Griechenlands Schuldendienst und der Grexit

Seit klar ist, dass Griechenland vor Neuwahlen steht, ist die Debatte über die Zukunft des Landes, aber auch über die Zukunft der gesamten Eurozone neu entbrannt. Während dabei allerdings in Griechenland die Frage eines Schuldenschnitts im Vordergrund steht, wird in Deutschland hauptsächlich über ein mögliches Szenario rund um ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro, genannt „Grexit“, diskutiert.

Schuldenschnitt oder Zahlungsstopp:

Geht es nach den Vorstellungen der griechischen Syriza, soll im Falle ihres Wahlsiegs mit der Troika aus EU, IWF und EZB über Veränderungen bei der Ausrichtung des Reformprogramms und vor allem über einen weiteren Schuldenschnitt verhandelt werden. Sollte es jedoch bei solchen Gesprächen nicht gelingen, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden, will Tsipras im Zweifel auch einseitig den aktuellen Reformkurs aufgeben und den Schuldendienst des Landes einstellen. Von einer solchen Staatspleite unberührt bliebe dabei die griechische Zentralbank, die somit weiterhin ihren Verpflichtungen gegenüber der EZB nachkommen und den Euro als Währung in Griechenland aufrechthalten würde. Geht es also nach der Syriza, dann kommt es zwar entweder zu einem weiteren Schuldenschnitt oder einem Zahlungsstopp, aber eben zu keinem Grexit.

Grexit:

In Deutschland wird hingegen umgekehrt nicht über eine eventuelle Einstellung des Schuldendienstes, sondern über den sogenannten Grexit diskutiert. Eine besonders kuriose Variante hiervon ist, dass Griechenland zwar aus dem Euro ausscheidet, seine Schulden allerdings ganz normal weiter bedient. Das wäre zwar aus Sicht der Geldgeber sehr angenehm, aber man muss keine ökonomischen Kenntnisse besitzen, um zu begreifen, dass es einem Suizid gleichkäme, wenn sich Griechenland mit den bleiernen Kugeln von Staatschulden und Haushaltsdefiziten in das eiskalte Wasser einer eigenständigen Währung stürzen würde. Nichtsdestotrotz scheint diese Hoffnung auf einen Selbstmord Griechenlands als Wunschvorstellung einiger Realitätsverweigerer zurzeit Hochkonjunktur zu besitzen. Kommt es aber tatsächlich zu einem Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion, wird ein Komplettausfall des griechischen Schuldendienstes ebenfalls kaum zu verhindern sein.

Zahlungsausfall:

Egal in welcher Währung Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlt, sind Turbulenzen an den Finanzmärkten möglich. Vor allem aber wären der ESM und damit auch die am ESM beteiligten Länder, darunter auch Deutschland, von einem solchen Zahlungsausfall betroffen. Kommt es also zu einem Schuldenschnitt oder Zahlungsstopp, müsste die Bundesregierung nicht nur, zumindest mit Blick auf Griechenland, das Scheitern der bisherigen Rettungspolitik eingestehen, sondern auch dem deutschen Steuerzahler eine mehrere Milliarden Euro teure Rechnung präsentieren.

Verwirrungstaktik:

Obwohl es sich bei der Einstellung des Schuldendienstes und dem Ausscheiden aus der Währungsunion um zwei völlig unterschiedliche Punkte handelt, werden diese in der deutschen Debatte stark vermengt. Wenn Regierungspolitiker auf die Frage nach einem möglichen Zahlungsausfall mit dem Verbleib Griechenlands in der Eurozone antworten, dann scheint es sogar so, als würde hierzulande diese Verwirrung zwischen der Einstellung des Schuldendienstes und dem sogenannten Grexit regelrecht befördert, um der Frage nach den Folgen eines solchen Zahlungsausfalls ausweichen zu können. Zwar grenzt es dabei an Realitätsverweigerung, wenn Griechenland noch immer attestiert wird, seine Schuldentragfähigkeit nicht verloren zu haben, aber vielleicht steckt hinter dieser Verschleierung auch das Kalkül, dass nach den Wahlen in Griechenland die Kosten eines Zahlungsausfalls nicht mehr der verfehlten konservativen Austeritätspolitik angelastet werden, sondern der griechischen links-außen Partei Syriza.
Daneben erlaubt das Verwirrspiel aber auch, die interessante Frage zu umgehen, wie sich Irland oder andere krisen- bzw. schuldengeplagte Euro-Mitglieder bei einem erneuten Schuldenschnitt oder gar einem Zahlungsstopp Griechenlands verhalten würden und ob dann nicht auch aus dieser Richtung Forderungen nach Schuldenerleichterungen aufkommen könnten. Auch eine Antwort auf die noch deutlich interessanter Frage, wie im Fall einer einseitigen Einstellung des Schuldendienstes mit der prinzipiell unkündbaren Euro-Mitgliedschaft von Griechenland umgegangen wird, kann so lange ausbleiben, solange hierzulande der Schuldenschnitt einfach mit dem Grexit gleichgesetzt wird.


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