Fehlannahmen zu Griechenland und den Folgen der Griechenland-Wahl

Zurzeit kursieren in Deutschland drei große Fehlannahmen rund um die griechische Wirtschaftsituation und die Folgen der Griechenland-Wahl.

Zunächst ist es eine Mär, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden will. Weder Syriza noch sonst eine politische Kraft in Griechenland will den Euro verlassen, weil diese Währung für Griechenland große Vorteile bietet. Nicht nur der Staat, sondern auch die Unternehmen können mit Hilfe des bislang harten Euro zum Beispiel Vorprodukte beziehen oder sich in dieser Währung finanzieren, ohne dass Anleger Angst vor Währungsverlusten haben müssen. Selbst wenn der Euro für Griechenland an anderer Stelle ungünstig ist, hat Griechenland mit dem Euro einen großen Standortvorteil z.B. gegenüber der Türkei, den die wenigsten aufgeben wollen. Insofern wird Griechenland nicht aus dem Euro ausscheiden, solange nicht die übrigen Euro-Staaten ihrerseits versuchen, das Land aus der Gemeinschaftswährung heraus zu drängen.
Eine zweite Fehlannahme ist, dass die Staatsschulden das größte Problem Griechenlands darstellen. Tatsächlich sind diese zwar weit aus dem Ruder gelaufen, aber aufgrund der aktuellen Niedrigzinspolitik sowie der Akzeptanz griechischer Staatsanleihen als Sicherheiten durch die EZB und ihre Bereitschaft zum Aufkauf von Staatsanleihen, hält sich die griechische Zinslast, die aus den massiven Schulden resultiert, noch in Grenzen. Das weit größere Problem für Griechenland ist die relative Perspektivlosigkeit sowie die mangelnde Bereitschaft der starken Euro-Mitgliedsstaaten durch Reallohnsteigerung das Preisniveau deutlich anzuheben. Solange sich nichts an dieser Situation ändert, wird Griechenland mit oder ohne Schuldenschnitt zwischen Rezession und Deflation umher taumeln, weshalb die Schulden für sich alleine genommen eher ein nachrangiges Problem darstellen.
Kommt es allerdings zu Diskussionen über einen Schuldenschnitt oder über zusätzliche Hilfsgelder für Griechenland, dürfte es sich um eine weitere Fehleinschätzung handeln, wenn davon ausgegangen wird, dass sich solche Auseinandersetzungen dann auf Griechenland begrenzen lassen. Fraglich ist z.B., ob Irland ohne Zugeständnisse bereit wäre, einen Schuldenschnitt oder ein Hilfsprogramm für Griechenland mitzutragen. Aber auch Zypern, Portugal oder Spanien könnten Erleichterungen, z.B. Investitionshilfen, einfordern. Umgekehrt wäre es aber auch denkbar, dass Länder, wie z.B. Frankreich oder Italien, mit Verweis auf die heimische Wirtschaftssituation neuerliche Hilfen verweigern.

Berücksichtigt man alle drei Fehlannahmen, dann tritt Griechenland bei einem Regierungswechsel einfach aus dem Euro aus und erhält bei der Rückzahlung der Staatsschulden etwas mehr Zeit. Lässt man diese Fehleinschätzungen aber beiseite, muss im Falle eines Regierungswechsels in Griechenland in den nächsten Monaten eine für die gesamte Eurozone tragfähige Lösung gefunden werden oder Griechenland droht durch einseitige Maßnahmen, z.B. durch einen Zahlungsstopp, die Eurozone in Schieflage zu bringen.


Ähnliche Artikel:
Griechenlands Schuldendienst und der Grexit (www.mister-ede.de – 12.01.2015)

Glossar: Die Zinslastquote (von Staaten)

Mehr zum Thema Eurokrise auf www.mister-ede.de

Diskussion:

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>