Flüchtlingspolitik: Ein Anfang ist gemacht, doch es bleibt ein weiter Weg

Fast alles, was ich im August und Anfang September eingefordert habe, ist mittlerweile zum Leitbild deutscher und zum Teil auch europäischer Politik beim Umgang mit Flüchtlingen geworden. An manchen Stellen zeigen sich hierbei auch schon erste Erfolge, allerdings bleibt es noch ein weiter Weg zur Bewältigung dieser Krise.

Hilfe vor Ort, EU-Außengrenze:

Die Forderung, die Flüchtlingshilfe in der Krisenregion des Nahen Ostens deutlich zu stärken, wurde mittlerweile aufgegriffen und parteiübergreifend wird nicht mehr von Milliönchen, sondern Milliarden gesprochen, wenn es um die Unterstützung für die Nachbarländer Syriens oder die Finanzausstattung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen geht. Zwar forderte Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) dies auch schon länger ein [1], doch erst jetzt scheint sein Realismus in der gesamten Bundesregierung zur Grundlage des Handelns zu werden. Sein Vorschlag, insgesamt 10 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen und davon 5 Milliarden für die Flüchtlingsversorgung vor Ort in den Anrainerstaaten Syriens bereitzustellen, ist genauso richtig wie seine Mahnung zur Eile vor dem nahenden Winter [2]. Auch die EU-Kommission hat sich in diesem Punkt mittlerweile auf den richtigen Weg begeben und stellt der Türkei für die Versorgung von Flüchtlingen einen Milliardenbetrag in Aussicht [3]. Wichtig ist aber nun, dass diese Hilfe nicht nur angekündigt wird, sondern auch schnell und konsequent erfolgt.

Daneben wurde auch die Forderung nach einer Zusammenarbeit mit der Türkei in Bezug auf die Sicherung der Außengrenzen zwischen der EU und der Türkei aufgegriffen und führt schon jetzt zu ersten Erfolgen. So sind türkische Sicherheitskräfte schon im Vorfeld aktiv, um die Migration über die grünen und blauen Grenzen zu reduzieren und damit die europäischen Grenzregionen zu entlasten [4]. Auch Bulgarien [5] und Griechenland [6] haben ihrerseits die Anstrengungen bei der Grenzsicherung verstärkt, womit ein weiterer Punkt meines Maßnahmenkatalogs realisiert wurde. Daneben wird mit dem Grenzschutz bzw. dem Kampf gegen Schlepper aus den Regionen Nordafrikas ein weiterer Baustein zum Schutz der Außengrenzen hinzugefügt. Auch der Gedanke legaler Migrationsmöglichkeiten direkt aus den Flüchtlingslagern der Krisenregionen wird in einem gewissen Umfang aufgegriffen. So hat sich z.B. Großbritannien bereit erklärt, auf diesem Weg 20.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen [7].

Wird nun tatsächlich die Hilfe für Flüchtlinge vor Ort intensiviert, die Möglichkeit direkter und legaler Migration aus den Krisenregionen geschaffen und gleichzeitig die Grenzsicherung der EU verstärkt, bin ich zuversichtlich, dass die aktuellen Migrationsbewegungen spürbar reduziert werden.

Der Westbalkan:

Auch in diesem Punkt wird nun mit zusätzlicher Entwicklungshilfe das angepackt, was ich beschrieben habe. So einigten sich die Teilnehmer der Westbalkan-Konferenz auf eine stärkere Förderung des Westbalkans, um den dort lebenden Menschen eine wirtschaftliche Perspektive vor Ort zu geben [8]. Zwar bleibt der Umfang der Unterstützung weiterhin deutlich hinter dem zurück, was ich für notwendig erachte, allerdings in Kombination mit entsprechenden Aufklärungskampagnen über die Asylchancen in Deutschland zeigen sich auch hier bereits erste Erfolge, so dass die Migration aus dieser Region zurückgeht.

Der Umgang mit Flüchtlingen in der EU:

Mittlerweile wird auch im Hinblick auf den europäischen Umgang mit der Flüchtlingskrise das anvisiert, was ich in meinen Artikeln forderte. Die Einrichtung zentraler EU-Aufnahmelager wird mit Nachdruck vorangetrieben, gemeinsame Asylverfahren werden angestrebt und die Diskussion um eine Verteilquote ist heute deutlich weiter als noch vor 4 Wochen [9].

Dennoch ist es auch hier notwendig, dass den Worten und Ansätzen nun Taten und Umsetzungen folgen. Vor allem auf dem Balkan, wo sich die Flüchtlinge jetzt erwartungsgemäß stauen, nachdem Ungarn seine Grenze zu Serbien geschlossen hat, muss nun geholfen und für eine Entlastung gesorgt werden.
Noch immer halte ich es dabei für den besten Weg, ein Notlager im Norden Griechenlands einzurichten, von dem aus eine Verteilung im Rahmen von Kontingenten z.B. nach Deutschland, Schweden oder Österreich erfolgt. Somit würde die Notwendigkeit für Flüchtlinge entfallen, sich überhaupt auf den Weg quer über den Balkan zu machen und bei einem weiterhin versperrten Weg nach Ungarn oder Kroatien kann gegebenenfalls sogar der Anreiz für eine Rückwanderung einiger Flüchtlinge entstehen. Auf diese Weise würden Mazedonien und Serbien und in der Folge eben auch Ungarn und Kroatien sowie ggf. Rumänien und Slowenien entlastet.

Der Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland:

Mit der Frage, wie Deutschland die große Menge an Flüchtlingen bewältigen kann, hatte ich mich bislang nicht beschäftigt, weil für mich zunächst die Gesamtsicht auf die Migration im Vordergrund stand. Sofern die Vor-Ort-Hilfe im Nahen Osten gewährleistet ist, die Grenzsicherung der EU funktioniert und die Migration vom Westbalkan zurückgeht, sind es nämlich mehrere hunderttausend Menschen weniger, die unter anderem in das deutsche Asylverfahren drängen. Anders verhält es sich hingegen mit Quotenregelungen in der EU oder gemeinsamen Asylverfahren, die zwar zu einem anderen Verfahrensablauf führen, jedoch nicht zu weniger Migration.

Was Deutschland selbst anbelangt, ist die Antwort auf die Frage nach der Bewältigung des hohen Aufkommens an Flüchtlingen recht simpel: Der Bund muss in die Hufen kommen und auf der einen Seite ausreichend Finanzmittel für untergeordnete Ebenen (Länder und Kommunen) bereitstellen, und zwar umgehend und nicht erst 2016, und gleichzeitig in seinem Zuständigkeitsbereich, z.B. im BAMF, die notwendigen Kapazitäten schaffen. Der Ausbau der von Bund und Ländern vorzuhaltenden Erstaufnahmeeinrichtungen ist hierzu ein richtiger Schritt [10].
Gelingt es dann, die Asylverfahren in Erstaufnahmeeinrichtungen in Deutschland oder auf Basis gemeinsamer Regeln in EU-Aufnahmelagern z.B. in Griechenland zu beschleunigen, so müssen in der Folge diejenigen, die als nicht asylberechtigt eingestuft werden, gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden. Gleichzeitig können Asylberechtigte dann aber auch in den Kommunen von Anfang an ordentlich integriert werden, mit Sprach- und Integrationskursen, mit dezentraler Unterbringung und mit Zugang zum Arbeitsmarkt.

Fazit:

Mein Eindruck ist, dass die Lage heute weitaus realistischer eingeschätzt und die Dringlichkeit des Handelns erkannt wird. Zwar ist es noch ein gutes Stück zur Bewältigung dieser Aufgabe, aber zumindest hat sich die Politik nun auf den Weg gemacht, um genau das zu schaffen, wie es Angela Merkel (CDU) vor einigen Wochen auch ankündigte. Sollte sich der Flüchtlingszustrom im Winter wieder etwas legen, sehe ich zumindest eine Chance, ab 2016 wieder zu einem funktionierenden und geordneten Verfahren zurückzukehren.


Ähnliche Artikel:
Flüchtlinge in der EU: Deutschland ist akut gefordert (www.mister-ede.de – 05.09.2015)

Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)

Weitere Artikel zum Thema Flüchtlingspolitik auf www.mister-ede.de


[1] Artikel auf Zeit-Online vom 17.08.2015 (Link zum Artikel auf www.zeit.de)

[2] Artikel des Donaukurier vom 15.09.2015 (Link zum Artikel auf www.donaukurier.de)

[3] Artikel auf Zeit-Online vom 17.09.2015(Link zum Artikel auf www.zeit.de)

[4] Artikel auf Spiegel-Online vom 15.09.2015 (Link zum Artikel auf www.spiegel.de)

[5] Artikel auf Zeit-Online vom 17.09.2015 (Link zum Artikel auf www.zeit.de)

[6] Artikel der Frankfurter Neuen Presse vom 16.09.2015 (Link zum Artikel auf www.fnp.de)

[7] Artikel auf Spiegel-Online vom 07.09.2015 (Link zum Artikel auf www.spiegel.de)

[8] Artikel des NDR vom 27.08.2015 (Link zum Artikel auf www.ndr.de)

[9] Tagesschau-Artikel vom 13.09.2015 (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

[10] Tagesschau-Artikel vom 16.09.2015 (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

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