Der Video-Streit

Vor gut drei Wochen ist ein Streit um das Internetvideo „Innocence of muslims“ ausgebrochen. Aus meiner Sicht hat dieser Streit vier „Aspekte“. Der erste ist für mich die USA, der zweite Aspekt ist die arabische Welt, über die ich mich zurzeit verstärkt informiere. Der dritte Aspekt ist der Sudan, der meines Erachtens mit ganz anderen Bedingungen daher kommt, auch wenn es sich um ein islamisches Land handelt. Der vierte Aspekt ist dann der Umgang mit dem Video in Deutschland. Eigentlich eine ebensolche Dämlichkeit sich damit überhaupt zu beschäftigen, und damit auch noch zuzulassen, dass unsere heimischen Provokateure das erreichen, was sie wollten – Aufmerksamkeit.

USA und arabische Welt:

Über die ersten beiden Aspekte will ich jetzt nicht salopp etwas schreiben, ohne nicht wenigsten etwas nähere Information zu haben. Bei den USA sehe ich aber zum einen eine Deeskalation, zum anderen aber auch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. In den muslimischen Ländern ist festzuhalten, dass es völlig unterschiedliche Ausgangssituationen gibt. Ägypten, Iran und Pakistan können nicht in einen Topf geworfen werden. Nachdem ich schon länger vorgenommen hatte mal einen Bericht zum arabischen Frühling zu lesen, werde ich das in den nächsten Tagen wohl mal machen.

Der „Fall Sudan“:

Zum Sudan wollte ich daher wissen, inwiefern die Teilung vor einem Jahr, evtl. Grund für die dortigen Unruhen sein könnte. Im Tagesschau-Forum wurden meine Fragen aber nicht freigeschaltet. Obwohl der Tagesschau-Bericht auf den Sudan einging, waren diese Fragen zum Sudan „themenfremd“ – etwas schade. Auch wesentlich andere Medienberichte gab es nicht. So sprechen viele Medien (MDR, Zeit, Welt, u.v.w.) vom „(im Sudan) bekannten Scheich Mohammed Dschisuli“ bei dem ich auch nur einen anderen Blog fand, der dieselbe Frage aufwarf, die ich mir stellte: „Wer ist das?“.

Dass der Bericht mehr oder weniger identisch ist, hängt wohl mit der doch sehr eingeschränkten Quellenlage zusammen. Es gibt dort keine oder kaum Korrespondenten, so dass z.B. Agenturberichte eher „blind“ übernommen werden (müssen). Das Ganze geschieht im Vertrauen, dass denn alles stimmt. Nachfragen sind so gar nicht möglich, ein Nachhaken ausgeschlossen. Neben fehlender Verifizierung wird dadurch auch oft nur oberflächliche berichtet. Eine Einordnung der Informationen ist eigentlich nur für diejenigen möglich, die sich schon intensiver mit der Region auseinandergesetzt haben.

Aber nochmal zu meiner Frage, die ja eigentlich war, ob die Teilung im Jahr 2011, bei der auch Deutschland eine wichtige Rolle gespielt hat, nicht ein Grund für die Proteste gegen die deutsche Botschaft sein kann. Ich halte es für Möglich, dass das Video nur der Auslöser von Protesten ist, aber die Gründe vermutete ich andernorts. Mir war bekannt dass der Süden Öl hat, wohingegen der Norden fast gänzlich Öl-frei ist.

Ich habe angefangen mich in ein Buch der Heinrich Böll Stiftung einzulesen, welches sehr aktuell die Lage nach der Teilung beschreibt.  Meine Informationen scheinen nicht ganz falsch zu sein. Der Nordsudan mit 40 Mio. Einwohnern ist hauptsächlich arabisch-muslimisch geprägt, was auch unterschiedliche Volksgruppen eint [1]. Im Süden handelt es sich eher um „afrikanische“ Gesellschaften, teils mit Naturreligionen [2]. Nach langen Jahren des Bürgerkriegs und einer „Annäherungszeit“ in den letzten Jahren, hat sich der Süden des Sudan nach einem Referendum überwiegend friedlich abgespalten [3].  Der Süden deckt auch tatsächlich rund 95% seiner Staatseinnahmen aus Ölexporten [4], wobei die Einnahmen bis zur Abspaltung beiden Regionen, Nord und Süd, zur Hälfte zustanden, nun dem Süden alleine. Auch beschreibt das Buch, dass sich die wirtschaftliche Lage im Norden verschlechtert hat [5] und es Spannungen um das Öl gibt bzw. gab [6].

Desweiteren haben sich die Regierungen des Sudan in den letzten 2 Monaten an entscheidenden Punkten geeinigt (Ölgebühren, und eine Grundform von freiem Handel und Austausch zwischen den Ländern) [7]. Die JPS (der politische Arm der Islamisten im Sudan) ist strikt gegen diese Vereinbarungen der Regierung mit dem neuen Süd-Sudan [8].

Inwiefern das nun zu dem Sturm auf die deutsche Botschaft beigetragen hat, vermag ich natürlich auch nicht zu beurteilen. Denkbar wäre aber, dass der Grund für die Proteste im Sudan hauptsächlich die Entscheidungen rund um die sudanesische Teilung sind. Das Video könnte lediglich als Auslöser dienen um die Massenprotestet gegen die ausländischen Regierungen zu organisieren, welche nach deren Ansicht maßgeblich mitverantwortlich für diese Entwicklung sind.

Das Bestreben in Deutschland:

Man kann viele Urteile für oder gegen das Zeigen des Filmes anführen. Nachdem aber solche Urteile immer den Einzelfall betrachten, erscheint eine allgemeine Aussage kaum möglich. Eine Filmaufführung in privatem oder wissenschaftlichem Rahmen wird zulässig sein, wohingegen die Genehmigung einer Aufführung im Rahmen einer Demo vor einer Moschee von den Behörden wohl versagt werden kann. Hier haben die Behörden auch einen Ermessensspielraum, der genutzt werden kann, aber eben nicht muss. So könnte auch eine Aufführung von der einen Behörde genehmigt werden, während die Ordnungsbehörde in einem anderen Teil Deutschlands dies untersagt. Aus meiner Sicht spricht nichts gegen eine Vorführung im geschlossen Raum, der nur denjenigen zugänglich ist, die sich so etwas freiwillig anschauen wollen. Hier ist aus meiner Sicht nicht der Tatbestand „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ des §166 II erfüllt, weil sich niemand aktiv bemühen muss den Film nicht zu sehen.

Die Veröffentlichung im Internet auf Servern in den USA wird nicht durch Deutschland geregelt, weshalb eine Debatte sinnlos ist. In Deutschland hingegen halte ich das hochladen des Inhaltes allerdings zumindest für strafrechtlich bedenklich. Hier könnte ein Straftatbestand erfüllt werden, wenn die Gerichte den Film als Verunglimpfung betrachten. Anders als bei einer Aufführung wird hier der Film räumlich und zeitlich unbegrenzt für jedermann zugänglich gemacht. Dies könnte zu einer anderen Bewertung des Ausmaßes der „Störung“ führen. Falls ein Gericht deshalb auch eine Gefährdung für den öffentlichen Frieden sieht, wäre das Hochladen dann eine strafbare Handlung.


[1] Vgl. Deng, F. M.: „Das Paradox der Unabhängigkeit des Südens“, in „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S.16 [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[2] Vgl. Deng, F. M.: „Das Paradox der Unabhängigkeit des Südens“, in „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S.16f [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[3] Vgl. Vorwort zu „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S.7ff [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[4] Vgl. Thomas, E.: „Die neuen Regierungen in Juba und Khartoum – und wie man ihnen Widerstand leisten kann“, in „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012,  S.33 [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[5] Vgl. Vorwort zu „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S. 7 [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[6] Vgl. Deng, F. M.: „Das Paradox der Unabhängigkeit des Südens“, in „Der Sudan nach der Teilung – Neue Lösungsansätze für eine neue Regierung“, hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und Toni Weis in der Reihe „Schriften zur Demokratie“, Berlin 2012, S.15 [PDF-File: Der Sudan nach der Teilung (www.boell.de)]

[7] Vgl. Reliefweb (Humanitäres Informationsprojekt der UN): Meldung vom 9. September 2012 [Link zum Bericht (reliefweb.int)]

[8] Vgl. Reliefweb (Humanitäres Informationsprojekt der UN): Meldung vom 9. September 2012 [Link zum Bericht (reliefweb.int)]

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