mister-ede.de » Divergenzen https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Deutschland und die Niederlande: Weltversorger mit Licht und Schatten https://www.mister-ede.de/politik/weltversorger-licht-schatten/5789 https://www.mister-ede.de/politik/weltversorger-licht-schatten/5789#comments Tue, 29 Nov 2016 15:31:39 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5789 Weiterlesen ]]> 2,5 Billionen Euro, 2.500 Milliarden Euro, 2.500.000 Millionen Euro oder 2.500.000.000.000 Euro, das ist die Summe an Gütern und Kapital, die von der deutschen und der niederländischen Volkswirtschaft von 2004 bis 2015 der Welt zur Verfügung gestellt wurde und 2016 werden weitere grob 300 Milliarden Euro hinzukommen. In den letzten 12 Jahren wurden somit von beiden Ländern an die restliche Welt Waren und Dienstleistungen im Wert von 2,50 Billionen Euro mehr exportiert als importiert (Exportüberschuss) und gleichzeitig wurde Kapital in Höhe von 2,35 Bio. Euro ausgeführt (Saldo der Kapitalbilanz).

Deutschland und die Niederlande: Die Weltversorger in Zahlen (www.mister-ede.de – 18.11.2016)

Deutschland und die Niederlande: Die Weltversorger und ihre Sonnenseiten (www.mister-ede.de – 21.11.2016)

Deutschland und die Niederlande: Die Weltversorger und ihre Schattenseiten (www.mister-ede.de – 21.11.2016)

Mit der Einführung des Euro als gemeinsame Währung von nunmehr 19 EU-Ländern wurde den Wirtschaftspolitikern der Eurozone ein völlig neues Spielfeld eröffnet, auf dem sich insbesondere Deutschland geschickt bewegte – zumindest für sich alleine betrachtet.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Währungen der heutigen Euroländer im System schwankender Wechselkurse im Außenvergleich langfristig neutral, weil sich die Tauschverhältnisse und damit der Wert des Geldes an die realen Gegebenheiten anpassten. So führte die auch schon in D-Mark-Zeiten vorhandene Lohnzurückhalten regelmäßig zu einem erstarken der DM gegenüber anderen Währungen, wodurch die Arbeitnehmer selbst mit geringen Lohnsteigerungen einen realen Zugewinn an Kaufkraft verbuchen konnten. Umgekehrt führten die hohen Lohnsteigerungen, z.B. in Italien, zu einem Wertverfall der italienischen Lira, weshalb den dortigen Arbeitnehmern trotz steigender Gehälter nur ein geringer Kaufkraftgewinn blieb.
Durch die Fixierung der Wechselkurse im Rahmen der Euroeinführung wurde dieser Mechanismus allerdings abgeschafft und die unterschiedlichen Lohnentwicklungen innerhalb des Euroraums führten fortan zu einer Divergenz der Wettbewerbsfähigkeit. Anders als in DM-Zeiten hatte die Lohnzurückhaltung nun einen erheblichen Zugewinn an Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland tätigen Unternehmen zur Folge. Im Umkehrschluss bedeutete dies allerdings für die Arbeitnehmer in Deutschland, dass sie jetzt auch einen tatsächlichen Verlust der Kaufkraft hinnehmen mussten, weil es keine Kompensation mehr durch eine erstarkende D-Mark gab.

In Deutschland und in den mit der deutschen Volkswirtschaft eng verflochtenen Niederlanden konnte also die Standortattraktivität für Unternehmen durch die sinkenden Lohnstückkosten und andere Maßnahmen, z.B. der Befreiung der Exportindustrie von den Kosten der Energiewende, gesteigert werden. Auf die Beschäftigungssituation in der Exportwirtschaft wirkte sich dies in beiden Ländern entsprechend vorteilhaft aus. Die sinkenden Reallöhne und die steigenden Steuern und Abgaben für die Arbeitnehmer führten allerdings in anderer Richtung, trotz deutlich wachsender Beschäftigungsquote, zu einer äußerst schwachen Binnennachfrage. Im Ergebnis weiteten sich hierdurch in Deutschland und den Niederlanden die Güterexporte wesentlich stärker aus als die Güterimporte, sodass sich über die letzten Jahre ein erheblicher Außenhandelsüberschuss bei diesen beiden Ländern aufbaute.
Während gerade für Deutschland, das Anfang des Jahrtausends noch unter einer hohen Arbeitslosigkeit litt, der mit dieser Wirtschaftspolitik einhergehende Beschäftigungszuwachs positiv zu bewerten ist, haben die geringen Lohnsteigerungen für Deutschland negative Auswirkungen. Zusätzlich muss hierbei berücksichtigt werden, dass sich die Vorteile und die Nachteile dieser Entwicklung auf verschiedenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft unterschiedlich auswirken. Während ein Vertriebsleiter bei Daimler oder ein Ingenieur eines mittelständischen Weltmarktführers von dieser Exportorientierung der Wirtschaftspolitik ganz klar profitiert, sieht die Bilanz für Leiharbeiter, Werkvertragler, Hartz IV-Bezieher oder Rentner deutlich schlechter aus. Die konsequente Förderung der Exportindustrie hat in Deutschland damit zwar die gesellschaftlichen Konflikte, die aus der hohen Arbeitslosigkeit resultierten, entschärft, gleichzeitig aber auch eine neuerliche Spaltung der Gesellschaft befördert. Die Beispiele von Angestellten, die für die exakt gleiche Tätigkeit in ein und demselben Unternehmen unterschiedlich bezahlt werden, sind hinlänglich bekannt.

Daneben haben die Divergenzen bei der Wettbewerbsfähigkeit auch auf die übrigen Euro-Länder erhebliche Auswirkungen. So ging genau die Wettbewerbsfähigkeit, die in Deutschland nicht nur mit einem Vorsprung an Knowhow, sondern eben auch durch die Lockerung des Arbeitnehmerschutzes und mithilfe von Lohnzurückhaltung gewonnen wurde, bei den europäischen Nachbarn verloren. Gerade in jenen Wirtschaftsbereichen, in denen der Kostendruck hoch ist, z.B. bei der Fleischproduktion, fand deshalb eine Verlagerung der Produktion in das kostengünstigere Deutschland statt, sodass in anderen Ländern des Euroraums, z.B. in Belgien, eine Abwanderung von Arbeitsplätzen zu beklagen war.
Insgesamt betrachtet, ist allerdings die Eurozone auf diese Weise gegenüber anderen Weltregionen spürbar wettbewerbsfähiger geworden. Das macht sich beispielsweise beim Außenbeitrag der Euroländer bemerkbar, der von 91 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf inzwischen 478 Mrd. Euro im Jahr 2015 angewachsen ist. Insbesondere während der Finanzkrise hat dies wesentlich dazu beigetragen, dass der Euro, trotz der großen Probleme in Teilen der Eurozone, relativ stabil gehalten werden konnte. Nachdem Deutschland und die Niederlande darüber hinaus durch die Bereitstellung von Kapital zur Stabilisierung der schwächelnden Euroländer beigetragen haben, konnte die Eurokrise beispielsweise in Spanien abgemildert werden. Und auch das Wiederanziehen der Wirtschaft in der Eurozone ist natürlich nicht zuletzt auf die starken und wettbewerbsfähigen Unternehmen in Deutschland und den Niederlanden zurückzuführen.

Was aber für die Eurozone einen Zugewinn an Wettbewerbsfähigkeit bedeutet, stellt umgekehrt einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit von Ländern außerhalb der Eurozone dar und zwar innerhalb der EU genauso wie in Afrika oder in Asien. Somit ist auch die lahmende Weltwirtschaft, insbesondere der Wirtschaftsabschwung in China, zum Teil eine Folge der stark exportorientierten Wirtschaftspolitik Deutschlands und der Niederlande. Nicht umsonst fordert deshalb der Internationale Währungsfonds (IWF) von diesen beiden Ländern ein Umdenken bezüglich der enormen Exportüberschüsse, die genauso als Importdefizite verstanden werden können.
Nachdem aber Deutschland und die Niederlande im Vergleich z.B. zu China oder Russland einen deutlich höheren Umweltschutz vorweisen können und auch, trotz des deutschen Niedriglohnsektors, noch immer wesentlich bessere Arbeitsbedingungen gewährleisten, ist diese Entwicklung nicht ausschließlich negativ zu sehen. Im Gegenteil ist es sogar ein ziemlich gutes Zeichen, dass sich Deutschland und die Niederlande mit ihren hohen Standards am Weltmarkt bzw. im globalen Standortwettbewerb durchsetzen können.
Ebenso hat diese Entwicklung in Bezug auf den Welthandel ihre positiven Seiten. Zumindest gerät bei Handelsverträgen zwischen der EU und Schwellen- oder Entwicklungsländern die Frage nach Menschenrechten oder nach den wirtschaftlichen Perspektiven der jeweiligen Handelspartner nicht gänzlich aus dem Blick. Außerdem agieren die meisten europäischen Unternehmen, im Vergleich z.B. zum Auftreten chinesischer Investoren, durchaus verantwortungsvoll.

Ja, Deutschland und die Niederlande haben sich zu Weltversorgern entwickelt. Es wäre aber falsch, dies als riesigen Erfolg zu feiern oder als absolute Fehlentwicklung zu verurteilen. Vielmehr ist die Bilanz dieser Entwicklung durchwachsen und es gibt Licht und Schatten. Ziel einer guten und zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik muss es deshalb sein, auf der einen Seite die Exportstärke zu bewahren und auf der anderen Seite das große Ganze mehr in den Blick zu nehmen und z.B. für eine höhere Binnennachfrage zu sorgen.


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Gastbeitrag von Ebo: “Man müsste Deutschland bestrafen” https://www.mister-ede.de/politik/muesste-deutschland-bestrafen/5746 https://www.mister-ede.de/politik/muesste-deutschland-bestrafen/5746#comments Tue, 22 Nov 2016 17:38:14 +0000 Gastautor http://www.mister-ede.de/?p=5746 Weiterlesen ]]> Ein Gastbeitrag von Ebo (lostineu.eu), wie auf den Handelsbilanzüberschuss Deutschlands reagiert werden müsste:

Während die EU-Kommission über die “Defizitsünder” Spanien und Portugal berät, lässt sie den schlimmsten Übeltäter außer acht, sagt Wirtschaftsprofessor J. Bibow: Die Rede ist von Deutschland.

Das größte Euroland habe zwar die Maastricht-Regeln für die Eurozone diktiert, sich selbst aber nie daran gehalten, kritisiert der Experte auf dem lesenswerten Blog “Social Europe”.

Seit dem Beginn der Eurokrise habe sich Berlin zudem geweigert, seinen Part zu spielen und die wirtschaftliche Ungleichgewichte (deutsche Überschüsse) abzubauen. Zitat: “Germany prescribed harsh austerity for its partners but refused to share in the rebalancing process by fiscal expansion and higher wage inflation at home. As a result, the rebalancing has been one-sided and deflationary, with unnecessary pain inflicted across the Eurozone.”

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass nicht Griechenland, Spanien oder Portugal, sondern Deutschland bestraft werden müssten – mit einem Ausschluss aus der Eurozone (dem “Gexit”).

Als Alternative käme die Schaffung eines Euro-Schatzamtes mit Transferleistungen infrage – doch dagegen wehrt sich Berlin bekanntlich mit Händen und Füssen…


Dieser Beitrag erschien am 18.05.2016 auf lostineu.eu und ist unter folgendem Link zu finden: http://lostineu.eu/man-muesste-deutschland-bestrafen/


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Anstatt also jedem der knapp 100 Mio. Bürger in Deutschland und den Niederlanden vom Säugling bis zum Greis, z.B. ein Auto im Wert von rund 25.000 Euro vor die Tür zu stellen, wurden diese Waren und Dienstleistungen exportiert. Im Gegenzug entstanden dafür Forderungen gegenüber anderen Volkswirtschaften, wie z.B. Griechenland, Spanien oder den USA, bzw. es wurde Auslandsvermögen aufgebaut, z.B. Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien erworben. Müssen in der Zukunft allerdings Teile dieser Forderungen oder sonstigen Vermögenswerte abgeschrieben werden, wurden die exportierten Waren von der deutschen bzw. niederländischen Volkswirtschaft einfach verschenkt.
Aber auch wenn diese Forderungen und Vermögenswerte am Ende tatsächlich bestehen bleiben, ist der Preis hoch, der für dieses Weltversorgungsstreben vor allem von der deutschen Bevölkerung bezahlt werden muss. Erst durch Steuergeschenke für Unternehmen und mit Lohn- und Sozialdumping und der Einschränkung der Arbeitnehmerrechte wurde diese Region über die letzten Jahre zu der Werkbank Europas, die sie heute ist. Damit bekommt der normale Bürger heute weniger Lohn als ihm eigentlich zusteht und dafür muss er auch noch höhere Steuern und Abgaben zahlen, um z.B. die Steuerbefreiung für Erben großer Unternehmen auszugleichen.
Aber auch beim Strom muss der Bürger in Deutschland inzwischen tiefer in die Tasche greifen, weil die Exportindustrie gezielt subventioniert wird. So können sich die mittleren und großen Unternehmen dank der geförderten Wind- und Solarenergie über niedrigste Preise am Strommarkt für ihre Produktion freuen, während die normalen Verbraucher genau diesen Wind- und Solarstrom über jene EEG-Umlage bezahlen müssen, von der die Exportunternehmen befreit sind.

Das Weltversorgungsstreben von Deutschland und den Niederlanden wirft seine Schatten allerdings weit über die Region Mitteleuropas hinaus. Nachdem die Wettbewerbsverzerrung, die durch das deutsche Lohndumping entstand, innerhalb der Gemeinschaftswährung nicht mehr durch Währungsabwertungen ausgeglichen werden konnte, wurden die mit dem Exportweltmeister konkurrierenden Euro-Länder in den letzten 10 – 15 Jahren geradezu aus dem Wettbewerb gedrängt. Auf diese Weise sind die im Euro-Währungsraum mit Deutschland und den Niederlanden verbundenen Euro-Länder in eine regelrechte Abwärtsspirale geraten. Die sinkende Wettbewerbsfähigkeit löste eine steigende Arbeitslosigkeit und wachsende Sozialkosten aus, die wiederum zu einer Erhöhung von Sozialabgaben und Steuern und damit zu einer weiter sinkenden Wettbewerbsfähigkeit führten.
Hinzu kommt seit der Finanzkrise auch noch eine Kapitalflucht aus den Krisenländern, weil zahlreiche Finanzanleger ihre Gelder einfach in andere Länder abgezogen haben, vor allem eben auch nach Deutschland oder in die Niederlande. Manche Euroländer, z.B. Portugal, konnten deshalb nicht mehr genügend Kredite zu akzeptablen Konditionen am Markt aufnehmen und mussten deshalb von anderen Ländern bzw. den europäischen Steuerzahlern gestützt werden.

Umgekehrt trägt der negative Kapitalsaldo der übrigen Eurozone von über 1,1 Billionen Euro zu einem schwächeren Wechselkurs des Euro beispielsweise gegenüber dem britischen Pfund oder dem US-Dollar bei. Hierdurch wird die Wettbewerbsfähigkeit noch weiter zugunsten der europäischen Werkbank in Deutschland und den Niederlanden manipuliert. Dies führt dazu, dass die Rolle der beiden Länder als Weltversorger ihre Schatten nicht nur auf den Euro-Währungsraum und Europa wirft, sondern auch weit darüber hinaus. So hängen beispielsweise deutsche Milch in Afrika, die dann dortige Produzenten aus dem Markt wirft, oder das künftige Bayer-Monsanto-Gensaatgut, das die Welt beglücken soll, ebenfalls eng mit der Rolle Deutschlands und den Niederlanden als Exportriesen zusammen.

Ja, wir sind Weltversorger. Allerdings ist der Preis hierzulande ein Niedriglohnsektor, ein massiver Sozialabbau sowie Steuergeschenke und Subventionen für die Exportwirtschaft. Daneben hat dieses Weltversorgungsstreben auch in anderen europäischen Ländern Arbeitslosigkeit und Armut befördert und hat auch außerhalb Europas negative Folgen, z.B. in Afrika. Bedenkt man außerdem, dass Deutschland und die Niederlande nicht zu viele Waren exportieren, sondern einfach nur zu wenige importieren – also keinen Exportüberschuss haben, sondern ein Importdefizit – liegt die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser wirtschaftspolitischen Ausrichtung auf der Hand. Dies gilt natürlich umso mehr, wenn gleichzeitig die hiesige Infrastruktur stellenweise auf Verschleiß gefahren wird und gut und gerne einige hundert Milliarden Euro in die Instandhaltung und den Ausbau investiert werden könnten.


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Deutschland und die Niederlande: Die Weltversorger in Zahlen (www.mister-ede.de – 18.11.2016)

Von dieser Exportstärke der Volkswirtschaften profitieren in Deutschland und den Niederlanden zahlreiche Menschen. Dies gilt für die Aktionäre oder Eigentümer exportorientierter Unternehmen genauso wie für die Mitarbeiter eines mittelständischen Weltmarktführers, für einen Kioskbesitzer vor einem großen Chemiewerk oder für all jene, die Güter und Dienstleistungen an diese Beschäftigten verkaufen können. Somit trägt der Exportboom der beiden Länder maßgeblich zu einer steigenden Beschäftigungsquote und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland und den Niederlanden bei.
Neben den Beschäftigten profitiert aber auch die Allgemeinheit, beispielsweise in Deutschland über Bund, Länder, Kommunen und Sozialkassen, durch die Steuerzahlungen und Sozialabgaben der starken Exportindustrie. Diese Einnahmen sind ein Grund dafür, warum Deutschland ohne Steuererhöhungen in den letzten Jahren zusätzliche Ausgaben z.B. für Bildung und Infrastruktur tätigen konnte und gleichzeitig dennoch eine solide Haushaltspolitik ohne Neuverschuldung möglich war.

Zusätzlich tragen Deutschland und die Niederlande mit ihrer enormen Exportstärke wesentlich zur Linderung der Symptome der Eurokrise in den Krisenländern bei. Mit einem Kapitaltransfer von 1,1 Bio. Euro in den Jahren 2004 – 2015 zugunsten der defizitären Länder der Eurozone und durch den Ausgleich der immensen Löcher im Außenhandel von z.B. Griechenland konnte der Euro als Währung über die Finanzkrise hinweg stabil gehalten werden. Auf diese Weise war und ist es für die Krisenländer möglich, benötigte Güter, z.B. Öl, Maschinen oder Medizin, am Weltmarkt mit einem harten Euro zu erwerben und diesen Warenbezug zum Teil sogar über Kredite zu finanzieren. Ohne die starken Volkswirtschaften von Deutschland und den Niederlanden und der gemeinsamen Euro-Währung wäre dies undenkbar gewesen, sodass z.B. das Platzen der Immobilienblase in Spanien deutlich größere Verwerfungen ausgelöst hätte, als wir das im Zuge der Eurokrise erlebt haben.
Desweiteren erlaubt es die positive Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland und den Niederlanden, z.B. jungen Portugiesen eine Ausbildung anzubieten oder schon ausgebildeten Spaniern einen Arbeitsplatz zu verschaffen. Auch die stabilen Absatzmärkte der beiden mitteleuropäischen Länder für Waren und Dienstleistungen aus Südeuropa helfen den verschiedensten Unternehmen der Krisenländer und den dortigen Werktätigen. Genauso ist der stetige Tourismus, der aus Deutschland und den Niederlanden z.B. nach Griechenland kommt, eine feste Größe für die Volkswirtschaften der schwächelnden Euro-Länder.

Aber auch über den Euroraum und die EU hinaus wirkt die Strahlkraft der starken Exportwirtschaft Deutschlands und der Niederlande und ist ein Gewinn für viele Menschen. Die Rücküberweisungen der hier lebenden und arbeitenden Ausländer helfen deren Familien und ihren Heimatländern ungemein. Durch die gute Wirtschaftslage ist es außerdem möglich, beispielsweise die Entwicklungshilfe für Afrika auszubauen oder die UN und ihre Programme, z.B. das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, die Weltgesundheitsorganisation WHO oder das Welternährungsprogramm, mit mehr Finanzmitteln auszustatten.
Überdies bringt die Exportstärke Deutschlands und der Niederlande die beiden Länder in eine hervorgehobene Position, die es ihnen erlaubt, neben Gütern auch ihre Werte zu exportieren, z.B. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Presse- und Meinungsfreiheit oder Menschenrechte. So kann insbesondere Deutschland bei internationalen Verhandlungen sein Gewicht in die Waagschale werfen und ein entscheidendes Wort mitreden, wenn es z.B. um die Atomverhandlungen mit dem Iran geht oder um Sanktionen gegen Russland.

Ja, wir sind Weltversorger und das trägt zum Wohlstand in Deutschland und den Niederlanden bei. Diese wirtschaftliche Stärke hilft aber genauso auch der Eurozone und den Krisenländern, um wieder auf die Beine zu kommen. Auch in vielen anderen Teilen der Welt profitieren die Menschen z.B. durch die Überweisungen von Familienangehörigen, die in Deutschland beschäftigt sind. Außerdem erlaubt die florierende Wirtschaft vor allem Deutschland, seine Wertvorstellungen in die Welt zu tragen und als leuchtendes Beispiel dafür zu dienen, dass Freiheit, Rechtssicherheit und Demokratie Wohlstand schaffen.


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Deutschland meldet mal wieder einen neuen Export-Rekord. Das lockt sogar den überaus Merkel-freundlichen britischen Blog openeurope aus der Reserve.

In einem lesenswerten Beitrag geht er der Frage nach, was der deutsche Leistungsbilanz-Überschuss für Europa und die Krisenländer des Südens bedeutet.

Dabei wird wieder einmal klar, dass Frankreich unser wichtigster Handelspartner ist. Mehr Konsum und mehr Importe würden vor allem unseren französischen Freunden helfen.

Bemerkenswert das Fazit des Beitrags: You cannot have a currency with 17 Germanys: All the above said, you clearly cannot have a bloc of countries, which trades significantly with each other, all focused on creating an export model. Where would the demand come from? Clearly, Germany alone cannot provide it and being entirely reliant on external global demand is a risky strategy.

Leider vergessen die Autoren hinzuzufügen, dass genau das das Ziel der (deutschen) EU-Strategie ist: Alle sollen so wettbewerbsfähig werden wie wir, das Heil soll allein aus den Exporten kommen… – Mehr hier


Dieser Beitrag erschien am 8.11.2013 auf lostineu.eu und ist unter folgendem Link zu finden: http://lostineu.eu/euro-mit-17-schlands-nicht-moeglich/


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Deutschland und die Niederlande: Die Weltversorger in Zahlen https://www.mister-ede.de/politik/de-nl-weltversorger-in-zahlen/5701 https://www.mister-ede.de/politik/de-nl-weltversorger-in-zahlen/5701#comments Fri, 18 Nov 2016 14:18:18 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5701 Weiterlesen ]]> Nachfolgend sind einige statistische Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat zum Außenhandel von Deutschland und den Niederlanden sowie den übrigen EU-Ländern aufgelistet. Nachdem es sich hierbei um statistische Werte handelt, die zum Teil anhand anderer Kennziffern geschätzt oder errechnet werden, sind sie allerdings eher als ein Richtwert zu verstehen. Der aggregierte Außenbeitrag Deutschlands in den Jahren 2004 – 2015 in Höhe von 1.822 Mrd. Euro entspricht also einem Außenbeitrag von ca. 1,6 – 2,0 Billionen Euro.

Neben einzelnen Jahreswerten für die Jahre 1997 – 2015 für Außenbeiträge und die Salden von Primär- und Sekundäreinkommen und der Kapitalbilanz sind diese Kennzahlen vorweg als aggregierte Werte der Jahre 2004 – 2015 tabellarisch zusammengefasst.

Aggregierte Werte für die Jahre 2004 – 2015 nach EU-Ländern:

Außenbeitrag 1997 – 2015 nach EU-Ländern und Jahren:

Saldo der Primäreinkommen 1997 – 2015 nach EU-Ländern und Jahren:

Saldo der Sekundäreinkommen 1997 – 2015 nach EU-Ländern und Jahren:

Saldo der Kapitalbilanz 1997 – 2015 nach EU-Ländern und Jahren:

Weiterführende Informationen:

Zu Ursachen und Folgen ein erklärender Gastbeitrag von Wolf Schäfer im Blog lostineu.eu: Link zu „Das China der Eurozone (II)“ auf lostineu.eu

Zur Erläuterung der Zahlungsbilanz eine Übersicht des Bundesamtes für Statistik: Link zum PDF auf www.destatis.de

Zur Einordnung eine Auflistung der weltweiten Leistungsbilanzen in US-Dollar auf Wikipedia: Link zur Liste auf de.wikipedia.org

Datenbanken der EU-Statistikbehörde Eurostat: Link zu den Datenbanken auf ec.europa.eu


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Hinzu kommt zu dieser Entwicklung das deutsche Lohn- und Sozialdumping seit der Jahrtausendwende, durch das die Produktionskosten in Deutschland gesenkt und gleichzeitige die Binnennachfrage niedrig gehalten wurde. Dies hat zu erheblichen Exportüberschüssen bzw. Importdefiziten von knapp 2 Billionen Euro seit 2004 geführt, zu denen in diesem Jahr weitere grob 200 Mrd. Euro dazukommen werden. Deutschland wird also von Anfang 2004 bis Ende 2016 über 2 Billionen Euro mehr an Waren und Dienstleistungen in die übrige Welt exportiert haben als von dort importiert – und für das Kapital gilt übrigens dasselbe. Hierbei hilft Deutschland auch noch, dass der Euro wegen der anderen kränkelnden Wirtschaften im Euroraum relativ schwach ist und deutsche Unternehmen so die Exportpreise niedrig halten können – ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Den deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble dürfte es zumindest freuen, dass auf der einen Seite die Zinskosten des Bundes, aber auch des Staates insgesamt, auf ein historisches Tief zurückgegangen sind und auf der anderen Seite die Steuereinnahmen dank des Exportgeschäfts kräftig um 12,4% von 551,8 Mrd. Euro im Jahr 2012 auf 620,3 Mrd. Euro im Jahr 2015 gestiegen sind. Und auch bis zum Sommer 2016 hat sich dieser Trend fortgesetzt, so dass das Steueraufkommen in Deutschland um weitere 5,6% [1] gegenüber dem Vorjahreszeitraum angestiegen ist.
Werden diese Spielräume nun allerdings nicht genutzt, um die Binnennachfrage hierzulande zu stärken, werden die entstandenen Spielräume vermutlich wieder durch ein kollabierendes Euro-Land aufgezehrt. Auch wenn in Deutschland zurzeit Arbeitsplätze entstehen und die Steuereinnahmen sprudeln, ist deshalb zu bezweifeln, dass es auf lange Sicht sinnvoll ist, immer wieder Länder erst gnadenlos nieder zu konkurrieren und dann zu retten.


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StandPUNKT: Die Wahrheit über die Euro-Rettungssystematik https://www.mister-ede.de/wirtschaft/wahrheit-ueber-die-eurorettung/5046 https://www.mister-ede.de/wirtschaft/wahrheit-ueber-die-eurorettung/5046#comments Thu, 26 May 2016 15:11:41 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5046 Weiterlesen ]]> Solange die mit der Bankenrettung in Irland begonnene Euro-Rettungssystematik fortgesetzt wird, zahlen die griechischen, spanischen, portugiesischen und irischen Steuerzahler jene Kredite zurück, die unter anderem deutsche Geldhäuser bei den Pleitebanken dieser Länder verzockt haben.
Und als Belohnung für diese unfaire Konstruktion bekommt Deutschland noch niedrigste Kreditzinsen für Staat und Unternehmen und überdies einen schwachen Euro für Exportwirtschaft und Arbeitsplätze.

Eine win-win-win-win-win Situation – für Deutschland.

Der Haken: Auf Dauer geht das nicht gut.


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Eine Bilanz nach fünf Jahren Euro-Rettungspolitik (www.mister-ede.de – 15.10.2013)

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Eurokrise: FAQ zur Griechenland-Krise und zur aktuellen Lage https://www.mister-ede.de/politik/faq-zur-griechenland-krise/3732 https://www.mister-ede.de/politik/faq-zur-griechenland-krise/3732#comments Mon, 23 Mar 2015 19:28:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3732 Weiterlesen ]]> Der nachfolgende Katalog dient zur Beantwortung der wesentlichen Fragen rund um die Griechenland-Krise mit Blick sowohl auf die Krisenentwicklung der Vergangenheit als auch auf die aktuelle Situation und mögliche Szenarien.

Übersicht der FAQ zur Griechenland-Krise:

1) Was hat die Situation in Griechenland ausgelöst?

a) Sind die griechischen Regierungen der Vergangenheit schuld an der aktuellen Situation in Griechenland?
b) Ist die Gemeinschaftswährung schuld an der Krise in Griechenland?
c) Ist die Austeritätspolitik schuld an der aktuellen Situation?
d) Ist die fehlende politische Integration innerhalb der EU schuld an der Situation?
e) Ist die Bankenrettung schuld an der Krise in Griechenland?

2) Warum wurden 2010 die griechischen Gläubiger durch Hilfskredite an Griechenland geschützt?

a) War die Griechenland-Hilfe eine verdeckte Bankenrettung?
b) Warum wurden die Banken gerettet?
c) Hat die Bankenrettung Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Situation in Griechenland oder der Eurozone?

3) Was spricht für einen Schuldenschnitt?

4) Was spricht gegen einen Schuldenschnitt?

5) Was bedeutet ein Schuldenschnitt Griechenlands heute?

a) Was sind die Unterschiede bei einem Schuldenschnitt heute zu einem Ausfall 2010?
b) Haben sich die Hilfskredite an Griechenland bisher für die Eurozone gelohnt?
c) Welche Auswirkungen hätte ein Schuldenschnitt oder ein Ausfall Griechenlands aktuell?

6) Wie könnte eine Alternative zu einem Schuldenschnitt aussehen?

a) Wer zahlt bei einer Verlängerung des Kreditprogramms für wen?
b) Wie könnte eine Schuldenumstrukturierung gelingen?

7) Was spricht für einen Grexit?

8) Was spricht gegen einen Grexit?

9) Welche Auswirkungen hätte ein Grexit heute?

10) Wie ist die griechische Krise innerhalb der Finanzkrise zu verorten?

11) Wie könnten Auswege aus der verfahrenen Situation aussehen?

a) Wie kann das aktuelle Liquiditätsproblem Griechenlands gelöst werden?
b) Wie können die Kosten von Hilfsmaßnahmen bzw. der Schaden möglichst gering gehalten werden?
c) Welche Rolle kann die Geldpolitik der EZB bei der Überwindung der Krise spielen?
d) Welche Anpassungen in der Eurozone könnten Griechenland helfen?
e) Wie kann die Konjunktur in Griechenland belebt werden?

12) Ist die Eurozone gerettet, wenn Griechenland gerettet ist?

FAQ zur Griechenland-Krise:

1) Was hat die Situation in Griechenland ausgelöst?

a) Sind die griechischen Regierungen der Vergangenheit schuld an der aktuellen Situation in Griechenland?

Ja und nein. In Griechenland gab es bereits vor 2010 erhebliche Versäumnisse, die zwar durch die Gemeinschaftswährung begünstigt wurden, allerdings in der Verantwortung der damaligen griechischen Regierungen lagen. Ebenso wurden nach 2010 zahlreiche Fehler begangen, die von den griechischen Regierungen mit zu verantworten sind. Ab diesem Zeitpunkt spielte für die Fehlentwicklung des Landes jedoch auch eine ziemlich erfolglose Rettungspolitik, welche Dynamiken der Währungsunion verkannte und damit zum Teil eine tiefgehende Rezession beförderte, eine nicht unerhebliche Rolle.

b) Ist die Gemeinschaftswährung schuld an der Krise in Griechenland?

Die Gemeinschaftswährung hat die Verschuldung Griechenlands und auch die Auseinanderentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone begünstigt. Dies gilt auch für Fehlentwicklungen in anderen Ländern, z.B. für die Immobilienblase in Spanien. Dennoch hätten die griechischen oder spanischen Regierungen durchaus gegensteuern können, weshalb die Gemeinschaftswährung für sich alleine genommen nicht die Ursache der Eurokrise ist.

c) Ist die Austeritätspolitik schuld an der aktuellen Situation?

Nicht nur in Griechenland, sondern insgesamt hat der einseitige Spar- und Kürzungskurs die Krise in der Eurozone vor allem durch das Fehlen ausgleichender Investitionsimpulse mehr verstärkt als abgemildert. Jedoch handelt es sich bei der Austeritätspolitik eher um eine unglückliche Reaktion auf die durch das Auseinanderlaufen von Wettbewerbsfähigkeit und Bonität vorhandene Eurokrise im Jahr 2010. Die Austeritätspolitik hat damit zwar vor allem in Griechenland die Krise durch ihre Einseitigkeit und Überdosierung verstärkt, sie hat sie aber nicht primär verursacht.

d) Ist die fehlende politische Integration innerhalb der EU schuld an der Situation?

Die mangelnde politische Integration macht sich im europäischen Binnenmarkt deutlich bemerkbar, weil z.B. durch Steuerdumping, Lohndumping oder Umweltschutzdumping Standortvorteile innerhalb der EU geschaffen werden können. Zwar beschränkt sich diese Problematik nicht nur auf den Euro-Raum, dennoch trägt die fehlende politische Integration damit auch zur aktuellen Situation in Griechenland bei. Daneben können sich durch solche Gestaltungen, die z.B. auf Wettbewerbsvorteile im Bereich des Lohns abzielen, jene Größen auseinanderentwickeln, bei denen eigentlich eine Konvergenz für das Funktionieren der Währungsunion notwendig wäre, wie z.B. bei den Lohnstückkosten.

e) Ist die Bankenrettung schuld an der Krise in Griechenland?

Speziell in Griechenland hat die erste Bankenrettung in der Zeit der Bankenkrise von 2008/2009 einen kleineren Anteil an der krisenhaften Situation. Anders als vor allem im Falle Irlands, das erhebliche Summen zur Bankenrettung aufbringen musste, lagen die Ursachen für die enormen griechischen Haushaltsdefizite und Schulden zu einem großen Teil in Griechenland selbst.
Im Verlauf der Griechenlandkrise von 2010 setzte jedoch durch die Hilfsmaßnahmen zum Teil eine erneute Bankenrettung ein. So wurde von den mehreren hundert Milliarden Euro an Griechenlandhilfen nur ein kleinerer Teil zur Überbrückung von Haushaltsdefiziten eingesetzt, während ein weit größerer Teil für die Rückzahlung der griechischen Verbindlichkeiten und damit einer Gläubigerrettung aufgewendet wurde. Allerdings kann für jene Hilfskredite, die in die Bankenrettung flossen, festgestellt werden, dass sie keinerlei Schaden für Griechenland verursacht haben. Ob die an Griechenland vergebenen Kredite durch einen Schuldenschnitt abgeschrieben werden oder ob der Rest der Eurozone die Ablösung der alten Kredite durch neue Hilfskredite übernimmt, macht für Griechenland kaum einen Unterschied und, gesamtwirtschaftlich betrachtet wie unter Punkt 2c), noch nicht mal für die Eurozone.

2) Warum wurden 2010 die griechischen Gläubiger durch Hilfskredite an Griechenland geschützt?

a) War die Griechenland-Hilfe eine verdeckte Bankenrettung?

Zu einem großen Teil war sie das, zu einem kleineren Teil auch nicht, denn tatsächlich wurden auch die Haushaltsdefizite der Jahre 2010 bis heute mitfinanziert. Daneben wurden durch einen teilweisen Schuldenschnitt auch die bisherigen Gläubiger beteiligt, wodurch die Bankenrettung zumindest ein wenig begrenzt wurde.

b) Warum wurden die Banken gerettet?

Nach den Erfahrungen des Zusammenbruchs von Lehman und der Tatsache, dass sich der Finanzsektor in der Eurozone 2010 noch immer in einer erheblichen Schieflage befand, wäre eine Pleite Griechenlands für die Stabilität des Finanzmarkts in der Eurozone gefährlich gewesen. Daneben wäre eine Staatspleite Griechenlands angesichts der Liquiditätskrise einiger Euro-Mitgliedsstaaten mit Gefahren für das gesamte Eurosystem verbunden gewesen. Die verdeckte Bankenrettung war daher mit Hinblick auf die Stabilisierung der Eurozone eine erfolgreiche Maßnahme der durchgeführten Krisenpolitik.

c) Hat die Bankenrettung Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Situation in Griechenland oder der Eurozone?

Für Griechenland ist es relativ unerheblich, ob es seinen Schuldendienst aufgrund eines Schuldenschnitts oder wegen einer Zwischenfinanzierung z.B. durch den ESM zurzeit nicht leisten muss. Etwas größeren Einfluss hat die Rettung der Banken jedoch für die übrige Eurozone, weil durch die weitgehende Übernahme der Verbindlichkeiten die Gläubiger nicht mehr Banken oder Versicherungen, sondern nunmehr die Steuerzahler sind.
Im Gesamten betrachtet, macht dies aber einen deutlich kleineren Unterschied als man sich das zunächst denkt, weil zum Beispiel Banken ihre Verluste über die Jahre zu Lasten der Steuereinnahmen abschreiben würden. Für den Fiskus macht es insoweit also keinen Unterschied, ob er nun über die nächsten Jahre geringere Steuereinnahmen erzielt oder ob er zusätzliche Verbindlichkeiten trägt. Und auch für die Bürger macht es kaum einen Unterschied, ob sie nun dem Staat über Steuern oder den Banken über die Gebühren die Verluste ersetzen müssen, die bei einem endgültigen Ausfall Griechenlands entstehen.

3) Was spricht für einen Schuldenschnitt?

Für einen Schuldenschnitt spricht die Tatsache, dass für Griechenland die Verbindlichkeiten der Vergangenheit dann nicht mehr im Raum stehen. Griechenland könnte auf diese Weise eine verbesserte Perspektive haben, die sich auf die Konjunktur positiv auswirkt.

4) Was spricht gegen einen Schuldenschnitt?

Gegen einen Schuldenschnitt spricht die Tatsache, dass für Griechenland die Verbindlichkeiten der Vergangenheit dann nicht mehr im Raum stehen. Dies könnte Forderungen anderer Krisenländer aufwerfen und würde eine Ungerechtigkeit gegenüber jenen darstellen, die wie im Falle Irlands den erheblichen Druck durch die angehäuften Verbindlichkeiten zurzeit aushalten, oder jenen, die dann für die Schulden Griechenlands einspringen müssten, wie z.B. Deutschland.

5) Was bedeutet ein Schuldenschnitt Griechenlands heute?

a) Was sind die Unterschiede bei einem Schuldenschnitt heute zu einem Ausfall 2010?

Gegenüber dem Zustand von 2010 hat sich im Wesentlichen nur die Zusammensetzung der Gläubiger geändert und hinzugekommen sind noch ein paar griechische Defizite der letzten fünf Jahre, die in dieser Zeit aber zumindest kräftig zurückgegangen sind. Berücksichtigt man, dass, wie unter Punkt 2c) dargestellt, die Verschiebung bei den Gläubigern für die Mehrheit der Bürger nur eine geringe oder gar keine Auswirkung hat, weil z.B. Bankverluste auch wieder zu weniger Steuereinnahmen führen, dann hat sich für die Eurozone die Lage nur wenig verändert. Eine Pleite Griechenlands kostet die Bürger der an den Hilfspaketen beteiligten Länder Geld, weil dieses abgeschrieben werden muss.
Verändert hat sich allerdings die Situation in der Eurozone selbst. Heute hätte ein Schuldenschnitt zwar noch immer deutliche Konsequenzen, dennoch dürften diese nicht mehr ganz so gravierend sein wie noch 2010, als ein Ausfall Griechenlands zu massiven zusätzlichen Kosten, z.B. durch Bankenstützungsmaßnahmen im Rest der Eurozone, geführt hätte.

b) Haben sich die Hilfskredite an Griechenland bisher für die Eurozone gelohnt?

Ja! Bei einem Ausfall Griechenlands 2010 wären neuen Bankenrettungen notwendig geworden und auch die Krisenkosten für andere Krisenländer, z.B. Spanien oder Portugal, wären noch einmal erheblich angestiegen, weil das Vertrauen in die Eurozone dann gänzlich erschüttert gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund hat das Verschieben des Schuldenschnitts auf einen späteren Zeitpunkt der Eurozone deutlich Kosten erspart, die weit über das Volumen der Staatsverschuldung Griechenlands hinausgegangen wären. Somit haben sich die Hilfskredite, für die nicht viel mehr als Bürgschaften notwendig waren und die dann zu einem großen Teil wieder zurück in den europäischen Finanzsektor flossen, tatsächlich gelohnt.

c) Welche Auswirkungen hätte ein Schuldenschnitt oder ein Ausfall Griechenlands aktuell?

Würde Griechenland heute Ausfallen, hätte dies zunächst Auswirkungen auf die Hilfskredite, die dann uneinholbar verloren sind, was für die Staatsschulden Griechenlands allerdings auch schon 2010 bei einem Staatsbankrott gegolten hätte.
Zusätzlich könnte eine Staatspleite heute aber auch noch insoweit Auswirkungen haben, als dann Spekulation um das nächstschwächere Glied in der Euro-Kette wieder entflammen könnten, zumal gerade bei der Schuldenentwicklung und den Zinsdivergenzen in der Eurozone noch immer stabilisierende Maßnahmen fehlen. Daneben könnte die Währungsunion bei einem gleichzeitigen Euroaustritt Griechenlands einen neuerlichen Vertrauensverlust mit negativen Folgen für alle Euroländer erleiden.

6) Wie könnte eine Alternative zu einem Schuldenschnitt aussehen?

a) Wer zahlt bei einer Verlängerung des Kreditprogramms für wen?

Wenn Griechenland zurzeit z.B. die Kredite gegenüber dem IWF bedient, dann zahlt es diese mit Finanzmitteln aus Hilfsprogrammen zurück. Allgemein gesprochen, zahlt der ESM (bzw. die EFSF) damit an den IWF und auch an andere private Gläubiger Griechenlands. Führt man die Schuldenumstrukturierung über den ESM weiter fort, dann zahlt irgendwann der ESM über den Umweg Griechenland an sich selbst. Bei einer vollständigen Finanzierung durch die Geberländer hätte dann sogar die Höhe der Zinssätze keinerlei Einfluss mehr auf deren Finanzsituation, weil das Geld damit, bildlich gesprochen, nur aus der linken in die rechte Hosentasche wandern würde. Deutschland bürgt für den ESM, der sich das Geld z.B. bei einer deutschen Bank leiht und dieses an Griechenland weiterreicht, welches mit dem Geld dann wieder die Kredite des ESM samt Zinsen bedient und der ESM kann damit wieder seine Gläubiger, z.B. eine deutsche Bank, auszahlen. Ein Nullsummenspiel.

b) Wie könnte eine Schuldenumstrukturierung gelingen?

Auch wenn es sich um einen Art Taschenspielertrick handelt, sollte dieser Weg gegangen werden, solange sich Griechenland in der Restrukturierungsphase befindet. Wird beim ESM vorerst auf eine Tilgung verzichtet und wird ein geringer Zinssatz gewählt, der, wie unter Punkt 6a) dargestellt, auf die Gesamtsituation eigentlich keinen Einfluss hat, dann steigen die Verbindlichkeiten Griechenlands gegenüber dem ESM entsprechend langsam an. Gelingt es gleichzeitig, den Haushalt Griechenlands so zu gestalten, dass der Primärüberschuss ausreicht, um die Zinsforderungen der privaten Gläubiger zu bedienen, könnte damit kurz- bis mittelfristig die teilweise Schuldentragfähigkeit Griechenlands abgesichert werden.
Wie zu einem späteren Zeitpunkt mit den ESM-Verbindlichkeiten umgegangen wird, kann dann zum Beispiel von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig gemacht werden. Gelingt es, über Konvergenzprogramme der EU und über die richtigen Reformen in Griechenland die Konjunktur zu beleben, würde bei einem nominalen Wachstum (reales Wachstum plus Inflation), das über dem durchschnittlichen Zinssatz liegt, die Verschuldung sinken.

7) Was spricht für einen Grexit?

Für einen Grexit spricht die Möglichkeit, durch Währungsanpassungen die Fehlentwicklungen bei der Lohnauseinanderentwicklung leicht auf einen Schlag lösen zu können. Vor allem im Bereich Tourismus könnte dieser Ansatz schnell zu Erfolg führen, weil damit die Preise durch einen günstigeren Wechselkurs für Touristen aus aller Welt attraktiver werden. Daneben ist innerhalb des Euro eine solche Anpassung nur über einen längeren Prozess möglich, der auch Veränderungen in Ländern mit einer niedrigeren Lohnstückkostenentwicklung, z.B. in Deutschland, erfordert.

8) Was spricht gegen einen Grexit?

Gegen einen Grexit spricht zunächst, dass dieser gegen den Willen Griechenlands nur schwierig zu vollziehen ist. Daneben dürfte die schnelle Anpassung der Währung an das für das Land angemessene Niveau verheerende Folgen für Griechenland haben.
Alle Importwaren würden sofort erheblich teurer, während z.B. eine Belebung der heimischen landwirtschaftlichen Produktion erst mit Verzögerung erfolgen würde. Zahlreiche weitere wichtige Importgüter, seien es Autos und Öl, Medizin und Maschinen oder Chemieprodukte, wie z.B. Düngemittel, würden für die Griechen erheblich teurer.
Daneben dürften auch die Unternehmen schneller pleitegehen als sie wettbewerbsfähig werden. Sofern nämlich die Verbindlichkeiten der Unternehmen in Euro beibehalten werden, gleichzeitig aber die Umsätze jener griechischen Anbieter, die stark auf das Inland ausgerichtet sind, mit der Währungsabwertung massiv einbrechen, müssen die Unternehmen reihenweise Insolvenz anmelden. Auch Unternehmen, die einen hohen Aktivbestand z.B. bei Aktien oder Immobilien halten, droht bei der außerordentlichen Abschreibung auf die dann in griechischer Währung bewerteten Vermögenswerte die Insolvenz. Aber nicht nur Unternehmen, sondern auch jene griechischen Privatpersonen, die einen Kredit in Euro aufgenommen haben, z.B. für ein Haus, werden diesen in vielen Fällen bei einem Verfall der in Landeswährung gerechneten Einkommen nicht mehr bedienen können. Damit drohen Privatinsolvenzen, Unternehmenspleiten und Bankenpleiten, weshalb es bei einem Verlassen der Währungsunion vermutlich nicht zu der angestrebten Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit kommt, sondern, vielleicht mit Ausnahme der Tourismusbranche, zu einem weiteren großflächigen Absturz der griechischen Wirtschaft.
Daneben würden bei einem Grexit aber auch alle Unternehmensinvestitionen aus dem Ausland, z.B. Filialen oder Tochterunternehmen, nur noch einen Bruchteil ihres Wertes darstellen oder wären in manchen Fällen sicherlich gar nichts mehr wert, wenn z.B. aufgrund der zurückgehenden Umsätze (in Euro gerechnet) mit den Investitionen künftig keine Gewinne mehr eingespielt werden können.

9) Welche Auswirkungen hätte ein Grexit heute?

Geht man davon aus, dass das unter Punkt 8) dargestellte Szenario, also ein weiterer Absturz, die Folge ist, wäre dies ein verheerendes Zeichen für die EU im Ganzen und die Eurozone im Speziellen. Neben der dann aufkommenden Frage, ob damit insgesamt der Euro oder vielleicht sogar die EU gescheitert sind und den daraus möglicherweise resultierenden Spekulationen, müsste auch ein erheblicher ökonomischer Schaden getragen werden. So müssten im Falle eines Grexits Abschreibungen auf die Staatsschulden, auf die Verbindlichkeiten der griechischen Notenbank sowie auf sonstige ausländische Kredite oder Investitionen vorgenommen werden, womit sich die Gesamtsumme der dann notwendigen Abschreibung im Bereich von mehreren hundert Milliarden Euro bewegt.

Unterstellt man hingegen, dass Griechenland nach einem Grexit , wie unter Punkt 7) dargestellt, wieder auf die Beine kommt, könnten sich dann auch andere Mitglieder für einen solchen Weg interessieren, der am Ende natürlich immer darauf hinausläuft, dass die Kosten eines Austritts von den verbleibenden Euro-Mitgliedern getragen werden müssen.
Es besteht bei einem Austritt also das Dilemma, dass entweder nicht genügend abgeschrieben und geholfen wird und in der Folge Griechenland von seinem jetzigen Niveau noch weiter abstürzt oder in ausreichendem Maß abgeschrieben und geholfen wird und Griechenland ein Neustart gelingt, wodurch ein Nachahmer-Effekt entstehen könnte.

10) Wie ist die Griechische Krise innerhalb der Finanzkrise zu verorten?

Teilt man die Finanzkrise in Banken- und Eurokrise ein, dann ist Griechenland im Wesentlichen von der Eurokrise betroffen und als schwächstes Glied in der Kette der Euro-Staaten ist es das am stärksten betroffene Land. Für die Eurozone liegen allerdings weit größere Risiken in Italien oder bei der Arbeitslosigkeit von über 20% auch in Spanien. Für sich alleine genommen ist Griechenland bezogen auf die Eurokrise wegen seiner Größe also ein kleineres Problem.
Allerdings dürfte die Entwicklung in Griechenland dennoch einen erheblichen Einfluss darauf haben, als wie sicher und stabil die Eurozone künftig empfunden wird. Gerade vor dem Hintergrund anderer großer Gefahren für die Eurozone, könnte ein negativer Ausgang in Griechenland damit durchaus heftige Folgen für die Währungsunion im Gesamten haben.

11) Wie könnten Auswege aus der verfahrenen Situation aussehen?

a) Wie kann das aktuelle Liquiditätsproblem Griechenlands gelöst werden?

Das aktuelle Liquiditätsproblem besteht vor allem darin, dass Griechenland noch immer zahlreiche Gläubiger neben dem ESM bedienen muss. Nachdem die ESM-Kredite lange laufen und auch eine günstige Verzinsung vorgesehen ist, kann hier nicht mehr viel unternommen werden. Allerdings könnte der ESM mit einem Bruchteil seiner bisherigen Hilfsleistungen die Refinanzierung, z.B. bis zum 31.12.2016, sicherstellen. Würde eine solche Kreditleistung an die Rückzahlungszeitpunkte geknüpft, könnte aus Sicht der Geldgeber auch eine Zweckentfremdung ausgeschlossen werden. Zusätzlich könnte mit günstigen Konditionen, z.B. einem Zinssatz von 1% und weitgehender Stundung, die durchschnittliche Zinslast und Liquiditätsbelastung für Griechenland gesenkt werden.
Wäre die Rückzahlung der Kredite bis Ende 2016 abgesichert und würde Griechenland einen Primärüberschuss erwirtschaften, mit dem es die Zinsen der verbleibenden privaten Gläubiger bedienen kann, wäre die Liquidität vorerst auf niedrigem Niveau gesichert. Daneben würden sich durch die Stundungsmodalitäten und die günstigen Konditionen des ESM mit der Zeit Spielräume ergeben, die zur Belebung der Konjunktur genutzt werden können, wodurch das Liquiditätsproblem am nachhaltigsten beseitigt würde.

b) Wie können die Kosten von Hilfsmaßnahmen bzw. der Schaden möglichst gering gehalten werden?

Wie unter Punkt 6a) dargestellt, macht es in der jetzigen Situation wenig Unterschied, ob die Rückzahlung verschoben wird oder ob Griechenland Geld für die Rückzahlungen zur Verfügung gestellt wird. Lediglich ein endgültiger Verzicht auf die Rückzahlung, also ein Schuldenschnitt, würde sofortige Kosten verursachen, die ansonsten durch günstige Zinskonditionen an Griechenland erst über Jahre verteilt entstehen würden. Um Folgekosten möglichst gering zu halten, sollte daher nicht auf einen Schuldenschnitt, sondern auf eine möglichst lange Verteilung und eine Kreislösung mit geringer Verzinsung gesetzt werden. Hierdurch könnte bei einer Konjunkturbelebung in Griechenland zumindest ein Teil der Summe recht einfach wieder in den regulären Schuldendienst integriert werden.
Um die politischen und ökonomischen Kosten möglichst gering zu halten, sollte daneben auf einen Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion verzichtet werden.

c) Welche Rolle kann die Geldpolitik der EZB bei der Überwindung der Krise spielen?

Insgesamt wird durch die Geldpolitik der EZB das Zinsniveau für Staatsanleihen äußerst niedrig gehalten, wodurch Spielräume bei der Überwindung der Verschuldungsproblematik entstehen. Daneben führt die Abwertung des Euro zu Preisvorteilen im Standortwettwebwerb, die zum einen zu einer Belebung der Konjunktur beitragen können und die zum anderen genutzt werden könnten, um Konvergenzmaßnahmen in wettbewerbsstarken Euro-Staaten abzufedern.

d) Welche Anpassungen in der Eurozone könnten Griechenland helfen?

Kernursachen der Eurokrise waren Divergenzen bei der Wettbewerbsfähigkeit und der Bonität. Maßnahmen außerhalb Griechenlands, die zu einer Konvergenz innerhalb der Eurozone führen, helfen Griechenland daher automatisch und Spielräume für solche Maßnahmen gibt es aktuell durch die EZB-Politik. Im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit könnten somit z.B. in Deutschland über die nächsten fünf Jahre Reallohnsteigerungen um die 2,0% und ein Inflationsziel von 2,5 – 3,0% angestrebt werden, ohne an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, weil der Euro von der EZB zurzeit schwach gehalten wird.
Daneben könnten ausgleichende Maßnahmen dort helfen, wo Unterschiede über Konvergenzprogramme nur langsam abgebaut werden oder konjunkturelle Unterschiede bestehen. Ausgleichzahlungen bei hoher Arbeitslosigkeit würden neben anderen Krisenländern besonders auch Griechenland nutzen, während ein Zinsausgleich durch die jetzt schon zum Teil günstigen Konditionen für Hilfskredite, kaum einen Nutzen für Griechenland hätte, dafür allerdings für Italien, Spanien, Irland oder Portugal.

e) Wie kann die Konjunktur in Griechenland belebt werden?

Lässt man einen Zinsausgleich oder einen Arbeitslosenausgleich, also Transferzahlungen, die eine tiefergehende politische Integration erfordern, beiseite, könnte eine Konjunkturbelebung folgende Bestandteile haben. Mit Hilfe eines Refinanzierungsprogramms, wie unter Punkt 6a) angesprochen, könnten die Liquiditätsprobleme bis Ende 2016 beseitigt werden. Gleichzeitig kann auch schon in der aktuellen Struktur der Währungsunion auf eine Anpassung, im Sinne einer Stärkung der Binnennachfrage in den wettbewerbsstarken Staaten, gesetzt werden. Hiermit sollte ein gutes Fundament gelegt sein, so dass dann die Frage ist, wie schnell und wie erfolgreich die neue griechische Regierung bei der Umsetzung der notwendigen Reformen ist.
Gelingt es zügig, die Steuerverwaltung und Kontrolle in einen adäquaten Zustand zu bringen, daneben auch EU-Fördergelder für Investition abzurufen und durch Privatisierungen sowohl Investitionen ins Land als auch Verkaufserlöse in den Staatshaushalt zu bringen, erscheint ein kleiner Primärüberschuss noch für 2015 möglich. Hierfür muss aber in den nächsten ein, zwei Wochen die Zeit der Ungewissheit für Griechenland vorbei sein, so dass die Tourismus-Saison voll ausgeschöpft werden kann. Würde sich auf diese Weise für 2015 zumindest eine schwarze Null vor Zinsen ergeben, würden automatisch für 2016 neue Spielräume entstehen.

12) Ist die Eurozone gerettet, wenn Griechenland gerettet ist?

Die Hauptprobleme in der Eurozone liegen in den drei Ländern Frankreich, Spanien und Italien. Frankreich droht in eine erhebliche Schieflage zu geraten, wenn die Konjunktur in der Eurozone oder die Weltkonjunktur nicht kräftig anzieht und nach beidem sieht es nicht aus. Italien ist bei stagnierender Wirtschaft und wachsendem Schuldenberg schon längst schwer angeschlagen und auch in Spanien geht es nur in Minischritten aus der Talsohle heraus und auch dies noch immer nur zum Preis wachsender Schulden. Selbst wenn Griechenland vorerst gerettet wird, ist die Eurokrise also noch lange nicht gelöst.


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Nachdem durch die Schuldenschnitte in Griechenland und Zypern deutlich wurde, dass es je nach Euro-Land unterschiedliche Risiken bei der Kreditvergabe an Banken und Staaten gibt, wird dies durch Zinsaufschläge mittlerweile berücksichtigt. Konnten sich Banken und Staaten aus der Eurozone vor der Krise zu ähnlichen Konditionen refinanzieren, müssen Banken aus Krisenländer und die Krisenstaaten selbst bei der Kreditaufnahme heute zum Teil erhebliche Aufschläge gegenüber Deutschland oder Frankreich zahlen.
Grundsätzlich ist dies auch der Sinn von Zinsunterschieden, allerdings wird dieser Effekt durch die Gemeinschaftswährung zusätzlich verstärkt. Während normalerweise der Abfluss von Geldern aus Ländern, die sich in einer Krise befinden, zu positiven Wechselkurseffekten führt und durch die nationalen Zentralbanken auf Währungs- und Zinsentwicklungen und damit auch auf die Stabilität des heimischen Finanzplatzes Einfluss genommen werden kann, ist dies in einer Währungsunion nur eingeschränkt möglich. Dies führt dazu, dass die Risiken von Zahlungsausfällen bei Banken und Staaten im Falle einer Krise erhöht sind und diese Risiken müssen dann die Kreditnehmer durch höhere Zinsen tragen. Ferner gibt es für Kreditgeber in einer Währungsunion mehr Investitionsalternativen, wodurch ebenfalls eine höhere Schwankungsbreite bei den Zinsen möglich ist.

Ein großes Problem bestand darin, dass die Eurozone bis 2010 kaum Zinsunterschiede kannte und somit die Eurogruppe als Ganzes und die Ländern im Einzelnen dem Auseinanderlaufen der Zinsen unvorbereitet gegenüberstanden. Ein weiteres Problem war und ist, dass die Zinsunterschiede krisenverstärkend wirken, weil die Zinsaufschläge immer zu Lasten der kriselnden Länder gehen. Hierdurch werden die vorhandenen Ungleichgewichte verstärkt und die Haushalte der Krisenländer durch eine relativ steigende Zinslast belastet. Daneben haben die jetzt vorhanden Zinsunterschiede aber noch einen zusätzlichen negativen Effekt. Denn durch diese stehen sich im Wettbewerb um Finanzmittel Gewinner und Verlierer der Eurozone gegenüber. Eine Währungsunion, bei der sich aber die Vorteile auf absehbare Zeit vermehrt bei Ländern wie Deutschland sammeln, verliert für die schwächeren Mitgliedsländer an Attraktivität und verstärkt die bereits jetzt vorhandene Spannungen innerhalb der Eurogruppe.


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