Griechenland-Krise: Das ungelöste Schuldenproblem

Zurzeit wird zwar ein neues Hilfspaket für Griechenland auf den Weg gebracht, allerdings bleibt dabei ein wesentlicher Themenkomplex wieder ausgespart. Erneut wird es kein Konzept für den Umgang mit jenem Schuldenberg geben, den das Land seit Jahren vor sich herschiebt. Obwohl es in allseitigem Interesse wäre, diesen Unsicherheits- und Störfaktor endlich durch eine für alle Beteiligten akzeptable und tragfähige Lösung zu beseitigen, wird dieses Thema ein weiteres Mal vertagt.

Schuldenschnitt vs. Schuldenumstrukturierung:

Würde die Verzinsung der griechischen Staatsschulden auf 0% gesenkt, könnte das Land die Zinsen für jede beliebige Schuldenlast tragen. Mit diesem simplen Beispiel wird deutlich, dass ein nominaler Schuldenschnitt, also z.B. ein Forderungsverzicht von 50% niemals erforderlich ist, solange der Zinssatz politisch festgelegt werden kann, so wie dies bei der Konstruktion über den ESM / die EFSF der Fall ist.
Zielführend ist daher, die Spielräume bei der Zinsgestaltung zu verwenden und die Schulden entsprechend umzustrukturieren. Zu Nutze können sich die Euroländer dabei weiterhin machen, dass sie gemeinsam deutlich günstigere Zinskonditionen erhalten als Griechenland für sich alleine. Die EFSF erhält zurzeit Kredite unter 2%, kurzfristig sogar unter 1%, und wenn sich die Zinsanforderungen an Griechenland in diesem Rahmen bewegen, was sie zum Teil ja auch bereits machen, dann wird die Schuldenlast durch die niedrigeren Zinsen tragbar.
In diesem Fall kann man nun streiten, ob es sich um einen Schuldenschnitt handelt oder nicht. Geht man von den Konditionen aus, die Griechenland am Markt zahlen müsste, dann würde ein solcher vergünstigter Zinssatz für Griechenland tatsächlich eine Art strukturellen Schuldenschnitt darstellen. Legt man hingegen jenen Zinssatz zugrunde, zu dem sich die Geldgeber, also z.B. die EFSF, selbst mit Finanzmittel versorgen können, so verzichten diese mit der Weitergabe der günstigen Konditionen lediglich darauf, bei der Rettung Griechenlands auch noch Gewinn zu machen.

Die Zinslast:

In den vergangen beiden Jahren hatte Griechenland eine Zinslast in Höhe von ca. 4% des BIP, allerdings wurde dieser Wert nur mit Hilfe vergünstigter Zinskonditionen erreicht. In diesem Jahr könnte die Zinslast etwas ansteigen, sofern allerdings das dritte Hilfspaket zustande kommt und die üblicherweise teureren Kassenkredite wieder durch reguläre Kredite abgelöst und die etwas teureren Verbindlichkeiten gegenüber IWF und EZB durch günstigere ESM-Kredite ersetzt werden, könnte 2016 bei einer Schuldenquote von 180% und einer durchschnittlichen Verzinsung der Schulden von knapp unter 2% eine Zinslast in Höhe von 3 – 4% des BIP erreicht werden. Dies wäre ein für Griechenland durchaus akzeptabler Wert, der in etwa der Zinslast entspricht, die das Land ohne vergünstigte Hilfskredite nach einem nominalen Schuldenschnitt von 50 oder 60% zu zahlen hätte.

Eine Faire Vereinbarung für die Schuldenlast:

Um die Frage nach einer fairen Vereinbarung beantworten zu können, kommt man nicht umhin, die Entstehungsgeschichte dieser Kredite kurz zu betrachten.
Griechenland war 2010 aus diversen Gründen pleite und üblicherweise wäre in diesem Fall ein Schuldenschnitt durchgeführt worden. In der damaligen Situation sollte dies jedoch unter allen Umständen vermieden werden, weshalb Griechenland jene Kredite bekam, die heute z.B. bei EZB oder IWF abgelöst werden müssen. Es wäre daher unfair, Griechenland nun mit diesen Verbindlichkeiten alleine zu lassen, allerdings ebenso unfair wäre es, würde die griechische Regierung ganz aus der Pflicht genommen.

Eigentlich wäre es am besten, es würde ein hoher Zinssatz für die Hilfskredite vereinbart und gleichzeitig ein entsprechender Finanztransfer eingerichtet, weil so die griechische Regierung einen großen Anreiz hätte, die Rettungsschirme wieder zu verlassen.
Nachdem eine solche Gestaltung mit Finanztransfers innerhalb der aktuellen Euro- bzw. EU-Konstruktion nicht möglich ist, sollte als Alternative die günstige Refinanzierungsmöglichkeit der Rettungsschirme genutzt werden, um Griechenland eine vertretbare Zinskonditionalität anzubieten. Bei einer angestrebten Inflationsrate von 2% kann so der Realwert der Schulden bei einem etwas darunterliegenden Zinssatz kontinuierlich abgebaut werden. Werden alte Kredite abgelöst oder eine Schuldenrestrukturierung durchgeführt, sollte bei neuen Hilfskrediten ein Zinssatz von 1% – 1,75% für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre angestrebt werden. Hierdurch würde die Zinslast auf ca. 2,5% – 3,5% des BIP sinken, was für Griechenland ein tragbarer Wert ist.
Gelingt es gleichzeitig, in Griechenland einen Primärüberschuss von 0,5% – 1% des BIP zu erreichen, würde das Haushaltsdefizit bei 1,5% – 3% liegen. Aufgrund der hohen Schuldenquote würde damit schon ein nominales Wachstum (reales Wachstum plus Inflation) von 1% – 2% reichen, um die Schuldenquote zumindest konstant zu halten. Wächst die griechische Wirtschaft kräftiger, z.B. die nächsten 10 Jahre nominal um jährlich 3%, würde die Schuldenquote selbst bei jährlichen Haushaltsdefiziten in Höhe von 3% des BIP in diesem Zeitraum von 180% auf rund 160% abnehmen.


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