mister-ede.de » Rezession https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Das unbeirrte und alternativlose „Weiter so!“ in der Eurokrise https://www.mister-ede.de/politik/das-weiter-so-in-der-eurokrise/3663 https://www.mister-ede.de/politik/das-weiter-so-in-der-eurokrise/3663#comments Thu, 12 Feb 2015 11:03:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3663 Weiterlesen ]]> Seit Beginn der Eurokrise ist klar, dass eine Reformpolitik für die Eurozone nicht alleine auf die Probleme in den Krisenstaaten fokussiert sein darf, sondern auch die Fehlentwicklungen in den finanz- und wettbewerbsstarken Euro-Staaten in den Blick nehmen muss. Dennoch werden auch heute noch, nachdem 2014 die populistischen Ränder schon gestärkt aus der Europawahl hervorgingen und seit Januar in Griechenland ein Regierungschef einer Linksaußen-Partei im Amt ist, fast ausschließlich die Anpassungsmöglichkeiten in den Krisenstaaten betrachtet. Anstatt die schwache Binnennachfrage und die Importdefizite Deutschlands zu thematisieren und darauf aufbauend Maßnahmen für eine Steigerung der Reallöhne hierzulande zu ergreifen, wird, entsprechend der einseitigen Betrachtung der Krise, weiterhin nur auf eine Kürzungs- und Sparpolitik in den finanz- und wettbewerbsschwachen Staaten der Eurozone gesetzt. Obwohl sich mittlerweile mehr als deutlich gezeigt hat, dass diese Form des Austeritätswettlaufs ein wenig erfolgversprechendes Konzept für die Rettung der Eurozone ist und nicht zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, sondern in eine Rezessionsspirale und zu politischen Verwerfungen führt, gilt diese offensichtlich gescheiterte Politik im Kanzleramt noch immer als alternativlos.

Auch die Probleme der Währungsunion selbst, also das Fehlen an- und ausgleichender Mechanismen, wie gemeinsame Budgets der Euro-Staaten oder Konvergenzanreize, spielen in der aktuellen politischen Debatte, die sich im Wesentlichen um die Frage eines Schuldenschnitts in Griechenland dreht, kaum eine Rolle. Anstatt über den zum Teil ungesunden Steuerwettbewerb in der Eurozone zu sprechen oder darüber, dass z.B. Frankreich und Italien bereits eine Finanztransaktionssteuer eingeführt haben, nicht jedoch das vorbildliche Deutschland, das sich auf diese Weise wieder einen Wettbewerbsvorteil sichert, werden Anpassungsmöglichkeiten weiterhin ausschließlich in den Krisenstaaten gesucht. Und so heißt die Parole auch im Hinblick auf die Probleme der Gemeinschaftswährung offensichtlich nur „weiter so wie bisher!“

Aber auch wenn es um größere Wachstumspakete geht, bleiben die Regierungen der finanzstärkeren Euro-Staaten, allen voran die deutsche Bundesregierung, stur bei ihrer ablehnenden Haltung. Versucht jedoch weiterhin über die Hälfte der Eurozone ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen zu steigern und Haushaltsdefizite durch Ausgabensenkungen abzubauen und wird nach wie vor die hierdurch wegfallende Wirtschaftleistung nicht angemessen kompensiert, werden auch in den nächsten Jahren Stagnation und Rezession die Eurozone dominieren, insbesondere wenn Frankreich und Italien künftig ihre Sparbemühungen nochmals verstärken. Doch anstatt jetzt endlich die auch nach Jahren der Austeritätspolitik desolate Haushalts- und Schuldenlage in vielen Euro-Staaten, die Massenarbeitslosigkeit in Griechenland und Spanien, die immer noch hohe Arbeitslosenquote in Portugal und Irland oder die steigende Arbeitslosigkeit in Frankreich zum Anlass zu nehmen, um über andere Auswege aus dieser Krisensituation nachzudenken, wird weiter an der bisherigen Austeritätslogik festgehalten.
Und so bleibt auch manch richtiger Ansatz weitestgehend ohne Unterstützung, wenn er dieser Logik eben nicht entspricht, wie das von EU-Kommissionschef Juncker vorgeschlagene Investitionspaket. Gerade einmal 20 Milliarden Euro, was im Vergleich zu rund 50 Milliarden Euro jährlichen EU-Landwirtschaftssubventionen wie ein Witz klingt, bekam Juncker für sein Konjunkturprogramm zusammen und das anscheinend zum Teil sogar nur durch die Einbeziehung von Mitteln aus anderen schon vorhandenen Fördertöpfen. Daher darf zumindest angezweifelt werden, dass es dieses halbherzige EU-Projekt mit seiner bescheidenen Mittelausstattung tatsächlich vermag, die Folgen der flächendeckenden und einseitigen Austeritätspolitik in der Eurozone wirksam abzufedern.

Insgesamt bleiben damit weiterhin die Konstruktionsfehler der Währungsunion unbeachtet genauso wie die fatalen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen des bisherigen Spar- und Kürzungskurses. Beibehalten wird nach aktuellem Stand aber auch die falsche Konzentration der Rettungspolitik auf die Fehlentwicklungen der Krisenstaaten. Und so ist, obwohl die Austeritätspolitik die Eurokrise bislang erkennbar nicht lösen konnte, der Kurs der Bundesregierung in der Eurokrise ein unbeirrtes und alternativloses „Weiter so!“


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linked: Die griechische Perspektive auf die Finanzkrise https://www.mister-ede.de/politik/die-griechische-perspektive/3638 https://www.mister-ede.de/politik/die-griechische-perspektive/3638#comments Sun, 08 Feb 2015 10:27:27 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3638 Weiterlesen ]]> Am vergangenen Donnerstag zeigte der WDR die Dokumentation „AGORÁ – Von der Demokratie zum Markt“, die sich mit der Finanzkrise und ihren Folgen für Griechenland auseinandersetzt. Die gut erzählte 90-minütige Dokumentation geht auf die unterschiedlichen Bestandteile der Finanzkrise von der Rettung der Banken über die Eurokrise bis zur Troika und zur Rettungspolitik ein und verknüpft diese mit den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Griechenland. Dabei werden weder die Fehler, die vor der Krise gemacht wurden, noch das Regierungsversagen der großen griechischen Parteien in der Finanzkrise ausgespart, aber auch nicht die Folgen der dann durchgeführten Austeritätspolitik.
Anhand der Geschichte einzelner Personen zeigt die Dokumentation anschaulich die Auswirkungen der Krise auf das Leben der Menschen und wie sich das gesellschaftliche Klima in Griechenland verändert hat. Aber auch mit zahlreichen Beispielen, z.B. dem Erstarken der Goldenen Morgenröte, gibt der Film einen Eindruck von der wachsenden Radikalisierung und dem Auseinanderfallen der griechischen Gesellschaft in Folge der Krise.

Link zur Dokumentation auf www.youtube.com

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Der fatale Mechanismus der Austeritätspolitik in der Eurokrise https://www.mister-ede.de/politik/mechanismus-der-austeritaet/3622 https://www.mister-ede.de/politik/mechanismus-der-austeritaet/3622#comments Fri, 06 Feb 2015 12:17:20 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3622 Weiterlesen ]]> Als sich nach der Banken- und Finanzmarktkrise die Eurokrise entwickelte und sowohl Liquiditätsprobleme entstanden als auch die Auseinanderentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone offensichtlich wurde, reagierten die politischen Akteure der Euro-Staaten 2009 mit einem fatalen Austeritätskurs. Dieser Kurs beschränkte sich dabei allerdings nicht nur auf Irland und Griechenland, die im Gegenzug für Hilfskredite verschiedene Auflagen erfüllen mussten, sondern sollte genauso z.B. in Spanien, das zunächst keine Finanzhilfen benötigte, umgesetzt werden oder auch z.B. in Frankreich, an dessen Spitze damals noch Sarkozy stand.

Wieso diese Austeritätspolitik?

Die unterschiedliche Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit, die durch das Fehlen einer koordinierten Wirtschaftspolitik in der Eurozone begünstigt war, hat erheblich zur Eurokrise beigetragen. Es war daher durchaus ein richtiger Ansatz, auf eine Wiederannäherung der Wettbewerbsfähigkeit hinzuwirken. Nachdem aber in einer Währungsunion nicht geldpolitisch reagiert werden kann, also z.B. eine Lohnsenkung durch eine Abwertung der Währung ausgeschlossen ist, kann nur eine realwirtschaftliche Angleichung stattfinden. Weil jedoch eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität nicht eben mal von einer Regierung durchgesetzt werden kann und auch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen meistens eher langsam gelingt, bleibt im Wesentlichen nur noch die Annäherung der Lohnkosten. Hierfür gibt es allerdings zwei Möglichkeiten, zum einen den Weg über steigende Löhne in den wettbewerbsstarken Euro-Staaten und zum anderen den Weg über sinkende Löhne, oder auch niedrigere Sozialabgaben, in den wettbewerbsschwachen Ländern der Eurozone.

Aus verschiedenen Gründen, in Deutschland z.B. unter anderem wegen einer sehr ausgeprägten Angst vor einem schwachen Euro, wurde die zweite Variante der Lohnkostenannäherung gewählt, also die Anpassung der Lohnkosten in den Euro-Staaten mit schwacher Wettbewerbsfähigkeit. Zu dieser Entscheidung beigetragen haben dürfte aber auch ein neoliberaler Zeitgeist, nach dessen Logik sich im Wettbewerb stets der Verlierer am Gewinner orientieren muss, selbst wenn dieser nur mit Hilfe unfairer Mittel gewonnen hat. Diese Denkweise führt dazu, dass die fatalen Kürzungen geradezu als alternativlos erscheinen und gar nicht erst nach Lohn-, Steuer- oder Sozialdumping der wettbewerbsfähigeren Staaten gefragt wird. Genauso wird nach diesem Ansatz das starke Auseinanderlaufen der Zinsen in der Eurozone nicht als Problem der Währungsunion erkannt, sondern als üblicher Marktprozess, auf den die Verlierer mit strikter Haushaltsdisziplin zu reagieren haben. Und so führten der Wunsch nach einem starken Euro und der neoliberale Zeitgeist auf direktem Weg zur alternativlosen Austeritätspolitik.

Der fatale Mechanismus der Austeritätspolitik:

Geht man davon aus, dass die wettbewerbsstarken Euro-Staaten das Maß sind, nach dem sich der Rest zu richten hat, und Anpassungen zu einem großen Teil nur über den Lohn möglich sind, dann müssen folgerichtig in den Krisenstaaten die Lohnkosten gesenkt werden. Auch eine Reduktion der Sozialabgaben, z.B. durch Leistungskürzungen bei der Rente oder im Gesundheitswesen, ist nach dieser Logik sinnvoll. Daneben müssen mit derselben Begründung aber auch die Staatsausgaben zurückgefahren werden, damit sich die Haushaltsdefizite reduzieren und die Bonität, bzw. die Wettbewerbsfähigkeit an den Finanzmärkten, gesteigert wird.

Das Fatale hieran: Gehen Unternehmen davon aus, dass im nächsten Jahr quer durch die Bevölkerung weniger Einkommen für den Konsum zur Verfügung steht, werden diese versuchen, sich auf eine Rückgang des Umsatzes einzustellen, z.B. durch das Verschieben von Investitionen, durch Entlassungen oder Lohnkürzungen. Besonders fatal war deshalb auch, dass die Austeritätspolitik gleichzeitig in zahlreichen Ländern der Eurozone umgesetzt wurde, wodurch auch wesentliche Märkte außerhalb des jeweils betrachteten Krisenlands für die dort ansässigen Unternehmen weggebrochen sind und somit keine Kompensation möglich war.
Nachdem die Krisenstaaten sowieso schon durch die vorausgegangene Bankenkrise eine schwere Rezession erlebt hatten und zahlreiche Unternehmen unterausgelastet waren, wurde mit der Austeritätspolitik, die keinerlei Wachstums- oder Investitionsimpulse setzte, schlussendlich jede Perspektive auf eine einigermaßen zügige Erholung vernichtet. Anstelle der Aussicht auf zusätzliche Exporte, dominierte die Angst vor weiteren Umsatzrückgängen und statt zu einer Belebung der Wirtschaften der Krisenstaaten aufgrund niedrigerer Lohnkosten, führte der Austeritätskurs zu einem Einbruch der Binnennachfrage wegen gesunkener Einkommen.

Die Folgen der Austeritäspolitik:

Die Folge des fatalen Mechanismus, der durch die Austeritätspolitik ausgelöst wurde, war nicht die angestrebte Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, sondern eine massive Rezessionsspirale in den Krisenstaaten. Steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne, Renten und Sozialleistungen führten zu einem Nachfrageeinbruch und niedrigeren Preisen, was beides weitere Umsatz- und Gewinnrückgänge nach sich zog, die wieder zu Stellenabbau, Unternehmenspleiten und weiter sinkenden Einkommen führten.
Während allerdings Preise und Wirtschaftsleistung der Krisenländer einbrachen, blieb der Nominalwert der Schulden sowohl bei normalen Bürgern, die einen Kreditvertrag haben, als auch bei Unternehmen oder den Staaten erhalten. Zusätzlich zur sowieso schon schweren Rezession musste daher auch ein relativ zur Wirtschaftsleistung steigendes Gewicht dieser Schuldenlast verkraftet werden, auch wenn dies durch einen Rückgang des Zinsniveaus durch die EZB-Politik für den Moment weitestgehend ausgeglichen wird.

Die Fehler der Austeritätspolitik:

Es wird immer wieder die Parallele zu Deutschland und den Hartz-IV-Reformen gezogen, allerdings ist dieser Vergleich nicht ganz treffend. Zwar hatte Deutschland zum Teil nur minimal steigende Nominallöhne vorzuweisen, allerdings ist eben auch eine kleine Nominallohnsteigerung noch kein Rückgang. Es war ein Fehler dies bei der Austeritätspolitik nicht ausreichend zu berücksichtigen und am Ende hat es maßgeblich zu der Problematik der Rezessionsspiralen in diesen Ländern beigetragen.
Ein weiterer Fehler war es, die Wechselwirkungen der Wettbewerbsfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Nachdem es sich hier um eine Relation zu anderen Ländern handelt, können nicht alle Volkswirtschaften gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden. Deutschland hatte also Anfang des Jahrtausends den Vorteil, dass die Lohnzurückhaltung auch tatsächlich dann zu einer deutlichen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führte. Wenn heute allerdings in zahlreichen Krisenstaaten gleichzeitig versucht wird, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, fällt dieser Effekt natürlich deutlich geringer aus, weil z.B. Portugal durch eine Lohnzurückhaltung nichts gegenüber Spanien gewinnen kann, das ja ebenfalls diesen Kurs fährt.
Ein dritter Fehler war es, keinerlei Investitions- oder Wachstumsimpulse zu setzen, um eine Rezessionsspirale zu verhindern. Wenn die Binnennachfrage erkennbar wegbricht und auch die wesentlichen Exportmärkte bei EU-Nachbarn schrumpfen, dann sollte das der Zeitpunkt sein, an dem über staatliche Intervention nachgedacht wird. Mit Verweis auf das Spar- und Kürzungsprogramm wurde dies allerdings unterlassen, wodurch sich die ökonomische Krise in Ländern wie z.B. Spanien oder Portugal voll entfalten konnte.


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Fehlannahmen zu Griechenland und den Folgen der Griechenland-Wahl https://www.mister-ede.de/politik/fehlannahmen-griechenland/3502 https://www.mister-ede.de/politik/fehlannahmen-griechenland/3502#comments Thu, 22 Jan 2015 17:50:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3502 Weiterlesen ]]> Zurzeit kursieren in Deutschland drei große Fehlannahmen rund um die griechische Wirtschaftsituation und die Folgen der Griechenland-Wahl.

Zunächst ist es eine Mär, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden will. Weder Syriza noch sonst eine politische Kraft in Griechenland will den Euro verlassen, weil diese Währung für Griechenland große Vorteile bietet. Nicht nur der Staat, sondern auch die Unternehmen können mit Hilfe des bislang harten Euro zum Beispiel Vorprodukte beziehen oder sich in dieser Währung finanzieren, ohne dass Anleger Angst vor Währungsverlusten haben müssen. Selbst wenn der Euro für Griechenland an anderer Stelle ungünstig ist, hat Griechenland mit dem Euro einen großen Standortvorteil z.B. gegenüber der Türkei, den die wenigsten aufgeben wollen. Insofern wird Griechenland nicht aus dem Euro ausscheiden, solange nicht die übrigen Euro-Staaten ihrerseits versuchen, das Land aus der Gemeinschaftswährung heraus zu drängen.
Eine zweite Fehlannahme ist, dass die Staatsschulden das größte Problem Griechenlands darstellen. Tatsächlich sind diese zwar weit aus dem Ruder gelaufen, aber aufgrund der aktuellen Niedrigzinspolitik sowie der Akzeptanz griechischer Staatsanleihen als Sicherheiten durch die EZB und ihre Bereitschaft zum Aufkauf von Staatsanleihen, hält sich die griechische Zinslast, die aus den massiven Schulden resultiert, noch in Grenzen. Das weit größere Problem für Griechenland ist die relative Perspektivlosigkeit sowie die mangelnde Bereitschaft der starken Euro-Mitgliedsstaaten durch Reallohnsteigerung das Preisniveau deutlich anzuheben. Solange sich nichts an dieser Situation ändert, wird Griechenland mit oder ohne Schuldenschnitt zwischen Rezession und Deflation umher taumeln, weshalb die Schulden für sich alleine genommen eher ein nachrangiges Problem darstellen.
Kommt es allerdings zu Diskussionen über einen Schuldenschnitt oder über zusätzliche Hilfsgelder für Griechenland, dürfte es sich um eine weitere Fehleinschätzung handeln, wenn davon ausgegangen wird, dass sich solche Auseinandersetzungen dann auf Griechenland begrenzen lassen. Fraglich ist z.B., ob Irland ohne Zugeständnisse bereit wäre, einen Schuldenschnitt oder ein Hilfsprogramm für Griechenland mitzutragen. Aber auch Zypern, Portugal oder Spanien könnten Erleichterungen, z.B. Investitionshilfen, einfordern. Umgekehrt wäre es aber auch denkbar, dass Länder, wie z.B. Frankreich oder Italien, mit Verweis auf die heimische Wirtschaftssituation neuerliche Hilfen verweigern.

Berücksichtigt man alle drei Fehlannahmen, dann tritt Griechenland bei einem Regierungswechsel einfach aus dem Euro aus und erhält bei der Rückzahlung der Staatsschulden etwas mehr Zeit. Lässt man diese Fehleinschätzungen aber beiseite, muss im Falle eines Regierungswechsels in Griechenland in den nächsten Monaten eine für die gesamte Eurozone tragfähige Lösung gefunden werden oder Griechenland droht durch einseitige Maßnahmen, z.B. durch einen Zahlungsstopp, die Eurozone in Schieflage zu bringen.


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