mister-ede.de » Große Koalition http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Was spricht für eine Kenia-Koalition ohne Beteiligung der CSU? http://www.mister-ede.de/politik/vorteile-einer-kenia-koalition/8596 http://www.mister-ede.de/politik/vorteile-einer-kenia-koalition/8596#comments Mon, 27 Nov 2017 19:53:33 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8596 Weiterlesen ]]> Nachdem die Jamaika-Sondierungen gescheitert sind, die Sozialdemokraten die Große Koalition weiterhin mehrheitlich ablehnen, Union und FDP nicht mit den Linken und niemand mit der AfD koalieren will, bleibt eigentlich nur eine rechnerisch mögliche Konstellation für eine stabile Regierung übrig: Ein Bündnis aus CDU (200 Sitze), SPD (153 Sitze) und Grünen (67 Sitze).

Diese sogenannte Kenia-Koalition wäre zwar aus der Not geboren, hätte aber dennoch einige Vorteile zu bieten. Mit der CSU würde genau jene Partei aus der Großen Koalition ausscheiden, die in den letzten vier Jahren mit Abstand am meisten genervt und bei der vergangenen Bundestagswahl mit Abstand am stärksten verloren hat. Die Partei um Horst Seehofer, die 2015 jener Bundesregierung, an der sie selbst beteiligt war, Rechtsbruch vorgeworfen hatte, würde künftig durch die Grünen ersetzt, die ihrerseits bereits jetzt über den Bundesrat an vielen Gesetzesvorhaben mitwirken.
Anders als bei einer Koalition aus Union, SPD und Grünen, bei der die Grünen nur das fünfte Rad am Wagen wären, käme es in einer solchen Dreierkombination ohne die CSU tatsächlich auf alle drei beteiligten Parteien an. Neben einer stabilen Mehrheit im Bundestag (420 von 709 Sitzen) hätte die Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen aber auch eine eigene Mehrheit im Bundesrat (37 von 69 Stimmen). Während ein Jamaika-Bündnis oder die Große Koalition aus Union und SPD im Bundesrat auf weitere Partner angewiesen wären, könnten die drei Kenia-Parteien selbst bei Zustimmungsgesetzen auf eine Beteiligung von FDP, Linken und CSU verzichten. Zum einen würde dadurch das Regieren erleichtert, zum anderen könnte eine Kenia-Koalition so auch größere Reformprojekte anpacken.

Es ist außerdem keine Neuigkeit, dass CDU und SPD bzw. SPD und Grüne durchaus in der Lage sind, in Koalitionen vernünftig zusammenzuarbeiten. In Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein haben inzwischen aber auch CDU und Grüne bewiesen, dass sie gemeinsam regieren können. Und schon jetzt besteht in Sachsen-Anhalt ein solches Kenia-Bündnis aus CDU, SPD und Grünen. Wieso also sollte eine Koalition dieser drei Parteien nicht genauso auf der Bundesebene funktionieren?
Was die politischen Inhalte von CDU, SPD und Grünen anbelangt, gibt es immerhin einige Schnittmengen, z.B. das klare Bekenntnis zum Recht auf Asyl oder die Ablehnung einer fixen Obergrenze. Alle drei Parteien stehen außerdem klar zum europäischen Projekt, denken über moderate Steuersenkungen nach und sprechen sich für weitere Anstrengungen zur Reduktion von CO2-Emissionen in den nächsten Jahren aus. Natürlich müssten in all diesen Bereichen erst noch tragfähige Kompromisse gefunden werden, aber zumindest eine Basis für zielführende Diskussionen gäbe es damit schon einmal. Beim Thema Maut oder bei Seehofers Obergrenze sah das in der letzten Legislaturperiode ja leider etwas anders aus.

Was hätten die Grünen von einer Kenia-Koalition?

Die Grünen hätten die Möglichkeit, ihre Ideen für ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Deutschland als vollwertiger Teil einer Koalition in die Regierung einzubringen. Sie wären kein fünftes Rad am Wagen und könnten die deutsche Politik nicht nur über Landesregierungen mit grüner Beteiligung im Bundesrat aktiv mitgestalten, sondern künftig auch im Bundestag.

Was hätte die SPD von einer Kenia-Koalition?

Die SPD könnte ihr Versprechen halten und müsste sich nicht in eine GroKo begeben, um Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung zu verhindern. Außerdem wäre die SPD in einem solchen Dreierbündnis mit der CDU fast auf Augenhöhe und der Zank innerhalb der Union würde dann auch nicht länger die Regierungsarbeit belasten.

Was hätte die CDU von einer Kenia-Koalition?

Die CDU könnte trotz eines der schlechtesten Wahlergebnisse ihrer Geschichte die Regierung stellen und Angela Merkel wäre als Bundeskanzlerin sogar wieder fester im Sattel als sie das zeitweise in der Großen Koalition war. Auch stünde der Streit zwischen CDU und CSU nicht mehr ganz so sehr im Fokus der Öffentlichkeit und könnte in den nächsten Monaten leise geschlichtet werden. Außerdem hätte die CDU mit SPD und Grünen zwei Partner, mit denen sie zurzeit in acht Landesparlamenten vertrauensvoll und erfolgreich zusammenarbeitet.

Was hätte die CSU von einer Kenia-Koalition?

Die CSU könnte sich in den nächsten Monaten ganz ihren internen Machtkämpfen widmen. Außerdem hätte eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen den Vorteil, dass sich die CSU nicht für eine Regierungsbeteiligung verbiegen muss und die Merkelsche Flüchtlingspolitik weiterhin konsequent ablehnen kann. Nach Seehofers Logik müsste eine solche klare Haltung die CSU bei der Bayernwahl 2018 stärken und die AfD klein halten.
Auf jeden Fall könnte die CSU glaubhaft erklären, wenn sie bei der Bundestagswahl stark genug geworden wäre, würde in Berlin eine andere Flüchtlingspolitik gemacht werden. Kürzer und allgemeiner formuliert heißt das: Wer in Bayern AfD wählt, macht im Bund Kenia möglich.

Was hätten Deutschland und seine Bürger von einer Kenia-Koalition?

Deutschland hätte eine vollwertige Regierung, die eine solide und zukunftsorientierte Politik machen würde. Neuwahlen oder Experimente mit Minderheitsregierungen blieben den Bürgern erspart. Und gerade wenn es um die notwendigen Reformen des europäischen Projektes geht, wäre Deutschland mit einer Kenia-Koalition, die im Bundestag und im Bundesrat eine Mehrheit hat, voll handlungsfähig.


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Übersehen wird allerdings, dass es trotzdem durchaus noch eine Koalitionsmöglichkeit für drei Parteien im Bundestag gibt – nämlich für CDU (200 Sitze), SPD (153 Sitze) und die Grünen (67 Sitze). So dürften die inhaltlichen Schnittmengen dieser drei Parteien größer sein als die Schnittmengen bei Jamaika. Außerdem hätten die alleine von CDU, SPD und Grünen regierten Bundesländer im Bundesrat eine Mehrheit von 37 zu 32 Stimmen, was ein weiterer Vorteil gegenüber dem bisher angedachten Bündnis ist. Auch hat die SPD zwar eine Große Koalition mit CDU und CSU ausgeschlossen, nicht jedoch eine Koalition mit CDU und Grünen.
Ohne die CSU hätten CDU und Grüne wohl deutlich weniger Probleme zu einem Koalitionsvertrag zu kommen. Außerdem müsste sich die CDU nicht länger den Zank mit der CSU antun und Angela Merkel wäre als Bundeskanzlerin wieder fest im Sattel. Dafür hätten Grüne und SPD zusammen mehr Sitze im Bundestag als die CDU, was die Bauchschmerzen bezüglich einer solchen Koalition in diesen beiden Parteien reduzieren dürfte. Aber selbst die CSU könnte in diesem Fall profitieren. Stimmt Seehofers Logik, dann müsste die CSU mit ihrer konsequenten Haltung in der Flüchtlingsfrage bei der nächsten Landtagswahl der AfD kräftig Stimmen abgraben. Lediglich die FDP hätte mal wieder gezeigt, wie unnütz diese Partei mit ihrem Egoismus ist.


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Anstatt die ungeliebte Rolle als Juniorpartner an der Seite der Merkel-Union den Grünen zu überlassen und mit der SPD auf der Bundesebene eine starke Opposition zu bilden oder gar mit der rot-rot-grünen Mehrheit im Bundestag eine SPD-geführte Regierung zu installieren, ging die Sozialdemokratie erneut jenen Weg, den sie auch nach der Bundestagswahl 2005 mit wenig Erfolg beschritten hatte.

Und so kam es, wie es kommen musste. Nach einem kurzen Hype rund um den Mitgliederentscheid sackte die SPD in der Wählergunst ab und wie bereits in der Regierungszeit von 2005 bis 2009 ging die SPD bei den anschließenden Landtagswahlen auf Talfahrt. Zwar konnten die Sozialdemokraten im Herbst 2014 in Sachsen noch 2,0% zulegen, allerdings nur von einer äußerst niedrigen Ausgangsbasis von 10,4%. Bereits zwei Wochen später verlor die SPD dann 1,1% der Wählerstimmen in Brandenburg und musste in Thüringen sogar ein Minus von 6,1% hinnehmen, was in beiden Bundesländern zu den historisch schlechtesten SPD-Ergebnissen führte. Auch 2015 setzte sich dieser Trend bei der Hamburger Bürgerschaftswahl mit -2,8% und dem Verlust der absoluten Mehrheit in der Hansestadt fort, bevor die Sozialdemokraten nach einem Minus von 5,8% ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg in Bremen einfuhren.
Einzige Ausnahme in dieser Reihe ist die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2016. Doch auch dort gelang es der SPD, trotz einer herausragenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer, lediglich, das Ergebnis der letzten Wahl zu halten (+0,5%). Allerdings mussten die Sozialdemokraten am gleichen Tag bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg (-10,4%) und Sachsen-Anhalt (-10,9%) herbe Niederlagen und in diesen beiden Bundesländern ebenfalls die schlechtesten SPD-Ergebnisse in der Geschichte einstecken. Im Herbst 2016 folgten dann weitere schwere Schlappen für die Sozialdemokraten mit -5,0% in Mecklenburg-Vorpommern und -6,7% in Berlin, was auch in der Hauptstadt das schlechteste SPD-Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik bedeutete.

Anfang 2017 schmiss dann Sigmar Gabriel, der drei Jahre zuvor die Große Koalition eingefädelt und den Mitgliedern als kommende Erfolgsgeschichte verkauft hatte, seinen Parteivorsitz hin und hievte stattdessen Martin Schulz in das höchste Parteiamt. Doch auch Schulz konnte bislang keine Ideen und Vorstellungen präsentieren, durch die es der SPD gelungen wäre, ihr Image als Juniorpartner der Merkel-Union abzustreifen. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass es auch bei den nachfolgenden Landtagswahlen im Saarland (-1,0%) und in Schleswig-Holstein (-3,2%) zu weiteren Verlusten für die Sozialdemokraten kam.
Unvermindert setzte sich dieser Trend nun bei der heutigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit einem deutlichen Minus von über 8% fort. Sollte das Endergebnis unter 32% bleiben, bedeutet das auch für NRW das schlechteste SPD-Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg. Dreieinhalb Jahre nachdem sich die SPD in die Große-Koalition begab, steht sie damit heute vor den Scherbenhaufen dieser strategischen Fehlentscheidung. Wie der so geschwächten SPD, die auf der Bundesebene weiterhin in ihrer Rolle als Koalitionspartner der Union feststeckt, bis zur Bundestagswahl im Herbst ein Neuanfangen gelingen soll, bleibt fraglich. Klar ist allerdings, ein „Weiter so“ ohne klare Haltung und konkrete Inhalte werden nicht reichen, um die Partei aus jenem GroKo-Grab zu ziehen, dass sie sich in den vergangen Jahren selbst geschaufelt hat.


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Doch die restriktive Flüchtlings- und Asylpolitik des vergangenen Jahres fand mit dem Asylpaket II nur ihren Anfang. Als kurze Zeit später das EU-Türkei-Abkommen unterzeichnet wurde, sagte die Bundesregierung humanitäre Kontingente und die Schaffung regulärer Wege nach Deutschland zu, sobald die Zahl der aus der Türkei kommenden Schutzsuchenden zurückgegangen ist. Spätestens seit dem Herbst des letzten Jahres wurde dann allerdings deutlich, dass die Bundesregierung von diesem Versprechen nichts mehr wissen will. So erhielten lediglich wenige hundert Flüchtlinge die Möglichkeit, regulär nach Deutschland zu kommen, und auch die Einrichtung des dauerhaften humanitären Aufnahmemechanismus für schutzbedürftige Personen ist inzwischen wieder von der Agenda verschwunden.
Selbiges gilt auch für die bereits 2015 zugesagte Beteiligung an der Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien, die eigentlich bis zum September 2017 abgeschlossen sein sollte. Hier nahm Deutschland von bislang 98.255 zur Verteilung vorgesehenen Flüchtlingen bis zum 10. Januar 2017 gerademal 1.099 auf, obwohl anteilsmäßig eine Übernahme von rund 30.000 Schutzsuchenden geplant gewesen ist [2]. Im Gegenteil versucht die Bundesregierung nun sogar, trotz der massiven Belastung der beiden Länder durch die hohe Zahl der dort bereits lebenden Flüchtlinge, Rückführungen nach Italien und Griechenland zu forcieren.

Zusätzlich wurde im vergangenen Jahr allerdings auch das Asylrecht in Deutschland in einer Art und Weise verschärft, dass man den Eindruck gewinnen muss, Flüchtlingsschutz heißt hierzulande mittlerweile, analog zu einem Sonnenschutz, Schutz vor Flüchtlingen. Überdies wurde vor einigen Wochen mit Abschiebungen in größerem Umfang nach Afghanistan begonnen, also der Verbringung in ein Land, das von Ministern als sicher eingestuft wurde, die es selbst nur in Kampfmontur bereisen. Zunehmend drängt sich damit die Frage auf, ob die Worte „christlich“ oder „sozial“ im Namen der Regierungsparteien inzwischen nicht gestrichen werden sollten, um keinen falschen Eindruck zu erwecken.
Von der Wahrnehmung der humanitären Verantwortung Deutschlands ist, anders als noch im Zeitraum von Herbst 2015 bis Frühjahr 2016, heute zumindest nichts mehr zu spüren. Und auch von der Solidarität mit den von den Fluchtbewegungen in die EU stark betroffenen Ländern am Rande des Schengenraums ist die deutsche Politik mittlerweile wieder genauso weit entfernt wie vor 2015. Langfristig wird sich Deutschland damit jedoch keinen Gefallen tun und so könnte es bald wieder soweit sein, dass sich Merkel wünscht, „die Zeit zurückdrehen zu können“.


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[1] Asylgeschäftsstatistik 2016 des BAMF (Link zur PDF auf www.bamf.de)

[2] PDF der EU-Kommission zum Stand der Umverteilung der 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland (Link zur PDF auf ec.europa.eu)

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Die mangelnde Aufarbeitung der Wahlniederlagen der SPD der letzten Jahre http://www.mister-ede.de/politik/mangelnde-aufarbeitung-spd/4958 http://www.mister-ede.de/politik/mangelnde-aufarbeitung-spd/4958#comments Tue, 12 Apr 2016 17:57:59 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4958 Weiterlesen ]]> Es waren magere 25,7% der Stimmen, die die einst stolze Volkspartei SPD bei der letzten Bundestagswahl 2013 auf sich vereinigen konnte. Eine Steigerung gegenüber dem desaströsen Wahlergebnis von 23,0% bei der vorausgegangenen Wahl im Jahr 2009, allerdings noch immer das zweitschlechteste Ergebnis, welches die SPD jemals bei einer Bundestagswahl eingefahren hat.
Aber auch bei Europawahlen konnten die Sozialdemokraten, die 2004 bei 21,5%, 2009 bei 20,8% und 2014 bei 27,3% landeten, seit fast zwei Jahrzehnten keine Wahlerfolge mehr feiern. Dennoch hat eine Aufarbeitung dieser Niederlagenserie bei bundesweiten Wahlen kaum stattgefunden und auch eine Debatte über die generelle Ausrichtung und Strategie der SPD wurde nie wirklich geführt. Viel mehr erschöpften sich die Analysen in geflügelten Worten oder der Suche nach Sondereffekten. So wurde nach der Wahl 2009 vor allem der sogenannte GroKo-Effekt als ursächlich für die Wahlschlappe ausgemacht und 2013 waren mal der Merkel-Effekt und mal der Steinbrück-Effekt – „Der Kandidat hat nicht zum Programm gepasst“ – für die Niederlage verantwortlich.

Anstatt innezuhalten und ausführlich darüber zu reden, warum die Sozialdemokraten seit gut zehn Jahren bundesweit in der Wählergunst nur noch um die 25% schwanken, ging die SPD immer wieder zügig zur Tagesordnung über. Notwendig wäre die Diskussion über die programmatische Ausrichtung der Sozialdemokratie gewesen, eine Analyse der veränderten politischen Landschaft und die Entwicklung passender Strategien für die SPD.
Doch während 2013 Peer Steinbrück noch dabei war, die Verantwortung für die Wahlniederlage zu übernehmen, rückten bereits wieder mögliche Koalitionsverhandlungen in den Blick der Genossen. Gerade hierbei zeigte sich jedoch, wie sich die SPD mit der mangelnden Aufarbeitung der Wahlniederlagen selbst im Wege steht. Nachdem die Beschäftigung mit den politischen Realitäten immer weiter verschleppt wurde, gab es 2013 zwar eine Mehrheit für ein rot-rot-grünes Bündnis, allerdings keine reelle Option dies politisch umzusetzen.
Obwohl eine solche Koalition links der Mitte sogar eine Bundesratsmehrheit im Rücken gehabt hätte, rutschte die SPD damit selbstverschuldet in das Dilemma, Mehrheitsbeschafferin für Merkel zu werden oder ganz auf den sozialdemokratischen Anspruch zu verzichten, Regierungspolitik zu gestalten.

Spätestens der Mitgliederentscheid zum Koalitionsvertrag hätte dann jedoch alle Alarmglocken schrillen lassen müssen. Immerhin ein Viertel (23,95% [1]) jener Sozialdemokraten, die sich an der Abstimmung beteiligten, votierten gegen den Eintritt in eine schwarz-rote Regierung. Bedenkt man, wie sehr die Parteiführung allerorts für den Koalitionsvertrag geworben hat, ist das schon ein deutliches Zeichen. Berücksichtig man aber außerdem, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Genossen, die sich in der SPD nicht mehr heimisch fühlten, die Partei verlassen haben, hätte das Ergebnis Anlass genug geboten, zunächst Ausrichtung und Strategie der SPD auf den Prüfstand zu stellen und zu überdenken. Denn, gerade vor dem Hintergrund, dass die rot-rot-grüne Mehrheit im aktuellen Parlament dem Umstand geschuldet ist, dass mit AfD und FDP zwei Parteien knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert sind, war es für die Sozialdemokratie möglicherweise fatal, die Chance auf eine Koalition links der Mitte verstreichen lassen zu müssen.
Sollte das Ergebnis der nächsten Bundestagswahl tatsächlich ein 7-Parteien-Parlament, bestehend aus CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke und AfD, hervorbringen, rücken dann selbst rot-rot-grüne Regierungsträume in weite Ferne. Ob in diesem Fall, statt Ausrichtung und Strategie, wieder ein AfD-Effekt oder ein Gabriel-Effekt für das Abschneiden der SPD verantwortlich gemacht wird, bleibt aber vorerst offen.


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[1] Artikel auf Spiegel-Online vom 14.12.2013 zum Mitgliederentscheid (Link zum Artikel auf www.spiegel.de)

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Schwarz-Grün in Sachsen? http://www.mister-ede.de/politik/schwarz-gruen-in-sachsen/2980 http://www.mister-ede.de/politik/schwarz-gruen-in-sachsen/2980#comments Fri, 22 Aug 2014 06:47:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2980 Weiterlesen ]]> Nach den Wahlumfragen für die Sachsen-Wahl am kommenden Sonntag ist zu vermuten, dass zwar die AfD und evtl. die NPD ins Parlament einziehen, dafür aber der bisherige Koalitionspartner der CDU, die FDP, den Einzug nicht mehr schafft. Weichen die Umfragen nicht allzu weit von den Ergebnissen am 31.8. ab, ist auch eine Rot-Rot-Grüne Regierung ausgeschlossen. In diesem Fall bleiben als realistische Varianten lediglich Schwarz-Rot und Schwarz-Grün übrig.

Ob sich Tillich in diesem Fall aber auf eine erneute schwarz-rote Koalition einlässt, die er nach der letzten Landtagswahl nicht fortsetzte, sondern durch eine schwarz-gelbe Koalition ersetzte, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Denkbar ist auch, dass sich wie in Hessen, trotz der Differenzen um den Ausbau des Frankfurter Flughafens, auch in Sachsen, trotz einer entgegengesetzten Haltung bei der Kohleförderung, eine schwarz-grüne Koalition bildet.

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SPD-Mitgliederentscheid in der Diskussion http://www.mister-ede.de/politik/diskussion-mitgliederentscheid/2301 http://www.mister-ede.de/politik/diskussion-mitgliederentscheid/2301#comments Sat, 30 Nov 2013 06:13:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2301 Weiterlesen ]]> Es hat mich doch etwas erstaunt, wie heftig zurzeit der Mitgliederentscheid der SPD angegriffen wird. Dabei verwundert vor allem die Unsachlichkeit, mit der sich Journalisten und diverse Blogs mit der Frage der Verfassungskonformität dieses Mitgliederentscheids auseinandersetzen. Exemplarisch kann man das ZDF-Interview von Marietta Slomka nehmen, in dem die Argumente und Begründungen von Sigmar Gabriel einfach ignoriert wurden [1].

Dafür wird der Staatsrechtler Degenhart, der sich z.B. bei Handelsblatt Online zu den verfassungsrechtlichen Bedenken äußerte, vielfach zitiert [2]. Nun habe ich zwar auch schon auf  Degenhart verwiesen, z.B. bei der rechtlichen Bewertung der neuen Rundfunkbeiträge [3], allerdings muss man schon feststellen, dass Degenhart sehr viele Dinge als verfassungsrechtlich bedenklich einstuft und seine Meinung häufig auch nur eine Mindermeinung ist.
Dennoch wird auch in Blogs vielfach die Aussage zu den verfassungsrechtlichen Bedenken bereitwillig und völlig unreflektiert übernommen. Natürlich hat Degenhart recht mit seiner Kritik an der Parteiendemokratie, in der die Parteitage gelegentlich wichtiger erscheinen als Parlamentssitzungen des Bundestags. Der Fraktionszwang bei diversen Entscheidungen ist wohl die bekannteste Ausprägung dieser Unart. Trotzdem liegt Degenhart mit seiner Einschätzung zum Mitgliederentscheid falsch.

Als erstes ist festzustellen, dass ein Koalitionsvertrag kein Vertrag sondern eine Absichtserklärung ist. Damit binden sich keinerlei Rechtsfolgen an diesen Koalitionsvertrag, so dass er juristisch als gar nicht existent zu betrachten ist. Im Falle eines Vertragsbruchs kann keine Partei vor ein Gericht ziehen und den jeweiligen Koalitionspartner auf Einhaltung des Vertrags oder gar Schadenersatz verklagen. Das Scheitern von Regierungskoalitionen ist im Übrigen auch keine Neuheit, weder auf Bundesebene noch in den Ländern.

Als zweites muss man anfügen, dass die SPD-Mitglieder weder den Bundestag neuwählen, noch die Kanzlerin wählen, sondern lediglich über die Zusammenarbeit der SPD mit den Unionsparteien abstimmen. Insofern ist es schon kurios, wenn Thomas Stadler in seinem Blog zur Einschätzung kommt, „es geht […] – zumindest juristisch – nicht um die innere Ordnung der SPD, sondern um eine Regierungsbildung“ [4]. Genau darum geht es eben – zumindest juristisch – nicht.
Natürlich zielt eine Partei darauf ab, Regierungsverantwortung zu erhalten, um eigene Inhalte umzusetzen. Dennoch ist die Frage, wie sich die Partei ausrichtet, um dieses Ziel zu erreichen, eine innerparteiliche Angelegenheit. Auch dies ist ein Grund, warum nicht jeder Koalitionsvertrag am Ende auch in einer Regierung mündet. Heide Simonis in Schleswig-Holstein oder Andrea Ypsilanti in Hessen, die beide trotzt eines Koalitionsvertrags auf dem Weg zur Regierungsbildung scheiterten, belegen das eindrücklich.
Und nachdem es sich um eine innerparteiliche Angelegenheit handelt, ist es dementsprechend auch weder die Aufgabe der Nichtmitglieder, die Entscheidungsprozesse innerhalb der SPD festzulegen, noch ist es deren Aufgabe, über die internen Angelegenheiten der SPD mitzuentscheiden.

Besonders bizarr erscheint mir aber noch ein dritter Punkt. Kritisiert man tatsächlich nur den Mitgliederentscheid, so wie Slomka in ihrem Interview, dann bedeutet dies ja umgekehrt, dass eine Entscheidung eines kleinen Gremiums oder gar eine einsame Entscheidung eines Parteivorsitzenden unproblematisch seien. Wieso aber ausgerechnet die Kungelei unter einigen wenigen ein besonders schützenswerter demokratischer Prozess ist, hat sich mir bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erschlossen.
Damit wird auch deutlich, dass es völlig deplatziert ist, gerade den Mitgliederentscheid für die Kritik an der Parteiendemokratie zu nutzen. Ginge es wirklich um die Auswüchse der Parteiendemokratie, dann müsste man unabhängig von diesem Mitgliederentscheid fragen, ob Koalitionsvereinbarung zwischen Parteien oder ein möglicher Fraktionszwang bei der Kanzlerwahl nicht die Demokratie gefährden.
Dies wäre dann auch durchaus ein interessanter Punkt, denn er führt zur Frage, ob es für die Demokratie nicht besser wäre, wenn z.B. Angela Merkel ganz ohne Koalitionsvertrag in einer Minderheitsregierung versucht jedes Mal neue Mehrheiten zu suchen.


[1] Interview von Marietta Slomka im ZDF Heute-Journal vom 28.11.2013 mit Sigmar Gabriel (SPD) (Link zum Interview auf www.youtube.com)

[2] Artikel vom 28.11.2013 auf Handelsblatt Online zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem SPD-Mitgliederentscheid (Link zum Artikel auf www.handelsblatt.com)

[3] Der Rundfunkbeitrag – Ein Koloss bewegt sich (www.mister-ede.de – 05.02.2013)

[4] Blog-Artikel vom 29.11.2013 von Thomas Stadler zum SPD-Mitgliederentscheid (Link zum Blog-Artikel auf www.internet-law.de)

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Der europapolitische Blindflug von Schwarz-Rot http://www.mister-ede.de/politik/europapolitischer-blindflug/2296 http://www.mister-ede.de/politik/europapolitischer-blindflug/2296#comments Thu, 28 Nov 2013 21:51:45 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2296 Weiterlesen ]]> Die Finanzkrise ist schon mehr als fünf Jahre alt und dennoch ist kein Ende in Sicht. Trotz des Rekordtiefs bei den Leitzinsen der EZB sind viele Länder nicht in der Lage einen Maastricht-konformen oder gar ausgeglichen Haushalt vorzulegen. Dazu kommt die schon vorhandene massive Verschuldung von teilweise über 100% des BIP. Betrachtet man insgesamt die Bilanz der Rettungspolitik, dann muss man bei dieser massiven Verschuldung, der extremen Jugendarbeitslosigkeit und den weiterhin hohen Defiziten in den Krisenländern, ein verheerendes Scheitern feststellen. Notwendig wäre daher eine Neuausrichtung der Rettungspolitik um nicht nur auf die Symptome sondern endlich auch auf die Ursachen der Krise einzugehen.

Zwar wird im schwarz-roten Koalitionsvertrag auf die Einführung der europäischen Bankenaufsicht [1] und der Finanztransaktionssteuer [2] gedrängt, allerdings liegt Brüssel fern und an der bisher schleppenden Umsetzung war auch Deutschland nicht ganz unschuldig.
Man könnte die zu niedrigen Eigenkapitalreserven der Banken auch national angehen und genauso wäre das bei einer Besteuerung von Finanzprodukten möglich. Der Koalitionsvertrag sieht aber vor, auch weiterhin die Verantwortung für eine effizientere und schnellere Bankenregulierung einfach an Brüssel zu delegieren und in Berlin wie gewohnt abzuwarten. Natürlich sollte eine Lösung gesamteuropäisch sein, aber das Spielchen, Entscheidungen nach Brüssel abzugeben, um diese in der europäischen Kommission dann zu blockieren, wurde einfach viel zu lange schon betrieben.

Alleine mit einer Finanzmarkt- und Bankenregulierung lassen sich die Probleme aber ohnehin nicht lösen. Die im Moment zum Teil immer noch unterfinanzierten Banken müssen in den nächsten Jahren restrukturiert oder abgewickelt werden. Dafür müssten Mechanismen implementiert werden, die eine Kettenreaktion unter den Banken verhindern und gleichzeitig sicherstellen, dass die Kosten für eine solche Restrukturierung oder Abwicklung im Finanzbereich verbleiben.
Stattdessen sollen laut Koalitionsvertrag aber nur „in erster Linie Banken selbst für ihre Risiken haften und nicht die Steuerzahler“ [3], was eben heißt, dass in zweiter Instanz genau diese Steuerzahler doch für marode Banken zahlen werden. Damit wird aber wieder jener Prozess fortgesetzt, der bereits jetzt europaweit den Staaten und damit den Steuerzahlern Milliardensummen neuer Schulden eingebracht hat.

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag finden sich auch keine  Impulse um die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone zu minimieren. Wichtig wäre es gewesen, wenn Deutschland die Bereitschaft gezeigt hätte, einen Wachstumsfonds zu finanzieren oder z.B. zu Gunsten eines solchen europäischen Fonds auf die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer zu verzichten. Denkbar wäre es auch gewesen, sich auf einen Zinsausgleich zwischen den Euro-Staaten zu verständigen, damit der Zinsunterschied zu den Krisenstaaten innerhalb der Eurozone institutionell abgemildert wird.
Stattdessen werden von Schwarz-Rot lediglich die auf europäischer Ebene bereits beschlossenen Maßnahmen erneut serviert. Und nachdem die deutsche Hilfe wohl auch in Zukunft hauptsächlich aus Hilfskrediten bestehen wird [4], dürfte sich auch die Verschuldungsproblematik in den nächsten Jahren weiter verschärfen.

Betrachtet man die Aufgabe vor der die Krisenstaaten mit dieser Form der Rettungspolitik heute stehen, dann gleicht das dem Versuch der Quadratur des Kreises. Von außen werden keine neuen Wachstumsimpulse gesetzt, die maroden Banken belasten den Finanzsektor der Krisenländer, die hohen Schulden und Zinszahlung belasten die Staatshaushalte, die fehlende Währungsflexibilität verhindert gezielte geldpolitische Maßnahmen und unter diesen Voraussetzungen sollen die Länder für Wachstum sorgen und gleichzeitig die Staatsdefizite reduzieren.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Krisenländer das schaffen und ihre Schulden in Zukunft weiter bedienen können, geht damit stark gegen null. Das aber scheinen die Koalitionäre bei ihrem europapolitischen Blindflug zu übersehen. Denn anstatt die Gefahr eines Zahlungsausfalls von Krisenstaaten im Koalitionsvertrag zu thematisieren, wird lediglich darauf verwiesen, dass die Krisenstaaten selbst für ihre Kredite haften [5]. Wie aber das Kunststück gelingen soll, einem nackten Menschen in die Tasche zu greifen, kann auch der Koalitionsvertrag nicht klären.
Außerdem bleiben die aus diesem wirtschaftspolitischen Versagen resultierenden Gefahren in der sozialen Dimension völlig unbeachtet. Was passiert, wenn in einem Land eine europafeindliche Koalition die Mehrheit erringt? Steht die EU dann still, weil viele europäische Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen?

Ungeklärt ist auch, wie mit den noch immer großen Handelsbilanz-Divergenzen innerhalb der Eurozone umgegangen werden soll. Dabei sind nicht nur die Exportdefizite der Krisenstaaten sondern auch die deutschen Importdefizite ein Problem. Allerdings werden weder das Lohndumping in einigen Bereichen der deutschen Wirtschaft noch die Schwäche des deutschen Binnenmarktes im schwarz-roten Koalitionsvertrag thematisiert.

Insgesamt bleibt der Koalitionsvertrag damit die Antworten auf die Fragen der Finanzkrise schuldig. Statt die verfehlte Rettungspolitik zum Anlass für eine Kehrtwende zu nehmen, wird ein Freibrief zum weiterwurschteln ausgestellt.
Mit diesem europapolitischen Blindflug werden die schwarz-roten Koalitionäre aber weder der Situation noch der deutschen Verantwortung für Europa gerecht.


Ähnliche Artikel:
Eine Bilanz nach fünf Jahren Euro-Rettungspolitik (www.mister-ede.de – 15.10.2013)

Und täglich grüßt die Finanztransaktionssteuer (www.mister-ede.de – 29.10.2013)

Mögliche Gestaltung eines Bankensicherungsfonds (www.mister-ede.de – 02.07.2012)


[1] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 62 f. (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

[2] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 64 (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

[3] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 158 (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

[4] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 158 (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

[5] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 159 (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

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http://www.mister-ede.de/politik/europapolitischer-blindflug/2296/feed 1
Und täglich grüßt die Finanztransaktionssteuer http://www.mister-ede.de/politik/die-finanztransaktionssteuer/2261 http://www.mister-ede.de/politik/die-finanztransaktionssteuer/2261#comments Tue, 29 Oct 2013 19:51:08 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2261 Weiterlesen ]]> Schon unzählige Male wurde sie beschlossen und auch jetzt bei den Koalitionsverhandlungen wird sie wieder zum Thema. Wenn die Finanztransaktionssteuer als möglicher Einigungspunkt zwischen Union und SPD beschrieben wird, müsste ich mich als entschiedener Befürworter einer solchen Besteuerungsform eigentlich freuen. Allerdings finde ich es doch erstaunlich, wie dieser Punkt anscheinend immer wieder neu verhandelt werden muss.
Wenn Herr Reul sagt, dass die Einführung einer solchen Steuer Konsens sei [1], dann sage ich nein, denn die Einführung ist längst Beschlusslage. Waren es nicht die Finanztransaktionssteuer und der europäische Wachstumspakt, die als Köder für die SPD dienten, damit diese den europäischen Rettungsschirmen zustimmt?

Im Wahlkampf hatte Merkel die SPD als europapolitisch unzuverlässig bezeichnet, wenn man sich aber anschaut, inwiefern Merkel ihr Wort bei der Finanztransaktionssteuer gehalten hat, dann muss man sagen, dass Merkel hier aus dem Glashaus die Steine wirft.
So war es häufig die Bundesregierung selbst, die auf europäischer Ebene bei der Bankenaufsicht bremste oder Investitionsprogramme und eben auch eine Umsetzung der Finanztransaktionssteuer bislang konsequent verhinderte. Auch wenn die immer wieder neue Einigung einen gewissen satirischen Wert hat, ist mir die Finanztransaktionssteuer für einen Running Gag doch zu wichtig. Daher sollte die Union eher leise Töne anschlagen, als zu versuchen der SPD den schon mal geschlossenen Kompromiss neu zu verkaufen.


[1] Artikel auf Tagesschau.de vom 28.10.2013 zu den Koalitionsverhandlungen (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

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Auf dem Weg zu einem Koalitionsvertrag: Union schafft erste Grundlage http://www.mister-ede.de/politik/union-schafft-erste-grundlage/2253 http://www.mister-ede.de/politik/union-schafft-erste-grundlage/2253#comments Sun, 27 Oct 2013 22:31:46 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2253 Weiterlesen ]]> Nachdem mittlerweile auch die Union erste Anzeichen für eine Annäherung aussendet, könnte ich mir vorstellen, dass man sich in den nächsten Wochen in ein paar wesentlichen Punkten einigt. So könnte eine Einigung bei der doppelten Staatsbürgerschaft und dem Mindestlohn nahe an der Linie der SPD, zu einem Türöffner für die weiteren Verhandlungen werden.

Sollte sich die Union bei der doppelten Staatsbürgerschaft bewegen, so dass der Entscheidungszwang entfällt [1], dann wäre dies ein erheblicher Fortschritt. Allerdings muss man auf die Ausgestaltung schauen und was sich die CSU unter dem Ruhen der Staatsbürgerschaft vorstellt. Wenn jemand Familie in zwei Ländern hat, muss er hier wie dort leben können, ohne die Angst zu haben, die Staatsbürgerschaft zu verwirken. Insofern darf das Ruhen natürlich nicht zu einem de facto Verlust der Staatsbürgerschaft führen, wenn der Kompromiss für die SPD akzeptabel sein soll.
Auch beim Mindestlohn ist eine Einigung vorstellbar. Sollten sich die Parteien auf einen Kompromiss verständigen, der einen Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten vorsieht, dann wäre dies zumindest ein Anfang. Die Zustimmung der SPD wird dann zwar immer noch von der Ausgestaltung, z.B. einer Anpassung zwischen Ost und West abhängen, aber es wäre eine Grundlage um dieses Thema aus meiner Sicht zur Zufriedenheit beider Seiten zu lösen.
So könnte eine Tarifkommission die jährliche Steigerung bestimmen und für Ostdeutschland wird dieser Betrag um 20ct. pro Jahr erhöht. Damit wäre in fünf Jahren ein gleicher Mindestlohn in Ost und West umgesetzt, der dann entsprechend der Höhe der Steigerungen durch die Tarifkommission über 8,50 Euro liegt.

Betrachtet man die steuerliche Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare, dann denke ich, dass vor allem das Bundesverfassungsgericht für die Union Anlass sein sollte, ihre Linie zu überdenken [2]. Sollte sich die Union auch hier bewegen, und man sich auch beim Mindestlohn und bei der Abschaffung des Entscheidungszwanges verständigen, könnte ich mir vorstellen, dass auch das Betreuungsgeld für die SPD-Anhänger verkraftbar ist.
Immerhin hätte sich die Union in zwei gesellschaftspolitischen Bereichen bewegt, so dass man ihr auch zugestehen könnte, nicht noch das Elterngeld aufgeben zu müssen. Auch wenn ich das Elterngeld nicht als familienpolitisch zielführend  erachte, ist es am Ende eine Förderung, die auf jeden Fall Familien mit Kindern zu Gute kommt, was ja an und für sich nicht das schlimmste sein sollte.
Auch eine feste Verabredung, das Ehegattensplitting in seiner jetzigen Form beizubehalten, könnte ich mir in diesem Zusammenhang als Zugeständnis vorstellen. Zumal hier die Sichtweise der SPD dem Verfassungsgrundsatz vom Schutz der Ehe etwas zuwiderläuft. Eigentlich fördert das Ehegattensplitting nicht die Alleinverdiener-Ehe, sondern stellt diese nur den Doppelverdienern gleich [3]. Aus meiner Sicht gibt es gute Gründe um in diesem Punkt der Sichtweise der Union und insbesondere der CSU zu folgen, dass es sich um die Entscheidung der Familien handelt, wer innerhalb der Familie wie viel zum Haushaltseinkommen beiträgt.

Sollte man sich also in diesen fünf Punkten, Mindestlohn, doppelte Staatsbürgerschaft, steuerliche Gleichbehandlung homosexueller Paare, Ehegatten-Splitting und Betreuungsgeld, einigen, dann könnten die großen Themen Rente und Europa angegangen werden.
Betrachtet man die Vorschläge zur Rentenpolitik, dann dürften Mindestrente, Mütterrente und abschlagsfreier Rente ab 45 Jahren alleine schon 20 oder 30 Milliarden Euro jährlich kosten. Ohne das dritte große Thema der Steuer wird man daher diese Diskussion nicht führen können. Selbiges dürfte auch für die Europapolitik und insbesondere die Euro-Rettungspolitik gelten. Die Kosten sind entstanden, ohne dass sich an der grundlegenden Situation etwas geändert hat. Die einseitig auf Sparen ausgerichtete Rettungspolitik hat die Länder in eine Sackgasse geführt [4]. Und nun kann man warten bis Griechenland ein zweites Mal ausfällt und Spanien das griechische Szenario durchmacht oder man ändert den Kurs der bisherigen Euro-Rettungspolitik. Beides wird für Deutschland teuer.

Ebenso dürften Änderungen bei der Pflege teuer werden, wenn eine wirkliche Antwort auf die Probleme in diesem Bereich gefunden werden soll. Ein Knackpunkt dürften auch noch die Unterschiede in der Gesundheitspolitik und insbesondere bei der Bürgerversicherung sein. Bei Fragen des Arbeitsmarktes und der Begrenzung von Leiharbeit und Werkverträgen scheinen mir die Parteien hingegen nicht so weit auseinander. Auch bei der Energiewende halte ich eine Einigung für möglich. Hieran wird meines Erachtens ein Koalitionsvertrag zumindest nicht scheitern, zumal in den Koalitionsverhandlungen nur die Marschroute festgelegt wird. Ähnliches gilt für den Ausbau der Kinderbetreuung, die finanziellen Leistungen für Kinder oder die von beiden Seiten versprochenen Infrastrukturprogramme.
Außerdem wird die Digitale Agenda nach der neuerlichen NSA-Affäre eine Rolle spielen müssen. Aber auch insgesamt wird man sich dem Thema Netz und Netzausbau intensiver widmen als bei anderen Koalitionsverhandlungen zuvor. Dabei könnten auch die Fragen nach Datenschutz oder Urheberrecht eine Rolle spielen. Der kurzzeitige politische Erfolg der Piraten macht es möglich.

Zum Schluss aber wird wohl das Thema Steuer ein Problem bleiben. Selbst wenn man sich auf höhere Pflegebeiträge einigt und einen Teil eines evtl. Rentenkompromisses aus der Rentenkasse bezahlt, wird man nicht um eine weitere Steuerfinanzierung herumkommen.
Außerdem wird sich die SPD, ob sie will oder nicht, an dem Versprechen einer gerechteren Ausgestaltung des Steuersystems messen lassen müssen. So sehr dieses Thema im Wahlkampf propagiert wurde, so schnell ist es nach dem Wahlabend verschwunden. Dennoch glaube ich nicht, dass die SPD das Thema so einfach abschütteln kann. Dass nicht Erbschafts-, Vermögens-, Spitzen-, Abgeltungs- und Körperschaftssteuer allesamt erhöht werden, ist verständlich, aber ob sich die SPD am Ende auf einen Koalitionsvertrag ohne irgendeine Form von mehr Steuergerechtigkeit einlässt, halte ich im Moment auch für fraglich.

Das Thema der Finanzausstattung der Länder, bzw. des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern, dürfte zwar in einer schwarz-roten Regierung eine größere Rolle spielen, besonders da auch in jedem Bundesland entweder Schwarze oder Rote mitregieren, allerdings könnte ich mir vorstellen, dass dieser Punkt bei den Koalitionsverhandlungen ausgespart und später im Zusammenwirken von Bundesrat und Bundestag ausgearbeitet wird. Dann könnte man eine Reform auch mit einer anstehenden Reform des auslaufenden Solidaritätszuschlags verknüpfen und hätte vor allem genügend Zeit um die damit verbundenen Fragen zu bearbeiten.
Dagegen könnte aus aktuellem Anlass eine Förderung der Länder bei der Aufnahme von Flüchtlingen ein Thema der Verhandlungen sein. Wünschenswert wäre natürlich auch die Frage nach der Finanzierung der Kirchen aus aktuellem Anlass zu überdenken, allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass die drei Parteien die eh schon schweren Koalitionsverhandlungen mit so einem Thema zusätzlich belasten wollen.

Insgesamt dürfte es bei den Koalitionsverhandlungen noch an verschiedenen Stellen knirschen, allerdings für einen Einstieg wäre eine Einigung in den medial stark beachteten Punkten durchaus ein positives Signal. Außerdem könnte man etwas Druck aus den Verhandlungen nehmen, in dem man die für die jeweiligen Parteien wichtigen Themen, wie Mindestlohn oder Betreuungsgeld, akzeptiert.


[1] Artikel von SZ-Online vom 27.10.2013 zur Seehofer Äußerung zur doppelten Staatsbürgerschaft (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)

[2] Artikel von SZ-Online vom 06.06.2013 zum Urteil des BVerfG zur steuerlichen Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)

[3] Abschaffung des Ehegattensplittings verfassungswidrig? (www.mister-ede.de – 18.02.2013)

[4] Eine Bilanz nach fünf Jahren Euro-Rettungspolitik (www.mister-ede.de – 15.10.2013)

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