Richtungsstreit und verlorenes Wählervertrauen: Die SPD im Abwärtstrend

Als Sigmar Gabriel auf dem SPD-Bundesparteitag im Dezember 2015 von den Delegierten mit nur 74% der Stimmen als Parteivorsitzender wiedergewählt wurde, schleuderte er den Kritikern seines Kurses entgegen: „Mit der Wahl ist es dann auch entschieden, liebe Genossinnen und Genossen!“
Ähnlich sehen das aber anscheinend auch die Wähler, die diese Haltung mit historisch schlechten Ergebnissen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt quittierten und die SPD im Bundestrend nur noch auf etwas über 20% bringen. Zu den schlechten Umfragewerten kommt allerdings auch ein Vertrauensverlust gegenüber der SPD hinzu, der nicht nur auf früheres Handeln zurückzuführen ist.

Ein Beispiel hierfür ist die scharfe Kritik der SPD vor der letzten Bundestagswahl an Merkels Umgang mit den Abhörskandalen, von der nach der Wahl nur noch wenig zu hören war. Im Gegenteil wurde sogar die allgemeine Vorratsdatenspeicherung mitgetragen, obwohl im Wahlprogramm noch festgehalten war, dass der Umgang mit Verbindungsdaten auf die Verfolgung schwerster Straftaten beschränkt sein soll.
Genauso ist bei der Energiewende eine Enttäuschung zu spüren, nachdem von der versprochenen Entlastung der privaten Stromkunden wenig zu spüren ist. Während die Bürger inzwischen sogar weitere Milliardensubventionen für die Energieriesen zahlen müssen, verschwanden beispielsweise die Idee eines eigenen Energiewendeministeriums oder das Instrument der Klimaabgabe einfach wieder in den Schubladen. Und auch beim Atomausstieg führen die Meldungen über eine unsichere Finanzierung der Atommüllendlagerung nicht gerade zu besonderem Vertrauen, weil jeder weiß, dass eine Finanzierungslücke am Ende wieder von den Bürgern ausgeglichen werden muss.

Am größten dürfte die Enttäuschung zahlreicher SPD-Wähler aber wohl über die Kursänderung in Bezug auf TTIP und CETA sein. Hunderttausende Bürger engagieren sich seit Jahren gegen die beiden Freihandelsabkommen und bis zur Wahl stand die SPD fest an der Seite der TTIP-Gegner. Doch nach der Wahl müssen diese nun sehen, dass Vizekanzler, Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzender Gabriel genau jene zuvor scharf kritisierten Abkommen mit vorantreibt. Auch wenn es innerhalb der SPD noch immer massiven Widerstand gegen TTIP gibt, was sich eben auch im Wahlergebnis für Sigmar Gabriel ausdrückt, werden sich wieder einige Wähler neuorientieren. Und mit Linken, Grünen und der AfD stehen auch schon passende Alternativen verteilt über das gesamte politische Spektrum parat, die TTIP weiterhin ausdrücklich ablehnen.

Nun kann man im ersten Reflex natürlich sagen, Politik macht man aus Überzeugung und man darf sich nicht nur nach dem Wählerwillen richten, allerdings zeigen die angeführten Beispiele, dass eben nicht die Bürger oder die Wähler die Haltung geändert haben, sondern die SPD in der Bundesregierung. Mit diesen Kursänderungen, die nicht gerade den Vorstellungen der SPD-Anhänger und auch nicht den Forderungen der Sozialdemokraten vor der Bundestagswahl entsprechen, lässt sich aber vermutlich weder Vertrauen aufbauen noch die Parteibasis mobilisieren noch die Wählerschaft überzeugen. Sollte bei den Bundestagswahlen eine erneute Wahlniederlage folgen, weil die Menschen im Land eben doch nicht jeden politischen Schwenk einer Parteispitze mitmachen, müsste man tatsächlich festhalten: „Mit der Wahl ist es dann auch entschieden, liebe Genossinnen und Genossen!“


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