In NRW schlägt das Herz Europas

Vor der Industrialisierung haben sich die wirtschaftlichen Zentren an Handelswegen wie dem Rhein gebildet oder an der Küste (z. B. Hanse). Außerdem waren die Hauptstädte der Machtbereiche (Paris, Wien) wirtschaftlich stärkere Regionen.

Erst durch die Industrialisierung hat sich dieses Gewicht verschoben. Neben den englischen Kohlegebieten war es vor allem das Ruhrgebiet, welches durch diese Entwicklung zum neuen wirtschaftlichen Zentrum des späten 19. Jahrhunderts wurde. Auch in anderen Regionen Deutschlands gab es zwar solche Gebiete, wie z.B. in Schlesien, aber die Nähe zu den westlichen Zentren, welche Forschung und Bildung bündelten, war für die Entwicklung des Ruhrgebiets ein weiterer Vorteil. Genauso war das damals fehlende Umweltbewusstsein bzw. sonstiges Problembewusstsein ein Grund für die rasante Entwicklung. Zwar wurde eine Landflucht festgestellt, das Problem aber der wirtschaftlichen Entwicklung untergeordnet. Mit wachsenden Städten und wachsender Industrie kam Infrastruktur in großem Maße in die Region. Eisenbahn und Bahnhöfe, Straßen und Kraftwerke entstanden. Zu Beginn des ersten Weltkriegs war das Potenzial des Ruhrgebiets fast übermächtig.

Daraus resultierte der Wunsch der Kriegsgegner Deutschlands Potenzial durch die Abspaltung des Ruhrgebiets am Ende des ersten Weltkriegs deutlich zu vermindern. So waren der Versailler Vertrag und das Ruhrgebiet maßgebliche Einflussfaktoren auf die damalige Politik und wirtschaftliche Entwicklung der Zwischenkriegszeit. Auch im zweiten Weltkrieg spielt das Ruhrgebiet eine entscheidende Rolle als schier unendlicher Materiallieferant.

So lässt sich nachvollziehen, dass z.B. Frankreich zwar das Sicherheits-Interesse an einem schwachen Deutschland, aber das wirtschaftliche Interesse an einem starken Ruhrgebiet hatte. Eine Besetzung wider Willen war schon nach dem 1. Weltkrieg nicht effizient gestaltbar für Frankreich. Daher haben die Alliierten nach dem 2. Weltkrieg zwar die Kontrolle über die Stahl und Kohleproduktion übernommen, aber sahen darin keine Dauerlösung.

So schließt Schumann in seiner Rede zum 9. Mai „die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, daß der Jahrhunderte alte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht wird“ [1].

Im weiteren Verlauf seiner Rede schlägt er daher vor, eine föderale, gemeinsame Kontrolle der Kohle und Stahlproduktion zu errichten und den Beitritt für andere Länder zu ermöglichen. So bildet explizit die Wirtschaftskraft der rheinischen Montanindustrie die Grundlage für ein geeintes Europa. Die Montanunion und die später darauf zurückführende Entwicklung hin zur EU sind im Kern an das Ruhrgebiet gekoppelt.

So hängen sowohl Frieden und Freiheit in Europa, wie auch der Wohlstand von der Entwicklung des Ruhrgebiets ab. Man kann daher mit Fug und Recht sagen, dass in NRW das Herz Europas schlägt.


[1] Schumanns Erklärung vom 9. Mai 1950 (Übersetzung abrufbar bei der EU: http://europa.eu/abc/symbols/9-may/decl_de.htm

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