mister-ede.de » Sperrklausel https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die Gleichwertigkeit der Stimmen und das Verfassungsgerichtsurteil zur 3%-Hürde https://www.mister-ede.de/politik/bverfg-urteil-zur-sperrklausel/2386 https://www.mister-ede.de/politik/bverfg-urteil-zur-sperrklausel/2386#comments Fri, 28 Feb 2014 18:09:50 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2386 Weiterlesen ]]> Am Mittwoch urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die 3%-Hürde für Parteien bei der Europawahl unzulässig ist und entfallen muss. Als Begründung führte das Gericht an, dass die Sperrklausel „gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien“ [1] verstößt.
Dies ist juristisch sicherlich richtig, denn für die Beurteilung des Wahlverfahrens der deutschen Abgeordneten ist das deutsche Grundgesetz maßgeblich und deshalb muss eben auch die Gleichwertigkeit der Stimmen in besonderem Maße beachtet werden. Es stellt sich für das Gericht somit lediglich die Frage, ob es für eine solche Sperrklausel einen Rechtfertigungsgrund gibt und genau dies verneint das BVerfG zurzeit.
Kritisiert wird am BVerfG, dass es damit möglicherweise zu weit auf das Spielfeld der Politik vorgedrungen ist. Denn ob und wie weit eine Gefahr einer Zersplitterung droht, ist eine Frage der Einschätzung, und bei solchen Fragen darf das Bundesverfassungsgericht eigentlich nur dem Spielraum des Gesetzgebers verfassungsrechtliche Grenzen setzen.
Ich teile aber auch hier die Auffassung des Gerichts, denn nachdem es keine Anzeichen dafür gibt, dass bei einem Wegfall der 3%-Hürde die Funktionsfähigkeit des Parlaments in irgendeiner Form beeinträchtigt wird, entfällt meines Erachtens auch der Spielraum des Gesetzgebers, eine mögliche Gefährdung zu prognostizieren.

Doch obwohl ich das Urteil für juristisch völlig korrekt halte, ist es aus meiner Sicht ein glatter Witz – ein Schildbürgerstreich. So stellt das Urteil höchstrichterlich fest, dass bei einer Wahl, bei der von vorneherein keine Gleichwertigkeit der Stimmen gegeben ist, eine 3%-Hürde an genau diesem Gleichwertigkeitsgebot scheitert. Betrachtet man das Europäische Parlament, dann ist die Zusammensetzung des Parlaments nicht proportional zu der Einwohnerzahl. Während Luxemburg mit rund einer halben Million Einwohner sechs Abgeordnete nach Brüssel oder Straßburg schicken darf, entfallen auf die BRD mit der 150-fachen Anzahl an Einwohnern gerade mal 96 Sitze [2], also nur 16-mal so viele.
Nun kann man sich fragen, ob es, auf die Einwohnerzahl bezogen, leichter ist 90.000 Luxemburger oder 800.000 Deutsche zu überzeugen, aber von einer Gleichwertigkeit der Stimmen kann man hier nicht sprechen.
Würde man das Bundestagswahlrecht auf diese Weise ausgestalten, also z.B. proportional dem Saarland mehr Sitze im Bundestag zuteilen, würde man gegen das Grundgesetz verstoßen. Doch weil für das Europäische Parlament europäische Gesetze gelten, muss die Gleichwertigkeit der Stimmen eben nicht bei der Wahl des gesamten Parlaments sondern nur bei der Wahl des deutschen Kontingents beachtet werden. Dies führt zu diesem zwar juristisch korrekten aber dennoch recht sinnfreien Urteil.

Aber neben dieser Realsatire wirft das Urteil auch noch für einen anderen Bereich eine Frage auf. Sind heutzutage denn noch Sperrklauseln bei Bundestags- und Landtagswahlen zulässig und in welcher Höhe sind diese vertretbar? Welche Auswirkungen die 5%-Hürde auf die Zusammensetzung des Parlaments haben kann, hat die jüngste Bundestagswahl mit zwei Parteien, die kurz vor dieser Hürde scheiterten, gezeigt. Mehrere Millionen Stimmen sind nicht im Bundestag vertreten und auch die Miniopposition ist eine direkte Folge der hohen Hürde. Auf der anderen Seite kann eine niedrigere Hürde auch den Anreiz erhöhen, mit kleineren Nischenparteien den politischen Erfolg zu suchen, was möglicherweise dann tatsächlich auf Dauer zu Problemen bei der Regierungsbildung führt.
Aus meiner Sicht sind jetzt die Abgeordneten auf Bundes- und Landesebenen gefordert, die jeweiligen Sperrklauseln zumindest auf den Prüfstand zu stellen.


[1] Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2014 (Link zur Entscheidung auf www.bundesverfassungsgericht.de)

[2] Zusammensetzung des europäischen Parlaments laut Wikipedia (Link zum Artikel über das europäische Parlament auf de.wikipedia.org)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/bverfg-urteil-zur-sperrklausel/2386/feed 0
Eine Bundestagswahl der verschenkten Stimmen? https://www.mister-ede.de/politik/wahl-der-verschenkten-stimmen/1781 https://www.mister-ede.de/politik/wahl-der-verschenkten-stimmen/1781#comments Mon, 21 Jan 2013 15:00:25 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1781 Weiterlesen ]]> Glaubt man den Demoskopen, dann möchte die Bevölkerung mehrheitlich eine Politik, die den sozialen Ausgleich fördert und keine Lobby- oder Elitenpolitik betreibt. Ob Rot-Grün, ob Linke oder Piraten, all diese Parteien wollen die Lastenverteilung gerechter gestalten, den Arbeitsmarkt gegen Lohndumping absichern und auch die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen besser stellen. Dennoch ist die Wahl einer sozial ausgerichteten Regierung im September unsicher.

Durch die Zersplitterung der Parteienlandschaft sind gestern in Niedersachsen über 5% der Stimmen aus dem linken Lager an Parteien gegangen, die den Einzug in den Landtag gar nicht schafften. Auch bei der Bundestagswahl kann sich ein solches Szenario wiederholen, wenn es um eine neue Regierung und damit neue Politik in Deutschland geht. Gerade die Piratenpartei gräbt hier vom linken Flügel entscheidende Stimmen ab. Aber auch die Konstellation mit der Linkspartei erschwert auf Bundesebene zusätzlich einen Machtwechsel.

Nach dem Motto „wenn zwei sich streiten“ ist die gewinnende Dritte Angela Merkel mit ihrer CDU. Aber auch im bürgerlichen Lager gibt es ähnliche Probleme. In Niedersachsen hat sich gezeigt, dass die FDP keine eigene Basis mehr hat um über die 5% Hürde zu kommen. Auf Bundesebene stellt sich daher für bürgerliche Wähler ebenfalls die Frage, ob nicht eine Stimme an die FDP am Ende eine verschenkte Stimme sein wird. Mit nur geringen Wählerwanderungen kann aus dem 5-Fraktionen Parlament im September ein Bundestag mit nur 3 Fraktionen werden.

Aber auch dann, wenn zwar der Einzug der FDP gelingt, es dennoch nicht für eine bürgerliche Regierung reicht, können sich die Leihstimmengeber fragen, ob es nicht eine verschenkte Stimme war. In Niedersachsen sind die Problemfälle um Wulff, Grotelüschen, McAllister oder Möllring alle aus der CDU gekommen, auf der Bundesebene bekäme der Wähler aber erneut die Chaostruppe um Westerwelle, Rösler oder Brüderle geliefert. Der Niedersächsische Wahlerfolg könnte daher für die FDP ein Pyrrhussieg sein, weil die bitteren Folgen der Leihstimmenkampagne erkennbar sind.

Nachdem ich bei der Bundestagswahl im September nicht erwarte, dass neben Union, SPD und Grüne auch noch FDP, Piraten und Linke ins Parlament einziehen werden, stellt sich für mich nicht die Frage ob Stimmen verschenkt werden, sondern nur auf welcher Seite des Lagers Stimmen verschenkt werden.

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/wahl-der-verschenkten-stimmen/1781/feed 0