mister-ede.de » Wirtschaft https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Kompromissvorschlag für verträgliche Strompreise in Deutschland https://www.mister-ede.de/politik/kompromiss-strompreise/9320 https://www.mister-ede.de/politik/kompromiss-strompreise/9320#comments Wed, 25 Oct 2023 00:51:55 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9320 Weiterlesen ]]> Die Diskussion zur Entlastung der Unternehmen und Endverbraucher von den hohen Strompreisen in Deutschland hat bislang zu keinem konsensfähigen Ergebnis geführt. Es ist jedoch offenkundig, dass der hohe Strompreis zahlreichen Unternehmen, von kleinen Betrieben bis zu großen Konzernen, genauso wie auch vielen Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen macht. Es muss also etwas geschehen, wenn die Wirtschaftskraft in Deutschland erhalten und ein Wohlstandsverlust für die Menschen im Land abgewendet werden soll. 

Klar ist aber auch, dass der von Wirtschaftsminister Robert Habeck bislang angedachte Industriestrompreis aufgrund seiner Funktionsweise – egal in welcher konkreten Ausgestaltung – übermäßig missbrauchsanfällig ist und zu erheblichen Fehlallokationen führen würde. Das ist bei Produktionssubventionen, also wenn der Staat aktiv Geld zur Produktion oder dem Wareneinkauf dazugibt, fast zwangsläufig der Fall. Bestes Beispiel sind hier die Maskendeals während Corona. Und durch die bereits existierende Strompreisbremse kann man leider mit ziemlicher Gewissheit sagen, dass Unternehmen eine solche Industriestromsubvention ebenfalls schamlos bis auf den letzten Cent ausschlachten würden. Hinzu kommt, dass Habeck mit dem Industriestrompreis nur ein paar wenige große Unternehmen entlasten würde, während sich die Situation für über 99 % der konkurrierenden Betriebe, die z.B. als kleine Bäckerei nicht in den Genuss des Industriestrompreises kommen, noch weiter verschärft. Und das Ganze bezahlen müssten am Ende die Verbraucher und Steuerzahler, beim Brötchenkauf, über den höheren eigenen Strompreis und natürlich über die ganzen Steuermilliarden, die dann als Strompreissubvention an Großkonzerne fließen.

Genauso klar ist aber, dass der Strompreis in Deutschland auf lange Zeit nicht mehr auf jenes Niveau zurückgehen wird, das mit billigem Gas aus Russland, abgeschriebenen Atomkraftwerken, und günstigen CO2-Zertifikaten für Kohlekraftwerke vor Kurzem noch erreicht wurde. Zwar mag sich das Preisniveau vielleicht wieder ändern, wenn die Energiewende irgendwann mal vollendet ist, also nicht nur immer mehr Windräder und Solarpanelen installiert wurden, sondern auch Netzinfrastruktur und Speicherkapazitäten in der Lage sind, diesen grünen Strom bedarfsgerecht an Unternehmen und Verbraucher abzugeben. Aber davon sind wir zurzeit noch Lichtjahre entfernt, sodass wir momentan zum einen bei viel Sonne oder viel Wind für erneuerbaren Strom zahlen, der nicht produziert bzw. eingespeist oder gespeichert werden kann, und zum anderen dafür bezahlen, dass für dunkle und windstille Tage weiterhin fossile Kraftwerke am Laufen bzw. in der Reserve gehalten werden. Diese Doppelstruktur ist natürlich von vorneherein schon extrem kostspielig und zu diesen sehr hohen Betriebskosten unseres Stromsystems kommt natürlich noch hinzu, dass der Netzausbau in den nächsten Jahren massiv vorangetrieben und somit ebenfalls finanziert werden muss.

Wenn aber auf der einen Seite klar ist, dass wir mehr finanzielle Ressourcen für die Energiewende und insbesondere einen zügigen Netzausbau brauchen, und auf der anderen Seite aber auch klar ist, dass Unternehmen und Privatkunden nicht von den hohen Strompreisen überfordert werden dürfen, wird man nicht umhinkommen, zusätzliches Steuergeld in das System zu bringen. „Ins System bringen“ bedeutet allerdings etwas ganz anderes, als Habecks Industriestrompreis, der lediglich ein Scheck für ausgewählte Großkonzerne ist. Kein einziger Cent der von Robert Habeck angedachten 30 Mrd. (wenn das überhaupt reicht) würde in das Stromsystem gehen. Das muss sich jeder bewusstmachen! Das Geld würde einfach auf die Konten einiger weniger Unternehmen fließen. Es würde sich damit nichts an den strukturellen Problemen am Strommarkt ändern und es bliebe weiterhin beim zögerlichen Netzausbau. Statt das Loch im Eimer zu stopfen, will Habeck einfach auf Steuerkosten ständig Wasser nachfüllen, damit der Eimer nicht leer wird. Das wäre aber keine Lösung, sondern ein reines Verschleppen der Probleme.

Daher setzt der nachfolgende Kompromissvorschlag genau an dieser Stelle an, um tatsächlich etwas zur Lösung der Strompreisproblematik beizutragen. Lasst uns dafür gerne Steuergeld in die Hand nehmen, aber eben nicht, um damit Symptome zu übertünchen, sondern um mit diesem Geld ganz gezielt den Netzumbau zu beschleunigen. Bislang ist es nämlich so, dass der Netzausbau weitestgehend über die Netzentgelte finanziert wird, was den Strompreis zusätzlich verteuert und vor allem zu Ungerechtigkeiten führt und erhebliche Widerstände vor Ort hervorruft. Denn gerade jene Regionen, die besonders viel Wind- oder Solarenergie installieren, müssen durch die bisherige Regelung dann zusätzlich noch besonders hohe Entgelte für den Anschluss dieser Anlagen und den Netzumbau zahlen. Würden die Anschlusskosten für neue Anlagen und die notwendige Netzmodernisierung hingegen direkt vom Bund finanziert, würde das die Akzeptanz in den verschiedenen Regionen erhöhen und durch weniger Widerstände vor Ort und die langfristig gesicherte Finanzierung würde sich der Netzausbau auch beschleunigen lassen. Gleichzeitig blieben dabei aber Unternehmen und Privatkunden durch die Bundesfinanzierung von jenem Teil der Netzentgelte verschont, der zur Finanzierung eben dieses beschleunigten Netzumbaus erhoben werden müsste. Kurzfristig hätte man damit einen weiteren Anstieg der Netzentgelte (und damit der Strompreise) verhindert und mit der Zeit würden Netz und Speicherkapazitäten so fit, dass man nicht mehr massig erneuerbaren Strom verliert und endlich die teuren Doppelstrukturen abschaffen kann. So hätte man dann wenigsten in ein paar Jahren wieder die Rahmenbedingungen für niedrigere Strompreise geschaffen. Und das ist es ja, worauf es bei Investitionsentscheidungen von Unternehmen ankommt, die langfristige Perspektive.

Gleichwohl muss natürlich jedem klar sein, dass dieser Netzumbau auch bei bestem Willen und umfänglichster Bundesfinanzierung noch Jahre dauern wird. In diesem Zeitraum sollte man zwar keinen Industriestrompreis einführen, die Gründe hatte ich benannt, aber natürlich sollte der Staat dafür wenigstens andere Belastungen des Strompreises, also Abgaben und Steuern, so niedrige wie möglich halten. Der bisherige Spitzenausgleich für energieintensive Unternehmen könnte hierfür in reformierter Form eine Grundlage sein, um eine breitflächige Entlastung der Wirtschaft zu erreichen. So könnten auf die ersten 10.000 kWh Jahresverbrauch alle Steuern und Abgaben erhoben werden, auf die nächsten 90.000 kWh nur noch 75% der Steuern und Abgaben, auf die nächsten 900.000 kWh nur noch 50%, auf die nächsten 9 Mio. kWh noch 25% und der Stromverbrauch über 10 Mio. kWh, also die 10.000.001. kWh, würde dann mit dem minimalsten Steuersatz versteuert, den das EU-Recht zulässt. Dies schiene mir der einfachste, unbürokratischste und am wenigsten missbrauchsanfällige Ansatz, um die Wirtschaft insgesamt zu entlasten und durch die Staffelung in besonderem Maße den energieintensiven Unternehmen in Deutschland zu helfen.

Bei den privaten Endverbrauchern sollte eine Entlastung hingegen pauschal stattfinden, z.B. durch ein Klimageld. Denn anders als bei Unternehmen, bei denen wir ja gerade nicht wollen, dass sie durch Verlagerung der Produktion ins Ausland Strom einsparen, soll der Sparanreiz bei Privathaushalten natürlich unbedingt erhalten bleiben. Außerdem scheint im Hinblick auf Aspekte der sozialen Gerechtigkeit die Auszahlung eines einheitlichen Klimageldes, z.B. in Höhe von 100 Euro im Jahr, an jede Bürgerin und jeden Bürger zielführender als eine pauschale Reduktion der Stromsteuern. Der individuelle Sparanreiz bliebe auf diese Weise nämlich vollumfänglich erhalten, ohne dabei Haushalte mit geringen Einkommen durch die gestiegenen Strompreise zu überfordern. Solange man über das Klimageld die Belastungen für die ärmeren Teile der Bevölkerung abfedert, könnte man theoretisch sogar die Stromsteuern für Privatverbraucher auch wieder erhöhen. Aus kommunikativen Gründen sollte man diese Möglichkeit allerdings vorerst nicht nutzen, sondern erst dann, wenn der Netzausbau soweit vorangeschritten ist, dass die Strompreise in Deutschland wieder zurückgehen.

Fazit:

Um die Strompreise in Deutschland zu reduzieren, braucht es vor allem einen beschleunigten Netzausbau, finanziert direkt vom Bund. Gleichzeitig sollte für eine breite Entlastung der Wirtschaft der Spitzenausgleich reformiert werden, so dass der Staat die Unternehmen in Zeiten hoher Strompreise nicht noch mit zusätzlichen Steuern und Abgaben belastet. Eine Entlastung der Verbraucher sollte hingegen über das Klimageld stattfinden, sowohl um Sparanreize zu erhalten als auch um den sozialen Ausgleich zu befördern.
Der Kompromissvorschlag ermöglicht damit die Einführung des grünen Klimageldes, trägt der Forderung von FDP und Olaf Scholz nach einer Transformation hin zu strukturell niedrigen Strompreisen Rechnung und berücksichtigt den Wunsch von SPD-Fraktion und Robert Habeck nach schneller Entlastung für energieintensive Industrien. Die Kosten dieses Paketes schätze ich ganz grob auf 20 Milliarden Euro jährlich. Ein Großteil dieses Geldes würde aber über ein erhöhtes Wirtschaftswachstum sofort wieder zurückfließen, vermutlich sogar schon ab 2024, weil sich die Aussichten der Wirtschaft mit diesem Paket schlagartig verbessern würden und der Standort Deutschland auch auf mittlere und längere Sicht für Unternehmen wieder attraktiv würde.


Text als PDF: Kompromissvorschlag für verträgliche Strompreise in Deutschland


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Festlegung eines Test- und eines Shutdown-Zeitraums:

Der originäre Testzeitraum sollte fünf, sechs Tage nicht überschreiten, um sich mit der gesamten Testung innerhalb eines mittleren Reproduktionszyklus zu bewegen. Innerhalb dieses Zeitraums sollte das öffentliche Leben massiv reduziert und Ämter, Büros – einfach alles, was nicht zwingend notwendig ist – geschlossen werden. Der Shutdown-Zeitraum sollte allerdings noch etwas länger reichen als der Testzeitraum.
Vorstellbar wäre, von Samstag bis Donnerstag der Folgewoche einen Massentest anzusetzen und den Shutdown dann noch drei Tage weiter bis Sonntag laufen zu lassen und samstags oder sonntags Spezialfälle nochmals abschließend zu testen.

Testpflicht:

Eine generelle Testpflicht dürfte schwer durchsetzbar sein, auch wenn sie sehr hilfreich wäre. Der Schnelltest sollte daher aber zumindest verpflichtend sein für Beamte, Angestellte im Bereich Pflege- und Gesundheit sowie an Schulen und in Kitas. Obligatorisch sollten die Tests außerdem für Schülerinnen und Schüler sowie für in anderen Einrichtungen wie Kita, Hort oder Kinderheimen betreute Kinder sein genauso wie auch für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sowie für von mobilen Diensten betreute Personen. Damit sollten die Bereiche Schule bzw. Alten- und Behindertenpflege weitestgehend vom Virus befreit werden. Alle anderen Einwohner der betroffenen Regionen oder auch Pendler von außerhalb wären in diesem Fall zwar nicht verpflichtet, aber natürlich dringend gebeten, sich am konzertierten Massentest zu beteiligen.

Testanreiz:

Allen Getesteten, egal ob freiwillig oder verpflichtet, werden nach Abschluss des Testverfahrens fünf personengebundene Gutscheine über 5,- Euro für die heimische Gastronomie und andere kulturelle Einrichtungen (Kino, Theater) ausgehändigt. Die Gutscheine sind gültig ab 1. Juni, damit es nicht zu früh zu einem Ansturm kommt, und können bis zum 31.12.2022 eingelöst werden.

Doppeltestung:

Um die PCR-Kapazitäten zu schonen werden für die Testung Antigen-Schnelltests verwendet, die lediglich bei positiven Befunden durch einen PCR-Test kontrolliert werden. Um dabei die niedrigere Sensitivität der Schnelltests auszugleichen, besteht die gesamte Testung aus zwei Schnelltests pro Person, die im Abstand von drei Tagen durchgeführt werden sollten, also z.B. an Tag 1 (Samstag) und Tag 4 (Dienstag). Die Sensitivität der eingesetzten Schnelltests sollte dabei nicht unter 94% liegen.
Sind beide Tests negativ, sollte das Risiko eines falsch-negativen Befundes durch die Doppeltestung relativ gering sein. Finden verschiedene Schnelltests Verwendung, sollte der sensitivere Test beim zweiten Testvorgang eingesetzt werden. Schlägt ein Schnelltest an, wird zum Ausgleich der niedrigeren Spezifität von Schnelltests der Befund per PCR-Verfahren kontrolliert. Ist die Person tatsächlich infiziert, dann greifen die üblichen Maßnahmen (Isolierung, Kontaktnachverfolgung etc.). Ist die Person hingegen doch negativ, so wird vorgegangen, als sei der Schnelltest negativ gewesen.

Spezialfälle:

Gibt es Spezialfälle, z.B. eine Person wurde zwar negativ getestet, war aber genau im Testzeitraum Kontaktperson eines bestätigten Infizierten, so soll wenige Tage später noch ein dritter Schnelltest durchgeführt werden.

Einschätzung:

Wenn 80% der Bevölkerung teils verpflichtet, teils freiwillig mitmachen und man bei diesen dann 95% der Infizierten findet, hat man 3/4 der Infektionsketten binnen einer Woche einem Ende zugeführt. Klar, manche Ketten wären auch so zu Ende gegangen. Klar, wenn man mit einem harten Lockdown den R-Wert über 4 Wochen bei 0,7 hält, erreicht man dieselbe Reduktion. Aber klar ist eben auch, solche freiwilligen Massentests sind im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen ein relatives mildes und auch preisgünstiges Mittel. Wenn man die Kosten von vier Wochen hartem Lockdown mit vielleicht 100 Euro Testkosten pro Person (100 Euro * 80 Mio. = 8 Mrd. Euro) vergleicht, dann gibt es meines Erachtens gar nichts mehr zu diskutieren. Zumal man die Tests bedarfsorientiert wiederholen kann, wenn das Infektionsgeschehen in einer Region weiterhin oder erneut über 50 bestätigten Neuinfektionen je Woche liegen sollte.

Erläuterung:

Massentests stellen eine Momentaufnahme dar. Sie sind daher insbesondere in den Momenten geeignet, in denen das Infektionsgeschehen heimisch und hoch ist. Ungeeignet wären sie bei niedrigem oder hauptsächlich von Eintragungen von außen geprägten Infektionsgeschehen. In einer solchen Lage bräuchte es dann eher wieder Tests für Reisewillige, Pendler oder Reiserückkehrer. In der jetzigen Lage sind Massentests hingegen absolut zielführend.

Rechenbeispiele:

Massentests dienen nicht dazu, die bestätigten Infizierten zu finden – diese kennt man ja bereits. Mit Massentests sollen vielmehr gerade jene Infizierten gefunden werden, die bislang unerkannt geblieben sind. Wie hoch diese Dunkelziffer ist, ist zwar unbekannt, aber bei 50 bestätigten Neuinfektionen je Woche ist eine Größenordnung von 100 – 200 unentdeckten Infizierten nicht völlig unrealistisch. Eine solche Anzahl an tatsächlichen Fällen je 100.000 Einwohner ist allerdings auch in etwa nötig, damit die Schnelltests trotz ihrer Ungenauigkeit noch effektiv eingesetzt werden können. Umso höher das Infektionsgeschehen ist, desto eher sind die Schnelltests geeignet. Bei niedrigem Infektionsgeschehen liefern sie hingegen zu viele falsch-positive Ergebnisse, wie die drei nachfolgenden Beispiele für einen Schnelltest mit 95% Spezifität und 95% Sensitivität zeigen:

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 2.000

98.000 Nicht-Infizierte
- > 93.100 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.900 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
2.000 Infizierte
- > 1.900 korrekt als Infizierte erkannt
- > 100 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 6.800 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 1.900 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 200

99.800 Nicht-Infizierte
- > 94.810 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.990 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
200 Infizierte
- > 190 korrekt als Infizierte erkannt
- > 10 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 5.180 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 190 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 40

99.960 Nicht-Infizierte
- > 94.962 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.998 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
40 Infizierte
- > 38 korrekt als Infizierte erkannt
- > 2 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 5.036 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 38 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

Disclaimer: Ich bin kein Virologe, Epidemiologe, Arzt. Es handelt sich um eine rein rechnerische bzw. systemlogische Betrachtung von Massentests.


Text als PDF: Wie das Infektionsgeschehen mit Massentests effektiv gesenkt werden kann


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Einschätzung der aktuellen Infektionslage und Vorschläge für den anstehenden Corona-Winter (www.mister-ede.de – 14.10.2020)

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Einschätzung der aktuellen Infektionslage und Vorschläge für den anstehenden Corona-Winter https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102 https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102#comments Wed, 14 Oct 2020 20:35:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9102 Weiterlesen ]]> Text als PDF

Lagebeurteilung:

Globale Corona-Lage:
In den USA und Kanada steigt die Zahl der Neuinfektionen seit September von unterschiedlichem Niveau aus wieder an. Ebenso in Russland und dem Iran. In Ostasien – Japan, Südkorea, Philippinen – sind nach einer Welle im August die Zahlen wieder etwas niedriger, aber ebenfalls höher als im Sommer. Die Corona-Herbstwelle ist auf der Nordhalbkugel mit voller Wucht angekommen!
In Süd- und Mittelamerika entspannt sich hingegen die Situation in den allermeisten Ländern, ebenso in Südafrika, Australien und Neuseeland. Argentinien, das sehr gut durch den Winter kam, hat inzwischen allerdings einen deutlichen Anstieg der Neuinfektionen zu verzeichnen.

Die Corona-Lage in Mittel- und Westeuropa:
Mittel- und Westeuropa hat mit einer massiven Corona-Herbstwelle und einem mehr oder weniger unkontrollierten Infektionsgeschehen zu kämpfen. Insbesondere Frankreich, Spanien und Großbritannien, sowie Tschechien, Belgien und die Niederlande, aber auch Schweden, die Schweiz und inzwischen auch Polen verzeichnen ein erhebliches Infektionsgeschehen. In den meisten Ländern ist allerdings die Zahl der schweren Covid-19-Fälle zumindest bislang deutlich geringer als im Frühjahr [1]. Bis in den November erwarte ich daher keine flächendecke Überforderung der Gesundheitssysteme in West- und Mitteleuropa. In einzelnen Regionen, z.B. in Tschechien mit zuletzt (12.10.2020) 467 Personen in intensivmedizinischer Betreuung [2] [3], steht allerdings tatsächlich zu befürchten, dass das Gesundheitswesen der steigenden Zahl an schweren Fällen mit intensivmedizinischem Betreuungsbedarf in nächster Zeit nicht mehr überall vollumfänglich gerecht werden kann [4]. Sollte dies der Fall sein, haben die weniger betroffenen Länder die Pflicht zu helfen. Ich bin mir sicher, Europa ist inzwischen gut genug vorbereitet, um im europäischen Miteinander ein solches Geschehen wie im Frühjahr in Norditalien zu verhindern.

Gleichwohl muss man sich bewusst machen, dass Europa mit seiner Altersstruktur in den nächsten Monaten vor einer gewaltigen Herausforderung steht. Sofern die Herbst- und Winterwelle nicht deutlich gebremst oder gebrochen wird, wird jedes Gesundheitssystem in Europa auf eine massive Belastungsprobe gestellt. Der Reproduktionsfaktor muss daher früher oder später mindestens wieder auf R = 1 gesenkt werden. Die Frage ist hierbei also nicht ob, sondern nur wann das geschieht. Denn spätestens wenn der Winter wirklich da ist, wird sich die Lage nach meiner Einschätzung noch einmal erheblich zuspitzen. Maßnahmen, deren Wirkung im Moment für ein R = 1 reichen würden, könnten möglicherweise im Dezember und Januar – das Weihnachtsfest, Silvester und die kälteste Jahreszeit stehen vor der Tür – zu schwach sein, um das zu schaffen. Das gilt europaweit und entsprechend logisch ist es, dass die ersten EU-Länder bereits in einen erneuten Lockdown gehen [5] [6]!

Die Corona-Lage in Deutschland:
Allen Unkenrufen – gelegentlich auch meinerseits – zum Trotz, ist Deutschland so gut aufgestellt wie kaum ein anderes Land. Noch klappt die Nachverfolgung von Infektionsketten einigermaßen gut und rund 20% der Bundesbürger nutzen die CoronaWarnApp, die zwar kein Glanzstück ist, aber zumindest einen Teil dazu beiträgt, dass sich Personen, die sich möglicherweise infiziert haben, testen lassen. Ähnliches gilt für die recht breitflächige Testung und Testkapazitäten von über einer Million Hochleistungs-PCR-Tests pro Woche, die übrigens nur in seltenen Ausnahmefällen ein falsches Resultat liefern und nicht, wie oft behauptet, bis zu einem Prozent falsch-positive Ergebnisse verursachen.
Seit dem Frühjahr wurde die Zahl der wöchentlich durchgeführten Tests hierzulande deutlich erhöht, weshalb davon auszugehen ist, dass wir einen guten Überblick über die Infektionslage haben. Das Phänomen der Testscham sowie die Verlagerung in jüngere Altersgruppen, die schlicht nicht merken, dass sie infiziert sind, könnten allerdings gegenläufige Effekte darstellen, sodass ohne tiefergehende Analyse eine Aussage über die absolute Entwicklung der Dunkelziffer unseriös wäre.

Ein großer Trumpf der hiesigen Strategie ist daher sicherlich das regionale Vorgehen anhand festgelegter Grenzwerte. Auf der einen Seite ermöglicht dies die nötige Flexibilität, auf der anderen Seite schafft es aber einen klaren und verständlichen Rahmen, ab wann Reaktionen erfolgen. Das macht es für alle Seiten leichter nachvollziehbar, warum an manchen Orten schärfere Maßnahmen getroffen werden müssen als an anderen, und es schafft auch eine gewisse Planbarkeit. Den Grenzewert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner für die Einstufung als Risikogebiet halte ich dabei weiterhin für angemessen. Das entspricht immerhin bundesweit 40.000 Neuinfektionen pro Woche und wenn der Grenzwert irgendwo gerissen wird, dann ja nur selten punktgenau.
Der klare Grenzwert und die Fokussierung auf die Zahl der Neuinfektionen – sie ist vielleicht nicht so präzise, dafür allerdings vergleichsweise schnell und sehr zuverlässig verfügbar – bringt im föderalen System einen weiteren Vorteil mit sich: Jede Landesregierung versucht, dass ihr Bundesland oder ihre Stadt nicht die Poleposition beim Infektionsgeschehen inne hat – Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.

Das Gesundheitssystem ist nach meiner Einschätzung aktuell nicht stärker belastet als außerhalb der Corona-Zeit. Die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen beträgt mit 602 am 14.10.2020 um 12:15 Uhr etwa ein Fünftel dessen, was wir im Frühjahr im Maximum gesehen haben. Im Vergleich zur Vorwoche hat die ICU-Belegung um etwa 130 Patienten zugenommen. Diese Zunahme im Vergleich zur Vorwoche setzt sich zusammen aus täglich etwa 90 Covid-19-Patientenaufnahmen auf deutschen Intensivstationen abzüglich etwa 400 in stabilem Zustand entlassen ICU-Patienten sowie rund 100 verstorben Intensivpatienten in der vergangenen Woche.
Würden morgen alle Infektionen unterbunden, würde die Herbstspitze nach meiner Einschätzung nicht über 60% der Frühjahrsspitze kommen. Umgekehrt erwarte ich bei einem weiter in der jetzigen Geschwindigkeit steigenden Infektionsgeschehen, dass im November, allerspätestens im Dezember in etwa dieselbe Lage auf den Intensivstationen wie im Frühjahr erreicht wird. Und dann kommen wir natürlich auch in Deutschland in eine Situation, die zwischen den Jahren deutliche Einschränkungen erforderlich machen würde. Der Umkehrschluss sollte daher sein, dass wir dringend versuchen sollten, vor die Welle kommen, um im Dezember und Januar einigermaßen ruhig ins neue Jahr zu starten.

Welche zusätzlichen Maßnahmen sollten ergriffen werden:

Festlegung von Hochrisikogebieten:
Neben Risikogebieten, die weiterhin ab einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 50 bestätigten Neuinfektionen je 100.000 Einwohner ausgewiesen werden sollten, halte ich einen zweiten Grenzwert und die Einstufung als Hochrisikogebiete ab einer 7-Tages-Inzidenz von 100 bis 150 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner für sinnvoll. Man kann da auch sagen, der Grenzwert muss 5 der letzten 7 Tage überschritten worden sein. Es wäre eine einfache und klar verständliche zweite Grenze, an die sich dann weitere, nochmals verschärfte Maßnahmen anschließen können.

Sperrstunden / Ausweitung der Maskenpflicht:
Eine bundesweite Maskenpflicht in allen Innenräumen außer der eigene Wohnung, inklusive Gängen und Aufzügen in Mehrfamilienhäusern, sollte spätestens ab einer 20er- oder 30er-Inzidenz eingeführt werden. Im gewerblichen Bereich – Einzelhandel, Restaurants, Bars, Fitnesscenter – sollte diese überall gelten, außer „am Platz“ und bei anderen geeigneten Hygienekonzepten (z.B. Plexiglas im Kassenbereich). Die Maskenpflicht soll sich dabei auch explizit auf den Eingangsbereich vor Geschäften, Restaurants oder Wohnhäusern erstrecken. Das Gleiche soll für alle übrigen Arbeitsplätze in Innenräumen gelten, sofern kein abgesegnetes Hygienekonzept vorliegt. Hingegen sollte bis auf Ausnahmefälle auf eine Maskenpflicht im Freien verzichtet werden, um die Menschen nicht unnötig in Innenräume zu drängen.
Bei überschreiten der 50er-Grenze sollte eine Sperrstunde ab 22 oder 23 Uhr gelten. Hier wäre dann vorstellbar, parallel auch eine Maskenpflicht beim Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen bis zum Morgen einzuführen. Hochrisikogebiete sollten auf die Öffnung von Bars und Restaurants grundsätzlich verzichten. Eine Maskenpflicht für den Aufenthalt im öffentlichen Raum – z.B. Warten an der Bushaltestelle, nicht aber der kurze Weg zum Nachbarhaus oder zum Auto – sollte dann entsprechend gelten.

Reihentestung in Alten- und Pflegeheimen:
Sobald die von Jens Spahn angekündigten Schnelltests verfügbar sind, sollte das Personal in Pflegeheimen arbeitstäglich vor dem Arbeitsbeginn mit diesen getestet werden. Gepaart mit den sonstigen Schutzmaßnahmen sollten damit Infektionen in den Alten- und Pflegeeinrichtungen deutlich reduziert werden. Gleiches gilt für die Beschäftigten in der mobilen Pflege sowie das gesamte Gesundheitswesen. Insgesamt besteht in Deutschland für eine umfängliche Testung ein Bedarf von 50 Mio. bis 100 Mio. Schnelltests pro Woche. Dies bedeutet, dass bei den aktuell verfügbaren Tests je nach Qualität eine PCR Nachtestung von 1 – 8 Mio. Tests nötig wäre, um die Schnelltestbefunde zu verifizieren. Damit wird deutlich, dass im Bereich der PCR-Testung die Kapazitäten zwingend nochmals gesteigert werden müssen, wenn wir wollen, dass die Schnelltests auch wirklich einen Wert haben. Wenn – wie Christian Drosten das in seinem Podcast mal sagte – Pooltests von 5 Proben im Rahmen des Möglichen liegen, sollte das jetzt forciert werden. Auch sollte eine Ausweitung der meines Wissens nach schon vorhandenen Unterstützung durch die Labordiagnostik aus dem Veterinärbereich in Betracht gezogen werden.

Testpflicht bei allen Reisen aus inländischen Risikogebieten sowie Ein- und Ausreisen aus Deutschland:
Sobald! die kostengünstigeren Antigen-Schnelltests in ausreichendem Maße verfügbar sind, sollten im Prinzip alle innerdeutschen Reisenden aus Gebieten mit mehr als 50 Infektionen je 100.000 Einwohner getestet werden. Das gilt für Berufspendler wie Tagesausflügler oder Urlauber. Entsprechend sollten diese Tests in Risikogebieten dann ausreichend, breitflächig sowie kostenlos angeboten werden können und auch überall sonst in Deutschland für einen geringen Betrag, zentral an Teststationen, erhältlich sein. Bei einem positiven Test erfolgt dann natürlich sofortige Quarantäne und ein umgehender PCR-Nachtest, der binnen 24 oder 58 Stunden vorliegen sollte. Eine ähnliche Regelung wäre auch für Einreisende aus dem Ausland sinnvoll und – europäisch gedacht – natürlich auch für Ausreisende aus einem unserer Corona-Hotspots. Damit es dabei aber nicht wieder zu Grenzproblemen kommt, sollte klarer kommuniziert, dass es nur um eine Schnelltestpflicht geht, und auch der Güterverkehr sowie jene, die in den direkt angrenzenden Regionen wohnen, sollten wieder ohne Test einreisen dürfen. Es sollte aber natürlich jedem beim Grenzübertritt für eine geringe Gebühr angeboten werden, sich testen zu lassen.

Ferien kurz halten und eventuell frühzeitig absagen:
Eine Idee könnte sein, bis März weitestgehend auf Ferien zu verzichten. Das wäre dann fest planbar für alle und man könnte in dieser Zeit an Schulen etwas von dem aufholen, was in 2020 nicht geschafft wurde. Die Frage, ob das in Präsenz- oder Fernunterricht stattfinden sollte, kann im Nachgang, zum Beispiel anhand der Risikoeinstufung einer Region, entschieden werden. Das muss auch nicht zwingend bundeseinheitlich sein.

Wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen für die kommenden Monate:
Beherbergungsbetriebe sollten einen Zuschuss erhalten, der sich nach der Auslastung der letzten drei Jahre richtet. Messebauer, Schausteller, Kinos, Kulturschaffende, Reisebüros und andere sind wegen der pandemiebedingten Umsatzausfälle ebenfalls angemessen zu unterstützen. Der durchschnittliche Umsatz der Vorjahre sollte dabei Richtschnurr für die Hilfe sein. Je nach Branche sollte der Umsatz dann anteilig als nicht zurückzuzahlender Zuschuss gewährt werden, z.B. 10%. Nicht sinnvoll erscheint hingegen ein reines Abstellen auf die bisherigen Steuerzahlungen, da eine solche Hilfe an den kleinen Gewerbetreibenden im Land am ehesten vorbeiginge.

Ergänzungen:

Ergänzende Abschätzung des Erkrankungsgeschehens:
Ich bin zwar kein Mediziner, allerding ein leidenschaftlicher Heuristiker und recht gut geübt in Datenanalysen. Meine Prognose der zu erwartenden Erkrankungszahlen, die ich im April entwickelt und bis Juni verfeinert habe, ist so simpel wie treffsicher, dass ich sie hier kurz darlegen will. Die einzige getroffene Annahme ist, dass nach den ersten sieben Folgetagen 50% jener Erkrankungen gemeldet sind, die insgesamt für diesen einen Tag gemeldet werden. Die Zahl 50% ist dabei keine grobe Näherung, sondern nach einem ersten Ansatz mit 55% und einem zweiten mit 52% seit Juni ganz bewusst gewählt. Auch wenn es für einzelne Tage nicht genau stimmt, im 7-Tages-Schnitt, liegt meine rote Prognose-Kurve, die tatsächlich einzig auf der Formel „Erkrankungs-Meldungen der ersten Wochen * 2“ aufbaut, frappierend eng an den tatsächlichen Erkrankungs-Meldungen, die bislang beim RKI eingegangen sind. Und die Zahlen im Juli ändern sich inzwischen auch nicht mehr wirklich. Ich kann nicht erklären, warum diese Formel so gut passt, ich kann nur sagen, dass sie seit Monaten, wenn man vom Tönnies-Ausschlag im Juni absieht, nahezu perfekt passt. Entsprechend gehe ich leider aber sehr überzeugt von einem starken Anstieg der Erkrankungszahlen in den nächsten Wochen aus.

Reproduktionszahl:
Auf Basis des vorgenannten Prognose-Models berechne ich seit April ein 7-Tages-R. Begonnen hatte ich damit, weil das RKI zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich ein sehr stark schwankendes 4-Tages-R veröffentlichte. Legt man meine Prognose auf Basis des 7. Folgetages auf das inzwischen vom RKI ebenfalls geschätzte 7-Tages-R (Prognose vom 4. Folgetag), wirkt mein R-Wert wie eine Glättung der RKI-Werte. Beide Werte werden dabei allerdings, wie dargestellt, mit ganz unterschiedlichen Prognose- und Berechnungsmodellen ermittelt. Die damit einhergehende Redundanz der statistischen Aussage erlaubt mir die Annahme, dass wir im bundesschnitt aktuell eine deutlich über eins liegende Reproduktionszahl (R > 1) haben.


Corona-Epidemie in Deutschland: Aktuelle Lage (6.5.) in Zahlen und Grafiken
(www.mister-ede.de – 06.05.2020)

Die Pandemie verschlafen: Jeder zweite Corona-Infizierte außerhalb Chinas ist in der EU (www.mister-ede.de – 10.03.2020)

Wie wird sich die Corona-Pandemie in Deutschland, Europa und der Welt weiterentwickeln? (www.mister-ede.de – 31.03.2020)


[1] Übersicht der täglichen oder wöchentlichen ICU-Meldungen in Europa durch das European Centre for Disease Prevention and Control -> https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/download-data-hospital-and-icu-admission-rates-and-current-occupancy-covid-19

[2] Tagesschau-Meldung vom 30.09.2020 „Tschechien und Slowakei im Notstand“ -> https://www.tagesschau.de/ausland/corona-tschechien-notstand-101.html

[3] Dashboard des Tschechischen Gesundheitsministerium -> https://onemocneni-aktualne.mzcr.cz/covid-19/prehled-hospitalizaci

[4] Heise-Artikel vom 25.9. zur ICU-Auslastung in Europa -> https://www.heise.de/tp/features/Wie-ausgelastet-sind-die-Intensivstationen-4912024.html

[5] WDR-Bericht vom 14.10.2020 über anstehenden Lockdown in den Niederlanden -> https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/niederlande-verschaerfen-corona-regeln-100.html

[6] NZZ-Artikel vom 9.10.2020 zu Lockdown in Brüssel -> https://www.nzz.ch/panorama/belgien-bruessels-massnahmen-gegen-steigende-corona-fallzahlen-ld.1580860

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Sozial-ökologische Marktwirtschaft statt Laissez-faire-Neoliberalismus oder Sozialismus https://www.mister-ede.de/politik/sozial-oekologische-marktwirtschaft/8866 https://www.mister-ede.de/politik/sozial-oekologische-marktwirtschaft/8866#comments Sun, 08 Sep 2019 13:21:52 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8866 Weiterlesen ]]> Die Gesellschaft zerreißt zusehends, die Demokratie wird Stück für Stück ausgehöhlt und die Natur immer weiter zerstört. Es muss sich ganz dringend etwas ändern!
Der menschenverachtende, demokratieschlachtende und umweltvernichtende Laissez-faire-Neoliberalismus gehört endlich auf den Friedhof der Wirtschaftssysteme. Allerdings nicht, um auf selbigem die Leiche des Sozialismus auszugraben. Denn allen Heilsversprechen zum Trotz endete bisher jedes sozialistische Experiment in Rechtlosigkeit und Unterdrückung. Wer „Mehr Sozialismus wagen!“ ruft, dem antworte ich deshalb: „Weniger Diktatur riskieren!“
Was wir stattdessen brauchen, ist einen Aufbruch zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft in einem föderalen, freiheitlich-demokratischen Europa.

Laissez-faire-Neoliberalismus, Staatskapitalismus und Sozialismus

Der Laissez-faire-Neoliberalismus und der Staatskapitalismus z.B. in China sind zwei Spielarten des Kapitalismus, die trotz ihrer Unterschiede eng miteinander verwandt sind. In beiden Systemen verschmelzen Politik und Wirtschaft faktisch zu einem einzigen Akteur. Im Laissez-faire-Neoliberalismus sind es die wirtschaftlich Starken und Mächtigen, die immer mehr Einfluss auf die Politik nehmen – mit Parteisponsoring, Lobbykampagnen, dem Institut Neue Soziale Marktwirtschaft oder der Bertelsmann-Stiftung. So bestimmen hierzulande und weltweit Unternehmen selbst mit, welche Regeln für sie gelten, wie hoch dieser oder jener Abgasgrenzwert oder eine Steuer sein soll. Im Staatskapitalismus sind diesbezüglich nur die Vorzeichen umgedreht. Dort ist es die politische Spitze, die nicht nur ordnungspolitische Macht über die Wirtschaft hat, sondern die großen Konzerne in weiten Teilen auch selbst beherrscht. Die chinesische Führung gibt also nicht nur den Rahmen vor, sondern legt gleichzeitig fest, wie Unternehmen diesen Rahmen ausfüllen sollen. Nur, wer ist in solchen Wirtschaftssystemen dann noch Kontrolleur und wer Kontrollierter?

Eine wehrhafte und nachhaltige Demokratie zeichnet sich durch ein funktionierendes System an „Checks and Balances“ aus. Die Gewaltenteilung ist daher ein unverzichtbares Element jeder demokratischen Grundordnung. Und dasselbe gilt für eine Marktwirtschaft. Neben den Konsumentinnen und Konsumenten, die frei über ihren Konsum entscheiden können und sollen, braucht es sowohl die staatliche Gewalt, die mit aller Macht versucht, die Wirtschaft in einen gemeinwohlfördernden Rahmen zu drücken, als auch jene unternehmerische Kraft, die innerhalb dieses ordnungspolitischen Rahmens alles gibt, um effektiv und effizient zu wirtschaften. Erst dieser Widerstreit der verschiedenen Kräfte macht aus einer Marktwirtschaft ein funktionierendes Wirtschaftssystem. Wie zuvor beschrieben, ist das aber weder im Staatskapitalismus noch im Laissez-faire-Neoliberalismus gegeben. Dort fehlt es an den gegeneinander gerichteten Interessen und so macht sich eine politisch-wirtschaftliche Machtclique ihre eigenen Gesetze. Und im Sozialismus ist zwar vieles anders, aber genau das nicht. Auch dort gibt es nur diese eine Instanz, die sowohl den Rahmen festlegt als ihn auch selbst ausfüllt – „der VEB Baukombinat wurde beauftragt 100 Wohnung zu bauen“. Es fehlt damit aber an genau dem, was ein nachhaltig funktionierendes Wirtschaftssystem ausmacht: Die Unabhängigkeit der rahmensetzenden staatlichen Gewalt von den rahmenfüllenden Akteuren, also Produzenten wie Konsumenten. Insofern kann aber auch der Sozialismus kein Fortschritt und schon gar kein Ausweg sein, denn auch dort würde sich schnell wieder jener allmächtige Führungskader etablieren, der sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert.

Sozial-ökologische Marktwirtschaft

Wofür ich wirtschaftspolitisch stattdessen eintrete, ist eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft. Das heißt zum einen, die Wiedererlangung des Primats der Politik über die Wirtschaft und das Aufräumen mit dem laissez-faire-neoliberalen „Markt-vor-Staat“-Irrglauben. Das heißt aber auch, den ordnungspolitischen Rahmen künftig so zu setzen, dass er den Herausforderungen unserer Zeit tatsächlich gerecht wird. Das gilt für die soziale Frage, das Auseinanderdriften von Arm und Reich, die Umbrüche am Arbeitsmarkt durch Robotik, Digitalisierung und Globalisierung, aber eben auch für die ökologische Frage – Nitrat in Böden und Grundwasser, (Mikro-)Plastik in den Weltmeeren, anthropogene Treibhausgase in der Atmosphäre oder die Endlichkeit der Ressourcen auf unserem Erdball.

Was den sozialen Rahmen anbelangt, so muss dieser künftig so gestaltet werden, dass das Auseinanderdriften der Gesellschaft in eine kleine reiche Vermögenselite und eine breite vermögenslose Masse gestoppt und die Ungleichheit wieder auf ein nach ökonomischen und vielmehr noch ethischen Gesichtspunkten verträgliches Maß zurückgefahren wird. Es braucht dazu unter anderem eine höhere Besteuerung der Vermögensmasse, höhere Steuern auf Spitzeneinkommen und Kapitalerträge sowie die Einführung einer Finanzmarktsteuer. Umgekehrt braucht es die Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen durch einen höheren Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer und Entlastungen bei den Sozialabgaben, ein ordentliches Kindergeld für alle Kinder und eine sanktionsfreie Mindestsicherung für alle Bürgerinnen und Bürger. Es braucht dazu aber genauso auch mehr Tarifbindung, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken, einen fairen Mindestlohn, Lohnzuschläge bei Leiharbeit und Befristung, den Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes für all jene, die trotz guter Qualifikation und Leistungswillen keine Chancen am regulären Arbeitsmarkt haben, eine soziale Absicherung für Crowd- und Clickworker und noch so unendlich vieles mehr, um wieder zu einer Gesellschaft zu werden, in der es einer breiten Masse möglich ist, durch Arbeit zu Wohlstand zu gelangen.
Daneben können und dürfen wir als Gesellschaft aber auch nicht über unsere ökologischen Verhältnisse leben. Das heißt beispielsweise, dass Emissionen künftig so besteuert werden müssen, dass auch ein tatsächlicher Anreiz zur Emissionsvermeidung entsteht. Im Verkehrsbereich müssen Alternativen zum CO2-intensiven Individualverkehr entwickelt werden. In Bezug auf Ressourcenschonung sind außerdem höhere Recyclingquoten und eine Verpackungssteuer sinnvolle Maßnahmen oder die Pflicht z.B. für Smartphone-Hersteller, Akkus und andere Teile ersetzbar zu gestalten. Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass Produkte länger halten, braucht es dafür aber gar nicht unbedingt detaillierte technische Vorgaben. Es reicht aus, den Garantie- und den anschließenden Gewährleistungszeitraum zu verlängern. Unternehmen werden dann von sich aus schauen, wie sie einen solchen neuen ordnungspolitischen Rahmen wieder effizient ausfüllen, also nicht allzu oft kostenlos reparieren, umtauschen oder zurücknehmen müssen.

Einzelmaßnahmen vs. Konzept

Man kann die Liste der notwendigen Maßnahmen für eine Umgestaltung hin zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft beliebig fortsetzen. Für die meisten Einzelmaßnahmen gilt dabei, dass sie verzichtbar wären, wenn denn alle anderen Maßnahmen erfolgreich umgesetzt würden. Wenn alle Erwachsenen genügend Geld haben, braucht es nicht mehr zwingend ein hohes Kindergeld. Bei einem hohen Kindergeld braucht es nicht mehr zwingend eine Gebührenfreiheit für KiTa-Plätze. Es bedeutet umgekehrt aber auch, dass aus vielen Einzelmaßnahmen noch lange kein Konzept wird. Das ist beispielsweise ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Kinderarmut in den letzten 20 Jahren – Einzelmaßnahmen gab es in diesem Bereich genügend, aber eben kein Konzept, schon gar kein stimmiges.
Wenn ich also von einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft spreche, meine ich damit mehr als eine Liste von Einzelmaßnahmen. Vielmehr geht es um eine Grundhaltung, aus der heraus sich dann konkrete Einzelmaßnahmen ableiten lassen. Am ehesten lässt sich die Grundhaltung dabei mit einem Vergleich verdeutlichen. Der Laissez-faire-Neoliberalismus steht für eine Marktwirtschaft mit einem schwachen und nur reaktiven Staat. Ich möchte hingegen eine Marktwirtschaft mit einem starken und aktiv gestaltenden Staat!

Das Primat der Politik

Ziel des Laissez-faire-Neoliberalismus ist, das Primat der Politik weitestgehend durch ein Primat des Kapitals zu ersetzen. Hierzu wurde das staatliche Gemeinwesen in den letzten 50 Jahren auf verschiedene Weise ausgehöhlt. Zum einen wurde der ordnungspolitischen Rahmen immer weiter und weicher gestaltet. So viele Bereiche wie möglich sollten dem Markt untergeordnet werden – auch die Daseinsvorsorge, der Soziale Wohnungsbau, die Alterssicherung – und zwar so umfassend wie es nur irgend geht, also ohne Mietpreisbindung, ohne Verbraucher- oder Umweltschutz und ohne Steuern oder Sozialabgaben. Zum anderen, und das ist noch viel gravierender, wurde von laissez-faire-neoliberalen Wirtschafts- und Staatenlenkern in den letzten Jahrzehnten eine globale Wirtschaftsstruktur etabliert, in der die Politik vom Schiedsrichter zum Spielball, vom „maker“ zum „taker“ degradiert wurde – eine Tatsache, die hierzulande totgeschwiegen wird und dennoch in aller Munde ist. Nicht mehr der Staat entscheidet über den ordnungspolitischen Rahmen für das Kapital, seien es nun Großkonzerne, Stiftungen, Investmentfonds oder Superreiche, sondern das Kapital entscheidet, in welcher ordnungspolitische Umgebung es sich ansiedelt, wo es wohnhaft wird, ein Werk errichtet oder eine Firmenzentrale baut. Damit stehen nicht länger Unternehmen mit ihren Produkten im Wettbewerb zueinander, sondern gleich die Staaten selbst mit ihren ordnungspolitischen Rahmen. Das ist die Perversion einer Marktwirtschaft und dennoch gehört es als Schlagwort vom „Wirtschaftsstandort Deutschland“ bzw. von der „Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“ zum Alltag der wirtschaftspolitischen Debatte im Vorzeigeland des Laissez-faire-Neoliberalismus.

Die Wiederherstellung des Primats der Politik ist unter diesen Gegebenheiten kein leichtes Unterfangen. Gleichwohl ist es für eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft zwingend erforderlich, denn nur wenn die demokratisch legitimierten Volksvertreterinnen und Volksvertreter überhaupt in der Lage sind, einen ordnungspolitischen Rahmen zu setzen, können sie diesen auch sozial und ökologisch ausgestalten.
Dem laissez-faire-neoliberalen Zerrbild des Gemeinwesens als „gierigem, verschwenderischem, störendem, verbietendem, einschränkendem Staat“ – wer möchte einen solchen Staat schon stärken – muss deshalb zunächst die Idee und das Bild eines Staates als „fairem Schiedsrichter“, „solidarischem Beistand“, „Schutzengel“ oder „Retter in der Not“ entgegengesetzt werden. Einen solchen Staat möchte man als Bürgerin oder Bürger doch schon viel eher fit und verlässlich an seiner Seite wissen. Und mit einer demokratischen Mehrheit im Rücken kann der Staat an vielen Stellen auch wieder dazu befähigt werden, der Wirtschaft eine soziale und ökologische Richtung zu geben. Das gilt vor allem dort, wo die Ordnungsrahmen nicht in Wettbewerb zueinander stehen. Die Paketzustellung innerhalb Deutschlands ist ein typisches Beispiel. Hier könnte der deutsche Gesetzgeber sowohl im Sozialen (Branchen-Mindestlohn) wie im Ökologischen (emissionsfreie Zustellung) sehr viel mehr machen, weil es sich um eine Dienstleistung handelt, die man nur in Deutschland selbst durchführen kann. In diesem Fall ist es also völlig unerheblich, welche ordnungspolitischen Rahmen für die Paketzustellung in Frankreich oder Polen gelten.

Daneben braucht es aber auch Konzepte, um das Primat der Politik in all jenen Bereichen wiederherzustellen, in denen es durch die laissez-faire-neoliberale Struktur der Weltwirtschaft ausgehebelt wurde. Was machen wir also überall dort, wo die Konkurrenz der unterschiedlichen ordnungspolitischen Rahmen zu einer Abwärtsspirale von Umwelt- und Sozialstandards, zu ruinösem Steuerwettbewerb und immer weniger Arbeitnehmerrechten führt?
Wenn der Gesetzgeber in Deutschland heute deutlich mehr Platz für Legehennen beschließt, stehen die Legebatterien morgen im EU-Ausland und die Eier werden einfach importiert. Um dieser Konkurrenz der Ordnungspolitik zu entgehen, muss deshalb wenigstens eine rudimentäre Rahmensetzung auf jener Ebene ermöglicht werden, auf der auch das Marktgeschehen stattfindet. Im Falle der Legehennen ist das auf europäischer Ebene gegeben und so hat die EU bereits 2012 die konventionelle Käfighaltung im gesamten Binnenmarkt komplett verbieten können. In vielen anderen Bereichen hat die EU aber bis heute keine oder nur eine sehr beschränkte Kompetenz zur Rahmensetzung, z.B. im sozialen Bereich, bei Steuern, bei Arbeitnehmerrechten. Das heißt, über ganz zentrale Elemente des ordnungspolitischen Rahmens – wie hoch sind Sozialabgaben, wie hoch die Stromsteuer, wie hoch der Mindestlohn, wie stark der Kündigungsschutz – entscheiden noch immer die einzelnen EU-Länder für sich alleine und zwar viel zu oft im Gegeneinander.
Eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft ist deshalb nur im Zusammenspiel mit europäischem Föderalismus denkbar. Es braucht eine Europäische Republik, die Vereinigten Staaten von Europa, einen Europäischen Bundesstaat, eine Europäische Föderation oder ein ähnliches Konstrukt, um eine demokratisch legitimierte rahmensetzende Gewalt auf jener Ebene anzusiedeln, auf der auch der Binnenmarkt steht, also auf der europäischen Ebene.

Ein föderales, freiheitlich-demokratisches und sozial-ökologisches Europa

Die Absatzüberschrift ist die Kurzfassung dessen, was ich für eine erstrebenswerte Zukunft für Europa halte. Es braucht eine föderale Struktur, um der europäischen Wirtschaft auf demokratischem Wege wieder einen adäquaten Ordnungsrahmen setzen zu können und zwar auch bei Steuern, Arbeitnehmerrechten oder Sozialstandards. Die dadurch entstehenden Freiräume für die Politik müssen dann aber auch auf allen Ebenen konsequent genutzt werden, um den europäischen Binnenmarkt zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft umzugestalten.

Gleichwohl bleibt damit aber noch immer eine wesentlich Frage unbeantwortet: Wie können wir auch anderen Erdteilen helfen, ein solches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem aufzubauen? Denn auch ein CO2-neutrales, an Fangquoten haltendes, arbeitnehmerfreundliches Europa ist nur ein Schritt zu einer nachhaltigen, sozial-ökologischen Weltwirtschaft. Ein Teil der Antwort kann aber darin liegen, die im Laissez-faire-Neoliberalismus vorherrschende Freihandels-Doktrin durch eine sozial-ökologische Fairhandels-Maxime zu ersetzen. Mit Blick auf den chinesischen Staatskapitalismus, arabische Scheichtümer oder afrikanische Militärregime stößt aber natürlich auch das an seine Grenzen. Hier bleibt dann vermutlich nur die altbewährte Strategie, schneller, besser und geschickter zu sein.

Noch ein Wort zum Sozialismus

Warum ich den Sozialismus als Wirtschaftssystem ablehne, habe ich dargestellt. Allerdings werden manche nun sagen, der Sozialismus sei über die Wirtschaft hinaus vielmehr ein Gesellschaftssystem und insofern greife der Gedanke einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft zu kurz. Für mich ist allerdings klar, dass ich an unserem grundlegenden Gesellschaftssystem, der freiheitlich-demokratischen Ordnung, gar nichts ändern möchte, weil ich darin mit Abstand den besten Schutz dessen sehe, was mir in einer Gesellschaft wichtig ist – Pluralismus, Menschenrechte, die bürgerlichen Freiheiten.
Und de facto ist bisher jedes sozialistische Land auf der Welt als Diktatur geendet, egal ob in der DDR, auf Kuba, in Venezuela, bei Lenin, Stalin oder Mao. Dass eine kleine, reiche Führungsclique entsteht, ist aus meiner Sicht ja gerade die logische Konsequenz daraus, dass wirtschaftliche und politische Macht im Sozialismus grundsätzlich in eine Hand gegeben werden. Insofern halte ich es diesbezüglich aber mit Albert Einstein, der mal gesagt haben soll, „die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Auch deshalb werbe ich für einen Aufbrauch zu einem anderen Ziel, nämlich einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft.


Text als PDF: Sozial-ökologische Marktwirtschaft statt Laissez-faire-Neoliberalismus oder Sozialismus


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Da Sparkassen kommunal oder frei organisiert sind, erscheint es auch weitgehend unproblematisch, wenn der Bund, also eine andere staatliche Ebene, Teileigentümer der Commerzbank bleibt. Dies ist dem Verschwinden der Commerzbank aus dem Verbrauchergeschäft durch Fusion mit der Deutschen Bank auf jeden Fall vorzuziehen.


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Während die schlechteren Löhne und Renten auf der einen Seite zu einer Schwächung der Binnennachfrage in Deutschland führen, können auf der anderen Seite die hierzulande produzierenden Unternehmen durch die gesunkenen Lohnstückkosten die Weltmärkte mit billigen Waren überfluten. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist daher ein Außenhandelsungleichgewicht, das mit einem Exportüberschuss bzw. Importdefizit Deutschlands von rund 8% des BIP seinesgleichen sucht.

Vorschlag:

Als Gegenmaßnahme zu dieser Entwicklung schlage ich daher die Anhebung der Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung von aktuell 9,3% auf 11% und die Absenkung des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung von aktuell 9,3% auf 8,5% vor.

Sieben Verbesserungen:

1. Mehr Netto vom Brutto:
Durch die Absenkung des Arbeitnehmeranteils an der Rentenversicherung hätten die Arbeitnehmer künftig mehr Netto vom Brutto. Zusätzlich zu den Lohnerhöhungen, die durch die Tarifpartner vereinbart werden, würden die Nettolöhne um knapp 1% steigen.

2. Bessere Renten:
Durch die insgesamt um 0,9% der Bruttolöhne wachsenden Rentenbeiträge würde die Summe der abgeführten Rentenbeiträge um rund 4,8% ansteigen. Das Bruttorentenniveau könnte damit von aktuell 44,7% auf ca. 46,6% gesteigert werden. Für den sogenannten Eckrentner würde dies ein monatliches Plus bei der Rente von knapp 50 Euro monatlich bedeuten.

3. Stärkung der Binnennachfrage:
Die höheren Nettolöhne und die höheren Renten würden zu einem spürbaren Anstieg der Binnennachfrage führen.

4. Wirtschaftswachstum im Ausland:
Durch die leicht steigenden Lohnstückkosten, wären im Ausland produzierende Unternehmen, insbesondere aus dem Euro-Raum, im Vergleich wieder etwas wettbewerbsfähiger. In Verbindung mit der wachsenden Binnennachfrage in Deutschland würde dies im Ausland zu einer Stärkung des Wirtschaftswachstums führen.

5. Wirtschaftswachstum in Deutschland:
Sofern das Wachstum im Ausland zu einem Mehrexport führt, der den Minderexport durch die etwas niedrigere Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland produzierenden Unternehmen ausgleicht, bliebe das deutsche Exportvolumen unverändert. Gleichzeitig würde die wachsende Binnennachfrage den heimischen Absatz stärken, sodass sich ein zusätzliches BIP-Wachstum und damit ein Konjunkturschub für Deutschland ergeben würden.

6. Zusätzliche Jobs und Steuermehreinnahmen:
Ein zusätzliches Wirtschaftswachstum in Deutschland hätte positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Außerdem würden auch die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen steigen.

7. Abbau des Importdefizits bzw. des Exportüberschusses:
Überdies würde die wachsende Binnennachfrage den Güterimport nach Deutschland steigen lassen, sodass auch bei einem gleichbleibenden Exportvolumen der deutsche Exportüberschuss bzw. das deutsche Importdefizit reduziert würden.


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Sinkende Lohnstückkosten:

Die Entwicklung der Lohnstückkosten wird alleine durch die Entwicklung der Arbeitsentgelte im Verhältnis zur Produktivitätssteigerung bestimmt. Kann ein Arbeitnehmer je Stunde 25% mehr Güter herstellen, während der Arbeitgeber je Stunde nur 10% höhere Arbeitsentgelte zu zahlen hat, so sinken die Lohnstückkosten um 12%.

Tendenziell angebotsseitig sinkende Preise:

Über die gesamte Wertschöpfungskette beinhalten die Herstellungskosten eines Produktes einen sehr hohen Arbeitskostenanteil.
Ein Beispiel hilft, dies zu veranschaulichen: Mit Hilfe von Maschinen bauen Arbeitskräfte Kohle ab. Diese wird in einem von Arbeitskräften betriebenen Kohlekraftwerk, das von Arbeitskräften mit Hilfe von Maschinen konstruiert wurde, in Strom umgewandelt. Dieser Strom fließt beispielsweise in eine von Arbeitskräften gesteuerte Maschine und zusammen mit Rohstoffen, die von Arbeitskräften mit Hilfe von Maschinen gewonnenen und verarbeitetet wurden, wird dann irgendetwas produziert, z.B. wieder eine Maschine. Da aber alle Maschinen, die innerhalb dieser Wertschöpfungskette eingesetzt werden, ebenfalls das Produkt einer solchen Wertschöpfungskette sind, liegt der Arbeitskostenanteil an den Herstellungskosten von Endprodukten in einem mittleren bis hohen zweistelligen Prozentbereich. Hinzu kommen Forschung und Entwicklung, Transport von Vor- und Endprodukten sowie Verwaltung und Handel, deren Kosten ebenfalls maßgeblich durch Arbeitskosten bestimmt werden.

Durch diesen hohen Arbeitskostenanteil an den Herstellungskosten von Waren – und natürlich noch stärker von Dienstleistungen – sind die Produktionskosten wesentlich von der Entwicklung der Lohnstückkosten bestimmt. Sinken die Lohnstückkosten um 12%, kann ein Gut, dessen Herstellungskosten zu 50% aus Arbeitskosten bestehen, 6% billiger produziert und zum Verkauf angeboten werden.

Natürlich liegen nicht die Wertschöpfungsketten aller in Deutschland verkauften Produkte vollständig im Inland. Dennoch ist eine Folge des deutschen Lohndumpings, dass die Preise angebotsseitig tendenziell sinken.

Überangebot an Gütern:

Die Gesamtnachfrage nach Gütern innerhalb einer Volkswirtschaft (Binnennachfrage) bestimmt sich hauptsächlich durch das zur Verfügung stehende Einkommen der Bevölkerung. Nachdem die große Mehrheit der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt aus Arbeitseinkommen oder aus Transferleistungen, die an die Lohnentwicklung gekoppelt sind (z.B. Renten), bestreitet, ist die Entwicklung des zur Verfügung stehenden Einkommens eng mit der Entwicklung der Arbeitsentgelte verbunden.

Nimmt man für die gesamte deutsche Volkswirtschaft an, dass der inländische Arbeitskostenanteil an den hier verkauften Gütern durchschnittlich bei 50% liegt und die Produktivität um 25% und die Stundenlöhne um 10% steigen, so ergibt sich automatisch ein Produktionsüberschuss.

Während die Preise lediglich um 6% zurückgehen, sinken bei gleichbleibender Produktionsmenge die gesamten Arbeitsentgelte um 12%. Die Bevölkerung kann sich insgesamt also weniger Güter leisten. Hält man hingegen die Summe der Arbeitsentgelte konstant, dann steigt die gesamte Produktionsmenge um 13,6% an, während sich die Menschen aufgrund der niedrigeren Herstellungskosten bzw. Güterpreise nur 6,4% mehr Güter leisten können.

Im ersten wie im zweiten Fall entsteht zwingend ein Überangebot an Gütern.

Tendenziell nachfrageseitig sinkende Preise:

Bei einem Überangebot an Gütern reicht ein Teil der angebotenen Güter aus, um zum Marktgleichgewichtspreis die komplette Nachfrage zu bedienen. Dies führt im marktwirtschaftlichen Wettbewerb regelmäßig zu sinkenden Preisen, weil die Nachfrager zuerst auf die teuersten Angebote verzichten.

Tendenziell schwächere Inflation:

Die Auswirkungen der Lohnzurückhaltung sind angebotsseitig tendenziell sinkende Preise und nachfrageseitig eine unzureichende Binnennachfrage, durch die ein Überangebot an Gütern entsteht.

Innerhalb einer geschlossenen Volkswirtschaft führt beides im marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu sinkenden Marktpreisen. Verlässt man die Ebene der preisbereinigten Betrachtung, wird aufgrund sinkender realer Preise auch die Inflation tendenziell schwächer ausfallen als dies ohne Lohndumping der Fall wäre.

Tendenziell steigende Wettbewerbsfähigkeit:

Verändern sich die Wechselkurse zwischen Deutschland und anderen Volkswirtschaften nicht, führen die niedrigeren Lohnstückkosten tendenziell zu einer stärkeren Wettbewerbsposition der hierzulande produzierenden Unternehmen.

Exportüberschuss bzw. Importdefizit:

Da es innerhalb des Euro-Raums keine Wechselkursschwankungen gibt, wurde durch die Lohnzurückhaltung der vergangenen beiden Jahrzehnte die Wettbewerbsposition der in Deutschland produzierenden Unternehmen gestärkt. Sie können nun ihre Waren in den übrigen Euro-Ländern billiger anbieten. Gleichzeitig gehen durch die tendenziell nachfrageseitig sinkenden Preise die Absatzmöglichkeiten für ausländische Waren in Deutschland zurück.

Sofern Unternehmen nicht am Markt vorbei bzw. auf Lager produzieren, führt außerdem das Überangebot an in Deutschland produzierten Gütern dazu, dass entweder weniger ausländischer Waren importiert werden können oder mehr im Inland produzierte Waren exportiert werden müssen.

Das deutsche Lohndumping hat daher zwingend einen Exportüberschuss bzw. ein Importdefizit zur Folge.

Export von Arbeitslosigkeit:

Sofern sich die Wechselkurse nicht zu Ungunsten Deutschlands verändern bzw. andere Euro-Länder nicht ebenfalls auf Lohnzurückhaltung setzen, exportiert Deutschland mehr als es importiert. Damit geht einher, dass Deutschland auch Arbeitslosigkeit exportiert.

Gegebenenfalls Verlangsamung des Wirtschaftswachstums:

Sofern das Güterüberangebot nicht im Ausland abgesetzt werden kann, z.B. wegen einer Rezession in den importierenden Ländern, müssen Unternehmen ihre Produktionskapazitäten reduzieren, was zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führt. Dies wäre vor allem dann zwingend die Folge, wenn auch die Handelspartner Deutschlands auf Lohndumping setzen würden und damit die Produktivität dort ebenfalls stärker wachsen würde als die Reallöhne.


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Wie Deutschland mit Lohndumping Außenhandelsüberschüsse erzielt https://www.mister-ede.de/politik/deutsches-lohndumping/8566 https://www.mister-ede.de/politik/deutsches-lohndumping/8566#comments Wed, 01 Nov 2017 17:20:46 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8566 Weiterlesen ]]> Über Jahrzehnte waren die Entwicklung der Arbeitsentgelte und die Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Deutschland eng aneinander gekoppelt. Wenn Arbeitnehmer und Selbstständige 10% mehr Güter je Stunde herstellten, stieg auch der reale Stundenlohn im Durchschnitt um rund 10%. Doch ab Mitte bis Ende der 90er Jahre führten steigende Arbeitslosigkeit und die Abwanderung von Industriebetrieben zu einem stillen Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern. Durch Lohnzurückhaltung sollte das Wachstum der Reallöhne deutlich hinter dem Anstieg der Arbeitsproduktivität zurückbleiben und so der Wirtschaftsstandort Deutschland durch niedrigere Lohnstückkosten für Unternehmen attraktiver gemacht werden.

Verstärkt durch politische Entscheidungen im Rahmen der Agenda 2010, z.B. die Ausweitung der Leiharbeit, die Einführung der „Ich-AG“ oder den damaligen Verzicht auf die Einführung eines Mindestlohns, entwickelten sich in der Folge die realen Stundenlöhne weit schlechter als die Arbeitsproduktivität. So stieg zwischen 1996 und 2007 die Arbeitsproduktivität um rund 20% an, während die realen Stundenlöhne insgesamt lediglich um 0,2% zulegten.

Die Ende der 90er Jahre entstandene Lohnlücke ist dann bis Mitte der 2000er Jahre angewachsen und beträgt seit 2010 kontinuierlich über 10% des Bruttolohns eines Arbeitnehmers. Doch anstelle besonders großer Sprünge beim Export hatte das deutsche Lohndumping einen ganz anderen Effekt. Das einzige Jahr nach der Wiedervereinigung, in dem der reale private Konsum zurückging, war nicht etwa das Jahr der großen Finanzkrise 2009, sondern das Jahr 2002. Mit einem Minus von 0,8% beim privaten Konsum [1] brach damals allerdings nicht nur die Binnennachfrage ein, sondern auch der Import von Gütern, sodass sich in Deutschland ein Importdefizit einstellte. Zwar entwickelten sich in den Folgejahren sowohl Exporte als auch Importe positiv, insgesamt wuchs das Importdefizit bis 2016 allerdings auf 8% des BIP.

Deutschland hat also auf Kosten seiner Arbeitnehmer, die nun weniger Lohn erhalten als ihnen angesichts ihrer Produktivität zusteht, einen erheblichen Außenhandelsüberschuss aufgebaut. Auf Dauer wird es jedoch nicht möglich sein, in Deutschland produzierte Güter zu exportieren, ohne umgekehrt in gleichem Umfang Güter nach Deutschland zu importieren.
So plant beispielsweise der neugewählte französische Präsident Macron ähnliche Arbeitsmarktreformen für Frankreich, wie sie einst unter Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 in Deutschland durchgeführt wurden. Mit Hilfe von Flexibilisierung, Sozialabbau und Lockerung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge sollen die französischen Arbeitskosten reduziert werden, um künftig wieder mit den niedrigen deutschen Lohnstückkosten Schritt halten zu können. Aber auch US-Präsident Trump will das deutsche Lohndumping nicht einfach hinnehmen und hat bereits Strafzölle für Importwaren ins Gespräch gebracht.

Anstatt weiterhin mit niedrigen Lohnstückkosten zu Lasten der hiesigen Arbeitnehmer den deutschen Export zu beflügeln und den Import auszubremsen, sollte deshalb in Deutschland auf ein Ende des Lohndumpings hingewirkt werden. So könnte die vorhandene Lohnlücke in den nächsten Jahren mit Reallohnsteigerungen leicht oberhalb der Zuwachsraten der Arbeitsproduktivität deutlich reduziert werden. Die aus der wieder anziehenden Binnennachfrage resultierenden Steuermehreinnahmen könnten dann genutzt werden, um die Rahmenbedingungen für die Exportindustrie anderweitig zu verbessern, z.B. mit Investitionen in die Infrastruktur und in die Ausbildung und Qualifikation von Arbeitnehmern.


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[1] Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.5, Tabelle 3.5, 2016, S. 128 (Link zur PDF auf www.destatis.de)

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Arbeitsproduktivität, Arbeitnehmerentgelte und Nettolöhne 1970 – 2016 in der BRD https://www.mister-ede.de/politik/arbeitsproduktivitat-usw-brd/8555 https://www.mister-ede.de/politik/arbeitsproduktivitat-usw-brd/8555#comments Tue, 24 Oct 2017 17:00:58 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8555 Weiterlesen ]]> Nachfolgendes Schaubild stellt die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, der Arbeitnehmerentgelte und der Nettolöhne jeweils pro Arbeitsstunde im Zeitraum von 1970 – 2016 in der Bundesrepublik Deutschland dar:

Quelle der Daten:

Eigene Berechnungen auf Basis der vom Statistischen Bundesamt in der Fachserie 18, Reihe 1.5, 2016, Seite 36 (Tabelle 1.9) und 50 (Tabelle 1.14) veröffentlichten Daten.

Link zur entsprechenden PDF des Statistischen Bundesamtes auf www.destatis.de

Anmerkung:

Das Schaubild bezieht sich in den Jahren 1970 – 1991 auf die Entwicklung in Westdeutschland und von 1991 – 2016 auf die Entwicklung in Gesamtdeutschland.

Getroffene Annahmen:

1) Für das Schaubild wird angenommen, dass sich Arbeitsproduktivität, Arbeitsentgelte und Nettolöhne im Jahr 1991 (Datenumbruch) in Gesamtdeutschland genauso entwickelt haben wie in Westdeutschland.

2) Für die Aussagekraft des Schaubilds wird angenommen, dass sich die Arbeitsproduktivität der Erwerbstätigen (Selbstständige und Arbeitnehmer zusammen) genauso entwickelt hat wie die Arbeitsproduktivität der Arbeitnehmer.

Erläuterung:

Im Jahr 2016 stellten Erwerbstätige je Arbeitsstunde 2,7-mal so viel her wie im Jahr 1970. Im selben Zeitraum stiegen die von den Arbeitgebern gezahlten realen Arbeitnehmerentgelte je Arbeitsstunde (Bruttolöhne inkl. Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben) um den Faktor 2,35 und die realen Nettostundenlöhne der Arbeitnehmer (Bruttolöhne abzüglich Steuern und Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung) um das 1,8-fache.


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