mister-ede.de » Muslime https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Fremdenfeindlichkeit: So funktioniert die Hetze im Netz https://www.mister-ede.de/politik/so-funktioniert-hetze-im-netz/4712 https://www.mister-ede.de/politik/so-funktioniert-hetze-im-netz/4712#comments Tue, 19 Jan 2016 15:44:52 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4712 Weiterlesen ]]> Subtile bis offene Hetze gegen Ausländer oder Muslime war auch schon in der Vergangenheit im Internet keine Seltenheit, doch seit die Flüchtlingszahlen im vergangenen Jahr deutlich angestiegen sind, hat auch diese Form der Fremdenfeindlichkeit neue Ausmaße erreicht. So werden mittlerweile Schlagzeilen und Vorfälle systematisch genutzt, um durch Vermutungen, Pauschalisierungen und Vorverurteilungen ein Bild des gefährlichen Fremden zu zeichnen.
Wie dies funktioniert, zeigen zwei aktuelle Beispiele aus den vergangenen Wochen: Die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln und der Polizistenmord an Heiligabend in Herborn.

Schon wenige Stunden nachdem am Morgen des 24. Dezembers in Herborn ein Polizeibeamter niedergestochen wurde, begannen die Spekulationen rund um den Täter, der angeschossen noch vor Ort festgenommen wurde: Wieso hört man nichts über seine Herkunft [1]? War es ein Moslem [2]? Was wird uns verschwiegen? Um auch gleich eine mögliche Antwort zu bieten, werden solche Kommentare und Fragen oft zusätzlich mit nicht nachprüfbaren Zahlen und Statistiken zur Ausländerkriminalität oder auch Hinweisen auf andere von Ausländern oder Muslimen begangene Taten garniert.
Auf diese Weise wird jener Zeitraum konsequent für fremdenfeindliche Hetze genutzt, in dem es noch ein unvollständiges Bild des jeweiligen Vorfalls gibt. Während es unmöglich ist, die verschiedenen Mutmaßungen durch Tatsachen auszuräumen, können so Verdacht und Verunsicherung ungehindert ihre Kreise ziehen.

Stellt sich dann nach einiger Zeit heraus, dass der Täter, wie im Fall des Polizistenmords in Herborn, nicht ins Schema passt, also weder Ausländer noch Asylbewerber noch muslimisch ist, wird einfach wieder von vorne begonnen und ein neuer für Empörung geeigneter Vorfall gesucht, der ausgeschlachtet wird.
Handelt es sich jedoch, wie im Fall der Silvesternacht in Köln, um Täter die in das Feindschema passen, wird die vollständige Palette der Propaganda ausgepackt. Den Medien, die eben nicht schon in der ersten Minute nach einem Geschehen mit fundierten Artikeln und Berichten aufwarten konnten, wird nun vorgeworfen, sie würden die Vorfälle in einen Mantel des Schweigens hüllen und vertuschen. Gleichzeitig wird ein allumfassendes Versagen des Staates bzw. von Politik und Behörden suggeriert, weshalb zum Beispiel die Gründung von Bürgerwehren notwendig sei.
Die verbreitetste Form der einschlägigen Propaganda ist aber wohl die ungehemmte Verallgemeinerung nach dem Motto „typisch Ausländer“. Dabei geht es allerdings meist nicht darum, die Wut auf die Täter herauszulassen, sondern darum, eine Verbindung zu anderen Menschen mit gleichen Merkmalen (Herkunft, Religion, Aufenthaltsstatus) herzustellen und diese sozusagen in Sippenhaft zu nehmen. Während unser Grundgesetz vorsieht, dass auch bei einer Gruppe von 100 Menschen, von denen 99 straffällig wurden, derjenige, der nicht straffällig wurde, wie jeder andere unbescholtene Bürger behandelt wird, zielen solche Äußerungen auf das genaue Gegenteil, also darauf, auch die Unbescholtenen einer Gruppe als unpassend für unsere Gesellschaft zu diskreditieren.

Insgesamt halte ich es daher für dringend geboten, dass wir uns die Frage stellen, ob wir heute tatsächlich über Köln diskutieren würden, wenn es sich bei den Tätern um eine Horde betrunkener FC-Fans gehandelt hätte und gleichzeitig in Herborn ein Flüchtling aus Marokko der Täter gewesen wäre. Ohne die Vorfälle selbst in irgendeiner Weise vergleichen zu wollen, gehören beide zweifelsohne in die überregionale Berichterstattung. Wenn man sich dann aber den Umfang der Pressemeldungen anschaut und vor allem auch die daraus resultierenden Debatten, so wird das krasse Missverhältnis bei der öffentlichen Aufmerksamkeit deutlich.
Weil auch die subtile bis offene Hetze, die den Empörungswellen zugrunde liegt, systematisch erfolgt, nimmt damit die Medienberichterstattung mit Blickpunkt auf negativ aufgefallene „Fremde“ einen deutlich überproportionalen Raum ein. Während so z.B. Ausschreitungen oder Randale an Fußballwochenenden kaum Erwähnung in überregionalen Medien finden, schaffen es Schlägereien in Flüchtlingsheimen regelmäßig auf die Titelseiten.
Vielleicht wäre es daher ratsam, wenn sich Politik und Medien wieder darauf besinnen würden, dass Emotionen meist kein guter Ratgeber sind. Manche Medienanbieter sollten sich überlegen, ob es sich wirklich mit ihrem eigenen Anspruch verträgt, wenn jede Empörungswelle unabhängig des Nachrichtenwertes bis zum letzten ausgeschlachtet wird. Und auch der Politik stünde es womöglich besser zu Gesicht, sich nicht von Empörungswellen zu blindem Aktionismus verleiten zu lassen.


Ähnliche Artikel:
Reaktion auf Übergriffe in Köln: Wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen (www.mister-ede.de – 07.01.2016)


[1] Nutzerkommentare vom 25.12.2015 zum Thema auf Tagesschau.de (Z.B. 3. Kommentar) (Link zum Kommentarstrang auf meta.tagesschau.de) (inzwischen nicht mehr abrufbar)

[2] Youtube-Video vom 24.12.2015 mit subtiler Hetze. Vom Inhalt des Videos distanziere ich mich ausdrücklich: (Link zum Video auf www.youtube.com) (inzwischen nicht mehr abrufbar)

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Der Video-Streit https://www.mister-ede.de/politik/der-video-streit/1278 https://www.mister-ede.de/politik/der-video-streit/1278#comments Fri, 28 Sep 2012 12:59:49 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1278 Weiterlesen ]]> Vor gut drei Wochen ist ein Streit um das Internetvideo „Innocence of muslims“ ausgebrochen. Aus meiner Sicht hat dieser Streit vier „Aspekte“. Der erste ist für mich die USA, der zweite Aspekt ist die arabische Welt, über die ich mich zurzeit verstärkt informiere. Der dritte Aspekt ist der Sudan, der meines Erachtens mit ganz anderen Bedingungen daher kommt, auch wenn es sich um ein islamisches Land handelt. Der vierte Aspekt ist dann der Umgang mit dem Video in Deutschland. Eigentlich eine ebensolche Dämlichkeit sich damit überhaupt zu beschäftigen, und damit auch noch zuzulassen, dass unsere heimischen Provokateure das erreichen, was sie wollten – Aufmerksamkeit.

USA und arabische Welt:

Über die ersten beiden Aspekte will ich jetzt nicht salopp etwas schreiben, ohne nicht wenigsten etwas nähere Information zu haben. Bei den USA sehe ich aber zum einen eine Deeskalation, zum anderen aber auch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. In den muslimischen Ländern ist festzuhalten, dass es völlig unterschiedliche Ausgangssituationen gibt. Ägypten, Iran und Pakistan können nicht in einen Topf geworfen werden. Nachdem ich schon länger vorgenommen hatte mal einen Bericht zum arabischen Frühling zu lesen, werde ich das in den nächsten Tagen wohl mal machen.

Der „Fall Sudan“:

Zum Sudan wollte ich daher wissen, inwiefern die Teilung vor einem Jahr, evtl. Grund für die dortigen Unruhen sein könnte. Im Tagesschau-Forum wurden meine Fragen aber nicht freigeschaltet. Obwohl der Tagesschau-Bericht auf den Sudan einging, waren diese Fragen zum Sudan „themenfremd“ – etwas schade. Auch wesentlich andere Medienberichte gab es nicht. So sprechen viele Medien (MDR, Zeit, Welt, u.v.w.) vom „(im Sudan) bekannten Scheich Mohammed Dschisuli“ bei dem ich auch nur einen anderen Blog fand, der dieselbe Frage aufwarf, die ich mir stellte: „Wer ist das?“.

Dass der Bericht mehr oder weniger identisch ist, hängt wohl mit der doch sehr eingeschränkten Quellenlage zusammen. Es gibt dort keine oder kaum Korrespondenten, so dass z.B. Agenturberichte eher „blind“ übernommen werden (müssen). Das Ganze geschieht im Vertrauen, dass denn alles stimmt. Nachfragen sind so gar nicht möglich, ein Nachhaken ausgeschlossen. Neben fehlender Verifizierung wird dadurch auch oft nur oberflächliche berichtet. Eine Einordnung der Informationen ist eigentlich nur für diejenigen möglich, die sich schon intensiver mit der Region auseinandergesetzt haben.

Aber nochmal zu meiner Frage, die ja eigentlich war, ob die Teilung im Jahr 2011, bei der auch Deutschland eine wichtige Rolle gespielt hat, nicht ein Grund für die Proteste gegen die deutsche Botschaft sein kann. Ich halte es für Möglich, dass das Video nur der Auslöser von Protesten ist, aber die Gründe vermutete ich andernorts. Mir war bekannt dass der Süden Öl hat, wohingegen der Norden fast gänzlich Öl-frei ist.

Ich habe angefangen mich in ein Buch der Heinrich Böll Stiftung einzulesen, welches sehr aktuell die Lage nach der Teilung beschreibt.  Meine Informationen scheinen nicht ganz falsch zu sein. Der Nordsudan mit 40 Mio. Einwohnern ist hauptsächlich arabisch-muslimisch geprägt, was auch unterschiedliche Volksgruppen eint [1]. Im Süden handelt es sich eher um „afrikanische“ Gesellschaften, teils mit Naturreligionen [2]. Nach langen Jahren des Bürgerkriegs und einer „Annäherungszeit“ in den letzten Jahren, hat sich der Süden des Sudan nach einem Referendum überwiegend friedlich abgespalten [3].  Der Süden deckt auch tatsächlich rund 95% seiner Staatseinnahmen aus Ölexporten [4], wobei die Einnahmen bis zur Abspaltung beiden Regionen, Nord und Süd, zur Hälfte zustanden, nun dem Süden alleine. Auch beschreibt das Buch, dass sich die wirtschaftliche Lage im Norden verschlechtert hat [5] und es Spannungen um das Öl gibt bzw. gab [6].

Desweiteren haben sich die Regierungen des Sudan in den letzten 2 Monaten an entscheidenden Punkten geeinigt (Ölgebühren, und eine Grundform von freiem Handel und Austausch zwischen den Ländern) [7]. Die JPS (der politische Arm der Islamisten im Sudan) ist strikt gegen diese Vereinbarungen der Regierung mit dem neuen Süd-Sudan [8].

Inwiefern das nun zu dem Sturm auf die deutsche Botschaft beigetragen hat, vermag ich natürlich auch nicht zu beurteilen. Denkbar wäre aber, dass der Grund für die Proteste im Sudan hauptsächlich die Entscheidungen rund um die sudanesische Teilung sind. Das Video könnte lediglich als Auslöser dienen um die Massenprotestet gegen die ausländischen Regierungen zu organisieren, welche nach deren Ansicht maßgeblich mitverantwortlich für diese Entwicklung sind.

Das Bestreben in Deutschland:

Man kann viele Urteile für oder gegen das Zeigen des Filmes anführen. Nachdem aber solche Urteile immer den Einzelfall betrachten, erscheint eine allgemeine Aussage kaum möglich. Eine Filmaufführung in privatem oder wissenschaftlichem Rahmen wird zulässig sein, wohingegen die Genehmigung einer Aufführung im Rahmen einer Demo vor einer Moschee von den Behörden wohl versagt werden kann. Hier haben die Behörden auch einen Ermessensspielraum, der genutzt werden kann, aber eben nicht muss. So könnte auch eine Aufführung von der einen Behörde genehmigt werden, während die Ordnungsbehörde in einem anderen Teil Deutschlands dies untersagt. Aus meiner Sicht spricht nichts gegen eine Vorführung im geschlossen Raum, der nur denjenigen zugänglich ist, die sich so etwas freiwillig anschauen wollen. Hier ist aus meiner Sicht nicht der Tatbestand „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ des §166 II erfüllt, weil sich niemand aktiv bemühen muss den Film nicht zu sehen.

Die Veröffentlichung im Internet auf Servern in den USA wird nicht durch Deutschland geregelt, weshalb eine Debatte sinnlos ist. In Deutschland hingegen halte ich das hochladen des Inhaltes allerdings zumindest für strafrechtlich bedenklich. Hier könnte ein Straftatbestand erfüllt werden, wenn die Gerichte den Film als Verunglimpfung betrachten. Anders als bei einer Aufführung wird hier der Film räumlich und zeitlich unbegrenzt für jedermann zugänglich gemacht. Dies könnte zu einer anderen Bewertung des Ausmaßes der „Störung“ führen. Falls ein Gericht deshalb auch eine Gefährdung für den öffentlichen Frieden sieht, wäre das Hochladen dann eine strafbare Handlung.


[1] Vgl. Deng, F. M.: „Das Paradox der Unabhängigkeit des Südens“, in „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S.16 [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[2] Vgl. Deng, F. M.: „Das Paradox der Unabhängigkeit des Südens“, in „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S.16f [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[3] Vgl. Vorwort zu „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S.7ff [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[4] Vgl. Thomas, E.: „Die neuen Regierungen in Juba und Khartoum – und wie man ihnen Widerstand leisten kann“, in „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012,  S.33 [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[5] Vgl. Vorwort zu „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S. 7 [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[6] Vgl. Deng, F. M.: „Das Paradox der Unabhängigkeit des Südens“, in „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S.15 [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[7] Vgl. Reliefweb (Humanitäres Informationsprojekt der UN): Meldung vom 9. September 2012 [Link zum Bericht (reliefweb.int)]

[8] Vgl. Reliefweb (Humanitäres Informationsprojekt der UN): Meldung vom 9. September 2012 [Link zum Bericht (reliefweb.int)]

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