grundsatzprogramm geben, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Es darf nicht länger zugelassen werden, dass Demokratie und Sozialstaat durch global agierende Großkonzerne ausgehöhlt werden. Vielmehr muss sich die SPD der Herausforderung stellen, die Globalisierung im Sinne von Demokratie und Sozialstaat zu gestalten. Dem Laissez-faire-Neoliberalismus der vergangenen Jahrzehnte muss daher endlich eine Absage erteilt werden und stattdessen müssen Wege zurück zur Sozialen Marktwirtschaft aufgezeigt werden. Anstelle von grenzenlosem Freihandel und nationalem Gegeneinander, braucht es Fairhandel und internationale Kooperation. Anstelle marktradikaler Deregulierung braucht es einen klaren ordnungspolitischen Rahmen. Denn nur eine Sozialdemokratie, die die Spaltung der Gesellschaft in Globalisierungsgewinner und Abgehängte verhindert, wird im 21. Jahrhundert noch eine Existenzberechtigung haben. Aus diesem Grund muss die SPD wieder zu der Partei werden, die dafür sorgt, dass nicht nur einige wenige vom technologischen Fortschritt und der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren, sondern die gesamte Gesellschaft.

Personell:

Wenn die Parteiführung eine grundlegende Reform der SPD glaubwürdig verkörpern will, darf sie sich bei diesem Erneuerungsprozess nicht ausnehmen. Anstelle ausgetretener Pfade braucht es neue Wege, anstelle des Verharrens im Gestern braucht es neue Ideen und anstelle von bestehenden Netzwerken braucht es einen frischen Wind. Statt Personalrochaden unter immer gleichen Köpfen durchzuführen, muss deshalb ein erkennbarer personeller Umbruch stattfinden.


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