mister-ede.de » 2. Weltkrieg https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 März 1945 – Welch ein Zeitpunkt für eine Sozialreform https://www.mister-ede.de/politik/sozialreform-marz-1945/1703 https://www.mister-ede.de/politik/sozialreform-marz-1945/1703#comments Thu, 27 Dec 2012 07:25:15 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1703 Weiterlesen ]]> Auf der Suche nach Informationen über die Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung, bin ich auf eine Gesetzesänderung in der Reichsversicherungsordnung gestoßen, die mich ziemlich erstaunt hat. In einem Aufsatz, den ich auf der Seite der Uni Köln fand, war folgender Satz zu lesen: „Dementsprechend normierte der durch Gesetz vom 17.3.1945 neu gefasste § 168 RVO die Versicherungsfreiheit in der Kranken- und (entsprechend) in der Rentenversicherung (§ 1228 RVO) für solche Beschäftigungen“ [1].

17.3.1945 ?

Die RVO ist die Reichsversicherungsordnung, aber der Zeitpunkt der Gesetzesänderung erschien mir so unwirklich, dass ich an anderer Stelle nach einer Bestätigung dafür suchte. Auf der Internetseite der österreichischen Nationalbibliothek bin ich dann fündig geworden und konnte mir das Reichsgesetzblatt von 1945 anschauen. Ich war tatsächlich baff, dass im Frühjahr 1945 mit ziemlicher Akribie die „erste Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung“ formuliert wurde [2]. Während andere Verordnungen dieser Zeit mit teilweise nur einem Satz auskamen, wurde hier anscheinend ein kompletter Gesetzestext ausgearbeitet.

Insgesamt neun Seiten, so viel hatte keine andere Verordnung des Jahres zu bieten und auch inhaltlich wurde viel verändert. Geregelt wurde nicht nur die Abgabenbefreiung bei Geringverdienern, sondern auch die Zuzahlung zu Medikamenten oder die Mitversicherung der Familienmitglieder bei der Krankenversicherung [3]. Was die Verfasser in dieser Zeit zu so einem Gesetz bewegte erschließt sich mir bislang nicht. Etwas amüsant ist dabei aber die Formulierung „bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Zweite Weltkrieg endet“ an einer Stelle der Verordnung [4]. Dass Deutschland diesen Zeitpunkt schon wenige Monate später erreichen würde, haben die Verfasser wohl nicht erwartet. Ebenfalls amüsant ist, dass „die Krankenscheingebühr […] aus Gründen der Vereinfachung nicht mehr erhoben [wird]“ [5]. Die Parallelen zur Diskussion um die Abschaffung der Praxisgebühr könnten klarer nicht sein.

In der Welt mögen Herrscher stürzen, Systeme kollabieren oder eine Diktatur verschwinden, an den Alltagsthemen scheint dies nicht viel zu ändern.  Und so wurde eben noch im März 1945 eine Sozialreform durchgeführt.


Ähnliche Artikel:
20 Jahre und nichts Neues (www.mister-ede.de – 29.04.2012)


[1] Genenger, A., Umersbach T.: „Geringfügige Beschäftigung“  (Link zum Text auf www.jura.uni-koeln.de)

[2] RGBl I 1945, S.41 (Übersicht des RGBl 1945 von der österreichischen Nationalbibliothek – alex.onb.ac.at)

[3] Ebenda S. 46

[4] Ebenda S. 50

[5] Ebenda S. 46

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In NRW schlägt das Herz Europas https://www.mister-ede.de/politik/nrw-das-herz-europas/671 https://www.mister-ede.de/politik/nrw-das-herz-europas/671#comments Mon, 26 Mar 2012 07:49:48 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=671 Weiterlesen ]]> Vor der Industrialisierung haben sich die wirtschaftlichen Zentren an Handelswegen wie dem Rhein gebildet oder an der Küste (z. B. Hanse). Außerdem waren die Hauptstädte der Machtbereiche (Paris, Wien) wirtschaftlich stärkere Regionen.

Erst durch die Industrialisierung hat sich dieses Gewicht verschoben. Neben den englischen Kohlegebieten war es vor allem das Ruhrgebiet, welches durch diese Entwicklung zum neuen wirtschaftlichen Zentrum des späten 19. Jahrhunderts wurde. Auch in anderen Regionen Deutschlands gab es zwar solche Gebiete, wie z.B. in Schlesien, aber die Nähe zu den westlichen Zentren, welche Forschung und Bildung bündelten, war für die Entwicklung des Ruhrgebiets ein weiterer Vorteil. Genauso war das damals fehlende Umweltbewusstsein bzw. sonstiges Problembewusstsein ein Grund für die rasante Entwicklung. Zwar wurde eine Landflucht festgestellt, das Problem aber der wirtschaftlichen Entwicklung untergeordnet. Mit wachsenden Städten und wachsender Industrie kam Infrastruktur in großem Maße in die Region. Eisenbahn und Bahnhöfe, Straßen und Kraftwerke entstanden. Zu Beginn des ersten Weltkriegs war das Potenzial des Ruhrgebiets fast übermächtig.

Daraus resultierte der Wunsch der Kriegsgegner Deutschlands Potenzial durch die Abspaltung des Ruhrgebiets am Ende des ersten Weltkriegs deutlich zu vermindern. So waren der Versailler Vertrag und das Ruhrgebiet maßgebliche Einflussfaktoren auf die damalige Politik und wirtschaftliche Entwicklung der Zwischenkriegszeit. Auch im zweiten Weltkrieg spielt das Ruhrgebiet eine entscheidende Rolle als schier unendlicher Materiallieferant.

So lässt sich nachvollziehen, dass z.B. Frankreich zwar das Sicherheits-Interesse an einem schwachen Deutschland, aber das wirtschaftliche Interesse an einem starken Ruhrgebiet hatte. Eine Besetzung wider Willen war schon nach dem 1. Weltkrieg nicht effizient gestaltbar für Frankreich. Daher haben die Alliierten nach dem 2. Weltkrieg zwar die Kontrolle über die Stahl und Kohleproduktion übernommen, aber sahen darin keine Dauerlösung.

So schließt Schumann in seiner Rede zum 9. Mai „die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, daß der Jahrhunderte alte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht wird“ [1].

Im weiteren Verlauf seiner Rede schlägt er daher vor, eine föderale, gemeinsame Kontrolle der Kohle und Stahlproduktion zu errichten und den Beitritt für andere Länder zu ermöglichen. So bildet explizit die Wirtschaftskraft der rheinischen Montanindustrie die Grundlage für ein geeintes Europa. Die Montanunion und die später darauf zurückführende Entwicklung hin zur EU sind im Kern an das Ruhrgebiet gekoppelt.

So hängen sowohl Frieden und Freiheit in Europa, wie auch der Wohlstand von der Entwicklung des Ruhrgebiets ab. Man kann daher mit Fug und Recht sagen, dass in NRW das Herz Europas schlägt.


[1] Schumanns Erklärung vom 9. Mai 1950 (Übersetzung abrufbar bei der EU: http://europa.eu/abc/symbols/9-may/decl_de.htm

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