Die zwei Krisen der Finanzkrise

Seit 2008 befanden sich die USA und Europa zunächst in einer schweren Finanzkrise, bevor sich die Lage ab 2009 insbesondere in der Eurozone nochmals zuspitzte. Die Finanzkrise wird dabei vor allem in den Euro-Staaten als eine einzelne Krise betrachtet, die sich mittlerweile über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren zieht. Tatsächlich wurde die Eurozone allerdings nicht von einer einzelnen, sondern von zwei verschiedenen Krisen getroffen. Zuerst verursachte das Platzen der US-amerikanischen Subprime-Blase eine Banken- und Finanzmarktkrise in diversen Staaten innerhalb und außerhalb der Eurozone, danach allerdings gerieten die Euro-Länder in eine zweite Krise, nämlich die Krise der Währungsunion oder kurz Eurokrise. Das erklärt auch, wieso es Ländern außerhalb der Eurozone deutlich besser gelungen ist, ihre nur aus der Bankenkrise bestehende Finanzkrise zu meistern.

Auch wenn beide Krisen miteinander insoweit verwoben sind, als die Bankenkrise ein Auslöser der Eurokrise war und beide Krisen somit zeitlich zusammenfallen, handelt es sich um zwei grundverschiedene Problematiken. Daher sollte die Finanzkrise in der Eurozone für die Suche nach Ursachen oder Auswegen oder auch um erneute Krisen dieser Art zu verhindern, nicht als eine einzelne große Krise betrachtet, sondern in ihre Bestandteile Bankenkrise und Eurokrise zerlegt werden.

Die Banken- und Finanzmarktkrise:

Nach großen Verlusten im Kreditgeschäft diverser Banken gerieten in etlichen Ländern die Finanzmärkte in erhebliche Schieflage. Hauptverantwortlich für die Schieflage in der europäischen Bankenwelt waren vor allem die zu niedrigen Eigenkapitalanforderungen an Banken und die Verkennung der gesamtwirtschaftlichen Gefahren, die hinter der privatwirtschaftlichen Renditemaximierung der Banken auf Kosten ihrer Eigenkapitalquoten steckten. Zusätzlich haben aber auch Fehlregulierungen zu falschen Anreizen beigetragen und auch die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden hat die Bankenkrise begünstigt.

Mittlerweile wurden zwar aus der Krise die richtigen Schlussfolgerungen gezogen und die Notwendigkeit von europäischen Bankenabwicklungsmechanismen, höheren Eigenkapitalquoten oder auch einer Finanzmarksteuer zur Reduktion von Spekulation und zur Beteiligung des Finanzmarkts an gesellschaftlichen Folgekosten erkannt, die Umsetzung stockt dennoch.
Zum Teil reichen Banken immer noch Eigenkapitalquoten von rund 3% um die aufsichtsrechtlichen Kriterien zu erfüllen und auch weiterhin werden Staatskredite weitestgehend als völlig risikolos klassifiziert. Daneben wurde die Finanzmarktsteuer zwar auf den Weg gebracht, allerdings führte sie ihr Weg bislang in den meisten Ländern, z.B. in Deutschland, nur aufs Abstellgleis. Desweiteren ist die Bankenaufsicht nach sechs Jahren Bankenkrise erst bei rudimentären Stresstests angelangt, von einer Fähigkeit zur Bankenabwicklung ganz zu schweigen. Aber selbst ein Blick auf jenen jüngst von der Bankenaufsicht durchgeführten Stresstest muss erschrecken, wenn immerhin noch eine zweistellige Zahl von Instituten bei den gegebenen Szenarien selbst die aktuell minimalen Anforderungen nicht mehr erfüllen konnten. Vor allem im Hinblick auf einen möglichen Zahlungsausfall eines bislang als sicher klassifizierten Krisenstaates, birgt der Banken- und Finanzsektor in der Eurozone auch weiterhin ein nicht unerhebliches Risiko. Obwohl schon rund die Hälfte der griechischen Verbindlichkeiten nicht mehr am Finanzmarkt platziert sind, sondern Gläubigern wie dem ESM oder dem IWF gehören, dürften je nach Ausprägung bei einem erneuten Schuldenschnitt vermutlich trotzdem noch ein paar der in Griechenland heimischen Banken in schweres Fahrwasser geraten.

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Die Eurokrise:

Die Eurokrise beschreibt die Krise der Währungsunion, die in unterschiedlichen Formen aus einer einheitlichen Währung und Divergenzen zwischen den eigenständigen Euro-Mitgliedsländern resultiert. Die relevanten Divergenzen traten hierbei sowohl bei der Preisentwicklung in den einzelnen Mitgliedsländern als auch bei der Bonität der jeweiligen Euro-Staaten auf, wobei der Nachteil des einen Landes regelmäßig zu Vorteilen bei den anderen Ländern führt. So hat die unterschiedliche Preisentwicklung in den Jahren vor der Krise zu einem auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit mit Folgen zum Beispiel für die Außenhandelsbilanzen der Euro-Länder geführt. Während Deutschland große Exportüberschüsse erzielt, haben sich in anderen Ländern erhebliche Importüberschüsse aufgebaut. Auf anderer Ebene haben Divergenzen bei der Bonität zu einem Auseinanderlaufen der Kapitalverfügbarkeit geführt. Die sinkende Bonität, oder anders ausgedrückt, der Verlust des Vertrauens in die Finanzstabilität der Krisenländer und auch der dortigen Märkte, z.B. dem spanischen Bankenmarkt, hat daraufhin eine Kreditklemme mit steigenden Zinskosten in den Krisenstaaten ausgelöst. Umgekehrt ist dafür allerdings auch die Kapitalverfügbarkeit in anderen Regionen der Eurozone gestiegen, weshalb sich die Zinskosten in den relativ starken Euro-Staaten verringert haben.

Zwar wurden die Liquiditätsengpässe zunächst durch Rettungsschirme und später durch die EZB-Politik beseitigt, allerdings besteht das grundsätzliche Problem der deutlichen Vertrauensunterschiede weiter. Sollte die EZB nicht wie angekündigt im Zweifel intervenieren, dürfte eine Reihe von Staaten sehr schnell erneut am Finanzmarkt unter die Räder kommen.
Auch das zweite Problem, das unterschiedliche Preisniveau bzw. die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit, ist kaum gelöst. Weiterhin soll eine Angleichung des Preisniveaus lediglich in den Krisenstaaten durch eine strikte Austeritätspolitik erreicht werden. Allerdings solange in den starken Euro-Staaten weiterhin die Lohn- und Preissteigerung so niedrig ist, kann eine Angleichung in den Krisenstaaten Im Grunde nur durch eine Preisentwicklung nahe der Deflation gelingen. Dies allerdings schwächt die durch die Austeritätspolitik belasteten Volkswirtschaften zusätzlich.

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Bankenkrise und Eurokrise:

Vor rund zwei Jahren hatte ich befürchtet, dass die Bankenkrise die Eurokrise, also die speziellen Probleme der Währungsunion, überdeckt. Heute ist mein Eindruck, dass die Bankenkrise längst wieder in Vergessenheit geraten ist, während die Eurokrise in der öffentlichen Debatte in Deutschland dafür allerdings gar nicht erst angekommen ist. Abseits von Pleitegriechen und niedrigen Zinsen auf das Sparguthaben, die Stammtische zum meckern einladen, fand eine wirkliche Beschäftigung mit den Ursachen dieses speziellen Euro-Problems kaum statt. Beiden Krisen wird diese fehlende Beachtung aber nicht gerecht, weil beide nachhaltig unseren Wohlstand bedrohen. Die Eurokrise bedroht ihn akut und konkret und auch der instabile Banken- und Finanzsektor stellt weiterhin eine abstrakte Gefahr für unseren künftigen Wohlstand dar. Deshalb müssen sowohl die Konsequenzen aus der Bankenkrise, höheren Eigenkapitalanforderungen für Banken, europäische Bankenabwicklungsmechanismen und Finanzmarktbesteuerung, als auch die Konsequenzen aus der Eurokrise, die Entwicklung von An- und Ausgleichsmechanismen, schleunigst gezogen werden.


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