Wer war Nutznießer der Fehlentwicklung in Griechenland?

Seit Beginn der Schuldenkrise in Griechenland wird hierzulande das Bild des faulen, unfähigen und verschwendungssüchtigen Griechen geprägt. Doch waren wirklich „die Griechen“ die einzigen Verantwortlichen für die Krise und die einzigen Profiteure der Verschuldung? Und ist es überhaupt sinnvoll, die Konfliktlinie auf der Ebene von Ländern und Bevölkerungen zu suchen?

Nachdem der Euro in Griechenland eingeführt wurde und in der Folge die Zinsen zurückgingen, stiegen die Staatsschulden genauso wie die Außenhandelsdefizite. Völlig unbestritten hat Griechenland sich als Staat damals überschuldet und sogar Statistiken gefälscht, um die Verschuldung über die erlaubten Grenzen hinweg ausweiten zu können. Profitiert haben von diesem Fehlverhalten und den dadurch ausgelösten Fehlentwicklungen jedoch alle, so wie dies bei einer Verschuldung bis zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit eben üblich ist.
In Griechenland wurden dank der günstigen Kredite Häuser gebaut, Autos gekauft, das Militär aufgerüstet, die Olympischen Spiele veranstaltet oder auch die Aufblähung des Staatsapparates finanziert. Hierdurch entstanden Arbeitsplätze, die Sozialkassen wurden gefüllt, die Steuereinnahmen stiegen – kurz gesagt, der Wohlstand in Griechenland stieg. Die Griechen haben also durchaus von der Verschuldung zunächst profitiert, auch wenn dabei die Wettbewerbsfähigkeit litt und die Finanzlage des Staates immer schlechter wurde. Daneben gab es aber auch noch zahlreiche weitere Profiteure dieser Verschuldung und der Entwicklung in Griechenland.
Außerhalb Griechenlands wurden Unternehmen wettbewerbsfähiger, weil griechische Produkte oder Dienstleistungen durch den schuldengetriebenen Aufschwung im Vergleich teurer wurden. Dazu kam der durch die Schulden gesteigerte Absatz in Griechenland, der zu wachsenden Importen aus der Eurozone, der EU oder dem Rest der Welt führte. Dabei sicherte jede nach Griechenland verkaufte Ware nicht nur Gewinne bei den exportierenden Unternehmen, sondern natürlich auch wieder Arbeitsplätze und damit Einkommen, Sozialbeiträge und Steuereinnahmen, z.B. in Deutschland. Daneben haben nicht zuletzt natürlich auch die Banken von der Verschuldung in Griechenland profitiert. Solange die griechische Wirtschaft am Laufen war und Griechenland zahlungsfähig, war die Kreditvergabe nach Griechenland für die Geldinstitute ein gutes Geschäft.
Bevor also die Überschuldung festgestellt wurde, haben alle profitiert, „die Deutschen“, „die Franzosen“, „die Amerikaner“, „die Engländer“, „die Chinesen“ und eben nicht nur „die Griechen“, so wie das häufig dargestellt wird. Vielleicht ist auch die Vielzahl der Profiteure ein Grund dafür, dass die Fehlentwicklung Griechenlands bis zum Crash niemanden so recht störte.

Daher sollte aber auch bei der Frage, wie mit den Kosten dieser Blasenbildung umgegangen wird, die Konfliktlinie nicht auf der Ebene „Griechenland gegen Deutschland“ gesucht werden, zumal sich das bis hierhin Geschriebene 1:1 auf die Subprime-Kredite in den USA oder die spanische oder irische Immobilienblase übertragen lässt, mit dem einzigen Unterschied, dass dort die Verschuldung im Privatsektor stattfand. Die Konfliktlinie liegt in diesem Punkt also an einer anderen Stelle und zwar zwischen der Finanzwirtschaft und den übrigen Teilen der Gesellschaft. Die meisten Menschen und auch ich gehen davon aus, dass ein Kreditgeber einen Zins bekommt, für den er dann auch das Risiko eines Zahlungsausfalls trägt. Die Banken, die durch eine Einschränkung der Kreditvergabe die Blasenbildung in Griechenland ganz einfach hätten verhindern können, wären entsprechend in der Pflicht gewesen, die Kosten der geplatzten Kreditblase durch Abschreibung zu tragen. Das große Problem: Sie konnten es damals nicht.
Wenn man also einen Schuldigen sucht, dann ist es nicht der verschwendungssüchtige Grieche, sondern ein Finanzwesen, das zuerst eine Blasenbildung durch eine zügellose Kreditvergabe zuließ (Subprime, Spanien, Griechenland…) und dann so wenig Eigenkapital vorhielt und so schlechte Sicherungsmechanismen hatte, dass es nicht in der Lage war, die Risiken selbst zu tragen. Im Grunde haben die neoliberale De- und die technokratische Fehlregulierung des Finanzwesens in den 90ern und 2000ern weit mehr zum Entstehen der Kreditblase in Griechenland und der anschließenden Notwendigkeit der Rettung beigetragen als jede griechische Regierung.

Aber auch wenn man neben der Entstehung der Schuldenblase in Griechenland und den Folgen der schlechten Risikovorsorge der geldgebenden Banken noch auf andere Faktoren der Krise schaut, liegen die Fehler immer nur zum Teil in Griechenland. Was nützt die beste Steuerverwaltung, wenn die Unternehmen mit Steuerdumping nach Luxemburg gelockt werden, und was hilft eine angemessene Lohnpolitik, wenn andernorts Lohndumping betrieben wird? Zwar ist es auch bei diesen Punkten leicht, auf die griechische Steuer- oder Arbeitsmoral zu schimpfen, es wird aber ebenfalls weder dem Problem noch den Menschen in Griechenland gerecht.


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