Fliegt nach der FDP auch Merkel vom Platz?

Wir haben in den letzten Jahren ja gut gelernt mit Fußballvergleichen die Politik zu beschreiben. So bekam die FDP am Sonntag vom Wähler die rote Karte gezeigt und musste das Spielfeld verlassen. Die Union konnte hingegen einen gewaltigen Druck aufbauen, zum entscheidenden Tor hat es allerdings nicht gereicht. Und so geht es nun in die Verlängerung beim Ringen um eine Kanzlermehrheit.
Es dürfte sich um die politisch spannendste Zeit in diesem Jahr halten. Noch immer kann rot-rot-grün mit Regierungen in Hessen und im Bund und einer deutlichen Mehrheit im Bundesrat einen völlig neuen Weg gehen. Das würde in der historischen Dimension das Ausscheiden der FDP locker in den Schatten stellen und zumindest theoretisch besteht damit die Möglichkeit, das linke Politik Modell, mit dem Versuch die Schere zwischen Arm und Reich wieder zu schließen, umzusetzen.

Betrachtet man die Parteien genauer, dann lassen sich durchaus mögliche gemeinsame Projekte finden. Die Einführung eines Mindestlohns, die Abschaffung des Elterngeldes, die Einführung einer wie auch immer gearteten Mindestrente für Personen die lange eingezahlt haben, wären solche Projekte.
Auch eine Veränderung im Steuerrecht mit höherem Grundfreibetrag zur Entlastung von Geringverdienern und mittleren Einkommen und einem höheren Spitzensteuersatz zur Finanzierung sind relativ schnell umzusetzen. Hier aber dürften die wesentlichen Gemeinsamkeiten enden.

Bei der Erbschaftssteuer gibt es unterschiedliche Vorstellung, vor allem im Bezug auf betriebliche Vermögen. Im Rentensystem will die Linke zurück zu einem Renteneintrittsalter von 65, rot-grün möchte an den 67 festhalten um den demographischen Wandel zu berücksichtigen.
Bei der Vermögenssteuer gibt es Unterschiede und auch bei der Begrenzung von Leih- und Zeitarbeit kann man zwischen dem Totalverbot bei den Linken und der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit bei der SPD doch erhebliche Unterschiede feststellen.

Insgesamt wird bei genauerem betrachten deutlich, dass rot-grün versucht die Wirtschaftspolitik so zu gestalten, dass ein Ausgleich zwischen dem Ziel von Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit und dem Ziel der Gemeinwohlorientierung erreicht wird. Diese Gemeinwohlorientierung bezieht sich dabei auf gute Arbeitsbedingungen von nichtqualifizierten bis hochqualifizierten Arbeitern, auf umweltfreundliche und ressourcenschonende Produktion und auf eine faire Beteiligung der Gemeinschaft am Gewinn, um damit die Aufgaben des Staates zu finanzieren.

Die Linken hingegen wollen Deutschland so gestalten wie sie es sich wünschen, und hoffen damit in der Welt mit den realen globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestehen zu können. Mit der Ablehnung jeder Arbeitszeit über 65 Jahre hinweg negieren die Linken z.B. den demografischen Wandel. Mit einer Mindestlohnforderung von 10 Euro negieren Sie, dass wir östliche Nachbarländer mit weit niedrigerem Lohnniveau haben. Grenzshopping oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins grenznahe Ausland sind völlig ausgeblendete Gefahren. Die Welt wird sich allerdings nicht an deutsche Lohnstückkosten anpassen und damit fehlt genau der Ausgleich, der eben auch die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik im Auge behält.

Auch bei der Euro-Rettungspolitik sind sich die drei Parteien lediglich in der grundsätzlichen Kritik einig. Bei den Lösungsansätzen gibt es hingegen erhebliche Unterschiede. So sind eine schärfere Regulierung von Banken oder eine Finanzmarktsteuer bei weitem noch keine Verstaatlichung des Bankwesens, wie es die Linke zum Teil fordert.
Daneben stehen sich rot-grün und die Linke bei Fragen der Bündnispolitik konträr gegenüber und auch in Europafragen herrscht je nach Thema nicht immer Einigkeit. Lediglich bei einer Beschränkung der Waffenexporte und bei einer stärker auf Investitionen ausgerichteten Euro-Politik könnten sich kleinere Übereinstimmungen finden.

Neben den inhaltlichen Differenzen, die man bei genauerem Betrachten erkennt, dürfte es noch zwei weitere Hürden für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit und damit der Abwahl Merkels geben. Zum einen eine persönliche Hürde, da es beim Entstehen der Linke im Westen teilweise Zerwürfnisse zwischen Sozialdemokraten und zu den Linken übergetretenen Sozialdemokraten gab.
Zum anderen ist die strategische Positionierung der Linken eine Hürde. Die Außenseiterrolle ist ein Markenkern der Linken, aber bei einem Kräfteverhältnis von rot-grün zu Linken von 4:1, müsste die Linke bei einer Zusammenarbeit in erheblichem Maße eigene Positionen aufgeben. Damit würde sie aber sicherlich ihre Außenseiterrolle verlieren und damit wohl auch einige ihrer Wähler vergraulen.

Daher sollte man sich aus meiner Sicht nicht durch die Ähnlichkeit der thematischen Ausrichtung und den gleichklingenden Wahlkampfparolen in die Irre führen lassen, denn die Unterschiede in der Programmatik und die Hürden zur Zusammenarbeit sind nicht unerheblich. Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich es zwar nicht für ausgeschlossen aber unwahrscheinlich, dass SPD, Grüne und Linke noch in dieser Legislaturperiode zu einer Zusammenarbeit kommen.


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