mister-ede.de » Bundesländer https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Wie das Infektionsgeschehen mit Massentests effektiv gesenkt werden kann https://www.mister-ede.de/politik/corona-schnelltest-massentests/9149 https://www.mister-ede.de/politik/corona-schnelltest-massentests/9149#comments Sun, 03 Jan 2021 19:45:05 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9149 Weiterlesen ]]> Massentests ersetzen weder die AHA-Regeln noch präventive Tests in einzelnen Bereichen, z.B. in Altenheimen. Sie können aber ein Baustein sein, um insbesondere in stark betroffenen und abgrenzbaren Regionen das Infektionsgeschehen in kurzer Zeit deutlich zu senken. Das nachfolgende Muster ist dabei als Hilfestellung zum effizienten Einsatz von Antigen-Schnelltests und PCR-Tests im Rahmen einer Massentestung gedacht.

Festlegung eines Test- und eines Shutdown-Zeitraums:

Der originäre Testzeitraum sollte fünf, sechs Tage nicht überschreiten, um sich mit der gesamten Testung innerhalb eines mittleren Reproduktionszyklus zu bewegen. Innerhalb dieses Zeitraums sollte das öffentliche Leben massiv reduziert und Ämter, Büros – einfach alles, was nicht zwingend notwendig ist – geschlossen werden. Der Shutdown-Zeitraum sollte allerdings noch etwas länger reichen als der Testzeitraum.
Vorstellbar wäre, von Samstag bis Donnerstag der Folgewoche einen Massentest anzusetzen und den Shutdown dann noch drei Tage weiter bis Sonntag laufen zu lassen und samstags oder sonntags Spezialfälle nochmals abschließend zu testen.

Testpflicht:

Eine generelle Testpflicht dürfte schwer durchsetzbar sein, auch wenn sie sehr hilfreich wäre. Der Schnelltest sollte daher aber zumindest verpflichtend sein für Beamte, Angestellte im Bereich Pflege- und Gesundheit sowie an Schulen und in Kitas. Obligatorisch sollten die Tests außerdem für Schülerinnen und Schüler sowie für in anderen Einrichtungen wie Kita, Hort oder Kinderheimen betreute Kinder sein genauso wie auch für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sowie für von mobilen Diensten betreute Personen. Damit sollten die Bereiche Schule bzw. Alten- und Behindertenpflege weitestgehend vom Virus befreit werden. Alle anderen Einwohner der betroffenen Regionen oder auch Pendler von außerhalb wären in diesem Fall zwar nicht verpflichtet, aber natürlich dringend gebeten, sich am konzertierten Massentest zu beteiligen.

Testanreiz:

Allen Getesteten, egal ob freiwillig oder verpflichtet, werden nach Abschluss des Testverfahrens fünf personengebundene Gutscheine über 5,- Euro für die heimische Gastronomie und andere kulturelle Einrichtungen (Kino, Theater) ausgehändigt. Die Gutscheine sind gültig ab 1. Juni, damit es nicht zu früh zu einem Ansturm kommt, und können bis zum 31.12.2022 eingelöst werden.

Doppeltestung:

Um die PCR-Kapazitäten zu schonen werden für die Testung Antigen-Schnelltests verwendet, die lediglich bei positiven Befunden durch einen PCR-Test kontrolliert werden. Um dabei die niedrigere Sensitivität der Schnelltests auszugleichen, besteht die gesamte Testung aus zwei Schnelltests pro Person, die im Abstand von drei Tagen durchgeführt werden sollten, also z.B. an Tag 1 (Samstag) und Tag 4 (Dienstag). Die Sensitivität der eingesetzten Schnelltests sollte dabei nicht unter 94% liegen.
Sind beide Tests negativ, sollte das Risiko eines falsch-negativen Befundes durch die Doppeltestung relativ gering sein. Finden verschiedene Schnelltests Verwendung, sollte der sensitivere Test beim zweiten Testvorgang eingesetzt werden. Schlägt ein Schnelltest an, wird zum Ausgleich der niedrigeren Spezifität von Schnelltests der Befund per PCR-Verfahren kontrolliert. Ist die Person tatsächlich infiziert, dann greifen die üblichen Maßnahmen (Isolierung, Kontaktnachverfolgung etc.). Ist die Person hingegen doch negativ, so wird vorgegangen, als sei der Schnelltest negativ gewesen.

Spezialfälle:

Gibt es Spezialfälle, z.B. eine Person wurde zwar negativ getestet, war aber genau im Testzeitraum Kontaktperson eines bestätigten Infizierten, so soll wenige Tage später noch ein dritter Schnelltest durchgeführt werden.

Einschätzung:

Wenn 80% der Bevölkerung teils verpflichtet, teils freiwillig mitmachen und man bei diesen dann 95% der Infizierten findet, hat man 3/4 der Infektionsketten binnen einer Woche einem Ende zugeführt. Klar, manche Ketten wären auch so zu Ende gegangen. Klar, wenn man mit einem harten Lockdown den R-Wert über 4 Wochen bei 0,7 hält, erreicht man dieselbe Reduktion. Aber klar ist eben auch, solche freiwilligen Massentests sind im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen ein relatives mildes und auch preisgünstiges Mittel. Wenn man die Kosten von vier Wochen hartem Lockdown mit vielleicht 100 Euro Testkosten pro Person (100 Euro * 80 Mio. = 8 Mrd. Euro) vergleicht, dann gibt es meines Erachtens gar nichts mehr zu diskutieren. Zumal man die Tests bedarfsorientiert wiederholen kann, wenn das Infektionsgeschehen in einer Region weiterhin oder erneut über 50 bestätigten Neuinfektionen je Woche liegen sollte.

Erläuterung:

Massentests stellen eine Momentaufnahme dar. Sie sind daher insbesondere in den Momenten geeignet, in denen das Infektionsgeschehen heimisch und hoch ist. Ungeeignet wären sie bei niedrigem oder hauptsächlich von Eintragungen von außen geprägten Infektionsgeschehen. In einer solchen Lage bräuchte es dann eher wieder Tests für Reisewillige, Pendler oder Reiserückkehrer. In der jetzigen Lage sind Massentests hingegen absolut zielführend.

Rechenbeispiele:

Massentests dienen nicht dazu, die bestätigten Infizierten zu finden – diese kennt man ja bereits. Mit Massentests sollen vielmehr gerade jene Infizierten gefunden werden, die bislang unerkannt geblieben sind. Wie hoch diese Dunkelziffer ist, ist zwar unbekannt, aber bei 50 bestätigten Neuinfektionen je Woche ist eine Größenordnung von 100 – 200 unentdeckten Infizierten nicht völlig unrealistisch. Eine solche Anzahl an tatsächlichen Fällen je 100.000 Einwohner ist allerdings auch in etwa nötig, damit die Schnelltests trotz ihrer Ungenauigkeit noch effektiv eingesetzt werden können. Umso höher das Infektionsgeschehen ist, desto eher sind die Schnelltests geeignet. Bei niedrigem Infektionsgeschehen liefern sie hingegen zu viele falsch-positive Ergebnisse, wie die drei nachfolgenden Beispiele für einen Schnelltest mit 95% Spezifität und 95% Sensitivität zeigen:

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 2.000

98.000 Nicht-Infizierte
- > 93.100 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.900 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
2.000 Infizierte
- > 1.900 korrekt als Infizierte erkannt
- > 100 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 6.800 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 1.900 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 200

99.800 Nicht-Infizierte
- > 94.810 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.990 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
200 Infizierte
- > 190 korrekt als Infizierte erkannt
- > 10 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 5.180 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 190 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 40

99.960 Nicht-Infizierte
- > 94.962 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.998 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
40 Infizierte
- > 38 korrekt als Infizierte erkannt
- > 2 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 5.036 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 38 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

Disclaimer: Ich bin kein Virologe, Epidemiologe, Arzt. Es handelt sich um eine rein rechnerische bzw. systemlogische Betrachtung von Massentests.


Text als PDF: Wie das Infektionsgeschehen mit Massentests effektiv gesenkt werden kann


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Dabei kann man wirklich nicht sagen, dass seit dem Sommer nichts unternommen worden wäre, um genau dieses Ziel auch zu erreichen – im Gegenteil! Man hat planmäßig und zielgerichtet wissenschaftliche Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen an Schulen [2] ignoriert oder fehlinterpretiert, um ja keine Schulschließungen zu riskieren. Man hat den Anstieg der Neuinfektionen so lange verharmlost und schöngeredet, wie es nur eben ging. Und man hat die Kritiker dieses Vorgehens als faktenresistente Egoisten verunglimpft, denen die Bildung der Kinder schlicht egal sei.

Doch nun sieht man, es war genau umgekehrt! Leuten wie mir ging es darum, an Schulen langfristig ein verlässliches, gutes und sicheres Bildungsangebot trotz Corona zu gewährleisten. Die Konzepte dafür gab es ja schon seit Mai: Raumluftreiniger wo Präsenz nötig ist (z.B. in KiTa und Grundschule), Hybrid- und Fernunterricht in höheren Klassenstufen (so wie es auch an Uni und FH läuft) und breitflächige Testung sobald Infektionsfälle an einer Schule auftreten. Doch genau solche sinnvollen Maßnahmen wurden von Union und SPD eben gerade nicht angepackt, geschweige denn umgesetzt!

Heute kann man daher konstatieren, dass es wohl eher Saskia Esken und Anja Karliczek sind, denen die Bildung der Kinder geschmeidig am Arsch vorbeigeht. Vermutlich ging es den beiden Frauen nur um Selbstdarstellung mit einem Versprechen, von dem sie wohl irrtümlich glaubten, es ohne große Anstrengungen halten zu können – also so, wie wenn ich Ihnen heute hoch und heilig verspreche, dass ich bis Juni für höhere Temperaturen in Deutschland sorge.
Doch genau mit diesem leichtfertigen Schulversprechen von Esken und Karliczek nahm das Elend seinen Lauf. Corona entwickelte sich nämlich doch eher so, wie es Wissenschaftler und Experten für Herbst und Winter prognostiziert haben und nicht so, wie es die beiden Laien-Wahrsagerinnen erhofft haben. Nur zurückrudern ging für die zwei Spitzenpolitikerinnen nun nicht mehr, ohne damit gleichzeitig einzugestehen, auf voller Linie versagt zu haben. Und so haben Esken und Karliczek einfach Däumchen drehend abgewartet, während die Zahlen der Infizierten, der Erkrankten, der Intensivpatienten und zuletzt dann auch der Toten Tag für Tag anstiegen. Oder haben Sie in den vergangenen Wochen nochmal etwas Substanzielles von den beiden zum Thema „sichere Bildung“ gehört?

Mit diesem unverantwortlichen Zuwarten haben Esken und Karliczek aber nicht nur Ihr Versprechen gebrochen, weil wir nun wieder alles andere als verlässliche, gute und sichere Bildung haben, nein, sie haben damit auch verhindert, dass das Infektionsgeschehen im Herbst klein gehalten wurde. Was sollen denn auch Kontaktbeschränkungen bringen, wenn zeitgleich 13, 14 Millionen Menschen fünfmal die Woche zur Corona-Party ins Klassenzimmer gepfercht werden?
Wären durch die zuvor beschriebenen Maßnahmen nur 25% der Infektionen unter den U20-Jährigen verhindert worden, hätten wir rechnerisch alleine dadurch heute 70 – 80% weniger Neuinfektionen und tausende Menschen wäre nicht an Covid19 gestorben.

Klar, man kann das so nicht rechnen, weil die Geschichte dann anders verlaufen wäre. Klar, es waren nicht Esken und Karliczek alleine, sondern auch 14! Kultus- und Bildungsminister, die diesen Wahnsinn vor Ort auch bei höchsten Inzidenzen noch exekutiert haben. Und klar, wenn die Inzidenz umgekehrt sehr niedrig ist, wie das in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern lange der Fall war, gibt es mehr Spielräume, die man prioritär für die Bildung einsetzen kann.
Im Gesamtblick komme ich aber dennoch zu dem Schluss, dass Esken und Karliczek die Hauptverantwortung für die jetzige Schulsituation tragen und mindestens mitverantwortlich dafür sind, dass das Infektionsgeschehen und damit auch die Todeszahlen in den letzten 8 Wochen in Deutschland durch die Decke geschossen sind. Sie hatten zwar keine direkte Entscheidungskompetenz für Schulen, aber sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, eine offene Debatte über die Gefahren an Schulen und Einschränkungen des Schulbetriebs verhindert zu haben.

Frau Esken (SPD) und Frau Karliczek (CDU), übernehmen Sie die politische Verantwortung und treten Sie zurück!


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[1] Vorwärts-Artikel vom 14.8.2020 zum „Bildungsgipfel“

[2] Drosten: „Wir werden Probleme kriegen mit der unbeschränkten Schulöffnung“ (RND, 21.9.2020)

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https://www.mister-ede.de/politik/gebrochene-schulversprechen/9131/feed 0
Ein flächendeckendes schnelles Test- und Meldesystem für den Corona-Winter https://www.mister-ede.de/politik/corona-test-und-meldesystem/9126 https://www.mister-ede.de/politik/corona-test-und-meldesystem/9126#comments Sun, 13 Dec 2020 12:22:25 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9126 Weiterlesen ]]> In weiten Teilen habe ich diesen Text schon im Juni verfasst, damals allerdings nicht veröffentlicht. Zu oft wurde ich für meine Vorschläge zur Pandemiebekämpfung beschimpft und beleidigt – nicht von Corona-Leugnern, sondern von der genau entgegengesetzten Seite. Was musste ich mir nicht alles anhören: Dass ich zugunsten der Wirtschaft Tote in Kauf nehmen würde. Dass ich die Alten wegsperren möchte. Dass ich egoistisch und unsolidarisch sei. Dabei hatten meine Vorschläge nur ein einziges Ziel: Dem Erwartbaren – einer zweiten Welle im Herbst – vorzubeugen bzw. sich adäquat darauf vorzubereiten. Leider fehlte mir irgendwann die Kraft, das immer wieder und wieder zu erklären.
Nun sieht man es allerdings. Egoistisch waren wohl eher diejenigen, die meine Vorschläge aus Geltungssucht niedergemacht haben. Tote in Kauf genommen haben all jene, die immer nur Lockdown gebrüllt und damit die Entwicklung von effektiven und effizienten Schutzmaßnahmen im Sommer verhindert haben. Ich war mir sicher, dass mir die Realität im Winter Recht geben wird. Und heute sehen das vermutlich auch die Allerletzten.

Hier deshalb nun mein Artikel, wie ein flächendeckendes, effektives und effizientes Test- und Meldesystem gestaltet sein sollte:

Ausgangslage im Sommer

Leider lässt der Fallzahlen-Anstieg nach den Lockerungen in den USA, der massive Anstieg in Süd- und Mittelamerika und die nun auch in Südafrika, Pakistan, Indien und Bangladesch einsetzende Dynamik nicht erwarten, dass Europa ein milder Verlauf im Herbst bevorsteht. Noch immer sind die Menschen in weiten Teilen Europas nicht durch Antikörper geschützt und noch immer ist keine Impfstoffverfügbarkeit absehbar. Gleichzeitig haben die verschiedenen Lockerungen dazu geführt, dass die Fallzahlen in vielen europäischen Ländern eher stagnieren, statt weiter zu sinken. Und die unter den gelockerten Bedingungen zu erwartende Urlaubsreisewelle wird die Problematik von Ein- und Verschleppungen des Coronavirus zusätzlich erhöhen. Mit niedrigeren Temperaturen, schlechterer Witterungen und damit auch mehr Aufenthalten in Innenräumen ist für den Herbst ein Szenario wie im Frühjahr, also ein spürbarer Anstieg der Fallzahlen und Lockdowns zur Eindämmung, zunehmend zu erwarten. Allerdings befreit uns im Herbst dann nicht bereits nach zwei Monaten wieder der Sommer und die Verlagerung von drin nach draußen oder vom Bus aufs Rad. Im Gegenteil, es folgt der ganze lange Winter. Oberste Priorität muss in Europa deshalb sein, ein solches Szenario zu verhindern!

Zu schaffende Rahmenbedingungen

Neben der Beibehaltung der smarten Maßnahmen wie Abstandsgebot und Mundschutzpflicht, braucht es dringend eine europaweit nutzbare freiwillige Corona-App, die auf möglichst vielen Geräten und mit möglichst wenig Anbindung an Google und Apple funktioniert. Neben der reinen Kontakterfassung sollte hierbei die Möglichkeit zum Speichern und Auslesen der GPS-gestützten Standortdaten für 20 Tage ermöglicht werden. Auch der Einsatz von Tracing-Tokens, die die Funktionen der Corona-App für Menschen ohne (geeignetes) Smartphone verfügbar machen, ist für eine ausreichende Breitenwirkung erforderlich – insbesondere innerhalb von Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen.
Daneben muss ein zentrales europäisches Meldesystem geschaffen werden, um Corona-Meldungen europaweit einheitlich zu erfassen und schnell und transparent den verschiedenen Behörden auch über Grenzen hinweg für die Nachverfolgung zur Verfügung zu stellen, z.B. bei einem Ausbruchsgeschehen an einem Urlaubsort. Ferner muss mit SmartTesting ein intelligentes europaweites Testsystem etabliert werden, das jeder Person, die sich irgendwo in Europa befindet, jederzeit Zugang zu Corona-Tests bietet, z.B. am Urlaubsort oder bei einem Arbeitsaufenthalt in einem anderen europäischen Land.
Was nachfolgend für Deutschland dargestellt ist, sollte daher so oder so ähnlich auch in den übrigen europäischen Ländern umgesetzt werden.

Verbessertes und erweitertes Meldesystem

Ursprungs- und Nachverfolgungs-Ampel:
Bislang schauen wir in Deutschland und Europa vor allem auf die Zahl der Infizierten. Viel stärker als bisher sollten allerdings die Infektionsketten, also der Ursprungsort der Infektion und der mögliche Weiterverbreitungskreis, in den Blick genommen werden. Neben der reinen Infektionsmeldung und dem wahrscheinlichen Ansteckungsort sollte ähnlich einer Ampel von der jeweils zuständigen Meldebehörde, also den örtlichen Gesundheitsämtern, angegeben werden, in grün, wenn die Ansteckung wahrscheinlich auf eine bereits identifizierte Infektionskette oder ein bekanntes Infektionscluster zurückzuführen ist, z.B. bei den Tönnies-Mitarbeitern, bzw. in rot, wenn das nicht der Fall ist, der Ursprung also unbekannt ist. Selbiges sollte für die Kontaktnachverfolgung gelten – grün, wenn die engeren Kontaktpersonen im Zeitraum der Infektiosität ermittelbar sind, z.B. bei einem Ausbruch in einem Pflegeheim, und im umgekehrten Fall logischerweise rot.

Grün-grüne Fälle sind zwar weiterhin eine gesundheitliche Gefahr für den Betroffenen selbst, sie sind epidemiologisch aber wenig problematisch, weil die Infektionskette in diesen Fällen klar und damit unterbrechbar ist. Auch rot-grüne Fälle sind bei einem vereinzelten Auftreten, z.B. nach einer Reise, ebenfalls unproblematisch. Bei vermehrtem Auftreten innerhalb einer Region oder bei Personen, die sich lediglich innerhalb dieser Region aufgehalten haben, wäre es hingegen ein Alarmzeichen, dafür dass es ein unentdecktes lokales Infektionsgeschehen gibt. Zielführend ist dann im Rahmen des nachfolgend beschriebenen SmartTestings intensiver zu testen, um die vermuteten Infektionsketten aufzuspüren.
Bei grün-roten Fällen ist hingegen die Kontaktnachverfolgung problematisch, z.B. bei einem Bus- oder Bahnreisenden ohne Corona-App. Bei grün-roten oder rot-roten Meldungen sollten daher nach Möglichkeit die Aufenthaltsorte des Infizierten während der Infektiosität mit angegeben werden, um eine mögliche Gefahrensituation für andere Land- oder Stadtkreise oder auch andere europäische Staaten transparent zu machen.
Zwei Wochen nach einer Fallmeldung sollen rote Ursprung- oder Nachverfolgungsampeln, die sich bis dahin nicht durch die Arbeit der Behörden aufklären und auf grün schalten ließen, die Farbe Weiß erhalten. Treten also innerhalb von zwei Wochen keine neuen Fälle auf, sind die Ampeln aller bisherigen Meldungen eines Landkreises entweder grün oder weiß. Erst wenn es wieder zu einem Infizierten kommt, bei dem der Ursprung unbekannt ist oder bei der sich die Kontaktpersonen nicht ermitteln lassen, gibt es wieder eine Meldung mit roten Ampeln.

Im Falle eines Ausbruchs wie in den Schlachthöfen von Tönnies hätte man also zunächst ein paar rot-rote Meldungen gehabt (Ursprung unklar, Kontakte noch nicht umfänglich ermittelt), die dann durch jede Menge grün-rote Meldungen (Ursprung klar, Kontakte noch nicht umfänglich ermittelt) ergänzt worden wären. Je mehr die Behörden die Kontakte der einzelnen Infizierten dann nachverfolgen können, umso mehr Fälle würden sich nach und nach auf rot-grün bzw. grün-grün schalten, bevor sie nach einiger Zeit als grün-grüne (Ursprung klar, Kontakte ermittelt) oder weiß-grüne (Ursprung unklar geblieben, aber Kontakte ermittelt) Meldungen der Vergangenheit angehören.
Kommen im dortigen Kreis dann in nächster Zeit auch keine neuen Meldungen mit roter Ursprungsampel oder roter Nachverfolgungsampel hinzu, wäre das ein deutliches Zeichen dafür, dass das Infektionsgeschehen vor Ort trotz massiver Fallzahlen weitestgehend im Griff ist. Kommen hingegen weiterhin Meldungen mit unbekanntem Ursprung hinzu, wäre es ein klares Indiz dafür, dass sich die Infektionsketten weiter in die Bevölkerung hinein verbreitet haben. Und selbiges ist natürlich auch dann zu befürchten, wenn bei zu vielen Meldungen die Nachverfolgungsampel rot bliebe.

Beschleunigte Meldung und Nutzung von GPS-Daten:
Zusätzlich zu einer umfassenderen Meldung in Bezug auf die Infektionsketten, also zum Ursprung und zum möglichen Weitergang der Kette, ist außerdem eine Beschleunigung des Meldewesens und der Kontaktnachverfolgung erforderlich, um so zeitnah wie nur irgend möglich eine Intervention einzuleiten – Infizierte sind ja in aller Regel nur einige wenige Tage infektiös. Eine erste telefonische Befragung der infizierten Person sollte daher spätestens 3 Stunden nach der Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen – und das bitte auch nicht nur montags bis freitags!

Im Rahmen der Erstbefragung sollte außerdem um die Übermittlung der in der Corona-App gespeicherten GPS-Daten gebeten werden, um diese mit den Standortdaten anderer Infizierter zusammenzuführen. Auf Basis der freiwillig zur Verfügung gestellten Daten soll so die Suche nach Infektionsquellen mittels Datenanalyse unterstützt werden. Sind beispielsweise drei Infizierte im wahrscheinlichen Infektionszeitraum nahe zusammen, z.B. in einer Kneipe, dann sollte die Datenanalyse das erkennen und eine Befragung der betroffenen Infizierten diesbezüglich stattfinden. Und selbst in Bewegung, also wenn die drei Infizierten in einem Bus oder Zug sitzen, würde der GPS-Abgleich funktionieren, weil sich der Standort bei allen infizierten gleichermaßen verändert. Natürlich müssen solche Standortdaten stets verifiziert werden – die drei Infizierten könnten auch im Auto hintereinanderher gefahren sein – aber es wäre auf jeden Fall ein zusätzlicher Anhaltspunkt, wo der Ursprung der Infektion lag und ob eventuell noch weitere Personen betroffen sein könnten.

SmartTesting

Damit das verbesserte Meldesystem und die beschleunigte Fallbearbeitung tatsächlich zum Tragen kommen können, braucht es aber auch zwingend eine deutlich höhere Entdeckungsquote. Denn nur dort, wo Infizierte gefunden werden, kann die Ermittlung und Nachverfolgung der Infektionsketten starten. Für die Eindämmung des Coronavirus ist es daher unerlässlich, möglichst viel zu testen, nicht nur spezifisch, sondern auch in der Breite und mit der gebotenen Schnelligkeit. Überdies ist es notwendig, dass bei positiven Befunden unverzüglich – also deutlich schneller als bisher – eine Risikobewertung durch die lokalen Gesundheitsbehörden und eine Meldung an das Robert-Koch-Institut stattfindet. Der Zeitverzug von einem Testwunsch bis zur finalen Meldung eines positiven Befundes an das RKI sollte bei Verdachtsfällen 60 Stunden nicht überschreiten. Die Kosten der Testungen sollten im Rahmen der Gefahrenabwehr vollständig vom Bund aus dem Haushalt getragen werden.

Kostenlose Tests für alle:
Jede Person bekommt das Recht, sich verdachtsunabhängig kostenlos auf Corona testen zu lassen. Sofern es nicht anders gewünscht wird, soll dabei stets auf eine aktive Corona-Infektion und auch auf eine überstandene Corona-Infektion getestet werden. Mehrfachtestungen einer Person sind ausdrücklich erlaubt. Die Tests können weiterhin bei Hausärzten durchgeführt werden, zusätzlich sollte es aber aufgrund der zu erwartenden Nachfrage auch kommunale Testeinrichtungen und mobile Testteams in jeder Region geben. Um eine missbräuchliche Nutzung zu verhindern, sind für die dortigen Tests allerdings Ausweisdokumente oder Ersatzbescheinigungen nötig und es findet eine zentrale Speicherung der Daten für 6 Monate bei den Gesundheitsbehörden statt.

Kommunale Testeinrichtungen:
Alle Landkreise und kreisfreien Städte werden verpflichtet, mindestens eine lokale Testeinrichtung zu schaffen, die jeden Tag, einschließlich sonntags, mindestens von 8 Uhr bis 20 Uhr für Tests zur Verfügung steht. Eine Angliederung z.B. in Containern an ein vorhandenes Krankenhaus erscheint hierbei zielführend. Tests sollen in diesen kommunalen Einrichtungen allerdings nur nach Terminvereinbarung stattfinden, sowohl um die Planbarkeit zu verbessern als auch um Warteschlangen zu vermeiden.

Mobile Testteams:
Für mobilitätseingeschränkte Menschen und andere Personen, die die Testeinrichtungen nur schwer erreichen können, z.B. Alleinerziehende ohne Auto, müssen von den Kommunen zusätzlich ausreichend mobile Testteams bereitgestellt werden, die an allen Wochentagen für die Durchführung von Corona-Tests zur Verfügung stehen.

24/7-Notfalltests:
Für epidemiologische Notfälle, z.B. bei einem Corona-Verdacht in einem Pflegeheim oder einer anderen Massenunterkunft, ist in allen Landkreisen und kreisfreien Städten rund um die Uhr ein mobiles Testteam vorzuhalten. Die Koordination kann die lokale Rettungsleitstelle übernehmen, die tagsüber auf die vorhandenen mobilen Testteams der Kommunen zurückgreift und in Randzeiten die schnelle Testung über den Rettungsdienst gewährleistet.

Bundesweite Hotline:
Das Bundesgesundheitsministerium schaltet 24/7 eine kostenlose Hotline für Bürgerinnen und Bürger, die einen Test durchführen wollen. Handelt es sich um keinen dringlichen Fall, z.B. einen Testwunsch vor dem Besuch der Großeltern, wird ein passender Termin in einer lokalen Testeinrichtung oder mit einem mobilen Testteam der jeweiligen Kommune vereinbart. In dringenden Fällen, wenn also ein Infektionsverdacht vorliegt – und seien es nur leichteste Symptome – soll hingegen ein Termin mit einem mobilen Testteam vereinbart werden, das maximal 18 Stunden später bei dieser Person ist und einen Test durchführt. Bis dahin soll sich die betreffende Person selbst isolieren. Bei einem Anruf um 17 Uhr soll also bis spätestens 11 Uhr des Folgetags eine Testung durchgeführt werden. Bei epidemiologischen Notfällen, also z.B. einer Symptom-Entwicklung bei Bewohnern oder Bediensteten eines Altenheims, muss es allerdings noch schneller gehen. Hier ist dann über die örtliche Rettungsleitstelle ein Notfalltest zu veranlassen, der unverzüglich stattzufinden hat.

Beschleunigte Test-Auswertung:
Die Landkreise und kreisfreien Städte haben ferner zu gewährleisten, dass Notfalltests unverzüglich ausgewertet werden, z.B. in den Laboren der örtlichen Krankenhäuser. Dringliche Tests sollen binnen 24 Stunden ausgewertet sein, nicht dringliche Tests binnen 42 Stunden. Bei einem nicht dringenden Test am Donnerstag um 16 Uhr soll das Ergebnis also spätestens am Samstag um 10 Uhr vorliegen. Sollte es beim Probentransport Engpässe geben, kann auch die Infrastruktur anderer Organisationen (Amtshilfe durch Polizei, Blutspende-Dienste, Feuerwehr) genutzt werden.

Meldung der Gesundheitsbehörden an das RKI:
Sobald positive Testergebnisse in den Gesundheitsämtern der Landkreise und kreisfreien Städte eingehen, sind diese binnen 18 Stunden zu erfassen, hinsichtlich der Gefahrenlage einzuschätzen und ergänzt um die oben beschriebenen Informationen zum Stand der Infektionskettenermittlung an das RKI zu melden.

Sofortige Gefahrenabwehr:
Ist eine Gefahrenlage erkennbar, z.B. eine Infektion in einer Tagespflege, sind unverzüglich Gegenmaßnahmen einzuleiten, z.B. die Durchführung von Notfalltests bei allen Betreuten und Angestellten der Einrichtung. Eine Gefahrenlage kann sich aber auch aus dem vermehrten Auftreten von Infektionsfällen innerhalb eines kurzen Zeitraums ergeben. Gibt es in einer Region mit ansonsten wenig Fällen zeitnah in einem Teilgebiet, z.B. einem kleinen Dorf oder in einem Stadtteil, drei oder vier positive Befunde mit unklarer Herkunft, ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es vor Ort zu einem bis dahin noch unbemerkten Infektionsgeschehen gekommen ist. Grundsätzlich gilt dabei, je geringer das Infektionsgeschehen in einer Region ist, umso mehr Aufmerksamkeit ist nötig und umso niedriger sollte die Interventionsschwelle sein.

Reihentests:
Regelmäßig getestet werden sollten alle Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen und mobilen Pflegediensten, außerdem Angestellte in Krankenhäusern und Arztpraxen inklusive Reinigungs- oder Kantinenpersonal. Zielführend kann es daneben sein, Personen mit einer hohen Kontaktzahl regelmäßig zu testen, z.B. in der Gastronomie, beim Handel oder im ÖPNV.
Auch an Schulen und Kitas sollten anlassbezogene und für den Besuch der jeweiligen Einrichtung zwingend erforderliche Tests durchgeführt werden, z.B. wenn es lokal ein bekanntes Ausbruchsgeschehen gibt oder wenn in einer Region vermehrt Fälle ungeklärter Herkunft auftreten. Auch ist eine Testung vor der Wiederaufnahme des Schul- oder des Kita-Betriebs nach Ferien sinnvoll. Zusätzlich sollten allerdings auch auf freiwilliger Basis Stichprobentests durchgeführt werden, z.B. jeden Tag bei einer anderen Schulklasse, sodass alle Schülerinnen und Schüler einmal im Monat getestet werden.

Aktualisiertes Nachwort

Da eine breitflächige Impfung erst weit im Laufe des nächsten Jahres möglich sein wird, wären die beschriebenen Verbesserungen noch immer zielführend. Und die zwischenzeitliche Verfügbarkeit von Schnelltests erlaubt es auch, ein solches SmartTesting-Konzept zügig zu etablieren. Neu kommt allerdings hinzu, dass mit den verfügbaren Schnelltests auch die Durchführung von Massentests in Regionen mit hohem Infektionsgeschehen realistisch wird. Eine solche Erweiterung des Test-Regimes sollte daher direkt mitgedacht werden.


Text als PDF: Ein flächendeckendes schnelles Test- und Meldesystem für den Corona-Winter


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Lagebeurteilung:

Globale Corona-Lage:
In den USA und Kanada steigt die Zahl der Neuinfektionen seit September von unterschiedlichem Niveau aus wieder an. Ebenso in Russland und dem Iran. In Ostasien – Japan, Südkorea, Philippinen – sind nach einer Welle im August die Zahlen wieder etwas niedriger, aber ebenfalls höher als im Sommer. Die Corona-Herbstwelle ist auf der Nordhalbkugel mit voller Wucht angekommen!
In Süd- und Mittelamerika entspannt sich hingegen die Situation in den allermeisten Ländern, ebenso in Südafrika, Australien und Neuseeland. Argentinien, das sehr gut durch den Winter kam, hat inzwischen allerdings einen deutlichen Anstieg der Neuinfektionen zu verzeichnen.

Die Corona-Lage in Mittel- und Westeuropa:
Mittel- und Westeuropa hat mit einer massiven Corona-Herbstwelle und einem mehr oder weniger unkontrollierten Infektionsgeschehen zu kämpfen. Insbesondere Frankreich, Spanien und Großbritannien, sowie Tschechien, Belgien und die Niederlande, aber auch Schweden, die Schweiz und inzwischen auch Polen verzeichnen ein erhebliches Infektionsgeschehen. In den meisten Ländern ist allerdings die Zahl der schweren Covid-19-Fälle zumindest bislang deutlich geringer als im Frühjahr [1]. Bis in den November erwarte ich daher keine flächendecke Überforderung der Gesundheitssysteme in West- und Mitteleuropa. In einzelnen Regionen, z.B. in Tschechien mit zuletzt (12.10.2020) 467 Personen in intensivmedizinischer Betreuung [2] [3], steht allerdings tatsächlich zu befürchten, dass das Gesundheitswesen der steigenden Zahl an schweren Fällen mit intensivmedizinischem Betreuungsbedarf in nächster Zeit nicht mehr überall vollumfänglich gerecht werden kann [4]. Sollte dies der Fall sein, haben die weniger betroffenen Länder die Pflicht zu helfen. Ich bin mir sicher, Europa ist inzwischen gut genug vorbereitet, um im europäischen Miteinander ein solches Geschehen wie im Frühjahr in Norditalien zu verhindern.

Gleichwohl muss man sich bewusst machen, dass Europa mit seiner Altersstruktur in den nächsten Monaten vor einer gewaltigen Herausforderung steht. Sofern die Herbst- und Winterwelle nicht deutlich gebremst oder gebrochen wird, wird jedes Gesundheitssystem in Europa auf eine massive Belastungsprobe gestellt. Der Reproduktionsfaktor muss daher früher oder später mindestens wieder auf R = 1 gesenkt werden. Die Frage ist hierbei also nicht ob, sondern nur wann das geschieht. Denn spätestens wenn der Winter wirklich da ist, wird sich die Lage nach meiner Einschätzung noch einmal erheblich zuspitzen. Maßnahmen, deren Wirkung im Moment für ein R = 1 reichen würden, könnten möglicherweise im Dezember und Januar – das Weihnachtsfest, Silvester und die kälteste Jahreszeit stehen vor der Tür – zu schwach sein, um das zu schaffen. Das gilt europaweit und entsprechend logisch ist es, dass die ersten EU-Länder bereits in einen erneuten Lockdown gehen [5] [6]!

Die Corona-Lage in Deutschland:
Allen Unkenrufen – gelegentlich auch meinerseits – zum Trotz, ist Deutschland so gut aufgestellt wie kaum ein anderes Land. Noch klappt die Nachverfolgung von Infektionsketten einigermaßen gut und rund 20% der Bundesbürger nutzen die CoronaWarnApp, die zwar kein Glanzstück ist, aber zumindest einen Teil dazu beiträgt, dass sich Personen, die sich möglicherweise infiziert haben, testen lassen. Ähnliches gilt für die recht breitflächige Testung und Testkapazitäten von über einer Million Hochleistungs-PCR-Tests pro Woche, die übrigens nur in seltenen Ausnahmefällen ein falsches Resultat liefern und nicht, wie oft behauptet, bis zu einem Prozent falsch-positive Ergebnisse verursachen.
Seit dem Frühjahr wurde die Zahl der wöchentlich durchgeführten Tests hierzulande deutlich erhöht, weshalb davon auszugehen ist, dass wir einen guten Überblick über die Infektionslage haben. Das Phänomen der Testscham sowie die Verlagerung in jüngere Altersgruppen, die schlicht nicht merken, dass sie infiziert sind, könnten allerdings gegenläufige Effekte darstellen, sodass ohne tiefergehende Analyse eine Aussage über die absolute Entwicklung der Dunkelziffer unseriös wäre.

Ein großer Trumpf der hiesigen Strategie ist daher sicherlich das regionale Vorgehen anhand festgelegter Grenzwerte. Auf der einen Seite ermöglicht dies die nötige Flexibilität, auf der anderen Seite schafft es aber einen klaren und verständlichen Rahmen, ab wann Reaktionen erfolgen. Das macht es für alle Seiten leichter nachvollziehbar, warum an manchen Orten schärfere Maßnahmen getroffen werden müssen als an anderen, und es schafft auch eine gewisse Planbarkeit. Den Grenzewert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner für die Einstufung als Risikogebiet halte ich dabei weiterhin für angemessen. Das entspricht immerhin bundesweit 40.000 Neuinfektionen pro Woche und wenn der Grenzwert irgendwo gerissen wird, dann ja nur selten punktgenau.
Der klare Grenzwert und die Fokussierung auf die Zahl der Neuinfektionen – sie ist vielleicht nicht so präzise, dafür allerdings vergleichsweise schnell und sehr zuverlässig verfügbar – bringt im föderalen System einen weiteren Vorteil mit sich: Jede Landesregierung versucht, dass ihr Bundesland oder ihre Stadt nicht die Poleposition beim Infektionsgeschehen inne hat – Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.

Das Gesundheitssystem ist nach meiner Einschätzung aktuell nicht stärker belastet als außerhalb der Corona-Zeit. Die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen beträgt mit 602 am 14.10.2020 um 12:15 Uhr etwa ein Fünftel dessen, was wir im Frühjahr im Maximum gesehen haben. Im Vergleich zur Vorwoche hat die ICU-Belegung um etwa 130 Patienten zugenommen. Diese Zunahme im Vergleich zur Vorwoche setzt sich zusammen aus täglich etwa 90 Covid-19-Patientenaufnahmen auf deutschen Intensivstationen abzüglich etwa 400 in stabilem Zustand entlassen ICU-Patienten sowie rund 100 verstorben Intensivpatienten in der vergangenen Woche.
Würden morgen alle Infektionen unterbunden, würde die Herbstspitze nach meiner Einschätzung nicht über 60% der Frühjahrsspitze kommen. Umgekehrt erwarte ich bei einem weiter in der jetzigen Geschwindigkeit steigenden Infektionsgeschehen, dass im November, allerspätestens im Dezember in etwa dieselbe Lage auf den Intensivstationen wie im Frühjahr erreicht wird. Und dann kommen wir natürlich auch in Deutschland in eine Situation, die zwischen den Jahren deutliche Einschränkungen erforderlich machen würde. Der Umkehrschluss sollte daher sein, dass wir dringend versuchen sollten, vor die Welle kommen, um im Dezember und Januar einigermaßen ruhig ins neue Jahr zu starten.

Welche zusätzlichen Maßnahmen sollten ergriffen werden:

Festlegung von Hochrisikogebieten:
Neben Risikogebieten, die weiterhin ab einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 50 bestätigten Neuinfektionen je 100.000 Einwohner ausgewiesen werden sollten, halte ich einen zweiten Grenzwert und die Einstufung als Hochrisikogebiete ab einer 7-Tages-Inzidenz von 100 bis 150 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner für sinnvoll. Man kann da auch sagen, der Grenzwert muss 5 der letzten 7 Tage überschritten worden sein. Es wäre eine einfache und klar verständliche zweite Grenze, an die sich dann weitere, nochmals verschärfte Maßnahmen anschließen können.

Sperrstunden / Ausweitung der Maskenpflicht:
Eine bundesweite Maskenpflicht in allen Innenräumen außer der eigene Wohnung, inklusive Gängen und Aufzügen in Mehrfamilienhäusern, sollte spätestens ab einer 20er- oder 30er-Inzidenz eingeführt werden. Im gewerblichen Bereich – Einzelhandel, Restaurants, Bars, Fitnesscenter – sollte diese überall gelten, außer „am Platz“ und bei anderen geeigneten Hygienekonzepten (z.B. Plexiglas im Kassenbereich). Die Maskenpflicht soll sich dabei auch explizit auf den Eingangsbereich vor Geschäften, Restaurants oder Wohnhäusern erstrecken. Das Gleiche soll für alle übrigen Arbeitsplätze in Innenräumen gelten, sofern kein abgesegnetes Hygienekonzept vorliegt. Hingegen sollte bis auf Ausnahmefälle auf eine Maskenpflicht im Freien verzichtet werden, um die Menschen nicht unnötig in Innenräume zu drängen.
Bei überschreiten der 50er-Grenze sollte eine Sperrstunde ab 22 oder 23 Uhr gelten. Hier wäre dann vorstellbar, parallel auch eine Maskenpflicht beim Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen bis zum Morgen einzuführen. Hochrisikogebiete sollten auf die Öffnung von Bars und Restaurants grundsätzlich verzichten. Eine Maskenpflicht für den Aufenthalt im öffentlichen Raum – z.B. Warten an der Bushaltestelle, nicht aber der kurze Weg zum Nachbarhaus oder zum Auto – sollte dann entsprechend gelten.

Reihentestung in Alten- und Pflegeheimen:
Sobald die von Jens Spahn angekündigten Schnelltests verfügbar sind, sollte das Personal in Pflegeheimen arbeitstäglich vor dem Arbeitsbeginn mit diesen getestet werden. Gepaart mit den sonstigen Schutzmaßnahmen sollten damit Infektionen in den Alten- und Pflegeeinrichtungen deutlich reduziert werden. Gleiches gilt für die Beschäftigten in der mobilen Pflege sowie das gesamte Gesundheitswesen. Insgesamt besteht in Deutschland für eine umfängliche Testung ein Bedarf von 50 Mio. bis 100 Mio. Schnelltests pro Woche. Dies bedeutet, dass bei den aktuell verfügbaren Tests je nach Qualität eine PCR Nachtestung von 1 – 8 Mio. Tests nötig wäre, um die Schnelltestbefunde zu verifizieren. Damit wird deutlich, dass im Bereich der PCR-Testung die Kapazitäten zwingend nochmals gesteigert werden müssen, wenn wir wollen, dass die Schnelltests auch wirklich einen Wert haben. Wenn – wie Christian Drosten das in seinem Podcast mal sagte – Pooltests von 5 Proben im Rahmen des Möglichen liegen, sollte das jetzt forciert werden. Auch sollte eine Ausweitung der meines Wissens nach schon vorhandenen Unterstützung durch die Labordiagnostik aus dem Veterinärbereich in Betracht gezogen werden.

Testpflicht bei allen Reisen aus inländischen Risikogebieten sowie Ein- und Ausreisen aus Deutschland:
Sobald! die kostengünstigeren Antigen-Schnelltests in ausreichendem Maße verfügbar sind, sollten im Prinzip alle innerdeutschen Reisenden aus Gebieten mit mehr als 50 Infektionen je 100.000 Einwohner getestet werden. Das gilt für Berufspendler wie Tagesausflügler oder Urlauber. Entsprechend sollten diese Tests in Risikogebieten dann ausreichend, breitflächig sowie kostenlos angeboten werden können und auch überall sonst in Deutschland für einen geringen Betrag, zentral an Teststationen, erhältlich sein. Bei einem positiven Test erfolgt dann natürlich sofortige Quarantäne und ein umgehender PCR-Nachtest, der binnen 24 oder 58 Stunden vorliegen sollte. Eine ähnliche Regelung wäre auch für Einreisende aus dem Ausland sinnvoll und – europäisch gedacht – natürlich auch für Ausreisende aus einem unserer Corona-Hotspots. Damit es dabei aber nicht wieder zu Grenzproblemen kommt, sollte klarer kommuniziert, dass es nur um eine Schnelltestpflicht geht, und auch der Güterverkehr sowie jene, die in den direkt angrenzenden Regionen wohnen, sollten wieder ohne Test einreisen dürfen. Es sollte aber natürlich jedem beim Grenzübertritt für eine geringe Gebühr angeboten werden, sich testen zu lassen.

Ferien kurz halten und eventuell frühzeitig absagen:
Eine Idee könnte sein, bis März weitestgehend auf Ferien zu verzichten. Das wäre dann fest planbar für alle und man könnte in dieser Zeit an Schulen etwas von dem aufholen, was in 2020 nicht geschafft wurde. Die Frage, ob das in Präsenz- oder Fernunterricht stattfinden sollte, kann im Nachgang, zum Beispiel anhand der Risikoeinstufung einer Region, entschieden werden. Das muss auch nicht zwingend bundeseinheitlich sein.

Wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen für die kommenden Monate:
Beherbergungsbetriebe sollten einen Zuschuss erhalten, der sich nach der Auslastung der letzten drei Jahre richtet. Messebauer, Schausteller, Kinos, Kulturschaffende, Reisebüros und andere sind wegen der pandemiebedingten Umsatzausfälle ebenfalls angemessen zu unterstützen. Der durchschnittliche Umsatz der Vorjahre sollte dabei Richtschnurr für die Hilfe sein. Je nach Branche sollte der Umsatz dann anteilig als nicht zurückzuzahlender Zuschuss gewährt werden, z.B. 10%. Nicht sinnvoll erscheint hingegen ein reines Abstellen auf die bisherigen Steuerzahlungen, da eine solche Hilfe an den kleinen Gewerbetreibenden im Land am ehesten vorbeiginge.

Ergänzungen:

Ergänzende Abschätzung des Erkrankungsgeschehens:
Ich bin zwar kein Mediziner, allerding ein leidenschaftlicher Heuristiker und recht gut geübt in Datenanalysen. Meine Prognose der zu erwartenden Erkrankungszahlen, die ich im April entwickelt und bis Juni verfeinert habe, ist so simpel wie treffsicher, dass ich sie hier kurz darlegen will. Die einzige getroffene Annahme ist, dass nach den ersten sieben Folgetagen 50% jener Erkrankungen gemeldet sind, die insgesamt für diesen einen Tag gemeldet werden. Die Zahl 50% ist dabei keine grobe Näherung, sondern nach einem ersten Ansatz mit 55% und einem zweiten mit 52% seit Juni ganz bewusst gewählt. Auch wenn es für einzelne Tage nicht genau stimmt, im 7-Tages-Schnitt, liegt meine rote Prognose-Kurve, die tatsächlich einzig auf der Formel „Erkrankungs-Meldungen der ersten Wochen * 2“ aufbaut, frappierend eng an den tatsächlichen Erkrankungs-Meldungen, die bislang beim RKI eingegangen sind. Und die Zahlen im Juli ändern sich inzwischen auch nicht mehr wirklich. Ich kann nicht erklären, warum diese Formel so gut passt, ich kann nur sagen, dass sie seit Monaten, wenn man vom Tönnies-Ausschlag im Juni absieht, nahezu perfekt passt. Entsprechend gehe ich leider aber sehr überzeugt von einem starken Anstieg der Erkrankungszahlen in den nächsten Wochen aus.

Reproduktionszahl:
Auf Basis des vorgenannten Prognose-Models berechne ich seit April ein 7-Tages-R. Begonnen hatte ich damit, weil das RKI zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich ein sehr stark schwankendes 4-Tages-R veröffentlichte. Legt man meine Prognose auf Basis des 7. Folgetages auf das inzwischen vom RKI ebenfalls geschätzte 7-Tages-R (Prognose vom 4. Folgetag), wirkt mein R-Wert wie eine Glättung der RKI-Werte. Beide Werte werden dabei allerdings, wie dargestellt, mit ganz unterschiedlichen Prognose- und Berechnungsmodellen ermittelt. Die damit einhergehende Redundanz der statistischen Aussage erlaubt mir die Annahme, dass wir im bundesschnitt aktuell eine deutlich über eins liegende Reproduktionszahl (R > 1) haben.


Corona-Epidemie in Deutschland: Aktuelle Lage (6.5.) in Zahlen und Grafiken
(www.mister-ede.de – 06.05.2020)

Die Pandemie verschlafen: Jeder zweite Corona-Infizierte außerhalb Chinas ist in der EU (www.mister-ede.de – 10.03.2020)

Wie wird sich die Corona-Pandemie in Deutschland, Europa und der Welt weiterentwickeln? (www.mister-ede.de – 31.03.2020)


[1] Übersicht der täglichen oder wöchentlichen ICU-Meldungen in Europa durch das European Centre for Disease Prevention and Control -> https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/download-data-hospital-and-icu-admission-rates-and-current-occupancy-covid-19

[2] Tagesschau-Meldung vom 30.09.2020 „Tschechien und Slowakei im Notstand“ -> https://www.tagesschau.de/ausland/corona-tschechien-notstand-101.html

[3] Dashboard des Tschechischen Gesundheitsministerium -> https://onemocneni-aktualne.mzcr.cz/covid-19/prehled-hospitalizaci

[4] Heise-Artikel vom 25.9. zur ICU-Auslastung in Europa -> https://www.heise.de/tp/features/Wie-ausgelastet-sind-die-Intensivstationen-4912024.html

[5] WDR-Bericht vom 14.10.2020 über anstehenden Lockdown in den Niederlanden -> https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/niederlande-verschaerfen-corona-regeln-100.html

[6] NZZ-Artikel vom 9.10.2020 zu Lockdown in Brüssel -> https://www.nzz.ch/panorama/belgien-bruessels-massnahmen-gegen-steigende-corona-fallzahlen-ld.1580860

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https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102/feed 0
Corona-Epidemie in Deutschland: Aktuelle Lage (6.5.) in Zahlen und Grafiken https://www.mister-ede.de/politik/corona-lage-deutschland/9060 https://www.mister-ede.de/politik/corona-lage-deutschland/9060#comments Wed, 06 May 2020 17:51:08 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9060 Weiterlesen ]]> Der RKI-Tagesbericht vom 5. Mai weist für das DIVI-Register an diesem Tag unter 2.000 durch COVID-19-Erkrankungen belegte Intensivbetten aus. Das ist ein deutlicher Rückgang zu Anfang April mit ca. 3.000 belegten Betten. Als freie Kapazität sind zum jetzigen Zeitpunkt über 12.000 solcher Intensivbetten gemeldet. Eine Überlastung der Intensivkapazitäten in den nächsten Wochen ist damit aktuell nicht zu erwarten. Noch deutlich stärker als die Zahl der intensivmedizinisch betreuten Personen ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen gesunken. Im 7-Tages-Schnitt kommt Deutschland auf täglich rund 1.000 Neuinfektionen, bislang mit klar sinkender Tendenz.

Diese Tendenz kann sich natürlich durch die neuen lockereren Rahmenbedingungen in nächster Zeit ändern. Aber selbst wenn die Reproduktionszahl auf 1,3 steigt, was einem täglichen Anstieg der Neuinfektionen von rund 5% entspricht, würde Deutschland erst nach 5, 6 Wochen wieder dort stehen, wo es in den bisherigen Spitzenzeiten der Corona-Epidemie Anfang April war. Und auch vor einem Monat stand das Gesundheitssystem ja nicht strukturell vor einem Kollaps, sondern es gab lediglich einen Mangel an Ausrüstung, der inzwischen weitestgehen behoben zu sein scheint. Die Lage hat sich damit ganz klar entspannt.

Weiterhin gibt es allerdings erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, wobei eine allmähliche Angleichung stattfindet. Insbesondere die stärker betroffenen Bundesländer konnten während des Shutdowns das Infektionsgeschehen breitflächig eindämmen. Umgekehrt verzeichnet aktuell Mecklenburg-Vorpommern, das bislang kaum Fälle hatte, einen leichten Anstieg. Dieser müsste jedoch gute ein bis zwei Monate anhalten, damit das Bundesland an den aktuell auch schon niedrigen, aber noch immer fünfmal höheren Bundesschnitt bei den Neuinfektionen herankommt.

Gerade in den schwächer betroffenen Flächenländern ist das Infektionsgeschehen weiterhin vor allem durch lokale Ausbrüche geprägt. So kommt es immer wieder in einzelnen Einrichtungen, z.B. in Pflegeheimen oder Krankenhäusern, oder auch in einzelnen Regionen zu einem deutlich vom Durchschnitt abweichenden Infektionsgeschehen. Exemplarisch wird hier die teils sehr unterschiedliche Entwicklung in den verschiedenen Kreisen des Dreiländerecks NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz dargestellt. Solche Unterschiede sind allerdings keine Seltenheit, sondern Kennzeichen des aktuell niedrigeren Infektionsgeschehens.

Während beim anfänglich erheblichen Seuchenausbruch solche lokalen Ereignisse in der Masse der Fälle untergegangen sind, machen diese inzwischen einen größeren Anteil des Infektionsgeschehens aus. Damit bleibt das Bild über das tatsächliche Infektionsgeschehen bundesweit diffus, auch wenn das Licht am Ende des Tunnels allmählich erkennbar wird. Was im einen Landkreis gilt, kann im Nachbarlandkreis schon wieder ganz anders aussehen. Weiterhin muss daher ein adäquates regionales Monitoring aufgebaut werden mit regelmäßigen Stichproben und einem Frühwarnsystem für den Fall, dass sich irgendwo Hotspots des Infektionsgeschehens entwickeln. Weitere Lockerungen unter Auflagen sind daher vertretbar, sollten allerdings besonders jene Bereiche umfassen, aus denen nur ein geringes zusätzliches Risiko resultiert, z.B. Lockerungen für Kleingruppen und Familien. All das, was viele Menschen anzieht, also Theater, Profifußball, Außer-Haus-Gastronomie, sollte hingegen erst nach einer sorgfältigen Überprüfung der Auswirkungen der jetzigen Öffnungen im Einzelhandel und bei Schulen in Betracht gezogen werden.


Text als PDF: Corona-Epidemie in Deutschland: Aktuelle Lage (6.5.) in Zahlen und Grafiken


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Corona-Pandemie: Empfehlungen zum weiteren Vorgehen in Deutschland https://www.mister-ede.de/politik/corona-empfehlung-deutschland/8984 https://www.mister-ede.de/politik/corona-empfehlung-deutschland/8984#comments Fri, 17 Apr 2020 13:46:02 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8984 Weiterlesen ]]> Aktuelle Lage

Seit Anfang April ist bundesweit, bei regionalen Unterschieden, ein Rückgang der bestätigten Neuinfektionen festzustellen. Nachdem gleichzeitig in diesem Zeitraum die Testkapazitäten ausgebaut wurden und entsprechend mehr und schneller getestet wird, ist davon auszugehen, dass dieser Rückgang nicht nur statistisch ist, sondern tatsächlich stattfindet. Die positive Nachricht ist daher zunächst, dass wir in Deutschland in der Lage sind, die Ausbreitung des Coronavirus bei weitestgehender Aufrechterhaltung der Produktion unter Kontrolle zu behalten.
Die aus den Meldezahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) ermittelte tägliche Abnahme von 3 bis 4 Prozent ist allerdings so gering, dass eine Entwarnung keinesfalls angebracht ist. Im Gegenteil: Dass trotz der verschiedenen, zum Teil sehr strikten Maßnahmen – in Bayern gilt seit über drei Wochen eine harte Ausgangssperre – die Fallzahlen nur so marginale zurückgehen, ist ziemlich ernüchternd.
Überdies gibt es große regionale und lokale Unterschiede, die eine pauschale Bewertung der Lage unmöglich machen. Während Bayern und das Saarland aktuell im Schnitt noch täglich 6 bis 7 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner melden, liegt dieser Wert in NRW bei etwa 3,5 und in Mecklenburg-Vorpommern bei nur 0,5. Damit ist das Infektionsgeschehen in Bayern und dem Saarland noch immer über zehnmal höher als an der Ostseeküste.

Zu den regionalen Unterschieden zwischen den Bundesländern kommen aber auch noch erhebliche lokale Unterschiede hinzu. So weist das RKI für den hiesigen Kreis Siegen-Wittgenstein aktuell eine 7-Tages-Corona-Aktivität von 12,2 Fällen je 100.000 Einwohner aus, während die 7-Tages-Corona-Aktivität im strukturell völlig vergleichbaren Nachbarkreis Olpe laut RKI aktuell bei 87,6 Fällen je 100.000 Einwohner liegt. Bezogen auf die täglichen Neuinfektionen bedeutet das für den Kreis Olpe rund 18 Fälle je 100.000 Einwohner, was NRW-weit der mit Abstand höchste Wert ist und problemlos mit den Fallzahlen in den stark betroffenen Regionen Süddeutschlands mithalten kann.

Regionalisierung der Schutzmaßnahmen

Neben bundesweiten und flächendeckenden Maßnahmen braucht es künftig deutlich mehr regionalspezifische Ansätze, die an die jeweiligen Rahmenbedingungen und das jeweilige Infektionsgeschehen angepasst sind. Denn während mancherorts die Lockerung der getroffenen Schutzvorkehrungen durchaus angebracht erscheint, könnte selbiges nur wenige Kilometer entfernt zum Brandbeschleuniger in einer laufenden Epidemie werden.
Bundesweite Regelung bedarf es insofern vor allem für das Verbot von Großveranstaltung und die Beschränkung der Reisefreiheit, z.B. das Verbot touristischer Busreisen, die Einschränkung des überregionalen ÖPV oder gegebenenfalls ein Ausreiseverbot aus stark betroffenen Bundesländern in das übrige Bundesgebiet. Auch was das allgemeine Verhalten im öffentlichen Raum anbelangt, machen bundesweite Regelungen Sinn, um Verwirrungen vorzubeugen.
Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit kleinerer Gruppen, der Erlass von Ausgangssperren oder der Umgang mit dem Schul- und KiTa-Betrieb sollten hingegen weitestgehend den Bundesländern oder den kommunalen Gebietskörperschaften überlassen werden, so wie das vom Infektionsschutzgesetz sinnvoller Weise bereits vorgesehen ist. Dasselbe gilt für die Frage, inwieweit und unter welchen Bedingungen Geschäfte geöffnet sein können, auch wenn hier eine Abstimmung zwischen benachbarten Regionen ratsam ist, um ungewollte Effekte beispielsweise an Landesgrenzen oder gegebenenfalls auch an Kreisgrenzen zu vermeiden.
Notwendig für eine solche Regionalisierungsstrategie ist jedoch ein entsprechendes Monitoring durch flächendeckende, engmaschige und zeitnahe Tests. Denn nur wenn es tatsächlich gelingt, Infektionsherde frühzeitig zu identifizieren, kann man die Eindämmungsmaßnahmen zielgerichtet und zeitlich begrenzt in diesen Gebieten durchführen, anstatt pauschal das öffentliche Leben überall und dauerhaft einschränken zu müssen.

Mundschutzpflicht

Zu den bundesweiten Maßnahmen kann eine Mundschutzpflicht im ÖPV (Bus, Zug, Flugzeug), in Geschäften oder sonstigen Innenräumen gehören. Gleichzeitig muss aber energisch dem Spin der Medien oder auch des Leopoldina-Präsidenten Haug widersprochen werden, dass mit einer Mundschutzpflicht eine Rückkehr zur Normalität möglich werden würde. Wenn Haug bereits wieder von vollgepackten U-Bahnen spricht, dann ist das geradezu absurd, denn es muss um das genaue Gegenteil gehen, also U-Bahnen und ähnliches möglichst leer zu halten.
Zwar ist das Tragen eines Mundschutzes sehr zu begrüßen, weil es das Ansteckungsrisiko unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen vermutlich verringert. Aber ob ein Mundschutz, womöglich auch nur ein Schal, in einem vollbesetzten Bus wirklich verhindert, dass sich irgendjemand ansteckt, kann man zumindest anzweifeln. Wenn also gleichzeitig zu der Einführung einer Mundschutzpflicht andere Schutzvorkehrungen reduziert werden, der Einzelne also beispielsweise wieder die U-Bahn nimmt, anstelle des Fahrrads, dann ergibt das in der Summe nicht mehr Ansteckungsschutz, sondern umgekehrt ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko. Insofern ist eine Mundschutzpflicht zwar ratsam, sie kann aber nur als Ergänzung zu anderen Maßnahmen und nicht als Ersatz für diese dienen.

Wiederöffnung des Einzelhandels

Nachdem Supermärkte und andere Geschäfte des täglichen Bedarfs während des Shutdowns geöffnet hatten, konnte man hier bereits erste Erfahrungen mit Zugangsbeschränkungen, Plexiglas in Kassenbereichen und Abstandsregeln sammeln. Und nach meinem Kenntnisstand gibt es bislang keine Anzeichen dafür, dass Einkaufsgeschäfte unter solchen Schutzbedingungen zu den wesentlichen Übertragungsorten des Coronavirus gehören. Das sieht bei Bars und Kneipen, in Pflegeheimen und vor allem natürlich innerhalb der Familien ganz anders aus. Insofern spricht aber viel dafür, die Wiederöffnung des Einzelhandels unter denselben Schutzvorkehrungen wie in den bislang schon geöffneten Läden zu ermöglichen.
Die in dieser Woche getroffenen Verabredungen der Bundes- und der Landesregierungen gehen daher in die richtige Richtung. Fraglich ist allerdings, ob die Beschränkung auf kleinere Geschäfte wirklich zielführend ist. Zum einen wird sich dadurch das Einkaufsgeschehen auf weniger Verkaufsfläche abspielen. Zum anderen fehlt es an einem hinreichenden Sachgrund für die willkürliche Grenzziehung. Warum nämlich das Ansteckungsrisiko in riesigen Möbelhäusern höher sein soll wie in einem kleinen Juweliergeschäft, dürfte mit den Mitteln der Logik nur äußerst schwer zu erklären sein.
Besser geeignet als eine feste Höchstgrenze für die Verkaufsflächen wäre deshalb eine Regelung, die auf Kunden je Quadratmeter abstellt. Damit wäre dann vermutlich sowohl dem Gesundheitsschutz wie auch den Einzelhändlern gedient.

Strikte Ausgangssperre vs. lockerere Kontaktbeschränkung

Wenn man sich die Entwicklung der Neuinfektionen in den Bundesländern anschaut, ist zu erkennen, dass die striktere Ausgangssperre in Bayern keinen höheren Effekt hat als die etwas lockereren Kontaktbeschränkungen im Rest der Republik. Das ist auch wenig verwunderlich, da sich die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger schon von sich aus vernünftig verhält und außerdem durch den weitgehenden Shutdown sowieso viele Aktivitäten gar nicht mehr möglich sind. Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, welche Ansteckungsgefahren reduziert werden sollen, indem man Menschen verbietet, auf einer Parkbank zu sitzen oder auf einer Wiese zu liegen und ein Buch zu lesen.
Künftig braucht es deshalb eine deutlich stärkere Orientierung am Ziel der Kontaktreduktion. Natürlich kann in besonders stark betroffenen Gebieten eine lokal begrenzte Ausgangssperre zielführend sein, um kurzzeitig wirklich jegliches öffentliches Leben stillzulegen. Im Allgemeinen ist es aber völlig ausreichend, die Ansammlung größerer Menschengruppen zu unterbinden, wie es durch die lockereren Kontaktbeschränkungen geschieht. Als Richtwert für eine bundesweite Regelung erscheint eine Obergrenzen für Gruppen zwischen 4 und 8 Personen sinnvoll. In stärker betroffenen Bundesländern sollte jedoch weiterhin die 2-Personen-Regelung gelten. Die flächendeckende strikte Ausgangssperre in Bayern muss hingegen mangels Wirksamkeit sofort gelockert und in eine mildere Kontaktbeschränkung umgewandelt werden.

Alten-, Behinderten-, Krankenpflege

Noch immer steht Deutschland, genauso wie Europa und die gesamte Welt, vor dem Problem, dass es nur wenige – faktisch oft keine – effektiven Maßnahmen gibt, die vor Ansteckungen im Pflegebereich schützen. Während man auf Kneipenbesuche verzichten und in Supermärkten und anderen Geschäften relativ leicht Abstand halten kann, handelt es sich im Bereich der Pflege um notwendige Kontakte, bei denen die räumliche Nähe meist zwingend ist. Genau jene Regeln, also die Kontaktreduktion und das Abstand halten, die in der restlichen Gesellschaft effektiv und vergleichsweise effizient den Reproduktionsfaktor R auf einen Bruchteil senken, laufen im Pflegebereich komplett ins Leere. Umso wichtiger ist es daher, die übrigen physischen und präventiven Schutzmöglichkeiten in diesem Bereich vollständig auszuschöpfen.
Das heißt, dass bei der stationären Pflege in Richtung Ganzkörperschutzanzüge und Desinfektionsanlagen vor den Einrichtungen gedacht werden muss, damit von Pflegekräften über Reinigungspersonal und sonstige Angestellte bis zu Besucherinnen und Besuchern wirklich jeder nur noch vollständig abgeschirmt und 100% virenfrei in Krankenhäuser, Altenheime oder sonstige Pflegeeinrichtungen gelangt. Auch in der mobilen Alten- und Krankenpflege müssen solche Schutzmaßnahmen entwickelt werden. Daneben müssen Pflegende wie auch Gepflegte zur Prävention regelmäßig auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet werden, um die Ansteckungsgefahren für die Hochrisikogruppe der Gepflegten so gering wie möglich zu halten. Das gilt allerdings nicht nur in der stationären und der mobilen gewerbsmäßigen Pflege, sondern insbesondere auch für die private Pflege innerhalb der Familie.
Bislang ist mein Eindruck aber leider, dass der Pflegebereich kaum Beachtung findet. Anstatt die Mundschutzpflicht im ÖPNV rauf und runter zu diskutieren oder zu überlegen, ob man 18-Jährige Abiturienten für 3 Stunden mit ausreichend Abstand in einen Raum setzen darf, sollte vielmehr der Schutz dieser schwächsten und zugleich gefährdetsten Gruppe unserer Gesellschaft in den Blick genommen werden.

Schulen und Kitas

Während es in Kitas unmöglich sein dürfte, die für einen Ansteckungsschutz notwendigen Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen einzuhalten, sollte dies bei oberen Klassenstufen grundsätzlich funktionieren. Eine einheitliche Regelung von den jüngsten Kita-Kindern bis zu den Abiturientinnen und Abiturienten kann insofern aber nicht zielführend sein.
In Kitas sollte deshalb vorerst weiter auf einen Notbetrieb gesetzt werden, wohingegen an Schulen durchaus wieder einige Aktivitäten durchgeführt werden können. Sinnvoll erscheint hierbei, zunächst mit den Abschlussklassen zu beginnen, während der Unterricht für die restlichen Klassenstufen weiterhin ausgesetzt bleibt. Damit stünden jetzt für die Abschlussklassen genügend Lehrkräfte und Räume zur Verfügung, um den Schulunterricht und die Prüfungsvorbereitungen in kleineren Gruppen mit dem nötigen Abstand fortzusetzen. Gelänge es auf diese Weise, die Abschlussprüfungen zu Ende zu führen, stünden im Anschluss wiederum für die restlichen Klassenstufen mehr Kapazitäten zur Verfügung. Gegebenenfalls könnte dann durch eine Verlängerung des aktuellen Schuljahres, verkürzte Sommerferien und einen späteren Beginn des nächsten Schuljahres ein Teil der verlorenen Lernzeit wieder aufgeholt werden.
Gleichwohl wird man auch bei diesem Vorgehen nicht ohne flankierende Maßnahmen auskommen, sobald die übrigen Klassenstufen wieder zur Schule gehen. Um das Ansteckungsrisiko ab diesem Zeitpunkt auf einem Minimum zu halten, sollte daher zumindest an weiterführenden Schulen ein Teil des Präsenzunterrichts durch E-Learning-Einheiten substituiert werden. Auch Schichtunterricht oder zeitversetzte Pausen können dazu beitragen, die Zahl der Kontakte und damit auch das Infektionsrisiko zu reduzieren.

Zusammenfassung

Nachdem es eine Vielzahl lokaler Infektionsgeschehen gibt, ist eine Regionalisierung der Maßnahmen zwingend erforderlich. Nur so ist es möglich, die verschiedenen flächendeckenden Einschränkungen zurückzunehmen, ohne damit die Gefahr von Infektionen zu erhöhen. Daneben muss das Augenmerk vielmehr auf dem Schutz der Risikogruppen liegen, insbesondere den pflegebedürftigen Personen. Während große Menschenansammlungen bundesweit für längere Zeit nicht möglich sein werden, erscheint eine moderate Lockerung der Kontaktsperre für Kleingruppen zumindest in schwächer betroffenen Regionen vertretbar. Selbiges gilt für die Wiederöffnung des Einzelhandels und die Beschulung der Abschlussklassen. Überdies kann eine Mundschutzpflicht in Innenräumen eine gute Ergänzung zu anderen Schutzmaßnahmen sein.


Text als PDF: Corona-Pandemie: Empfehlungen zum weiteren Vorgehen in Deutschland


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Eine Ursache hierfür sind die grundsätzlichen Probleme, die sich aus diesem speziellen Katastrophen-Ereignis ergeben. Das Coronavirus selbst ist nicht wahrnehmbar, aber eben auch viele Infizierte haben keine oder kaum Symptome, fallen also nicht auf.
Würden die Erkrankten direkt am ersten Tag blaue Punkte im Gesicht bekommen, wäre es viel einfacher. So aber kann es über mehrere Tage oder, wenn die ersten Fälle als Grippe oder Erkältung fehlinterpretiert werden, auch über Wochen zu einem unbemerkten breitflächigen Seuchenausbruch kommen. Anfang Februar tobte das Coronavirus bereits kräftig in Norditalien und dennoch erahnte dort niemand die Gefahr. Während man also beispielsweise nach einem nuklearen Super-GAU recht genau die Kontamination einer Gegend messen kann, ist es bei Covid-19 damit schon schwer, die Ausgangsfrage zu beantworten, wie viele Infizierte es zu einem gewissen Zeitpunkt an einem bestimmten Ort gibt.
Die einzige Möglichkeit, um eine Aussage über die Verbreitung des Coronavirus in der Bevölkerung und seine Ausbreitungsgeschwindigkeit zu treffen, ist daher über Tests, die aktuell jedoch nur mit labortechnischen Untersuchungen möglich sind. Sofern Tests durchgeführt werden, kann damit auf mehreren Wegen die Verbreitung des Corona-Virus untersucht werden:
Man kann alle Menschen in einem Gebiet testen und bekommt damit einen sehr schnellen und präzisen Überblick über die aktuelle Verbreitung des Virus und bei regelmäßiger Wiederholung auch über die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Sofern es irgendwann Schnelltests gibt, wird das sicherlich eine Überlegung wert sein. Solange jedoch Labore nötig sind, wird man die für solche Massentests nötigen Kapazitäten aber nur in Einzelfällen, z.B. für eine kleine Stadt, bereitstellen können.
Was in Deutschland stattdessen praktiziert wird, ist deshalb eine selektive Testung z.B. symptomatischer Patienten oder von Kontaktpersonen bestätigter Covid-19-Fälle. Bei dieser Variante ist allerdings völlig klar, dass es eine gewisse Zahl an unentdeckten Infektionen gibt. Man kann also nicht genau auf die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung schließen. Nachdem sich aber in Deutschland durch die von Anfang an vielen Tests das Verhältnis der unbekannten zu den bekannten Infektionen im Verlauf der Epidemie nur geringfügig verändern sollte, kann aus diesen Daten dennoch recht schnell und präzise auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit geschlossen werden.
In vielen Ländern der Welt reichen die Testkapazitäten aber selbst hierfür nicht bzw. nicht mehr aus. In diesem Fall kann dann nur noch auf Basis der an Corona verstorbenen Menschen näherungsweise zurückgerechnet werden, wie viele Infizierte es etwa zwei Wochen zuvor gab. Aber auch dafür ist es natürlich zwingend erforderlich, dass zumindest auf das Virus getestet wird.

Gerade jedoch in China, wo es offenkundig am Willen mangelt, aber auch in den vielen Entwicklungs- und Schwellenländern mit deutlich schwächerer Diagnostik als in Europa, fehlt es an solchen umfassenden Tests und validen Daten. Daher lassen sich im Moment selbst aus den jeweiligen Todeszahlen solcher Länder keine Rückschlüsse auf den dortigen Stand der Corona-Ausbreitung ziehen. So könnte es abweichend zu den offiziellen Zahlen in Mexiko-Stadt, Bogota oder Nairobi auch bereits dutzende Corona-Tote und tausende Infizierte geben und es bekommt im Moment nur noch niemand mit, weil es einfach an ausreichenden Tests fehlt.
In Europa hingegen dürften zumindest die Todeszahlen einigermaßen stimmen, was für die Welt allerdings nichts Gutes erahnen lässt. Bei etwa 30.000 Toten und einer angenommenen durchschnittlichen Letalität (Sterberate) von 2,5% haben sich seit Beginn der europäischen Corona-Epidemie Ende Januar über 1 Mio. Menschen in Europa infiziert. Und da das eine Rückwärtsrechnung ist, handelt es sich bei dieser Zahl um den geschätzten Stand der Infektionen Mitte März. Innerhalb von 8 Wochen haben also ein paar dutzend Flugreisende aus China diese enorme Infektionswelle ausgelöst.
Und nun ist Europa bestimmt nicht das Maß aller Dinge. Insbesondere was Pandemien anbelangt, sind ostasiatische Staaten wesentlich erfahrener und Länder wie Süd-Korea oder Singapur sind überdies straffer organisiert und uns auch technisch weit voraus. Dass aber die Entwicklung ebenso in Amerika, Indien oder gar Afrika wesentlich anders und besser sein sollte als in Europa, kann ich mir jedoch kaum vorstellen. Und einen Beleg dafür, dass diese Einschätzung nicht ganz falsch zu sein scheint, haben in den letzten Tagen die USA geliefert. So zeigte sich dort nach dem Hochfahren der Testungen innerhalb kürzester Zeit ein ganz anderes Ausmaß der Seuchenverbreitung, als es die Zahlen bis dahin hätten vermuten lassen.
Was heißt das aber nun für die Frage, wie sich die Corona-Pandemie weiterentwickeln wird? Natürlich wäre es möglich, dass außer den USA, dem Iran und Europa die Welt ansonsten den Erreger gut im Griff hat. Vielleicht fühlt sich das Coronavirus ja nur in diesen Breitengraden der nördlichen Hemisphäre wohl. Womöglich fehlt es in vielen Ländern der Welt aber auch einfach nur an der Ausrüstung, um die Corona-Epidemie frühzeitig vor einem Überquellen der Krankenhäuser zu bemerken. Und ob China oder auch Japan die Corona-Pandemie wirklich schon hinter sich haben, ist zurzeit leider ebenfalls nicht sicher. So könnten am Ende Süd-Korea und Singapur mit ihrem sehr frühen und energischen Handeln zu den wenigen Ausnahmen gehören, falls es tatsächlich in einigen Wochen zu einer weltweiten Katastrophe kommen sollte.

Während man aber auf der globalen Ebene wegen der schlechten Datenlage nur Vermutungen anstellen kann, sind für Europa zumindest rudimentäre Einschätzungen möglich. So sind bis heute in Italien 12.500 Menschen und in Spanien über 8.000 Menschen an Covid-19 verstorben. Für Mitte März – kurz zuvor spielte Atalanta Bergamo noch in der Champions League auswärts in Valencia – lässt sich damit für diese beiden Länder eine gute halbe Million Infizierter errechnen, was einem Anteil von ca. 0,5% der dortigen Bevölkerung entspricht. Sowohl Italien wie auch Spanien sind somit noch weit weg von einer schützenden Herdenimmunität, während gleichzeitig die Situation dort schon jetzt höchst kritisch, geradezu chaotisch ist. Und leider ist für Italien und insbesondere für Spanien auch in den nächsten Tagen keine Verbesserung der Lage in Sicht. Zum einen werden die dort getroffenen Maßnahmen – in Italien früher als in Spanien – erst mit einiger Verzögerung die Infektionen reduzieren und noch später die Zahl der Intensivpatienten und Toten. Zum anderen sind in beiden Ländern die Kapazitätsgrenzen für eine adäquate Versorgung bereits jetzt erreicht und dürften nun sukzessive in immer mehr Landesteilen gesprengt werden.
Eine ähnliche Entwicklung könnte auch in anderen europäischen Staaten folgen. Das gilt insbesondere für Frankreich, das zwischen den beiden aktuell am härtesten betroffenen europäischen Ländern liegt, genauso wie für Österreich und die Schweiz mit der Nähe zu Norditalien und auch für Großbritannien, das erst äußerst spät reagierte und ein sehr schwaches Gesundheitssystem hat. Alleine aus der Rückrechnung der Todeszahlen kann man jedoch noch keine Aussage darüber treffen, ob es auch im Rest Europas so schlimm wird wie in Italien oder Spanien.
Blickt man zusätzlich auf die Zahl der Neuinfektionen, geben die Daten aus der Schweiz aber zumindest etwas Anlass zur Hoffnung. Nach dem frühen Shutdown des Landes bleibt dort die Zahl der Neuinfektion inzwischen relativ konstant. Sollte sich dieser Trend auch in anderen Teilen Europas einstellen, könnte manche europäische Region noch einmal knapp an der Katastrophe vorbeischrammen und mit einem blauen Auge davonkommen. Das allerdings wird man wohl erst in ein, zwei Wochen sehen können und muss man sich dann auch von Land zu Land noch einmal genauer anschauen.

Ähnliches gilt für Deutschland. Zwar gibt es hierzulande eine ausreichend gute Datenlage, um eine Verlangsamung des mittleren täglichen Anstiegs der Infektionen von über 30% Mitte März, auf 20% Ende letzter Woche und aktuell unter 10% relativ verlässlich messen zu können.

Aber auch hier ist es für eine Aussage zu früh, denn selbst ein täglicher Anstieg der Infektionen von 2% würde nach nur wenigen Wochen zu italienischen Zuständen führen. Man wird daher noch die nächsten Tage abwarten müssen, um sagen zu können, ob sich der Anstieg nur einem niedrigen Niveau annähert oder tatsächlich zeitnah eine Trendwende gelingt und aus dem Anstieg ein Rückgang wird. Wäre das der Fall und die Zahl der Corona-Infektionen würde wieder deutlich abnehmen, könnte man allerdings für Deutschland recht zuverlässig sagen, dass zumindest unter Beibehaltung der strikten Shutdown-Maßnahmen die Epidemie hierzulande kontrolliert werden kann.
Gleichwohl wird sich die Zahl der schweren Erkrankungen und der Verstorbenen auch bei diesem Szenario in den nächsten zwei, drei Wochen noch deutlich erhöhen, weil sich der Anstieg dieser Fallzahlen erst mit zeitlicher Verzögerung zum Anstieg der Neuinfektionen vollzieht. Und während die Gesundheitsbehörden bis zum 16.3. noch weniger als 10.000 Personen meldeten, bei denen die Testergebnisse positiv ausfielen, waren es in den darauf folgenden zwei Wochen mehr als 50.000 Menschen, die untersucht und positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Diesen Zahlen gegenüber standen am 31.3. innerhalb des RKI-Meldesystems 1.486 Covid-19-Erkrankte in intensivmedizinischer Betreuung [1]. Es ist nun zu erwarten, dass sich ihre Anzahl im Laufe der nächsten Tage entsprechend dem Infektionsanstieg vervielfachen wird. Bei über 7.000 im Rahmen dieses Systems sofort belegbaren Intensivbetten sollten die Kapazitäten bis Ende nächster Woche aber reichen und weitere Intensivplätze sind auch noch in der Hinterhand. Es ist daher absolut richtig, einen Teil der Betten jetzt zu nutzen, um Erkrankte aus den stark betroffenen Ländern Europas zu versorgen. Klar wird damit allerdings auch, dass der Anstieg der Fallzahlen in Deutschland nicht mehr allzu lange andauern darf, weil ansonsten selbst diese großen Kapazitäten nicht mehr ausreichen werden.
Darüber hinaus wird sich Deutschland darauf einstellen müssen, schwer erkrankte Personen bundesweit auf die vorhandenen Intensivplätze zu verteilen. Denn wie für die Welt und Europa gilt auch für Deutschland, dass es bei der Ausbreitung des Coronavirus große regionale Unterschiede gibt. Besonders in Süd- und Westdeutschland ist das Virus aktuell deutlich weiter verbreitet, was dazu führen könnte, dass die Kapazitäten des Gesundheitssystems dort trotz Verlangsamung des Infektionsgeschehen nicht mehr ausreichen, während in anderen Teilen der Republik noch über längere Zeit Intensivbetreuungsplätze zur Verfügung stehen. Für ein solches Szenario, also eine Verlegung von täglich hunderten Erkrankten über weitere Strecken, sollten sich die entsprechenden Organisationen und Institutionen (Luftrettung, Bundeswehr) daher vorbereiten, um im Ernstfall genügend Transportkapazitäten bereitstellen zu können.
Daneben wird man auch beobachten müssen, inwiefern es Unterschiede zwischen großen Metropolen und weniger dicht besiedelten Gegenden gibt. Es wäre zum Beispiel nicht sonderlich verwunderlich, wenn das in weiten Teilen eher ländlich strukturierte Mecklenburg-Vorpommern weniger stark von der Epidemie getroffen werden würde als die Bundeshauptstadt Berlin. Auch in diesem Fall sollten die ungenutzten Kapazitäten in diesen Regionen konsequent zur Entlastung stärker betroffener Gebiete genutzt werden.

Die erheblichen regionalen Unterschiede führen allerdings auch dazu dass eine Prognose für Deutschland schwer ist. Klar, solange die Zahl der bundesweiten täglichen Neuinfektionen weiter mehr oder weniger schnell steigt, befindet sich Deutschland auf dem Weg in die schlimmste humanitäre Katastrophe seit der Nachkriegszeit. Aber auch wenn die Zahl der Neuerkrankungen im bundesschnitt konstant bliebe oder zurückginge, sollte das nicht zu einer zu frühen Entwarnung führen. Wenn die aktuellen Ausgangsbeschränkungen in weiten Teilen des Landes eine schnelle Abnahme der Neuinfektionen bewirken, kann das nämlich überdecken, dass es in einzelnen Bundesländern, Städten, Kreisen oder auch Dörfern weiterhin zu einem Anstieg der Fallzahlen kommt. So liegt beispielsweise der durchschnittliche tägliche Anstieg der Neuinfektionen in NRW seit Mitte März stets 2 bis 5 Prozentpunkte unter dem Bundesschnitt.

Umgekehrt müssen dann aber auch andere Regionen über diesem Bundesschnitt liegen. Und genauso gibt es innerhalb der einzelnen Bundesländer erhebliche Unterschiede. Während nur jeder 16. Nordrhein-Westfale in Köln lebt, kommen 10% der Corona-Fälle des Landes von dort – Tendenz steigend. Selbst zwischen direkt benachbarten und strukturell ähnlichen Landkreisen und, wie man an Gangelt sieht, sogar Gemeinden kann es riesige Unterschiede geben. Bei einer Lockerung der aktuellen Maßnahmen könnte daher sehr schnell eine neue zweite Infektionswelle über eine noch immer weitestgehend nicht immune Bevölkerung rollen. Ein Ischgl hat ja für ein solches Szenario offenkundig ausgereicht und das nächste Ischgl könnte genauso gut auf Sylt liegen.

Was aber heißt das nun für Deutschland? Sowohl die Daten aus der Schweiz wie auch die spürbare Verlangsamung des Anstiegs in Deutschland deuten an, dass eine Trendwende schaffbar ist. Dafür allerdings muss der Shutdown noch mindestens ein, zwei Wochen weitergehen und auch danach wird es erheblicher Einschränkungen bedürfen. Möglicherweise wird es dabei auch zu der Situation kommen, dass die Epidemie zwar in weiten Teilen des Landes unter Kontrolle ist, es aber immer wieder zu verschiedenen regionalen Ausbrüchen der Seuche kommt. Auch hierauf wird man sich vorbereiten müssen, sobald erkennbar wird, dass sich die Lage in Deutschland insgesamt allmählich wieder verbessert. Während man für die Welt nur vermuten kann und für weite Teile Europas nur hoffen, ist für Deutschland damit zumindest ein ganz vorsichtiger Optimismus erlaubt.


Text als PDF: Wie wird sich die Corona-Pandemie in Deutschland, Europa und der Welt weiterentwickeln


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[1] Täglicher Lagebericht des RKI vom 31.3.2020 (Lagebericht als PDF auf www.rki.de)

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Eine erste Einschätzung zur bundesweiten Corona-Kontaktsperre https://www.mister-ede.de/politik/corona-kontaktsperre/8955 https://www.mister-ede.de/politik/corona-kontaktsperre/8955#comments Tue, 24 Mar 2020 17:40:14 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8955 Weiterlesen ]]> Bereits vor zwei Wochen hatte ich neben Grenzschließungen verschiedene Maßnahmen innerhalb Deutschlands vorgeschlagen, um der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. Zusätzlich zur Einstellung weiter Teile des innerdeutschen öffentlichen Personenverkehrs (Züge, Busse, Flüge) hatte ich schon zu diesem Zeitpunkt angeregt, in besonders betroffenen Gebieten alle nicht notwendigen Aktivitäten einzustellen und die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit erheblich einzuschränken.
Insofern halte ich die von den Bund und Ländern inzwischen getroffenen Maßnahmen durchaus für sinnvoll. Und auch die Entscheidung der Politik, darüber hinaus KiTas und Schulen bundesweit zu schließen oder zumindest auf eine Notbetreuung umzustellen, ist sicher ebenfalls gut und richtig.
Das flächendeckende Kontaktverbot hingegen ist aus meiner Sicht problematisch, weil damit pauschal fundamentale Grundrechte auf ganz massive Art und Weise eingeschränkt werden. Natürlich kann eine solche Kontaktbeschränkung in stark betroffenen Regionen ein sinniges Mittel sein. Aber selbst dort lässt sich über die tatsächliche Wirkung streiten, solange es nur völlig unzureichende Schutzvorkehrungen an den wesentlichen Knotenpunkten der Gesellschaft (Supermarkt, Arzt, ÖPNV usw.) gibt. Und klar ist eben auch, dass es der Seuchenbekämpfung im süddeutschen Mitterteich recht wenig hilft, wenn auf Rügen Schulen geschlossen und den Rügenern ein Kontaktverbot oder eine Ausgangssperre auferlegt wird.
Die aktuell seitens der Landes- und Bundespolitik vorgetragene Begründung für diese Maßnahme läuft insofern ins Leere. Nur weil es stark betroffene Gebiete gibt, in denen die Einschränkung der Grundrechte wirklich notwendig ist, muss man deshalb noch lange nicht die Grundrechte in anderen Teilen Deutschlands außer Kraft setzen.
Zu beantworten ist daher vielmehr die Frage, ab wie vielen Infizierten in einer Region solche Maßnahmen sinnvoll und zulässig sind. Eines kann man dabei jedoch ausschließen, nämlich dass in Stadt- und Landkreisen mit einigen wenigen Infizierten, deren Infektionswege sich oftmals noch nachvollziehen lassen, eine so einschneidende Maßnahme wie ein solches Kontaktverbot verhältnismäßig ist. Das gilt insbesondere dann, wenn gleichzeitig in vollen Bussen und Läden, am Arbeitsplatz oder in Behörden ein Vielfaches an Übertragungsrisiken lauert.

Mit Blick auf das bayerische Mitterteich und eine Infektionsquote von 1% sieht das natürlich anders aus. Dort ist ein solches Kontaktverbot mehr als angebracht. Und sinnvoll wäre es vermutlich auch, zusätzlich wirklich alle Geschäfte einschließlich Arztpraxen und Apotheken zu schließen und eine Notversorgung der Bevölkerung in ihren Häusern und Wohnungen durch Bundeswehr, THW, DRK oder auch sonstigen ehrenamtlichen Kräfte zu organisieren. Nachdem von weiteren bislang unerkannten Infizierten in dem Dorf auszugehen ist und auch davon, dass es in häuslicher Quarantäne weitere Ansteckungen gibt, könnte die Zahl der Erkrankten dort sogar trotz solch strikter Maßnahmen schnell auf 5% ansteigen. So etwas hält unser Gesundheitssystem vielleicht noch bei einer kleinen Gemeinde aus, aber nicht flächendeckend.
Insgesamt ist die Situation in vielen Teilen Süd- und Westdeutschlands und – wie zu erwarten – insbesondere auch in den Metropolen äußerst gefährlich. Ob es hier in den letzten Tagen gelungen ist, die Verbreitung signifikant zu verlangsamen, kann man aktuell noch nicht beurteilen. Meine große Befürchtung ist allerdings, dass gerade in Berlin, Hamburg, München oder Köln die verschiedenen Maßnahmen – inklusive der Kontaktsperre – eine vergleichsweise geringe Verlangsamung bewirken könnten, weil dort der ÖPNV-Anteil und auch der Anteil von Berufspendlern sehr hoch ist und es in den Geschäften des täglichen Lebens einfach einen viel höheren Durchlauf an Menschen gibt. Und genau dort liegen die Hauptgefahrenquellen und eben nicht bei vier Leuten, die zusammen im Park sitzen.
Umgekehrt habe ich dafür aber noch immer die Hoffnung, dass mit den jetzt getroffenen Maßnahmen in weiten Teilen Deutschlands, insbesondere in den eher schwächer besiedelten Gebieten mit etwas Abstand zu den Metropolregionen, die Infektionsketten in einigen Fällen auch wieder gestoppt werden können. Bei den aktuell 52 bestätigten Fällen in unserem hiesigen Kreisgebiet ist meines Wissens nach von 50 bekannt, auf welchem Wege diese sich infiziert haben, nämlich allesamt in Italien oder Österreich oder über Rückkehrer von dort. Gelingt es in den nächsten Wochen, auch die Infektionswege weiterer Fälle zu identifizieren und vielleicht sogar einen Zusammenhang zu den beiden bislang unbekannten Übertragungswegen herzustellen, wäre das eine ganz andere Situation, als wenn sich jetzt nach und nach immer mehr Fälle mit ungeklärten Infektionswegen auftun.

Selbstverständlich machen bundesweite Maßnahmen an vielen Stellen Sinn, z.B. der Verzicht auf größere Versammlungen oder auch die Begrenzung von Gruppengrößen in der Öffentlichkeit auf wenige, vielleicht fünf oder sechs Personen. Zielführend wäre außerdem, in ganz Deutschland besondere Gefahrenpunkte, wie Autobahntankstellen oder den ÖPV, in den Blick zu nehmen. Es sollten so viele Busse wie möglich eingesetzt werden, um so wenige Fahrgäste wie möglich je Bus zu haben. Dazu routinemäßige Desinfektionen von Zügen und Bussen nach ein oder zwei Touren und auch regelmäßige Desinfektion von Taxen. Außerdem sollte über eine Mundschutzpflicht für Fahrgäste nachgedacht werden. Daneben sind auch Taxi-Gutscheine oder ein Shuttle-Service z.B. für Klinikpersonal überlegenswert, das sonst auf Bus und Bahn angewiesen wäre. Beim Einkaufen in Supermärkten, Apotheken oder anderen Geschäften bräuchte es deutschlandweit mehr Ansteckungsschutz z.B. durch Trennschreiben aus Plexiglas im Kassenbereichen. Und sinnvoll wären sicher auch viel mehr Möglichkeiten, sich vor Geschäften oder an Bushaltestellen die Hände zu waschen. In Bahnhöfen wäre es sicher kein Problem, in bahnsteignähe mobile Waschbecken aufzustellen, um die Hygiene zu verbessern. All das macht auch in der Fläche Sinn, weil es sich zwar um weiche, aber dennoch seuchenhemmende Maßnahmen handelt.
Ob darüber hinaus eine noch härtere Kontaktsperre oder gar eine Ausgangssperre notwendig ist, sollte allerdings in den jeweiligen Regionen von der Situation abhängig gemacht und nicht zentral von Bundes- oder Landesregierungen festgelegt werden. Denn in dieser Pauschalität wird eine solche Maßnahme sonst weder der Situation noch den Anforderungen des Infektionsschutzgesetzes und des Grundgesetzes gerecht.
Und wenn am Ende in den schwach betroffenen Regionen die Kollateralschäden solcher harten Maßnahmen höher sind, als der beabsichtigte Nutzen, ist niemandem geholfen. Schon jetzt verlassen Pflegekräfte scharenweise das Land was für hunderttausende Ältere und Pflegebedürftige eine nicht minder lebensgefährliche Situation darstellen kann wie die Corona-Epidemie selbst. Und auch für die zig Millionen Menschen, die schon jetzt durch das Raster unseres Staates fallen – Obdachlose, Minirentner, Flaschensammler – beginnt in den nächsten Tagen bei Lieferengpässen, steigenden Preisen und geschlossenen Tafeln ein Lebenskampf – Corona hin, Corona her. All das muss Politik deshalb jetzt im Blick haben, damit es am Ende nicht heißt, in Deutschland starben 20.000 Menschen an Corona und 100.000 Obdachlose, Alte und Hilfsbedürftige an den Corona-Schutzmaßnahmen der Politik.


Text als PDF: Eine erste Einschätzung zur bundesweiten Corona-Kontaktsperre


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Landtagswahl 2016 in MV: Etablierte Parteien weiter im Sinkflug https://www.mister-ede.de/politik/landtagswahl-2016-in-mv/5355 https://www.mister-ede.de/politik/landtagswahl-2016-in-mv/5355#comments Sat, 10 Sep 2016 08:27:12 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5355 Weiterlesen ]]> Bei der Wahl am vergangenen Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern hat sich der Abwärtstrend der etablierten Parteien, zu denen hier SPD, Union, Linke bzw. PDS, Grüne und FDP gezählt werden, fortgesetzt. Stimmten bei der Landtagswahl 2002 noch 67,6% der Wahlberechtigten in Mecklenburg-Vorpommern für etablierte Parteien, lag dieser Wert bei der Wahl 2006 nur noch bei 52,5% und 2011 bei 45,5%. Auch bei der aktuellen Landtagswahl 2016 ging es weiter bergab, so dass heuer nur noch 43,5% der Wahlberechtigten in Mecklenburg-Vorpommern für etablierte Parteien stimmten.

Deutlich wird damit, dass der Abwärtstrend der etablierten Parteien unabhängig von der AfD ist, die erst bei der letzten Landtagswahl antrat, und auch losgelöst von der Flüchtlingspolitik des vergangenen Jahres sein muss. Nachdem sich darüber hinaus ähnliche Ergebnisse für alle Bundesländer und auch für bundesweite Wahlen feststellen lassen, liegt die Vermutung nahe, dass dieser Trend auf ein Versagen der politisch Verantwortlichen in Deutschland zurückzuführen ist. Möglicherweise wird eine schlechte Politik gemacht oder es sind Ideenlosigkeit, das Fehlen von Visionärem, der Mangel an Überzeugungsarbeit oder die Verweigerung des Dialogs mit Bürgern, die zu dieser wachsenden Entfremdung von Wählern und Gewählten führen. Man denke z.B. an die ungehörten Massenproteste im Zuge der Agenda-Reform. Vielleicht tragen aber auch Hochnäsigkeit, Selbstherrlichkeit oder die Unfähigkeit zu Selbstkritik zu diesem Vertrauensverlust bei.
Mit Gewissheit kann aber eben ausgeschlossen werden, dass die AfD für den Absturz der etablierten Parteien von 67,6% im Jahr 2002 auf 45,5% bei der Wahl 2011 verantwortlich ist. Wer einem das dennoch weismachen will, ist also entweder uninformiert oder auf der Suche nach einer Ausrede.

Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen in MV:
2002: 70,5%
2006: 59,1%
2011: 51,5%
2016: 61,6%

Stimmen für etablierte Parteien (Union, SPD, Linke/PDS, Grüne, FDP) in MV im Verhältnis zu Wahlberechtigten:
2002: 67,6%
2006: 52,5%
2011: 45,5%
2016: 43,5%


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Zwar wurde, so wie im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vereinbart, im Bundestag ein Vorschlag hierzu ausgearbeitet, dieser wurde jedoch von den Bundesländern abgelehnt – völlig zu Recht, wie ich meine. Ihrerseits fordern die Bundesländer nun eine stärkere Einschränkung der fragwürdigen Privilegien und damit eine Aufkommenssteigerung aus der Erbschaftssteuer, die aus Sicht der Länder wohl gerne bei 20 – 25% liegen dürfte.
Deshalb wäre es jetzt eigentlich an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble endlich eine Einigung zwischen Bund und Bundesländern auf den Weg zu bringen. Doch anstatt seinen Job, für den er bezahlt wird, in Deutschland zu machen, mischt sich Schäuble lieber unentwegt in die Politik von Griechenland oder Spanien ein. Hätte er früher einen Vorschlag ausgearbeitet, der im Bundesrat auch Chancen auf eine Zustimmung hat, wäre das Debakel sicherlich vermieden worden.
So aber sind nun tatsächlich Arbeitsplätze in Gefahr, weil der Bundesfinanzminister nicht in der Lage war, sich mit den 16 Landesfinanzministern auf einen vernünftigen Kompromiss zu einigen. Wieder einmal haben sich damit das Verdrängen von Problemen und das jahrelange tatenlose Zuwarten gerächt. Zwar haben die Länder bereits angekündigt, zum Schutz von Wirtschaft und Arbeitsplätzen auch die Rückwirkung eines Kompromisses zu ermöglichen, aber dafür muss es natürlich erst mal eine Einigung geben. Die Unsicherheiten durch die verkorkste Erbschaftssteuerreform sind hingegen jetzt schon vorhanden.


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