mister-ede.de » Mitgliederentscheid https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die Rache der GroKo: SPD steht nach NRW-Wahl vor einem Scherbenhaufen https://www.mister-ede.de/politik/die-rache-der-groko/8418 https://www.mister-ede.de/politik/die-rache-der-groko/8418#comments Sun, 14 May 2017 16:02:31 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8418 Weiterlesen ]]> Als die SPD-Führung um Sigmar Gabriel im Herbst 2013 für die Regierungskoalition mit der Union warb, versprach sie den Mitgliedern: „Diesmal wird alles anders, denn der Koalitionsvertrag trägt die klare Handschrift der SPD.“ Rund drei Viertel der Genossinnen und Genossen vertrauten diesen Worten und stimmten beim anschließenden Mitgliederentscheid für die Große Koalition. Einstein hätte dazu wohl gesagt: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
Anstatt die ungeliebte Rolle als Juniorpartner an der Seite der Merkel-Union den Grünen zu überlassen und mit der SPD auf der Bundesebene eine starke Opposition zu bilden oder gar mit der rot-rot-grünen Mehrheit im Bundestag eine SPD-geführte Regierung zu installieren, ging die Sozialdemokratie erneut jenen Weg, den sie auch nach der Bundestagswahl 2005 mit wenig Erfolg beschritten hatte.

Und so kam es, wie es kommen musste. Nach einem kurzen Hype rund um den Mitgliederentscheid sackte die SPD in der Wählergunst ab und wie bereits in der Regierungszeit von 2005 bis 2009 ging die SPD bei den anschließenden Landtagswahlen auf Talfahrt. Zwar konnten die Sozialdemokraten im Herbst 2014 in Sachsen noch 2,0% zulegen, allerdings nur von einer äußerst niedrigen Ausgangsbasis von 10,4%. Bereits zwei Wochen später verlor die SPD dann 1,1% der Wählerstimmen in Brandenburg und musste in Thüringen sogar ein Minus von 6,1% hinnehmen, was in beiden Bundesländern zu den historisch schlechtesten SPD-Ergebnissen führte. Auch 2015 setzte sich dieser Trend bei der Hamburger Bürgerschaftswahl mit -2,8% und dem Verlust der absoluten Mehrheit in der Hansestadt fort, bevor die Sozialdemokraten nach einem Minus von 5,8% ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg in Bremen einfuhren.
Einzige Ausnahme in dieser Reihe ist die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2016. Doch auch dort gelang es der SPD, trotz einer herausragenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer, lediglich, das Ergebnis der letzten Wahl zu halten (+0,5%). Allerdings mussten die Sozialdemokraten am gleichen Tag bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg (-10,4%) und Sachsen-Anhalt (-10,9%) herbe Niederlagen und in diesen beiden Bundesländern ebenfalls die schlechtesten SPD-Ergebnisse in der Geschichte einstecken. Im Herbst 2016 folgten dann weitere schwere Schlappen für die Sozialdemokraten mit -5,0% in Mecklenburg-Vorpommern und -6,7% in Berlin, was auch in der Hauptstadt das schlechteste SPD-Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik bedeutete.

Anfang 2017 schmiss dann Sigmar Gabriel, der drei Jahre zuvor die Große Koalition eingefädelt und den Mitgliedern als kommende Erfolgsgeschichte verkauft hatte, seinen Parteivorsitz hin und hievte stattdessen Martin Schulz in das höchste Parteiamt. Doch auch Schulz konnte bislang keine Ideen und Vorstellungen präsentieren, durch die es der SPD gelungen wäre, ihr Image als Juniorpartner der Merkel-Union abzustreifen. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass es auch bei den nachfolgenden Landtagswahlen im Saarland (-1,0%) und in Schleswig-Holstein (-3,2%) zu weiteren Verlusten für die Sozialdemokraten kam.
Unvermindert setzte sich dieser Trend nun bei der heutigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit einem deutlichen Minus von über 8% fort. Sollte das Endergebnis unter 32% bleiben, bedeutet das auch für NRW das schlechteste SPD-Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg. Dreieinhalb Jahre nachdem sich die SPD in die Große-Koalition begab, steht sie damit heute vor den Scherbenhaufen dieser strategischen Fehlentscheidung. Wie der so geschwächten SPD, die auf der Bundesebene weiterhin in ihrer Rolle als Koalitionspartner der Union feststeckt, bis zur Bundestagswahl im Herbst ein Neuanfangen gelingen soll, bleibt fraglich. Klar ist allerdings, ein „Weiter so“ ohne klare Haltung und konkrete Inhalte werden nicht reichen, um die Partei aus jenem GroKo-Grab zu ziehen, dass sie sich in den vergangen Jahren selbst geschaufelt hat.


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Die mangelnde Aufarbeitung der Wahlniederlagen der SPD der letzten Jahre https://www.mister-ede.de/politik/mangelnde-aufarbeitung-spd/4958 https://www.mister-ede.de/politik/mangelnde-aufarbeitung-spd/4958#comments Tue, 12 Apr 2016 17:57:59 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4958 Weiterlesen ]]> Es waren magere 25,7% der Stimmen, die die einst stolze Volkspartei SPD bei der letzten Bundestagswahl 2013 auf sich vereinigen konnte. Eine Steigerung gegenüber dem desaströsen Wahlergebnis von 23,0% bei der vorausgegangenen Wahl im Jahr 2009, allerdings noch immer das zweitschlechteste Ergebnis, welches die SPD jemals bei einer Bundestagswahl eingefahren hat.
Aber auch bei Europawahlen konnten die Sozialdemokraten, die 2004 bei 21,5%, 2009 bei 20,8% und 2014 bei 27,3% landeten, seit fast zwei Jahrzehnten keine Wahlerfolge mehr feiern. Dennoch hat eine Aufarbeitung dieser Niederlagenserie bei bundesweiten Wahlen kaum stattgefunden und auch eine Debatte über die generelle Ausrichtung und Strategie der SPD wurde nie wirklich geführt. Viel mehr erschöpften sich die Analysen in geflügelten Worten oder der Suche nach Sondereffekten. So wurde nach der Wahl 2009 vor allem der sogenannte GroKo-Effekt als ursächlich für die Wahlschlappe ausgemacht und 2013 waren mal der Merkel-Effekt und mal der Steinbrück-Effekt – „Der Kandidat hat nicht zum Programm gepasst“ – für die Niederlage verantwortlich.

Anstatt innezuhalten und ausführlich darüber zu reden, warum die Sozialdemokraten seit gut zehn Jahren bundesweit in der Wählergunst nur noch um die 25% schwanken, ging die SPD immer wieder zügig zur Tagesordnung über. Notwendig wäre die Diskussion über die programmatische Ausrichtung der Sozialdemokratie gewesen, eine Analyse der veränderten politischen Landschaft und die Entwicklung passender Strategien für die SPD.
Doch während 2013 Peer Steinbrück noch dabei war, die Verantwortung für die Wahlniederlage zu übernehmen, rückten bereits wieder mögliche Koalitionsverhandlungen in den Blick der Genossen. Gerade hierbei zeigte sich jedoch, wie sich die SPD mit der mangelnden Aufarbeitung der Wahlniederlagen selbst im Wege steht. Nachdem die Beschäftigung mit den politischen Realitäten immer weiter verschleppt wurde, gab es 2013 zwar eine Mehrheit für ein rot-rot-grünes Bündnis, allerdings keine reelle Option dies politisch umzusetzen.
Obwohl eine solche Koalition links der Mitte sogar eine Bundesratsmehrheit im Rücken gehabt hätte, rutschte die SPD damit selbstverschuldet in das Dilemma, Mehrheitsbeschafferin für Merkel zu werden oder ganz auf den sozialdemokratischen Anspruch zu verzichten, Regierungspolitik zu gestalten.

Spätestens der Mitgliederentscheid zum Koalitionsvertrag hätte dann jedoch alle Alarmglocken schrillen lassen müssen. Immerhin ein Viertel (23,95% [1]) jener Sozialdemokraten, die sich an der Abstimmung beteiligten, votierten gegen den Eintritt in eine schwarz-rote Regierung. Bedenkt man, wie sehr die Parteiführung allerorts für den Koalitionsvertrag geworben hat, ist das schon ein deutliches Zeichen. Berücksichtig man aber außerdem, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Genossen, die sich in der SPD nicht mehr heimisch fühlten, die Partei verlassen haben, hätte das Ergebnis Anlass genug geboten, zunächst Ausrichtung und Strategie der SPD auf den Prüfstand zu stellen und zu überdenken. Denn, gerade vor dem Hintergrund, dass die rot-rot-grüne Mehrheit im aktuellen Parlament dem Umstand geschuldet ist, dass mit AfD und FDP zwei Parteien knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert sind, war es für die Sozialdemokratie möglicherweise fatal, die Chance auf eine Koalition links der Mitte verstreichen lassen zu müssen.
Sollte das Ergebnis der nächsten Bundestagswahl tatsächlich ein 7-Parteien-Parlament, bestehend aus CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke und AfD, hervorbringen, rücken dann selbst rot-rot-grüne Regierungsträume in weite Ferne. Ob in diesem Fall, statt Ausrichtung und Strategie, wieder ein AfD-Effekt oder ein Gabriel-Effekt für das Abschneiden der SPD verantwortlich gemacht wird, bleibt aber vorerst offen.


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[1] Artikel auf Spiegel-Online vom 14.12.2013 zum Mitgliederentscheid (Link zum Artikel auf www.spiegel.de)

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SPD-Mitgliederentscheid in der Diskussion https://www.mister-ede.de/politik/diskussion-mitgliederentscheid/2301 https://www.mister-ede.de/politik/diskussion-mitgliederentscheid/2301#comments Sat, 30 Nov 2013 06:13:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2301 Weiterlesen ]]> Es hat mich doch etwas erstaunt, wie heftig zurzeit der Mitgliederentscheid der SPD angegriffen wird. Dabei verwundert vor allem die Unsachlichkeit, mit der sich Journalisten und diverse Blogs mit der Frage der Verfassungskonformität dieses Mitgliederentscheids auseinandersetzen. Exemplarisch kann man das ZDF-Interview von Marietta Slomka nehmen, in dem die Argumente und Begründungen von Sigmar Gabriel einfach ignoriert wurden [1].

Dafür wird der Staatsrechtler Degenhart, der sich z.B. bei Handelsblatt Online zu den verfassungsrechtlichen Bedenken äußerte, vielfach zitiert [2]. Nun habe ich zwar auch schon auf  Degenhart verwiesen, z.B. bei der rechtlichen Bewertung der neuen Rundfunkbeiträge [3], allerdings muss man schon feststellen, dass Degenhart sehr viele Dinge als verfassungsrechtlich bedenklich einstuft und seine Meinung häufig auch nur eine Mindermeinung ist.
Dennoch wird auch in Blogs vielfach die Aussage zu den verfassungsrechtlichen Bedenken bereitwillig und völlig unreflektiert übernommen. Natürlich hat Degenhart recht mit seiner Kritik an der Parteiendemokratie, in der die Parteitage gelegentlich wichtiger erscheinen als Parlamentssitzungen des Bundestags. Der Fraktionszwang bei diversen Entscheidungen ist wohl die bekannteste Ausprägung dieser Unart. Trotzdem liegt Degenhart mit seiner Einschätzung zum Mitgliederentscheid falsch.

Als erstes ist festzustellen, dass ein Koalitionsvertrag kein Vertrag sondern eine Absichtserklärung ist. Damit binden sich keinerlei Rechtsfolgen an diesen Koalitionsvertrag, so dass er juristisch als gar nicht existent zu betrachten ist. Im Falle eines Vertragsbruchs kann keine Partei vor ein Gericht ziehen und den jeweiligen Koalitionspartner auf Einhaltung des Vertrags oder gar Schadenersatz verklagen. Das Scheitern von Regierungskoalitionen ist im Übrigen auch keine Neuheit, weder auf Bundesebene noch in den Ländern.

Als zweites muss man anfügen, dass die SPD-Mitglieder weder den Bundestag neuwählen, noch die Kanzlerin wählen, sondern lediglich über die Zusammenarbeit der SPD mit den Unionsparteien abstimmen. Insofern ist es schon kurios, wenn Thomas Stadler in seinem Blog zur Einschätzung kommt, „es geht […] – zumindest juristisch – nicht um die innere Ordnung der SPD, sondern um eine Regierungsbildung“ [4]. Genau darum geht es eben – zumindest juristisch – nicht.
Natürlich zielt eine Partei darauf ab, Regierungsverantwortung zu erhalten, um eigene Inhalte umzusetzen. Dennoch ist die Frage, wie sich die Partei ausrichtet, um dieses Ziel zu erreichen, eine innerparteiliche Angelegenheit. Auch dies ist ein Grund, warum nicht jeder Koalitionsvertrag am Ende auch in einer Regierung mündet. Heide Simonis in Schleswig-Holstein oder Andrea Ypsilanti in Hessen, die beide trotzt eines Koalitionsvertrags auf dem Weg zur Regierungsbildung scheiterten, belegen das eindrücklich.
Und nachdem es sich um eine innerparteiliche Angelegenheit handelt, ist es dementsprechend auch weder die Aufgabe der Nichtmitglieder, die Entscheidungsprozesse innerhalb der SPD festzulegen, noch ist es deren Aufgabe, über die internen Angelegenheiten der SPD mitzuentscheiden.

Besonders bizarr erscheint mir aber noch ein dritter Punkt. Kritisiert man tatsächlich nur den Mitgliederentscheid, so wie Slomka in ihrem Interview, dann bedeutet dies ja umgekehrt, dass eine Entscheidung eines kleinen Gremiums oder gar eine einsame Entscheidung eines Parteivorsitzenden unproblematisch seien. Wieso aber ausgerechnet die Kungelei unter einigen wenigen ein besonders schützenswerter demokratischer Prozess ist, hat sich mir bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erschlossen.
Damit wird auch deutlich, dass es völlig deplatziert ist, gerade den Mitgliederentscheid für die Kritik an der Parteiendemokratie zu nutzen. Ginge es wirklich um die Auswüchse der Parteiendemokratie, dann müsste man unabhängig von diesem Mitgliederentscheid fragen, ob Koalitionsvereinbarung zwischen Parteien oder ein möglicher Fraktionszwang bei der Kanzlerwahl nicht die Demokratie gefährden.
Dies wäre dann auch durchaus ein interessanter Punkt, denn er führt zur Frage, ob es für die Demokratie nicht besser wäre, wenn z.B. Angela Merkel ganz ohne Koalitionsvertrag in einer Minderheitsregierung versucht jedes Mal neue Mehrheiten zu suchen.


[1] Interview von Marietta Slomka im ZDF Heute-Journal vom 28.11.2013 mit Sigmar Gabriel (SPD) (Link zum Interview auf www.youtube.com)

[2] Artikel vom 28.11.2013 auf Handelsblatt Online zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem SPD-Mitgliederentscheid (Link zum Artikel auf www.handelsblatt.com)

[3] Der Rundfunkbeitrag – Ein Koloss bewegt sich (www.mister-ede.de – 05.02.2013)

[4] Blog-Artikel vom 29.11.2013 von Thomas Stadler zum SPD-Mitgliederentscheid (Link zum Blog-Artikel auf www.internet-law.de)

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Wahl stellt Parteien vor Probleme: SPD trumpft mit Mitgliederentscheid auf https://www.mister-ede.de/politik/spd-trumpf-mitgliederentscheid/2173 https://www.mister-ede.de/politik/spd-trumpf-mitgliederentscheid/2173#comments Mon, 30 Sep 2013 10:18:38 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2173 Weiterlesen ]]> Das Ergebnis der Bundestagswahl bringt alle vier im Bundestag vertretenen Parteien in eine gewisse Bredouille. Merkel ist bei der Wahl der Koalitionspartner FDP abhanden gekommen, so dass eine Fortsetzung der bisherigen Politik nicht mehr möglich ist. Allerdings konnten SPD und Grüne, die beide ihrerseits gegen die Unionspolitik Wahlkampf geführt hatten, genauso wenig die Mehrheit im Bundestag erringen.
Zwar gibt es die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Regierung, doch eine Zusammenarbeit zwischen SPD, Grünen und Linken hatte rot-grün im Wahlkampf mehrfach ausgeschlossen.
Aber selbst wenn diese Option nicht ausgeschlossene worden wäre, muss man feststellen, dass es neben einigen Hürden zwischen SPD und Linken auch erhebliche inhaltliche Differenzen von der Rente, über die Europa- hin zur Bündnispolitik zwischen rot-grün und der Linken gibt.

Damit ergibt sich nach dieser Wahl auch für die Linke ein gewisses Problem. Sie muss sich entscheiden ob sie eine Art Protestpartei mit teilweise extremen Forderungen bleiben will, oder ob sie irgendwann auch mitgestalten möchte. Bislang wurde diese innerparteiliche Auseinandersetzung über Programmatik und Ausrichtung der Linken immer wieder verschoben, aber das Wahlergebnis macht deutlich wie akut die Frage ist.
Sofern sie weiter die Rolle einer Protestpartei spielen will, wird die Linke dem Wähler erklären müssen, was für einen dauerhaften Sinn eine Partei auf der bundespolitischen Bühne haben soll, die keinerlei Optionen zum mitgestalten hat.

Die drei restlichen Parteien werden derweil einige Schwierigkeiten haben einen koalitionsfähigen Kompromiss zwischen den Parteien zu erarbeiten. Betrachtet man Union und SPD bzw. Grüne, dann lassen sich doch deutliche Unterschiede im gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Modell erkennen. So unterscheiden sich z.B. Familien-, Gleichstellungs- oder Integrationspolitik erheblich und insbesondere bei den Grünen kommen zusätzlich massive Unterschiede bei der gesellschaftlichen Ausrichtung auf Natur und Umwelt hinzu. Auch wirtschaftspolitisch hat rot-grün von Bankenregulierung und Finanzmarktsteuer über Mietpreisbremse und Mindestlohn bis zu einer Begrenzung der prekären Beschäftigungsverhältnisse teilweise völlig entgegengesetzte Positionen zur Union.

In dieser Situation muss sich, wer eine Regierung bilden will, bewegen. Allerdings wer sich zu sehr bewegt, wird sicherlich bei der nächsten Wahl von den Wählern abgestraft. Das gilt für die Union, die dann vermutlich der FDP wieder Stimmen zurückgeben würde oder vielleicht auch einige an die AfD verlieren könnte. Das gilt aber auch für SPD oder Grüne, denen bei zu vielen Zugeständnissen wohl am linken Flügel die Wähler weglaufen würden.

Man könnte es als Notlösung betrachten, dass Sigmar Gabriel jetzt die Parteimitglieder über eine mögliche Große Koalition entscheiden lassen wird. Aus meiner Sicht ist es aber viel eher das Ass im Koalitionspoker, das Angela Merkel, Prozente hin und knapp verfehlte Mehrheit her, zu erheblichen Zugeständnissen zwingen wird. Ein Ass im Ärmel, welches die SPD in dieser verfahrenen Situation ausspielt.
Alle Spekulation über mögliche Parteistrategien oder mögliche vorgeschobene Gründe für eine Ablehnung der Großen Koalition sind durch diese Entscheidung hinfällig. Sollte es zu Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD kommen, dann wird es durch die Mitgliederentscheidung wohl die transparenteste Bildung einer Koalition werden, die es in Deutschland jemals gab.
Die Union muss sich hingegen darauf einstellen, dass sie sich bei Koalitionsverhandlungen am Ende nicht nur mit der SPD-Führung einigen, sondern auch mit einem inhaltlich konkreten und ausgeglichenen Angebot die Vorbehalte der SPD-Mitglieder beseitigen muss. Damit hat die SPD die Hürde für eine Koalitionsbildung insgesamt relativ hoch gehängt und übt mit ihrem Trumpf ordentlich Druck auf die Union aus.
Allerdings dürfte neben einer besseren Verhandlungsposition dieser Weg auch wichtig für den innerparteilichen Zusammenhalt in der SPD selbst sein. Deren Mitglieder sind nun in eine Entscheidung über die, in der Basis ungeliebte, Große Koalition eingebunden und können somit selbst den Kurs ihrer Partei festlegen.

Ob es allerdings überhaupt soweit kommt, hängt jetzt erst einmal von den am Freitag von der SPD beschlossenen Sondierungsgesprächen mit der Union ab. Vielleicht hat ja Angela Merkel bei genauerem Hinsehen doch mehr Lust mit den Grünen über eine Koalition zu verhandeln.


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