mister-ede.de » Poker http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Griechenland-Krise: Die späte und daher teure Einsicht der Union http://www.mister-ede.de/politik/spaete-und-teure-einsicht/4422 http://www.mister-ede.de/politik/spaete-und-teure-einsicht/4422#comments Sun, 20 Sep 2015 09:32:38 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4422 Weiterlesen ]]> Es war ein langer Weg, bis die Union endlich zu der Einsicht gelangte, dass im Falle eines Scheiterns der Griechenland-Rettung für die Eurozone viel mehr auf dem Spiel steht als für Griechenland selbst.

Zunächst hielt die Euro-Gruppe nach der Wahl von Alexis Tsipras zum griechischen Ministerpräsidenten an ihrer Forderung fest, dass Griechenland das zweite Hilfsprogramm bis zum 28.2. erfolgreich abschließen muss, um eine letzte Tranche von 7,2 Mrd. Euro zu erhalten und Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm zu ermöglichen [1]. Nachdem Syriza dazu aber nicht bereit war und bei einer Nicht-Einigung ein immenser Schaden für die Eurozone entstanden wäre, musste diese Linie Ende Februar verlassen werden. Griechenland wurde daher eine weitere Verlängerung des Programms bis zum 30.6. gewährt und auch bei den Auflagen sollte es ein Entgegenkommen geben.

Dennoch gelang es Tsipras nicht, innerhalb dieser neuen Frist eine Reformliste vorzulegen, die von den Gläubigern akzeptiert wurde, was vor allem an den Hardlinern in der Euro-Gruppe und ihren überzogenen Forderungen an Griechenland lag. Im Gegenzug kam es daher auch nie zur Auszahlung der Tranche von 7,2 Mrd. Euro aus dem zweiten Hilfspaket und stattdessen wurden bis in den Mai die letzten Reserven in Griechenland zusammengekratzt und Verpflichtungen mit kurzfristigen Krediten erfüllt, bevor dann im Juni der IWF nicht mehr bedient werden konnte. Fristgerecht, aber eben unabgeschlossen, lief dann am 30.6. das zweite Hilfsprogramm nach der Ankündigung des Referendums durch Alexis Tsipras aus.
Doch obwohl die EZB den Liquiditätszufluss stoppte und damit das Schließen der Banken und Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland erzwang, unterstützte das griechische Volk mit seinem „Oxi“ auch weiterhin genau diesen Kurs des Ministerpräsidenten. Wie schon im Februar musste die Euro-Gruppe deshalb einlenken, damit Griechenland nicht in den Staatsbankrott oder gar in den Grexit rutscht und der Eurozone ein gewaltiger Schaden entsteht. Und so wurde auch ohne Abschluss des zweiten Programms ein drittes Paket mit deutlich milderen Auflagen und einem deutlich höheren Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro vereinbart.

Wenn nun aber der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Ralph Brinkhaus in der Bundestagsdebatte zum dritten Hilfspaket begründet, „Griechenland bleibt so oder so auf unserem Deckel“ [2], und Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, in einer Diskussion auf Phoenix [3] feststellt, dass die neuen Kredite sowieso zu einem großen Teil nur dazu dienen, die alten Kredite samt Zinsen bei uns zu bezahlen, fragt man sich, warum diese Einsicht erst so spät kommt.
Die grundlegende Situation ist dieselbe wie vor sieben Monaten und schon im Januar hätten diese Schlüsse gezogen und so die milliardenteure Hängepartie vermieden werden können.
Hätte man sich nach der Tsipras‘ Wahl zeitnah auf ein ähnliches Programm wie das jetzt vereinbarte geeinigt, wäre die griechische Wirtschaft in diesem Jahr schon wieder gewachsen und der griechische Staat hätte aller Voraussicht nach selbst bei zusätzlichen Sozialmaßnahmen noch einen niedrigen Primärüberschuss erzielt. Selbst die Schuldenquote Griechenlands wäre schon 2015 rückläufig gewesen, wenn man frühzeitig auf eine faire Vereinbarung gesetzt hätte. Überdies wäre es vermutlich nie zu jener massiven Kapitalflucht gekommen, die nun eine bis zu 25 Milliarden Euro schwere Bankenrekapitalisierung notwendig macht.

So aber wurde durch das Pokern von Schäuble und Co. in den letzten Monaten vieles von dem zerstört, was zuvor mühsam aufgebaut wurde und nun wieder aufgebaut werden muss. Das einzige was aus deutscher Sicht positiv anzumerken ist: Die Kosten für die vorwiegend von Schäuble begangenen Fehler tragen zu über 70% nicht wir hier in Deutschland, sondern die Bevölkerungen unserer Euro-Partner z.B. in der Slowakei, in Slowenien, im Baltikum, in Österreich oder Belgien.


Ähnliche Artikel:
Kleiner Schuldenrechner für Griechenland (www.mister-ede.de)

Griechenland-Krise: Herr Schäuble, Sie haben sich verzockt! (www.mister-ede.de – 20.09.2015)

Griechenland-Krise: Die Vereinbarung von Primärüberschüssen (www.mister-ede.de – 14.08.2015)

Eurokrise: FAQ zur Griechenland-Krise und zur aktuellen Lage (www.mister-ede.de – 23.03.2015)


[1] Artikel bei FAZ-Online vom 12.02.2015 (Link zum Artikel auf www.faz.net)

[2] Bundestagsdebatte vom 19.08.2015 ab Minute 29:30 (Link zum Video auf www.youtube.com)

[3] Phoenix Runde vom 19.08.2015 ab Minute 10:30 (Link zum Video auf www.youtube.com)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/spaete-und-teure-einsicht/4422/feed 0
Griechenland-Krise: Herr Schäuble, Sie haben sich verzockt! http://www.mister-ede.de/politik/schauble-hat-sich-verzockt/4397 http://www.mister-ede.de/politik/schauble-hat-sich-verzockt/4397#comments Sun, 20 Sep 2015 09:28:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4397 Weiterlesen ]]> Vor rund acht Monaten verkündete Wolfgang Schäuble nach der Wahl von Alexis Tsipras zum neuen griechischen Ministerpräsidenten die Linie der Union. Syriza sollte das zweite Hilfsprogramm erfolgreich bis zum 28.2. umsetzen, um die letzte Tranche aus diesem Paket zu erhalten. Dann erst wollte man evtl. über ein neues Programm reden [1].

Offenkundig fühlte sich Schäuble im Verbund der Eurogruppe sicher, weshalb er versuchte, Griechenland den Geldhahn zuzudrehen, so dass Tsipras entweder ein hartes Auflagenpaket hätte akzeptieren müssen oder das Land aus dem Euro führen. Doch wie wir heute wissen, kam es gänzlich anders.
Denn Schäubles griechisches Pendant Varoufakis machte eine andere Rechnung auf. Nachdem Griechenland nahe einem Primärüberschuss ist, brauchte und braucht es neue Kredite nur, um alte Kredite samt Zinsen begleichen zu können. Wäre Griechenland in den letzten Monaten in den Staatsbankrott bzw. zu einem Grexit gedrängt worden, dann hätten die Gläubiger auf die Rückzahlung von ein paar hundert Milliarden Euro verzichten müssen, während sich Griechenland mit deutlich weniger Schulden innerhalb oder außerhalb des Euros hätte stabilisieren können. Zwar glaube ich Varoufakis, wenn er sagt, dass er den Grexit nicht wollte. Klar ist aber, und das hat er selbst mehrfach geäußert, dass er ihn als gangbaren Weg empfand und somit ohne Weiteres in Kauf genommen hätte.

Schäuble, der nur stellvertretend für die Austeritäts-Hardliner der Eurogruppe steht, hatte somit nie eine Chance diesen Poker zu gewinnen, denn entweder musste er Griechenland nachgeben oder die Eurogruppe wäre vor einem Scherbenhaufen gestanden. Trotzdem kämpfte er verbissen auf verlorenem Posten, bis das „Nein“ der griechischen Bevölkerung Juncker, Hollande und Merkel zum Einlenken zwang. Während damit Varoufakis seine Aufgabe erfüllt hatte und Tsipras sein Hauptziel, nämlich ein deutliches Entgegenkommen der Gläubiger, erreichte, musste sich Schäuble geschlagen geben, weil er wohl nicht mit einem solchen Rückhalt für Syriza und diesem außerordentlichen Durchhaltevermögen des griechischen Volkes rechnete.

Ginge es dabei nur um eine politische Niederlage unseres Finanzministers, könnte der Vorgang einfach abgehakt werden. Doch dieses Pokerspiel bzw. der Bluff von Schäuble und den anderen Hardlinern der Eurogruppe war nicht nur sinnlos, sondern auch immens teuer. Neben dem Vertrauen, das auf politischer Ebene zerstört wurde, hat die 6-monatige Hängepartie das Wachstum in Griechenland gekostet und die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone gebremst. Überdies wurde eine Kapitalflucht ausgelöst, welche die Intra-Euro-Verbindlichkeiten Griechenlands von Anfang Januar bis Ende Juli 2015 um rund 75 Milliarden Euro steigen ließ und im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar um 90 Mrd. Euro [2]. Wenn also heute griechische Banken mit 25 Mrd. Euro rekapitalisiert werden müssen, so ist dies eine der direkten und teuren Folgen des fatalen Pokerspiels der Austeritäts-Hardliner.

Egal wie die heutige Wahl in Griechenland ausgeht, bleibt damit im Ergebnis festzuhalten: Herr Schäuble, Sie haben sich gnadenlos verzockt!


Ähnliche Artikel:
Kleiner Schuldenrechner für Griechenland (www.mister-ede.de)

Griechenland-Krise: Die späte und daher teure Einsicht der Union (www.mister-ede.de – 20.09.2015)

Griechenland-Krise: Das ungelöste Schuldenproblem (www.mister-ede.de – 14.08.2015)

Eurokrise: FAQ zur Griechenland-Krise und zur aktuellen Lage (www.mister-ede.de – 23.03.2015)


[1] Artikel bei FAZ-Online vom 12.02.2015 (Link zum Artikel auf www.faz.net)

[2]
Stand der Intra-Euro-Verbindlichkeiten am 31.07.2014 38,2 Mrd. Euro (Link zur PDF auf www.bankofgreece.gr)
Stand der Intra-Euro-Verbindlichkeiten am 31.12.2014 54,5 Mrd. Euro (Link zur PDF auf www.bankofgreece.gr)
Stand der Intra-Euro-Verbindlichkeiten am 31.07.2015 128,2 Mrd. Euro (Link zur PDF auf www.bankofgreece.gr)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/schauble-hat-sich-verzockt/4397/feed 0