Eine Ursachenanalyse der Eurokrise

Um die aktuelle Eurokrise zu bewältigen muss eine neue Wirtschaftspolitik aus meiner Sicht die wesentlichen Ursachen bekämpfen. Die Analyse der Ursachen muss daher die Grundlage einer solchen neuen gemeinsamen Politik sein. Bislang haben die Politiker eine Therapie versucht ohne die Krankheit zu kennen. In den letzten drei Jahren haben wir somit nur die Symptome nicht aber die Ursachen bekämpft. Als Einstieg habe ich daher versucht die verschiedenen Ursachen dieser Eurokrise zu kennzeichnen.

1) 1. Ursache: Der Zusammenhang von Bonität und Rentabilität

Durch die Verknüpfung von Bonität und Rentabilität wird innerhalb einer Marktwirtschaft das Auseinanderdriften von Vermögenden und Nicht-Vermögenden manifestiert. Verstärkt wird dies unter anderem durch Ratings und Hinterlegungsregeln bei der europäischen Zentralbank. Hierdurch werden schwache Unternehmen, Banken und Staaten stets stärker belastet als gesunde Unternehmen, Banken und Staaten. Dies führt im Verlauf der Eurokrise dazu, dass die Vermögenden hohe Zinsaufschläge für vergebene Kredite nehmen können und andererseits die Nichtvermögenden hohe Zinsaufschläge leisten müssen. Ob der Vermögende nun eine Bank, eine Person oder ein Staat ist, spielt überhaupt keine Rolle. Dieses grundsätzliche Problem liegt aber in der Marktwirtschaft, nicht im Euro und auch nicht bei den Krisenstaaten. Es ist ein wesentliches Problem der Marktwirtschaft, das im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung und der Verantwortung für die Gesellschaft liegt.

Der Zusammenhang von Bonität und Rentabilität (www.mister-ede.de – 08.06.2012)

2) 2. Ursache: Bankenkrise

Ein Auslöser und damit eine wesentliche Ursache für die Eurokrise, ist die vorausgegangene Bankenkrise. Durch eine zu niedrige Eigenkapitalquote, zu viel Spekulation und zu wenig Überwachung sind viele europäische Banken gleichzeitig in Schieflage geraten. Diese Schieflage bestand sicherlich schon vor dem Platzen der Immobilienblase in den USA, aber hierdurch wurde spätestens ein kritischer Punkt überschritten. Man könnte sagen, dass durch den Ausfall von Kreditforderungen einige Milliarden von vielen angelegten Billionen Euro fehlten. Man hätte zwar einige Banken in die Pleite schicken können, das hätte aber dann bedeutet, dass Anleger quer durch die Gesellschaft ihr Geld verloren hätten. Bei der Commerzbank wäre der Millionär genauso betroffen gewesen, wie der Kleinsparer. Daher wurden die fehlenden Milliarden durch die Nationalstaaten aufgefangen. Dies wurde durch Garantien oder durch eine Verstaatlichung der Institute erreicht. Hätte man dies nicht gemacht, wäre wahrscheinlich wirklich innerhalb kürzester Zeit das gesamte Bankensystem zusammengebrochen. Wer hätte denn gerne sein Geld für 2% Zinsen im Jahr bei der Bank liegen, wenn es täglich verloren sein kann. Man sollte aber im weiteren Verlauf keinesfalls vergessen, dass diese Bankenkrise überhaupt erst die Eurokrise ausgelöst hat. Wenn man die Situation in Spanien betrachtet, dann muss man auch feststellen, dass die Bankenkrise selbst noch gar nicht ausgestanden ist. Durch den Zusammenhang von Bonität und Rentabilität kommen Banken aus einer Schieflage auch kaum heraus, weil die Refinanzierungskosten deutlich steigen.

3) 3. Ursache: Fehlende Bonität bei Nationalstaaten

Eine weitere Ursache für die Krise liegt in der zu niedrigen Bonität einzelner Mitgliedsstaaten. Weder die Wirtschaftskraft, noch die Verschuldung eines Staates reichen alleine aus um die Bonität zu bewerten. Erst die Kombination von beiden Werten erlaubt ein Urteil über die Rückzahlungsfähigkeit der Verbindlichkeiten. So sind zwar die Staatsschulden in Spanien bis vor einem Jahr vergleichsweise niedrig gewesen, aber in Kombination mit der aktuell geringen Wirtschaftskraft sinkt die Bonität dennoch. Hätte Spanien eine Wirtschaftskraft wie Deutschland, dann wäre die Verschuldung wohl kein Problem.
In Griechenland und Portugal kann man sagen, dass sowohl die fehlende Wirtschaftskraft, als auch die hohe Verschuldung ein Problem sind. Diese Gefahr schlummerte auch schon vor dem tatsächlichen Platzen der Immobilienblase. Sowohl die spanische Jugendarbeitslosigkeit, als auch die südliche Steuermoral haben so auch schon vorher die Länder gebremst. Durch die Bankenkrise wurden aber die Schulden dann nochmals höher, während die Wirtschaftskraft zurückgegangen ist. In Irland oder Griechenland wurde damit auf jeden Fall ein kritischer Punkt überschritten, ab dem es einem Land nicht mehr möglich ist sich selbst zu helfen.

4) 4. Ursache: Haushaltsdefizite

Neben Verschuldung und Wirtschaftskraft spielt auch das Haushaltsdefizit eine Rolle. Zwar trägt auch die Haushaltsbilanz zur Bewertung der Wirtschaftskraft bei, aber es handelt sich um einen Schlüsselwert mit besonderer Bedeutung. Insgesamt haben die Mitgliedsstaaten einen weit höheren Rekapitalisierungsbedarf für die angehäuften Verbindlichkeiten, als für die Finanzierung des aktuellen Haushaltsdefizits nötig ist. Dennoch zeigt aber ein ausgeglichener Haushalt oder ein niedriges Defizit, dass eine Rückzahlung wahrscheinlich ist. Die Haushaltsdefizite waren aber ebenfalls schon vor der Krise notorisch vorhanden. [Anmerkung: Man kann Haushalte nicht nur durch „Sparen“ sondern auch durch Steuererhöhungen ausgleichen.]

5) 5. Ursache: Der Euro

Durch den Wegfall der nationalen Währungen ist eine Anpassungsmöglichkeit der Währung an die Wirtschaftsfähigkeit verloren gegangen. Das ist ein Vorteil für die gesamte Währungsunion, weil der Handel deutlich gefördert wird. Es bestehen keine Wechselkursrisiken und es ist eine hohe Planungssicherheit gegeben. Allerdings hat diese Medaille auch eine Kehrseite, denn es können Fehlanreize entstehen und in einer Krise kann die notwendige Flexibilität der Währung fehlen.

Das einheitliche Zinsniveau (www.mister-ede.de – 11.04.2012)

5a) 5. Ursache: Fehlanreize bei Konsum und Produktion

Die gemeinsame Währung führt dazu, dass Länder mit schwächerer Wirtschaftskraft eine etwas zu starke Währung haben und umgekehrt wirtschaftlich starke Mitgliedsstaaten eine etwas zu schwache Währung haben. Dies kann bei einem zu großen Unterschied in der Wirtschaftskraft zu Fehlanreizen bei Konsum und Produktion führen. Gerade bei einer regionalen Krise verschärft sich das Problem. Zwar kann die Währung in der Eurozone insgesamt stärker oder schwächer gestellt werden, z.B. mit der aktuellen Niedrigzinspolitik, aber es ist nicht möglich den Euro in Spanien und Deutschland unterschiedlich zu bewerten. Hierdurch werden die Fehlanreize deutlich verstärkt. Während eine Währungsabschwächung bei einer Krise den Konsum drosselt und die Produktion fördert, fehlt diese Anpassungsmöglichkeit bei einem Währungsverbund.

Man kann dieses Problem auch innerhalb Deutschlands sehen. Die unterschiedliche Wirtschaftskraft in West- und Ostdeutschland konnte nur mit unglaublichen Subventionsleistungen einigermaßen abgemildert werden. Dennoch ist auch über 20 Jahre nach der Einheit die Wirtschaftskraft zwischen West und Ost stark unterschiedlich. Die fehlende Anpassungsfähigkeit innerhalb eines Währungsraumes führt dazu, dass weniger stark entwickelte Regionen kaum aufholen können, weil Investitionen im Vergleich zu anderen Regionen nicht wesentlich günstiger sind.

Der Euro-Währungsverbund – Problem und Lösung (www.mister-ede.de – 05.03.2012)

5b) 5. Ursache: Die Flexibilität des Kapitals im Euroraum

Innerhalb des Währungsraumes ist es für Anleger sehr leicht das investierte Kapital aus einem Land in ein anderes abzuziehen. Auch hier waren die Vorteile in ruhigen Zeiten offensichtlich. Ähnlich wie sich der Handel mit Gütern und Dienstleistungen verstärkt hat, ist auch der Handel mit Kapital erleichtert worden. Die niedrigen Zinsen für Griechenland und Portugal waren die Folge der entfallenen Währungsrisiken. Aber die Kehrseite ist auch hier, dass sich in einer Krise diese Flexibilität im negativen auswirkt. So leicht wie die Kredite wegen des fehlenden Währungsrisikos z.B. nach Griechenland flossen, so leicht kann nun das Kapital aus den Ländern wieder abgezogen werden.
Hätte Griechenland eine eigenständige Währung vor der Krise gehabt, dann hätte diese Währung durch die Krise abgewertet. So wäre das Abziehen von Kapital in ein anderes Land nur mit Wechselkursverlusten für Anleger möglich gewesen. So aber können z.B. die fälligen griechischen Anleihen statt in Griechenland einfach in Deutschland wieder angelegt werden.
Wenn man die Zinsen betrachtet, welche durch die Mitgliedsländer bei der Refinanzierung vor der Krise und heute gezahlt werden müssen, dann kann man daran ablesen aus welchen Ländern Kapital abgezogen wurde, und in welche Länder dieses Kapital geflossen ist. Die erste Ursache, also die unglückliche Verbindung von Bonität und Rentabilität, wird durch die Flexibilität des Kapitals im Währungsraum deutlich verstärkt.

Fazit:

Erst wenn Einigkeit über die Ursachen der Eurokrise besteht, kann man effektiv dagegen vorgehen. Ansonsten handelt es sich um eine Therapie ohne die Krankheit zu kennen.
Anhand dieser Ursachendarstellung habe ich nun verschiedene Ideen entwickelt, wie die Ursachen bekämpft werden können. Neben Maßnahmen die nur einen gemeinsamen Willen zur Umsetzung brauchen, schlage ich aber auch eine koordinierte Fiskalpolitik oder einen Zinsausgleich vor. Für letzteres ist vor allem die Solidarität der starken Mitgliedsländer erforderlich, für eine koordinierte Fiskalpolitik bedarf es der Abgabe von nationaler Souveränität.

Maßnahmen zur Bekämpfung der Eurokrise – Teil 1 (www.mister-ede.de – 20.06.2012)

In einem Artikel über unsere Wirtschaft habe ich deren Struktur und die Funktionsweise der Marktwirtschaft kurz dargestellt. Neben dem Zusammenhang zwischen Bonität und Rentabilität spielt die Verteilung von Macht zwischen den Handelspartnern eine entscheidende Rolle für die Nutzenverteilung.

Die Struktur unserer Wirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)

Macht und Marktwirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)

Die Machtungleichgewichte in der Eurozone (www.mister-ede.de – 20.06.2012)

Das Machtungleichgewicht zwischen Volk und Elite in vielen Mitgliedsstaaten, aber auch zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten könnte ein weiterer Grund für Stärke und Dauer der Eurokrise sein. Nachdem aber zwischen Machtgebrauch und Machtmissbrauch nur schwer zu unterscheiden ist und ein Machtungleichgewicht nur bei einem Missbrauch schädlich ist, kann ich nicht beurteilen ob und wie stark dies die Eurokrise beeinflusst.

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