mister-ede.de » Grenze https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Flüchtlingspolitik: Der Unterschied zwischen Kontingenten und Obergrenzen https://www.mister-ede.de/politik/kontingente-und-obergrenzen/4671 https://www.mister-ede.de/politik/kontingente-und-obergrenzen/4671#comments Mon, 23 Nov 2015 18:30:13 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4671 Weiterlesen ]]> Im Fokus der Asyldebatte stehen aktuell mit „Kontingenten“ und „Obergrenzen“ zwei grundverschiedene Konzepte, die allerdings häufig in einen Topf geworfen werden. So titelte gestern z.B. tagesschau.de „Die Obergrenze heißt jetzt Kontingent“ und auch der dazugehörige Artikel vermittelte den Eindruck, als würden sich beide Ansätze nur durch den Namen unterscheiden [1]. Um deshalb etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, stellt dieser Artikel zunächst beide Konzepte dar und im Anschluss kurz gegenüber.

Obergrenzen:

Geht es nach der bayerischen CSU, dann wird künftig eine Obergrenze eingeführt, die festlegt, wie viele Flüchtlinge in einem gewissen Zeitraum nach Deutschland einreisen dürfen, also z.B. 500.000 Flüchtlinge pro Jahr.

Eine solche Regelung wäre jedoch kaum mit Art. 16a GG und der Genfer Flüchtlingskonvention zu vereinbaren, denn beide Vorschriften stellen auf einen individuellen Schutzanspruch ab. Das heißt, dass es bei der Frage der Schutzgewährung nicht auf äußere Umstände ankommen darf, sondern nur darauf, ob eine Person die Voraussetzungen für einen Schutzanspruch erfüllt, z.B. eine Verfolgung vorliegt oder die Einreise nicht aus einem sicheren Drittland erfolgt. Lediglich bei einer objektiven Gefahr für die Existenz des Staates bzw. für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kann von dieser Maßgabe abgewichen werden. Allerdings dürfte es ebenfalls unzulässig sein, für einen solchen Fall unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten allgemein und schon im Voraus einen Grenzwert festzulegen.
Außerdem führt eine solche Obergrenze, wenn sie denn funktionieren soll, unweigerlich zu einem Bruch des Schengen-Abkommens, weil Deutschland, sobald die festgelegte Höchstzahl erreicht ist, seine Grenzen komplett schließen und jeden Einreisenden kontrollieren müsste. Daneben stellt sich aber auch die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit einer solchen Beschränkung, vor allem mit Blick auf ein mögliches Ausweichen auf die grüne Grenze. Ob dann Soldaten mit Gewehr im Anschlag die illegalen Eindringlinge – also unbewaffnete und unschuldige Flüchtlinge – am Grenzübertritt hindern sollen, hat die CSU bislang nämlich noch nicht erklärt.

Kontingente:

Geht es nach Angela Merkel, SPD, Grünen und auch Menschenrechtsorganisationen, werden künftig Kontingente eingeführt, um legale und vor allem sichere Wege für Flüchtlinge nach Deutschland zu eröffnen. Bereits in Krisenländern bzw. in Flüchtlingslagern vor Ort sollen Flüchtlinge die Möglichkeit haben, über dieses Instrument ihren Schutzanspruch geltend zu machen und dann z.B. aus der Türkei per Flugzeug direkt nach Deutschland zu reisen. Auf diese Weise sollen dann die EU-Außengrenzen, die Balkanländer und damit am Ende auch die deutsch-österreichische Grenze entlastet werden und geordnete Verfahren entstehen.

Sowohl das Recht auf Asyl als auch die Genfer Flüchtlingskonvention würden durch eine solche Regelung unberührt bleiben, weil es sich bei diesen Kontingenten nicht um einen Ersatz für diese Schutzrechte handelt, sondern um ein zusätzliches Aufnahmeangebot Deutschlands. Genau deshalb kann Deutschland im Rahmen solcher Kontingente dann aber auch einseitig eine Obergrenze festlegen oder weitere Vorgaben machen, z.B. im Bezug auf die Nationalität oder im Hinblick darauf, ob Familien, Waisenkinder, Menschen mit Behinderung oder Opfer von Gewalttaten innerhalb dieser Kontingente bevorzugt behandelt werden sollen.
Außerdem sind Grenzschließungen bei diesem Ansatz nicht notwendig, weil ein erschöpftes Kontingent lediglich zu einem Aufnahmestopp über den Weg der Kontingente führt, nicht jedoch zu einem Ende der Aufnahme im Rahmen des grundgesetzlichen Asylschutzes oder der Genfer Flüchtlingskonvention.

Gegenüberstellung:

Der wesentlichste Unterschied beider Konzepte ist, dass Kontingente neue Zugangswege für Flüchtlinge schaffen, während mit einer Obergrenze die vorhandenen Wege zur Schutzsuche eingeschränkt werden. Entsprechend setzen die Kontingente mit der Schaffung legaler Fluchtmöglichkeiten am Anfang der Fluchtkette an, wohingegen eine Obergrenze mit dem Ziel einer Abschottung Deutschlands am Ende dieser Fluchtkette ansetzt.
Im Gegensatz zu Kontingenten ist eine Obergrenze allerdings kaum mit Art. 16a GG und der Genfer Flüchtlingskonvention zu vereinbaren und führt zu weiteren rechtlichen und praktischen Problemen, sobald es tatsächlich zu Grenzschließungen kommen müsste.


Ähnliche Artikel:
Flüchtlingspolitik: Ein Anfang ist gemacht, doch es bleibt ein weiter Weg (www.mister-ede.de – 22.09.2015)

Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)


[1] Artikel auf Tagesschau.de vom 22.11.2015 (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

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Freiheit ist… https://www.mister-ede.de/kultur/freiheit-ist/3268 https://www.mister-ede.de/kultur/freiheit-ist/3268#comments Tue, 16 Dec 2014 17:35:58 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3268 Weiterlesen ]]> überbewertet. Freiheit ist das Fehlen von Grenzen – nicht mehr, nicht weniger. Freiheit ist nicht Chance, Freiheit ist nicht Möglichkeit. Freiheit ist nur ein unendlicher Raum für Chancen und Möglichkeiten. Aber Freiheit kann auch ein kalter, leerer Raum sein. Ein Vogel ist frei, doch mit gestutztem Flügel fliegt er nicht. Freiheit ohne Chancen, ohne Möglichkeiten ist nutzlos, ist wertlos.

…Selbsttäuschung. Freie Menschen denken frei, handeln frei, entscheiden frei. Wo beginnt Sozialisierung, wo beginnt Erfahrung, wo beginnen wir zu denken, zu handeln, zu entscheiden? Sklaven unserer eigenen Begrenztheit. Freiheit als Fata Morgana in einer Wüste voller äußerer und innerer Zwänge. Selbsttäuschung statt Selbstbestimmung.

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Ukraine-Konflikt: Zeit zum Handeln https://www.mister-ede.de/politik/ukraine-zeit-zum-handeln/3002 https://www.mister-ede.de/politik/ukraine-zeit-zum-handeln/3002#comments Sun, 24 Aug 2014 12:22:11 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3002 Weiterlesen ]]> Wenn sich die Zahl der Toten im Ukraine-Konflikt in den nächsten Tagen nicht vervielfachen soll, dann muss nun gehandelt werden. An diesem Wochenende, bzw. beim geplanten Treffen zwischen Poroschenko und Putin am Dienstag, wird es die vermutlich letzte Möglichkeit geben, eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine zu verhindern.

Der Versuch, den Hilfskonvoi als zynische Provokation zu nutzen, zeigt, dass Russland auf der Suche nach einem Vorwand ist, um eine Intervention zu rechtfertigen. Glücklicherweise wurde dies nicht von ukrainischer Seite mit einer unüberlegten Reaktion, z.B. Artilleriebeschuss, beantwortet. Allerdings zeigt die Hilfslieferung nach Lugansk auch, dass die ukrainische Armee entgegen ihrer Behauptungen noch weit weg von einer Kontrolle der Lage ist.
Sofern auch die Berichte von Grenzübertritten gepanzerter Fahrzeuge aus der vorangegangen Woche bzw. die Berichte vom Beschuss der ukrainischen Armee durch russische Streitkräfte von diesem Freitag stimmen, ist die Vermutung naheliegend, dass Russland bereits jetzt einzelne Gebiete in der Ost-Ukraine faktisch kontrolliert. In Verbindung mit den jüngst rasant steigenden Opferzahlen ist daher zu befürchten, dass sich der Konflikt in den nächsten Tagen zu einem russisch-ukrainischen Bruderkrieg ausweitet.

Dabei lässt Russland die Situation in der Ost-Ukraine aus meiner Sicht bewusst eskalieren, da Moskau eine militärische Konfrontation nicht scheuen muss. Zwar gehe ich nicht davon aus, dass Moskau am Ende an einer militärischen Lösung interessiert ist, allerdings kann ich mir vorstellen, dass die Bereitschaft besteht, den Konflikt soweit eskalieren zu lassen, dass am Ende zehn- oder zwanzigtausend Tote Kiew und den Westen zum Einlenken und weitgehenden Zugeständnissen zwingen. Innenpolitisch scheint Putin mit diesem Kurs bzw. durch das neugewonnene Feindbild an Zustimmung zu gewinnen und außenpolitisch treibt die Eskalation den Preis für eine Verhandlungslösung nach oben.
Die Ukraine selbst wird sich gegen Russland alleine nicht wehren können, militärisch soll die Ukraine nicht unterstützt werden und wirtschaftlich kann der Westen Russland zwar langfristig mit Sanktionen schaden, aber kurzfristig dürfte Putin damit innenpolitische nur weiter gestärkt werden. Solange jedoch die Gegenparteien, also Kiew, die NATO, die USA oder die EU, militärisch oder wirtschaftlich Russland nur wenig entgegensetzen wollen bzw. können, solange sind sie auf eine Verhandlungslösung mit Putin angewiesen und solange kann Russland mit jeder weiteren Eskalation zusätzlich Druck aufbauen und so den Preis bestimmen.

Soll es gelingen, eine solche Eskalation abzuwenden, muss vor allem der ukrainischen Führung deutlich signalisiert werden, dass sie militärisch auf verlorenem Posten steht, da sich weder USA noch EU in einen militärischen Konflikt mit Russland auf dem Gebiet der Ukraine verstricken lassen wollen. Will Poroschenko einen militärisch aussichtslosen Kampf vermeiden, muss auch er gegenüber Russland entsprechend zu Zugeständnissen bereit sein, selbst wenn diese schmerzhaft sein werden.
Putin hingegen muss verdeutlicht werden, dass eine weitere militärische Intervention Russlands, außerhalb einer gemeinsamen Verantwortung (z.B. OSZE), zu einem weiteren schweren Schlag in den bilateralen Beziehungen auf allen Ebenen führt. Eine fortgesetzte Eskalation würde die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Beziehungen zwischen dem Westen und Moskau auf den Stand der 1970er Jahre zurückwerfen, als tiefes Misstrauen eine weitgehende Abschottung zur Folge hatte. Aber auch der Westen muss zu Zugeständnissen bereit sein, wenn es z.B. um die Bewertung der Vorgänge auf der Krim geht oder um die Frage der Sanktionen gegen Russland.
Sichert Poroschenko einen Stopp des Anti-Terror-Einsatzes zu und lassen dafür die Separatisten die Waffen schweigen und Russland seine Grenze zur Ukraine von OSZE-Beobachtern überwachen, so dass während einer Feuerpause keine neuen Waffen in die Ukraine gelangen, wäre dies ein Schritt, der bei vollständiger Umsetzung aus meiner Perspektive auch Zugeständnisse des Westens rechtfertigen würde.

Entsprechend ist meines Erachtens der gestrige Besuch von Angela Merkel in Kiew zu begrüßen und als ein Anfang zu sehen. Die finanzielle Unterstützung auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Forderung an Poroschenko, Reformen anzupacken und den Dialog mit den übrigen Konfliktparteien zu suchen, sind richtige Signale an Kiew. Ein zweiter Schritt, um die Chance für einen Erfolg bei den Verhandlungen am Dienstag zu erhöhen, wäre aus meiner Sicht, auch gegenüber Putin ein Zugehen aus dem Westen zu signalisieren. Dann allerdings bleibt wieder einmal nur zu hoffen, dass sich beim Treffen von Poroschenko und Putin am Dienstag in Minsk endlich eine Einigung ergibt und die Ost-Ukraine nicht endgültig in ein Kriegsgebiet verwandelt wird.

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