Der europapolitische Blindflug von Schwarz-Rot

Die Finanzkrise ist schon mehr als fünf Jahre alt und dennoch ist kein Ende in Sicht. Trotz des Rekordtiefs bei den Leitzinsen der EZB sind viele Länder nicht in der Lage einen Maastricht-konformen oder gar ausgeglichen Haushalt vorzulegen. Dazu kommt die schon vorhandene massive Verschuldung von teilweise über 100% des BIP. Betrachtet man insgesamt die Bilanz der Rettungspolitik, dann muss man bei dieser massiven Verschuldung, der extremen Jugendarbeitslosigkeit und den weiterhin hohen Defiziten in den Krisenländern, ein verheerendes Scheitern feststellen. Notwendig wäre daher eine Neuausrichtung der Rettungspolitik um nicht nur auf die Symptome sondern endlich auch auf die Ursachen der Krise einzugehen.

Zwar wird im schwarz-roten Koalitionsvertrag auf die Einführung der europäischen Bankenaufsicht [1] und der Finanztransaktionssteuer [2] gedrängt, allerdings liegt Brüssel fern und an der bisher schleppenden Umsetzung war auch Deutschland nicht ganz unschuldig.
Man könnte die zu niedrigen Eigenkapitalreserven der Banken auch national angehen und genauso wäre das bei einer Besteuerung von Finanzprodukten möglich. Der Koalitionsvertrag sieht aber vor, auch weiterhin die Verantwortung für eine effizientere und schnellere Bankenregulierung einfach an Brüssel zu delegieren und in Berlin wie gewohnt abzuwarten. Natürlich sollte eine Lösung gesamteuropäisch sein, aber das Spielchen, Entscheidungen nach Brüssel abzugeben, um diese in der europäischen Kommission dann zu blockieren, wurde einfach viel zu lange schon betrieben.

Alleine mit einer Finanzmarkt- und Bankenregulierung lassen sich die Probleme aber ohnehin nicht lösen. Die im Moment zum Teil immer noch unterfinanzierten Banken müssen in den nächsten Jahren restrukturiert oder abgewickelt werden. Dafür müssten Mechanismen implementiert werden, die eine Kettenreaktion unter den Banken verhindern und gleichzeitig sicherstellen, dass die Kosten für eine solche Restrukturierung oder Abwicklung im Finanzbereich verbleiben.
Stattdessen sollen laut Koalitionsvertrag aber nur „in erster Linie Banken selbst für ihre Risiken haften und nicht die Steuerzahler“ [3], was eben heißt, dass in zweiter Instanz genau diese Steuerzahler doch für marode Banken zahlen werden. Damit wird aber wieder jener Prozess fortgesetzt, der bereits jetzt europaweit den Staaten und damit den Steuerzahlern Milliardensummen neuer Schulden eingebracht hat.

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag finden sich auch keine  Impulse um die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone zu minimieren. Wichtig wäre es gewesen, wenn Deutschland die Bereitschaft gezeigt hätte, einen Wachstumsfonds zu finanzieren oder z.B. zu Gunsten eines solchen europäischen Fonds auf die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer zu verzichten. Denkbar wäre es auch gewesen, sich auf einen Zinsausgleich zwischen den Euro-Staaten zu verständigen, damit der Zinsunterschied zu den Krisenstaaten innerhalb der Eurozone institutionell abgemildert wird.
Stattdessen werden von Schwarz-Rot lediglich die auf europäischer Ebene bereits beschlossenen Maßnahmen erneut serviert. Und nachdem die deutsche Hilfe wohl auch in Zukunft hauptsächlich aus Hilfskrediten bestehen wird [4], dürfte sich auch die Verschuldungsproblematik in den nächsten Jahren weiter verschärfen.

Betrachtet man die Aufgabe vor der die Krisenstaaten mit dieser Form der Rettungspolitik heute stehen, dann gleicht das dem Versuch der Quadratur des Kreises. Von außen werden keine neuen Wachstumsimpulse gesetzt, die maroden Banken belasten den Finanzsektor der Krisenländer, die hohen Schulden und Zinszahlung belasten die Staatshaushalte, die fehlende Währungsflexibilität verhindert gezielte geldpolitische Maßnahmen und unter diesen Voraussetzungen sollen die Länder für Wachstum sorgen und gleichzeitig die Staatsdefizite reduzieren.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Krisenländer das schaffen und ihre Schulden in Zukunft weiter bedienen können, geht damit stark gegen null. Das aber scheinen die Koalitionäre bei ihrem europapolitischen Blindflug zu übersehen. Denn anstatt die Gefahr eines Zahlungsausfalls von Krisenstaaten im Koalitionsvertrag zu thematisieren, wird lediglich darauf verwiesen, dass die Krisenstaaten selbst für ihre Kredite haften [5]. Wie aber das Kunststück gelingen soll, einem nackten Menschen in die Tasche zu greifen, kann auch der Koalitionsvertrag nicht klären.
Außerdem bleiben die aus diesem wirtschaftspolitischen Versagen resultierenden Gefahren in der sozialen Dimension völlig unbeachtet. Was passiert, wenn in einem Land eine europafeindliche Koalition die Mehrheit erringt? Steht die EU dann still, weil viele europäische Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen?

Ungeklärt ist auch, wie mit den noch immer großen Handelsbilanz-Divergenzen innerhalb der Eurozone umgegangen werden soll. Dabei sind nicht nur die Exportdefizite der Krisenstaaten sondern auch die deutschen Importdefizite ein Problem. Allerdings werden weder das Lohndumping in einigen Bereichen der deutschen Wirtschaft noch die Schwäche des deutschen Binnenmarktes im schwarz-roten Koalitionsvertrag thematisiert.

Insgesamt bleibt der Koalitionsvertrag damit die Antworten auf die Fragen der Finanzkrise schuldig. Statt die verfehlte Rettungspolitik zum Anlass für eine Kehrtwende zu nehmen, wird ein Freibrief zum weiterwurschteln ausgestellt.
Mit diesem europapolitischen Blindflug werden die schwarz-roten Koalitionäre aber weder der Situation noch der deutschen Verantwortung für Europa gerecht.


Ähnliche Artikel:
Eine Bilanz nach fünf Jahren Euro-Rettungspolitik (www.mister-ede.de – 15.10.2013)

Und täglich grüßt die Finanztransaktionssteuer (www.mister-ede.de – 29.10.2013)

Mögliche Gestaltung eines Bankensicherungsfonds (www.mister-ede.de – 02.07.2012)


[1] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 62 f. (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

[2] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 64 (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

[3] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 158 (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

[4] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 158 (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

[5] Schwarz-Roter Koalitionsvertrag vom 27.11.2013, S. 159 (Der Koalitionsvertrag als PDF-File auf www.bundesregierung.de)

Diskussion:

Ein Gedanke zu “Der europapolitische Blindflug von Schwarz-Rot

  1. “Man bedenke, es handelt sich nur um einen Roman. Die Wahrheit wird – wie stets – weit erstaunlicher sein.”

    Arthur C. Clarke (Vorwort zu “2001″)

    Wer nicht weiß, was Gerechtigkeit ist, darf auch nicht wissen, was Ungerechtigkeit ist, um eine Existenz in “dieser Welt” ertragen zu können. Darum befindet sich der “Normalbürger” schon seit der “Vertreibung aus dem Paradies” gedanklich nicht in der Realität, sondern im “Programm Genesis”, über das er nicht hinausdenken kann:

    (Genesis 2,15-17) Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.

    Jemand, der die wahre Bedeutung der Erbsünde erkennt (Auferstehung), ohne bereits zu wissen, wie sie zu überwinden ist, muss buchstäblich “über den Rand der Welt fallen”, d. h., er kann mit “dieser Welt” nichts mehr anfangen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als solange in der Wüste zu meditieren, bis er die einzige Lösung (Erlösung) zur Überwindung der Erbsünde gefunden hat (Erleuchtung). Und auch dann ist er nicht von der Erbsünde erlöst, denn es handelt sich um ein kollektives Phänomen, das nicht jeder für sich, sondern nur ein ganzes Volk gemeinsam überwinden kann. Für die Überwindung der Erbsünde muss also ein ganzes Volk erleuchtet werden! Aber schon zu Lebzeiten des ersten Erleuchteten, Jesus von Nazareth, hatte die jüdische Priesterschaft seit über einem Jahrtausend auf das Volk eingeredet und soviel Unsinn verbreitet, dass der Erleuchtete bekanntlich nicht mehr als zwölf Zeitgenossen fand, denen er sich halbwegs verständlich machen konnte.

    Im 21. Jahrhundert sieht die Sache nicht besser aus. Mittlerweile haben die Priester mehr als drei Jahrtausende auf das Volk eingeredet und noch viel mehr Unsinn verbreitet. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die politische Seifenoper keinerlei Interesse am eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation zeigt und die Priesterschaft im Verbreiten von Unsinn aller Art tatkräftig unterstützt. Damit nicht genug, liefern sich in staatlichen Verdummungsanstalten indoktrinierte Politologen, Soziologen, Philosophen, Wirtschafts”wissen”schaftler, etc. ein Wettrennen im Verbreiten von weiterem Unsinn. Der “Normalbürger”, ob “gläubig” oder “ungläubig”, hat sich von diesem Unsinn, der alle Lebensbereiche durchdringt, so dermaßen verwirren lassen, dass es auch im Zeitalter des Internets nicht leicht ist, die ersten Zeitgenossen zu finden, denen man sich halbwegs verständlich machen kann, auch wenn die ganze Angelegenheit, rein technisch betrachtet, relativ einfach ist.

    http://www.juengstes-gericht.net

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