Der fatale Mechanismus der Austeritätspolitik in der Eurokrise

Als sich nach der Banken- und Finanzmarktkrise die Eurokrise entwickelte und sowohl Liquiditätsprobleme entstanden als auch die Auseinanderentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone offensichtlich wurde, reagierten die politischen Akteure der Euro-Staaten 2009 mit einem fatalen Austeritätskurs. Dieser Kurs beschränkte sich dabei allerdings nicht nur auf Irland und Griechenland, die im Gegenzug für Hilfskredite verschiedene Auflagen erfüllen mussten, sondern sollte genauso z.B. in Spanien, das zunächst keine Finanzhilfen benötigte, umgesetzt werden oder auch z.B. in Frankreich, an dessen Spitze damals noch Sarkozy stand.

Wieso diese Austeritätspolitik?

Die unterschiedliche Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit, die durch das Fehlen einer koordinierten Wirtschaftspolitik in der Eurozone begünstigt war, hat erheblich zur Eurokrise beigetragen. Es war daher durchaus ein richtiger Ansatz, auf eine Wiederannäherung der Wettbewerbsfähigkeit hinzuwirken. Nachdem aber in einer Währungsunion nicht geldpolitisch reagiert werden kann, also z.B. eine Lohnsenkung durch eine Abwertung der Währung ausgeschlossen ist, kann nur eine realwirtschaftliche Angleichung stattfinden. Weil jedoch eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität nicht eben mal von einer Regierung durchgesetzt werden kann und auch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen meistens eher langsam gelingt, bleibt im Wesentlichen nur noch die Annäherung der Lohnkosten. Hierfür gibt es allerdings zwei Möglichkeiten, zum einen den Weg über steigende Löhne in den wettbewerbsstarken Euro-Staaten und zum anderen den Weg über sinkende Löhne, oder auch niedrigere Sozialabgaben, in den wettbewerbsschwachen Ländern der Eurozone.

Aus verschiedenen Gründen, in Deutschland z.B. unter anderem wegen einer sehr ausgeprägten Angst vor einem schwachen Euro, wurde die zweite Variante der Lohnkostenannäherung gewählt, also die Anpassung der Lohnkosten in den Euro-Staaten mit schwacher Wettbewerbsfähigkeit. Zu dieser Entscheidung beigetragen haben dürfte aber auch ein neoliberaler Zeitgeist, nach dessen Logik sich im Wettbewerb stets der Verlierer am Gewinner orientieren muss, selbst wenn dieser nur mit Hilfe unfairer Mittel gewonnen hat. Diese Denkweise führt dazu, dass die fatalen Kürzungen geradezu als alternativlos erscheinen und gar nicht erst nach Lohn-, Steuer- oder Sozialdumping der wettbewerbsfähigeren Staaten gefragt wird. Genauso wird nach diesem Ansatz das starke Auseinanderlaufen der Zinsen in der Eurozone nicht als Problem der Währungsunion erkannt, sondern als üblicher Marktprozess, auf den die Verlierer mit strikter Haushaltsdisziplin zu reagieren haben. Und so führten der Wunsch nach einem starken Euro und der neoliberale Zeitgeist auf direktem Weg zur alternativlosen Austeritätspolitik.

Der fatale Mechanismus der Austeritätspolitik:

Geht man davon aus, dass die wettbewerbsstarken Euro-Staaten das Maß sind, nach dem sich der Rest zu richten hat, und Anpassungen zu einem großen Teil nur über den Lohn möglich sind, dann müssen folgerichtig in den Krisenstaaten die Lohnkosten gesenkt werden. Auch eine Reduktion der Sozialabgaben, z.B. durch Leistungskürzungen bei der Rente oder im Gesundheitswesen, ist nach dieser Logik sinnvoll. Daneben müssen mit derselben Begründung aber auch die Staatsausgaben zurückgefahren werden, damit sich die Haushaltsdefizite reduzieren und die Bonität, bzw. die Wettbewerbsfähigkeit an den Finanzmärkten, gesteigert wird.

Das Fatale hieran: Gehen Unternehmen davon aus, dass im nächsten Jahr quer durch die Bevölkerung weniger Einkommen für den Konsum zur Verfügung steht, werden diese versuchen, sich auf eine Rückgang des Umsatzes einzustellen, z.B. durch das Verschieben von Investitionen, durch Entlassungen oder Lohnkürzungen. Besonders fatal war deshalb auch, dass die Austeritätspolitik gleichzeitig in zahlreichen Ländern der Eurozone umgesetzt wurde, wodurch auch wesentliche Märkte außerhalb des jeweils betrachteten Krisenlands für die dort ansässigen Unternehmen weggebrochen sind und somit keine Kompensation möglich war.
Nachdem die Krisenstaaten sowieso schon durch die vorausgegangene Bankenkrise eine schwere Rezession erlebt hatten und zahlreiche Unternehmen unterausgelastet waren, wurde mit der Austeritätspolitik, die keinerlei Wachstums- oder Investitionsimpulse setzte, schlussendlich jede Perspektive auf eine einigermaßen zügige Erholung vernichtet. Anstelle der Aussicht auf zusätzliche Exporte, dominierte die Angst vor weiteren Umsatzrückgängen und statt zu einer Belebung der Wirtschaften der Krisenstaaten aufgrund niedrigerer Lohnkosten, führte der Austeritätskurs zu einem Einbruch der Binnennachfrage wegen gesunkener Einkommen.

Die Folgen der Austeritäspolitik:

Die Folge des fatalen Mechanismus, der durch die Austeritätspolitik ausgelöst wurde, war nicht die angestrebte Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, sondern eine massive Rezessionsspirale in den Krisenstaaten. Steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne, Renten und Sozialleistungen führten zu einem Nachfrageeinbruch und niedrigeren Preisen, was beides weitere Umsatz- und Gewinnrückgänge nach sich zog, die wieder zu Stellenabbau, Unternehmenspleiten und weiter sinkenden Einkommen führten.
Während allerdings Preise und Wirtschaftsleistung der Krisenländer einbrachen, blieb der Nominalwert der Schulden sowohl bei normalen Bürgern, die einen Kreditvertrag haben, als auch bei Unternehmen oder den Staaten erhalten. Zusätzlich zur sowieso schon schweren Rezession musste daher auch ein relativ zur Wirtschaftsleistung steigendes Gewicht dieser Schuldenlast verkraftet werden, auch wenn dies durch einen Rückgang des Zinsniveaus durch die EZB-Politik für den Moment weitestgehend ausgeglichen wird.

Die Fehler der Austeritätspolitik:

Es wird immer wieder die Parallele zu Deutschland und den Hartz-IV-Reformen gezogen, allerdings ist dieser Vergleich nicht ganz treffend. Zwar hatte Deutschland zum Teil nur minimal steigende Nominallöhne vorzuweisen, allerdings ist eben auch eine kleine Nominallohnsteigerung noch kein Rückgang. Es war ein Fehler dies bei der Austeritätspolitik nicht ausreichend zu berücksichtigen und am Ende hat es maßgeblich zu der Problematik der Rezessionsspiralen in diesen Ländern beigetragen.
Ein weiterer Fehler war es, die Wechselwirkungen der Wettbewerbsfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Nachdem es sich hier um eine Relation zu anderen Ländern handelt, können nicht alle Volkswirtschaften gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden. Deutschland hatte also Anfang des Jahrtausends den Vorteil, dass die Lohnzurückhaltung auch tatsächlich dann zu einer deutlichen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führte. Wenn heute allerdings in zahlreichen Krisenstaaten gleichzeitig versucht wird, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, fällt dieser Effekt natürlich deutlich geringer aus, weil z.B. Portugal durch eine Lohnzurückhaltung nichts gegenüber Spanien gewinnen kann, das ja ebenfalls diesen Kurs fährt.
Ein dritter Fehler war es, keinerlei Investitions- oder Wachstumsimpulse zu setzen, um eine Rezessionsspirale zu verhindern. Wenn die Binnennachfrage erkennbar wegbricht und auch die wesentlichen Exportmärkte bei EU-Nachbarn schrumpfen, dann sollte das der Zeitpunkt sein, an dem über staatliche Intervention nachgedacht wird. Mit Verweis auf das Spar- und Kürzungsprogramm wurde dies allerdings unterlassen, wodurch sich die ökonomische Krise in Ländern wie z.B. Spanien oder Portugal voll entfalten konnte.


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