Die mangelnde Aufarbeitung der Wahlniederlagen der SPD der letzten Jahre

Es waren magere 25,7% der Stimmen, die die einst stolze Volkspartei SPD bei der letzten Bundestagswahl 2013 auf sich vereinigen konnte. Eine Steigerung gegenüber dem desaströsen Wahlergebnis von 23,0% bei der vorausgegangenen Wahl im Jahr 2009, allerdings noch immer das zweitschlechteste Ergebnis, welches die SPD jemals bei einer Bundestagswahl eingefahren hat.
Aber auch bei Europawahlen konnten die Sozialdemokraten, die 2004 bei 21,5%, 2009 bei 20,8% und 2014 bei 27,3% landeten, seit fast zwei Jahrzehnten keine Wahlerfolge mehr feiern. Dennoch hat eine Aufarbeitung dieser Niederlagenserie bei bundesweiten Wahlen kaum stattgefunden und auch eine Debatte über die generelle Ausrichtung und Strategie der SPD wurde nie wirklich geführt. Viel mehr erschöpften sich die Analysen in geflügelten Worten oder der Suche nach Sondereffekten. So wurde nach der Wahl 2009 vor allem der sogenannte GroKo-Effekt als ursächlich für die Wahlschlappe ausgemacht und 2013 waren mal der Merkel-Effekt und mal der Steinbrück-Effekt – „Der Kandidat hat nicht zum Programm gepasst“ – für die Niederlage verantwortlich.

Anstatt innezuhalten und ausführlich darüber zu reden, warum die Sozialdemokraten seit gut zehn Jahren bundesweit in der Wählergunst nur noch um die 25% schwanken, ging die SPD immer wieder zügig zur Tagesordnung über. Notwendig wäre die Diskussion über die programmatische Ausrichtung der Sozialdemokratie gewesen, eine Analyse der veränderten politischen Landschaft und die Entwicklung passender Strategien für die SPD.
Doch während 2013 Peer Steinbrück noch dabei war, die Verantwortung für die Wahlniederlage zu übernehmen, rückten bereits wieder mögliche Koalitionsverhandlungen in den Blick der Genossen. Gerade hierbei zeigte sich jedoch, wie sich die SPD mit der mangelnden Aufarbeitung der Wahlniederlagen selbst im Wege steht. Nachdem die Beschäftigung mit den politischen Realitäten immer weiter verschleppt wurde, gab es 2013 zwar eine Mehrheit für ein rot-rot-grünes Bündnis, allerdings keine reelle Option dies politisch umzusetzen.
Obwohl eine solche Koalition links der Mitte sogar eine Bundesratsmehrheit im Rücken gehabt hätte, rutschte die SPD damit selbstverschuldet in das Dilemma, Mehrheitsbeschafferin für Merkel zu werden oder ganz auf den sozialdemokratischen Anspruch zu verzichten, Regierungspolitik zu gestalten.

Spätestens der Mitgliederentscheid zum Koalitionsvertrag hätte dann jedoch alle Alarmglocken schrillen lassen müssen. Immerhin ein Viertel (23,95% [1]) jener Sozialdemokraten, die sich an der Abstimmung beteiligten, votierten gegen den Eintritt in eine schwarz-rote Regierung. Bedenkt man, wie sehr die Parteiführung allerorts für den Koalitionsvertrag geworben hat, ist das schon ein deutliches Zeichen. Berücksichtig man aber außerdem, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Genossen, die sich in der SPD nicht mehr heimisch fühlten, die Partei verlassen haben, hätte das Ergebnis Anlass genug geboten, zunächst Ausrichtung und Strategie der SPD auf den Prüfstand zu stellen und zu überdenken. Denn, gerade vor dem Hintergrund, dass die rot-rot-grüne Mehrheit im aktuellen Parlament dem Umstand geschuldet ist, dass mit AfD und FDP zwei Parteien knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert sind, war es für die Sozialdemokratie möglicherweise fatal, die Chance auf eine Koalition links der Mitte verstreichen lassen zu müssen.
Sollte das Ergebnis der nächsten Bundestagswahl tatsächlich ein 7-Parteien-Parlament, bestehend aus CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke und AfD, hervorbringen, rücken dann selbst rot-rot-grüne Regierungsträume in weite Ferne. Ob in diesem Fall, statt Ausrichtung und Strategie, wieder ein AfD-Effekt oder ein Gabriel-Effekt für das Abschneiden der SPD verantwortlich gemacht wird, bleibt aber vorerst offen.


Ähnliche Artikel:
Richtungsstreit und verlorenes Wählervertrauen: Die SPD im Abwärtstrend (www.mister-ede.de – 10.04.2016)

Der europapolitische Blindflug von Schwarz-Rot (www.mister-ede.de – 28.11.2013)


[1] Artikel auf Spiegel-Online vom 14.12.2013 zum Mitgliederentscheid (Link zum Artikel auf www.spiegel.de)

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