mister-ede.de » Seuche https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Corona-Risiko-Rechner https://www.mister-ede.de/natur/corona-risiko-rechner/9201 https://www.mister-ede.de/natur/corona-risiko-rechner/9201#comments Thu, 25 Mar 2021 11:51:31 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9201 Weiterlesen ]]> Wie hoch ist das individuelle Risiko, sich mit Corona zu infizieren, wie hoch die individuelle Infektionssterblichkeit und wie hoch das individuelle Corona-Sterberisiko? Findet es mit dem Corona-Risiko-Rechner heraus:

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Welche Faktoren berücksichtigt der Corona-Risiko-Rechner?
Neben persönlichen Faktoren, wie Alter, Geschlecht und Lebensweise, fließen unter anderem die jeweilige Inzidenz und die anzunehmende Dunkelziffer in die Berechnung ein. Grundlage für die Abschätzung des alters- und geschlechtsspezifischen Sterberisikos sind dabei die Daten des RKI zu Infektionen und Todesfällen in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Die Berechnungen im Einzelnen:

Die Vorsicht:
Für das Modell wird angenommen, dass das Ansteckungsrisiko ohne jegliche Vorsicht etwa das 4,5-fache des Durchschnitts beträgt. Grundlage für diese Annahme ist der geschätzte R-Wert des Coronavirus bei Fehlen sämtlicher Schutzmaßnahmen von etwa 4 bis 5. Dieser R-Wert konnte mehrfach in Deutschland und anderen Ländern durch Schutzmaßnahmen auf 1 oder sogar darunter gedrückt werden. Aus diesem Verhältnis wurde die zuvor beschriebene Annahme abgeleitet. Durch Verwendung einer nichtlinearen Funktion mit abnehmender Steigung wurde dabei der Tatsache Rechnung getragen, dass schon mit einfachen Maßnahmen, wie Abstand halten, ein hoher Schutzeffekt erreicht werden kann. Umgekehrt dürfte es aber nicht möglich sein, sich bei gefährlichen Kontakten vollständig zu schützen. Es wird daher beim 0,4-fachen des Durchschnitts eine Untergrenze angenommen.

Kontakte und persönlicher Risikofaktor:
Um die Wahrscheinlichkeitseffekte abzubilden, wird für den persönlichen Risikofaktor eine gestreckte Exponentialfunktion verwendet. Hierbei befindet sich die Chance, sich nicht anzustecken (1 – persönliche Vorsicht/100), in der Basis und das Kontaktniveau im Exponenten. Das hat zum Effekt, dass es bis zum gänzlichen Verzicht auf Kontakte eine lineare Abnahme gibt, während eine Steigerung der Kontakte über das durchschnittliche Maß hinaus einen unterproportionalen Effekt hat.

Umfeld und Dunkelziffer:
Die tatsächliche Inzidenz setzt sich aus den bestätigten Neuinfektionen sowie dem Dunkelzifferfaktor multipliziert mit den bestätigten Neuinfektionen zusammen. Sofern keine Änderungen vorgenommen werden, beträgt der Dunkelzifferfaktor 3, sodass sich die tatsächliche Inzidenz insgesamt auf das 4-fache der bestätigten Neuinfektionen beläuft.

Dauer und Infektionsrisiko:
Liegt der persönliche Risikofaktor für eine Infektion bei 0, gibt es logischerweise unabhängig der tatsächlichen Inzidenz kein Infektionsrisiko. Liegt der persönliche Risikofaktor für eine Infektion bei 1, also beim Durchschnitt, so spiegelt auch das angegebene Infektionsrisiko die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit wider, zu den bestätigten oder unbestätigten Neuinfizierten einer Woche zu gehören. Liegt der persönliche Risikofaktor für eine Infektion hingegen über 1, so nimmt das Infektionsrisiko weiter zu, allerdings auch hier wieder über eine Funktion, die das Risiko immer langsamer steigen lässt.
Aus dem Wochenrisiko errechnet sich dann das Infektionsrisiko für den angegebenen Zeitraum wieder nach der Formel (1 – (1 – Wochenrisiko)^Wochen). Bei einem Wochenrisiko von beispielsweise 10% liegt das Infektionsrisiko für zwei Wochen somit bei 1 – 0,9^2 = 1 – 0,81 = 19%.

Die Infektionssterblichkeit:
Die Daten des RKI liegen für Infektionen wie für Todesfälle nach Altersgruppen und Geschlecht aufgeschlüsselt vor, sodass für Männer und Frauen je nach Alter eine unterschiedliche Infektionssterblichkeit ausgegeben werden kann. Es ist bei diesen Daten allerdings davon auszugehen, dass von den jetzigen Infizierten auch noch weitere versterben werden, umgekehrt aber auch nur ein Teil der Infizierten überhaupt erfasst wurde. Außerdem ist anzunehmen, dass es aufgrund verschiedener Umstände (mildere Symptome, weniger Tests) besonders in jüngeren Altersgruppen eine hohe Dunkelziffer gibt. Um dies zu berücksichtigen, ist die verwendete Formel so skaliert, dass sie bei 0-Jährigen bei einer noch niedrigeren Infektionssterblichkeit startet als es die RKI-Daten hergeben, während bei 100-Jährigen die Formel Werte liefert, die etwas über den beobachteten bzw. erfassten Werten liegen.

Das Corona-Sterberisiko:
Dieses ergibt sich einfach zu errechnend aus dem Risiko, sich zu infizieren, multipliziert mit dem Risiko, an einer solchen Corona-Infektion zu versterben.


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Wie das Infektionsgeschehen mit Massentests effektiv gesenkt werden kann https://www.mister-ede.de/politik/corona-schnelltest-massentests/9149 https://www.mister-ede.de/politik/corona-schnelltest-massentests/9149#comments Sun, 03 Jan 2021 19:45:05 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9149 Weiterlesen ]]> Massentests ersetzen weder die AHA-Regeln noch präventive Tests in einzelnen Bereichen, z.B. in Altenheimen. Sie können aber ein Baustein sein, um insbesondere in stark betroffenen und abgrenzbaren Regionen das Infektionsgeschehen in kurzer Zeit deutlich zu senken. Das nachfolgende Muster ist dabei als Hilfestellung zum effizienten Einsatz von Antigen-Schnelltests und PCR-Tests im Rahmen einer Massentestung gedacht.

Festlegung eines Test- und eines Shutdown-Zeitraums:

Der originäre Testzeitraum sollte fünf, sechs Tage nicht überschreiten, um sich mit der gesamten Testung innerhalb eines mittleren Reproduktionszyklus zu bewegen. Innerhalb dieses Zeitraums sollte das öffentliche Leben massiv reduziert und Ämter, Büros – einfach alles, was nicht zwingend notwendig ist – geschlossen werden. Der Shutdown-Zeitraum sollte allerdings noch etwas länger reichen als der Testzeitraum.
Vorstellbar wäre, von Samstag bis Donnerstag der Folgewoche einen Massentest anzusetzen und den Shutdown dann noch drei Tage weiter bis Sonntag laufen zu lassen und samstags oder sonntags Spezialfälle nochmals abschließend zu testen.

Testpflicht:

Eine generelle Testpflicht dürfte schwer durchsetzbar sein, auch wenn sie sehr hilfreich wäre. Der Schnelltest sollte daher aber zumindest verpflichtend sein für Beamte, Angestellte im Bereich Pflege- und Gesundheit sowie an Schulen und in Kitas. Obligatorisch sollten die Tests außerdem für Schülerinnen und Schüler sowie für in anderen Einrichtungen wie Kita, Hort oder Kinderheimen betreute Kinder sein genauso wie auch für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sowie für von mobilen Diensten betreute Personen. Damit sollten die Bereiche Schule bzw. Alten- und Behindertenpflege weitestgehend vom Virus befreit werden. Alle anderen Einwohner der betroffenen Regionen oder auch Pendler von außerhalb wären in diesem Fall zwar nicht verpflichtet, aber natürlich dringend gebeten, sich am konzertierten Massentest zu beteiligen.

Testanreiz:

Allen Getesteten, egal ob freiwillig oder verpflichtet, werden nach Abschluss des Testverfahrens fünf personengebundene Gutscheine über 5,- Euro für die heimische Gastronomie und andere kulturelle Einrichtungen (Kino, Theater) ausgehändigt. Die Gutscheine sind gültig ab 1. Juni, damit es nicht zu früh zu einem Ansturm kommt, und können bis zum 31.12.2022 eingelöst werden.

Doppeltestung:

Um die PCR-Kapazitäten zu schonen werden für die Testung Antigen-Schnelltests verwendet, die lediglich bei positiven Befunden durch einen PCR-Test kontrolliert werden. Um dabei die niedrigere Sensitivität der Schnelltests auszugleichen, besteht die gesamte Testung aus zwei Schnelltests pro Person, die im Abstand von drei Tagen durchgeführt werden sollten, also z.B. an Tag 1 (Samstag) und Tag 4 (Dienstag). Die Sensitivität der eingesetzten Schnelltests sollte dabei nicht unter 94% liegen.
Sind beide Tests negativ, sollte das Risiko eines falsch-negativen Befundes durch die Doppeltestung relativ gering sein. Finden verschiedene Schnelltests Verwendung, sollte der sensitivere Test beim zweiten Testvorgang eingesetzt werden. Schlägt ein Schnelltest an, wird zum Ausgleich der niedrigeren Spezifität von Schnelltests der Befund per PCR-Verfahren kontrolliert. Ist die Person tatsächlich infiziert, dann greifen die üblichen Maßnahmen (Isolierung, Kontaktnachverfolgung etc.). Ist die Person hingegen doch negativ, so wird vorgegangen, als sei der Schnelltest negativ gewesen.

Spezialfälle:

Gibt es Spezialfälle, z.B. eine Person wurde zwar negativ getestet, war aber genau im Testzeitraum Kontaktperson eines bestätigten Infizierten, so soll wenige Tage später noch ein dritter Schnelltest durchgeführt werden.

Einschätzung:

Wenn 80% der Bevölkerung teils verpflichtet, teils freiwillig mitmachen und man bei diesen dann 95% der Infizierten findet, hat man 3/4 der Infektionsketten binnen einer Woche einem Ende zugeführt. Klar, manche Ketten wären auch so zu Ende gegangen. Klar, wenn man mit einem harten Lockdown den R-Wert über 4 Wochen bei 0,7 hält, erreicht man dieselbe Reduktion. Aber klar ist eben auch, solche freiwilligen Massentests sind im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen ein relatives mildes und auch preisgünstiges Mittel. Wenn man die Kosten von vier Wochen hartem Lockdown mit vielleicht 100 Euro Testkosten pro Person (100 Euro * 80 Mio. = 8 Mrd. Euro) vergleicht, dann gibt es meines Erachtens gar nichts mehr zu diskutieren. Zumal man die Tests bedarfsorientiert wiederholen kann, wenn das Infektionsgeschehen in einer Region weiterhin oder erneut über 50 bestätigten Neuinfektionen je Woche liegen sollte.

Erläuterung:

Massentests stellen eine Momentaufnahme dar. Sie sind daher insbesondere in den Momenten geeignet, in denen das Infektionsgeschehen heimisch und hoch ist. Ungeeignet wären sie bei niedrigem oder hauptsächlich von Eintragungen von außen geprägten Infektionsgeschehen. In einer solchen Lage bräuchte es dann eher wieder Tests für Reisewillige, Pendler oder Reiserückkehrer. In der jetzigen Lage sind Massentests hingegen absolut zielführend.

Rechenbeispiele:

Massentests dienen nicht dazu, die bestätigten Infizierten zu finden – diese kennt man ja bereits. Mit Massentests sollen vielmehr gerade jene Infizierten gefunden werden, die bislang unerkannt geblieben sind. Wie hoch diese Dunkelziffer ist, ist zwar unbekannt, aber bei 50 bestätigten Neuinfektionen je Woche ist eine Größenordnung von 100 – 200 unentdeckten Infizierten nicht völlig unrealistisch. Eine solche Anzahl an tatsächlichen Fällen je 100.000 Einwohner ist allerdings auch in etwa nötig, damit die Schnelltests trotz ihrer Ungenauigkeit noch effektiv eingesetzt werden können. Umso höher das Infektionsgeschehen ist, desto eher sind die Schnelltests geeignet. Bei niedrigem Infektionsgeschehen liefern sie hingegen zu viele falsch-positive Ergebnisse, wie die drei nachfolgenden Beispiele für einen Schnelltest mit 95% Spezifität und 95% Sensitivität zeigen:

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 2.000

98.000 Nicht-Infizierte
- > 93.100 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.900 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
2.000 Infizierte
- > 1.900 korrekt als Infizierte erkannt
- > 100 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 6.800 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 1.900 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 200

99.800 Nicht-Infizierte
- > 94.810 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.990 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
200 Infizierte
- > 190 korrekt als Infizierte erkannt
- > 10 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 5.180 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 190 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

* * * * *
Inzidenz (tatsächliche Infizierte je 100.000): 40

99.960 Nicht-Infizierte
- > 94.962 korrekt als Nicht-Infizierte erkannt.
- > 4.998 fälschlich als Infizierte erkannt (falsch-positive Befunde)
40 Infizierte
- > 38 korrekt als Infizierte erkannt
- > 2 fälschlich als Nicht-Infizierte erkannt (falsch-negative Befunde)
Von 5.036 positiven Schnelltest-Ergebnissen werden 38 durch den PCR-Nachtest bestätigt.

Disclaimer: Ich bin kein Virologe, Epidemiologe, Arzt. Es handelt sich um eine rein rechnerische bzw. systemlogische Betrachtung von Massentests.


Text als PDF: Wie das Infektionsgeschehen mit Massentests effektiv gesenkt werden kann


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Das gebrochene Schulversprechen: Warum es kam, wie es kommen musste! https://www.mister-ede.de/politik/gebrochene-schulversprechen/9131 https://www.mister-ede.de/politik/gebrochene-schulversprechen/9131#comments Sun, 20 Dec 2020 13:39:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9131 Weiterlesen ]]> Ich kann mich noch gut an den medienwirksamen Bildungsgipfel im August und das vollmundige Versprechen der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und der CDU-Bildungsministerin Anja Karliczek erinnern, flächendeckende Schulschließungen wegen Corona künftig zu verhindern [1]. Heute wissen wir, es waren nur leere Worte.
Dabei kann man wirklich nicht sagen, dass seit dem Sommer nichts unternommen worden wäre, um genau dieses Ziel auch zu erreichen – im Gegenteil! Man hat planmäßig und zielgerichtet wissenschaftliche Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen an Schulen [2] ignoriert oder fehlinterpretiert, um ja keine Schulschließungen zu riskieren. Man hat den Anstieg der Neuinfektionen so lange verharmlost und schöngeredet, wie es nur eben ging. Und man hat die Kritiker dieses Vorgehens als faktenresistente Egoisten verunglimpft, denen die Bildung der Kinder schlicht egal sei.

Doch nun sieht man, es war genau umgekehrt! Leuten wie mir ging es darum, an Schulen langfristig ein verlässliches, gutes und sicheres Bildungsangebot trotz Corona zu gewährleisten. Die Konzepte dafür gab es ja schon seit Mai: Raumluftreiniger wo Präsenz nötig ist (z.B. in KiTa und Grundschule), Hybrid- und Fernunterricht in höheren Klassenstufen (so wie es auch an Uni und FH läuft) und breitflächige Testung sobald Infektionsfälle an einer Schule auftreten. Doch genau solche sinnvollen Maßnahmen wurden von Union und SPD eben gerade nicht angepackt, geschweige denn umgesetzt!

Heute kann man daher konstatieren, dass es wohl eher Saskia Esken und Anja Karliczek sind, denen die Bildung der Kinder geschmeidig am Arsch vorbeigeht. Vermutlich ging es den beiden Frauen nur um Selbstdarstellung mit einem Versprechen, von dem sie wohl irrtümlich glaubten, es ohne große Anstrengungen halten zu können – also so, wie wenn ich Ihnen heute hoch und heilig verspreche, dass ich bis Juni für höhere Temperaturen in Deutschland sorge.
Doch genau mit diesem leichtfertigen Schulversprechen von Esken und Karliczek nahm das Elend seinen Lauf. Corona entwickelte sich nämlich doch eher so, wie es Wissenschaftler und Experten für Herbst und Winter prognostiziert haben und nicht so, wie es die beiden Laien-Wahrsagerinnen erhofft haben. Nur zurückrudern ging für die zwei Spitzenpolitikerinnen nun nicht mehr, ohne damit gleichzeitig einzugestehen, auf voller Linie versagt zu haben. Und so haben Esken und Karliczek einfach Däumchen drehend abgewartet, während die Zahlen der Infizierten, der Erkrankten, der Intensivpatienten und zuletzt dann auch der Toten Tag für Tag anstiegen. Oder haben Sie in den vergangenen Wochen nochmal etwas Substanzielles von den beiden zum Thema „sichere Bildung“ gehört?

Mit diesem unverantwortlichen Zuwarten haben Esken und Karliczek aber nicht nur Ihr Versprechen gebrochen, weil wir nun wieder alles andere als verlässliche, gute und sichere Bildung haben, nein, sie haben damit auch verhindert, dass das Infektionsgeschehen im Herbst klein gehalten wurde. Was sollen denn auch Kontaktbeschränkungen bringen, wenn zeitgleich 13, 14 Millionen Menschen fünfmal die Woche zur Corona-Party ins Klassenzimmer gepfercht werden?
Wären durch die zuvor beschriebenen Maßnahmen nur 25% der Infektionen unter den U20-Jährigen verhindert worden, hätten wir rechnerisch alleine dadurch heute 70 – 80% weniger Neuinfektionen und tausende Menschen wäre nicht an Covid19 gestorben.

Klar, man kann das so nicht rechnen, weil die Geschichte dann anders verlaufen wäre. Klar, es waren nicht Esken und Karliczek alleine, sondern auch 14! Kultus- und Bildungsminister, die diesen Wahnsinn vor Ort auch bei höchsten Inzidenzen noch exekutiert haben. Und klar, wenn die Inzidenz umgekehrt sehr niedrig ist, wie das in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern lange der Fall war, gibt es mehr Spielräume, die man prioritär für die Bildung einsetzen kann.
Im Gesamtblick komme ich aber dennoch zu dem Schluss, dass Esken und Karliczek die Hauptverantwortung für die jetzige Schulsituation tragen und mindestens mitverantwortlich dafür sind, dass das Infektionsgeschehen und damit auch die Todeszahlen in den letzten 8 Wochen in Deutschland durch die Decke geschossen sind. Sie hatten zwar keine direkte Entscheidungskompetenz für Schulen, aber sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, eine offene Debatte über die Gefahren an Schulen und Einschränkungen des Schulbetriebs verhindert zu haben.

Frau Esken (SPD) und Frau Karliczek (CDU), übernehmen Sie die politische Verantwortung und treten Sie zurück!


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[1] Vorwärts-Artikel vom 14.8.2020 zum „Bildungsgipfel“

[2] Drosten: „Wir werden Probleme kriegen mit der unbeschränkten Schulöffnung“ (RND, 21.9.2020)

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https://www.mister-ede.de/politik/gebrochene-schulversprechen/9131/feed 0
Ein flächendeckendes schnelles Test- und Meldesystem für den Corona-Winter https://www.mister-ede.de/politik/corona-test-und-meldesystem/9126 https://www.mister-ede.de/politik/corona-test-und-meldesystem/9126#comments Sun, 13 Dec 2020 12:22:25 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9126 Weiterlesen ]]> In weiten Teilen habe ich diesen Text schon im Juni verfasst, damals allerdings nicht veröffentlicht. Zu oft wurde ich für meine Vorschläge zur Pandemiebekämpfung beschimpft und beleidigt – nicht von Corona-Leugnern, sondern von der genau entgegengesetzten Seite. Was musste ich mir nicht alles anhören: Dass ich zugunsten der Wirtschaft Tote in Kauf nehmen würde. Dass ich die Alten wegsperren möchte. Dass ich egoistisch und unsolidarisch sei. Dabei hatten meine Vorschläge nur ein einziges Ziel: Dem Erwartbaren – einer zweiten Welle im Herbst – vorzubeugen bzw. sich adäquat darauf vorzubereiten. Leider fehlte mir irgendwann die Kraft, das immer wieder und wieder zu erklären.
Nun sieht man es allerdings. Egoistisch waren wohl eher diejenigen, die meine Vorschläge aus Geltungssucht niedergemacht haben. Tote in Kauf genommen haben all jene, die immer nur Lockdown gebrüllt und damit die Entwicklung von effektiven und effizienten Schutzmaßnahmen im Sommer verhindert haben. Ich war mir sicher, dass mir die Realität im Winter Recht geben wird. Und heute sehen das vermutlich auch die Allerletzten.

Hier deshalb nun mein Artikel, wie ein flächendeckendes, effektives und effizientes Test- und Meldesystem gestaltet sein sollte:

Ausgangslage im Sommer

Leider lässt der Fallzahlen-Anstieg nach den Lockerungen in den USA, der massive Anstieg in Süd- und Mittelamerika und die nun auch in Südafrika, Pakistan, Indien und Bangladesch einsetzende Dynamik nicht erwarten, dass Europa ein milder Verlauf im Herbst bevorsteht. Noch immer sind die Menschen in weiten Teilen Europas nicht durch Antikörper geschützt und noch immer ist keine Impfstoffverfügbarkeit absehbar. Gleichzeitig haben die verschiedenen Lockerungen dazu geführt, dass die Fallzahlen in vielen europäischen Ländern eher stagnieren, statt weiter zu sinken. Und die unter den gelockerten Bedingungen zu erwartende Urlaubsreisewelle wird die Problematik von Ein- und Verschleppungen des Coronavirus zusätzlich erhöhen. Mit niedrigeren Temperaturen, schlechterer Witterungen und damit auch mehr Aufenthalten in Innenräumen ist für den Herbst ein Szenario wie im Frühjahr, also ein spürbarer Anstieg der Fallzahlen und Lockdowns zur Eindämmung, zunehmend zu erwarten. Allerdings befreit uns im Herbst dann nicht bereits nach zwei Monaten wieder der Sommer und die Verlagerung von drin nach draußen oder vom Bus aufs Rad. Im Gegenteil, es folgt der ganze lange Winter. Oberste Priorität muss in Europa deshalb sein, ein solches Szenario zu verhindern!

Zu schaffende Rahmenbedingungen

Neben der Beibehaltung der smarten Maßnahmen wie Abstandsgebot und Mundschutzpflicht, braucht es dringend eine europaweit nutzbare freiwillige Corona-App, die auf möglichst vielen Geräten und mit möglichst wenig Anbindung an Google und Apple funktioniert. Neben der reinen Kontakterfassung sollte hierbei die Möglichkeit zum Speichern und Auslesen der GPS-gestützten Standortdaten für 20 Tage ermöglicht werden. Auch der Einsatz von Tracing-Tokens, die die Funktionen der Corona-App für Menschen ohne (geeignetes) Smartphone verfügbar machen, ist für eine ausreichende Breitenwirkung erforderlich – insbesondere innerhalb von Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen.
Daneben muss ein zentrales europäisches Meldesystem geschaffen werden, um Corona-Meldungen europaweit einheitlich zu erfassen und schnell und transparent den verschiedenen Behörden auch über Grenzen hinweg für die Nachverfolgung zur Verfügung zu stellen, z.B. bei einem Ausbruchsgeschehen an einem Urlaubsort. Ferner muss mit SmartTesting ein intelligentes europaweites Testsystem etabliert werden, das jeder Person, die sich irgendwo in Europa befindet, jederzeit Zugang zu Corona-Tests bietet, z.B. am Urlaubsort oder bei einem Arbeitsaufenthalt in einem anderen europäischen Land.
Was nachfolgend für Deutschland dargestellt ist, sollte daher so oder so ähnlich auch in den übrigen europäischen Ländern umgesetzt werden.

Verbessertes und erweitertes Meldesystem

Ursprungs- und Nachverfolgungs-Ampel:
Bislang schauen wir in Deutschland und Europa vor allem auf die Zahl der Infizierten. Viel stärker als bisher sollten allerdings die Infektionsketten, also der Ursprungsort der Infektion und der mögliche Weiterverbreitungskreis, in den Blick genommen werden. Neben der reinen Infektionsmeldung und dem wahrscheinlichen Ansteckungsort sollte ähnlich einer Ampel von der jeweils zuständigen Meldebehörde, also den örtlichen Gesundheitsämtern, angegeben werden, in grün, wenn die Ansteckung wahrscheinlich auf eine bereits identifizierte Infektionskette oder ein bekanntes Infektionscluster zurückzuführen ist, z.B. bei den Tönnies-Mitarbeitern, bzw. in rot, wenn das nicht der Fall ist, der Ursprung also unbekannt ist. Selbiges sollte für die Kontaktnachverfolgung gelten – grün, wenn die engeren Kontaktpersonen im Zeitraum der Infektiosität ermittelbar sind, z.B. bei einem Ausbruch in einem Pflegeheim, und im umgekehrten Fall logischerweise rot.

Grün-grüne Fälle sind zwar weiterhin eine gesundheitliche Gefahr für den Betroffenen selbst, sie sind epidemiologisch aber wenig problematisch, weil die Infektionskette in diesen Fällen klar und damit unterbrechbar ist. Auch rot-grüne Fälle sind bei einem vereinzelten Auftreten, z.B. nach einer Reise, ebenfalls unproblematisch. Bei vermehrtem Auftreten innerhalb einer Region oder bei Personen, die sich lediglich innerhalb dieser Region aufgehalten haben, wäre es hingegen ein Alarmzeichen, dafür dass es ein unentdecktes lokales Infektionsgeschehen gibt. Zielführend ist dann im Rahmen des nachfolgend beschriebenen SmartTestings intensiver zu testen, um die vermuteten Infektionsketten aufzuspüren.
Bei grün-roten Fällen ist hingegen die Kontaktnachverfolgung problematisch, z.B. bei einem Bus- oder Bahnreisenden ohne Corona-App. Bei grün-roten oder rot-roten Meldungen sollten daher nach Möglichkeit die Aufenthaltsorte des Infizierten während der Infektiosität mit angegeben werden, um eine mögliche Gefahrensituation für andere Land- oder Stadtkreise oder auch andere europäische Staaten transparent zu machen.
Zwei Wochen nach einer Fallmeldung sollen rote Ursprung- oder Nachverfolgungsampeln, die sich bis dahin nicht durch die Arbeit der Behörden aufklären und auf grün schalten ließen, die Farbe Weiß erhalten. Treten also innerhalb von zwei Wochen keine neuen Fälle auf, sind die Ampeln aller bisherigen Meldungen eines Landkreises entweder grün oder weiß. Erst wenn es wieder zu einem Infizierten kommt, bei dem der Ursprung unbekannt ist oder bei der sich die Kontaktpersonen nicht ermitteln lassen, gibt es wieder eine Meldung mit roten Ampeln.

Im Falle eines Ausbruchs wie in den Schlachthöfen von Tönnies hätte man also zunächst ein paar rot-rote Meldungen gehabt (Ursprung unklar, Kontakte noch nicht umfänglich ermittelt), die dann durch jede Menge grün-rote Meldungen (Ursprung klar, Kontakte noch nicht umfänglich ermittelt) ergänzt worden wären. Je mehr die Behörden die Kontakte der einzelnen Infizierten dann nachverfolgen können, umso mehr Fälle würden sich nach und nach auf rot-grün bzw. grün-grün schalten, bevor sie nach einiger Zeit als grün-grüne (Ursprung klar, Kontakte ermittelt) oder weiß-grüne (Ursprung unklar geblieben, aber Kontakte ermittelt) Meldungen der Vergangenheit angehören.
Kommen im dortigen Kreis dann in nächster Zeit auch keine neuen Meldungen mit roter Ursprungsampel oder roter Nachverfolgungsampel hinzu, wäre das ein deutliches Zeichen dafür, dass das Infektionsgeschehen vor Ort trotz massiver Fallzahlen weitestgehend im Griff ist. Kommen hingegen weiterhin Meldungen mit unbekanntem Ursprung hinzu, wäre es ein klares Indiz dafür, dass sich die Infektionsketten weiter in die Bevölkerung hinein verbreitet haben. Und selbiges ist natürlich auch dann zu befürchten, wenn bei zu vielen Meldungen die Nachverfolgungsampel rot bliebe.

Beschleunigte Meldung und Nutzung von GPS-Daten:
Zusätzlich zu einer umfassenderen Meldung in Bezug auf die Infektionsketten, also zum Ursprung und zum möglichen Weitergang der Kette, ist außerdem eine Beschleunigung des Meldewesens und der Kontaktnachverfolgung erforderlich, um so zeitnah wie nur irgend möglich eine Intervention einzuleiten – Infizierte sind ja in aller Regel nur einige wenige Tage infektiös. Eine erste telefonische Befragung der infizierten Person sollte daher spätestens 3 Stunden nach der Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen – und das bitte auch nicht nur montags bis freitags!

Im Rahmen der Erstbefragung sollte außerdem um die Übermittlung der in der Corona-App gespeicherten GPS-Daten gebeten werden, um diese mit den Standortdaten anderer Infizierter zusammenzuführen. Auf Basis der freiwillig zur Verfügung gestellten Daten soll so die Suche nach Infektionsquellen mittels Datenanalyse unterstützt werden. Sind beispielsweise drei Infizierte im wahrscheinlichen Infektionszeitraum nahe zusammen, z.B. in einer Kneipe, dann sollte die Datenanalyse das erkennen und eine Befragung der betroffenen Infizierten diesbezüglich stattfinden. Und selbst in Bewegung, also wenn die drei Infizierten in einem Bus oder Zug sitzen, würde der GPS-Abgleich funktionieren, weil sich der Standort bei allen infizierten gleichermaßen verändert. Natürlich müssen solche Standortdaten stets verifiziert werden – die drei Infizierten könnten auch im Auto hintereinanderher gefahren sein – aber es wäre auf jeden Fall ein zusätzlicher Anhaltspunkt, wo der Ursprung der Infektion lag und ob eventuell noch weitere Personen betroffen sein könnten.

SmartTesting

Damit das verbesserte Meldesystem und die beschleunigte Fallbearbeitung tatsächlich zum Tragen kommen können, braucht es aber auch zwingend eine deutlich höhere Entdeckungsquote. Denn nur dort, wo Infizierte gefunden werden, kann die Ermittlung und Nachverfolgung der Infektionsketten starten. Für die Eindämmung des Coronavirus ist es daher unerlässlich, möglichst viel zu testen, nicht nur spezifisch, sondern auch in der Breite und mit der gebotenen Schnelligkeit. Überdies ist es notwendig, dass bei positiven Befunden unverzüglich – also deutlich schneller als bisher – eine Risikobewertung durch die lokalen Gesundheitsbehörden und eine Meldung an das Robert-Koch-Institut stattfindet. Der Zeitverzug von einem Testwunsch bis zur finalen Meldung eines positiven Befundes an das RKI sollte bei Verdachtsfällen 60 Stunden nicht überschreiten. Die Kosten der Testungen sollten im Rahmen der Gefahrenabwehr vollständig vom Bund aus dem Haushalt getragen werden.

Kostenlose Tests für alle:
Jede Person bekommt das Recht, sich verdachtsunabhängig kostenlos auf Corona testen zu lassen. Sofern es nicht anders gewünscht wird, soll dabei stets auf eine aktive Corona-Infektion und auch auf eine überstandene Corona-Infektion getestet werden. Mehrfachtestungen einer Person sind ausdrücklich erlaubt. Die Tests können weiterhin bei Hausärzten durchgeführt werden, zusätzlich sollte es aber aufgrund der zu erwartenden Nachfrage auch kommunale Testeinrichtungen und mobile Testteams in jeder Region geben. Um eine missbräuchliche Nutzung zu verhindern, sind für die dortigen Tests allerdings Ausweisdokumente oder Ersatzbescheinigungen nötig und es findet eine zentrale Speicherung der Daten für 6 Monate bei den Gesundheitsbehörden statt.

Kommunale Testeinrichtungen:
Alle Landkreise und kreisfreien Städte werden verpflichtet, mindestens eine lokale Testeinrichtung zu schaffen, die jeden Tag, einschließlich sonntags, mindestens von 8 Uhr bis 20 Uhr für Tests zur Verfügung steht. Eine Angliederung z.B. in Containern an ein vorhandenes Krankenhaus erscheint hierbei zielführend. Tests sollen in diesen kommunalen Einrichtungen allerdings nur nach Terminvereinbarung stattfinden, sowohl um die Planbarkeit zu verbessern als auch um Warteschlangen zu vermeiden.

Mobile Testteams:
Für mobilitätseingeschränkte Menschen und andere Personen, die die Testeinrichtungen nur schwer erreichen können, z.B. Alleinerziehende ohne Auto, müssen von den Kommunen zusätzlich ausreichend mobile Testteams bereitgestellt werden, die an allen Wochentagen für die Durchführung von Corona-Tests zur Verfügung stehen.

24/7-Notfalltests:
Für epidemiologische Notfälle, z.B. bei einem Corona-Verdacht in einem Pflegeheim oder einer anderen Massenunterkunft, ist in allen Landkreisen und kreisfreien Städten rund um die Uhr ein mobiles Testteam vorzuhalten. Die Koordination kann die lokale Rettungsleitstelle übernehmen, die tagsüber auf die vorhandenen mobilen Testteams der Kommunen zurückgreift und in Randzeiten die schnelle Testung über den Rettungsdienst gewährleistet.

Bundesweite Hotline:
Das Bundesgesundheitsministerium schaltet 24/7 eine kostenlose Hotline für Bürgerinnen und Bürger, die einen Test durchführen wollen. Handelt es sich um keinen dringlichen Fall, z.B. einen Testwunsch vor dem Besuch der Großeltern, wird ein passender Termin in einer lokalen Testeinrichtung oder mit einem mobilen Testteam der jeweiligen Kommune vereinbart. In dringenden Fällen, wenn also ein Infektionsverdacht vorliegt – und seien es nur leichteste Symptome – soll hingegen ein Termin mit einem mobilen Testteam vereinbart werden, das maximal 18 Stunden später bei dieser Person ist und einen Test durchführt. Bis dahin soll sich die betreffende Person selbst isolieren. Bei einem Anruf um 17 Uhr soll also bis spätestens 11 Uhr des Folgetags eine Testung durchgeführt werden. Bei epidemiologischen Notfällen, also z.B. einer Symptom-Entwicklung bei Bewohnern oder Bediensteten eines Altenheims, muss es allerdings noch schneller gehen. Hier ist dann über die örtliche Rettungsleitstelle ein Notfalltest zu veranlassen, der unverzüglich stattzufinden hat.

Beschleunigte Test-Auswertung:
Die Landkreise und kreisfreien Städte haben ferner zu gewährleisten, dass Notfalltests unverzüglich ausgewertet werden, z.B. in den Laboren der örtlichen Krankenhäuser. Dringliche Tests sollen binnen 24 Stunden ausgewertet sein, nicht dringliche Tests binnen 42 Stunden. Bei einem nicht dringenden Test am Donnerstag um 16 Uhr soll das Ergebnis also spätestens am Samstag um 10 Uhr vorliegen. Sollte es beim Probentransport Engpässe geben, kann auch die Infrastruktur anderer Organisationen (Amtshilfe durch Polizei, Blutspende-Dienste, Feuerwehr) genutzt werden.

Meldung der Gesundheitsbehörden an das RKI:
Sobald positive Testergebnisse in den Gesundheitsämtern der Landkreise und kreisfreien Städte eingehen, sind diese binnen 18 Stunden zu erfassen, hinsichtlich der Gefahrenlage einzuschätzen und ergänzt um die oben beschriebenen Informationen zum Stand der Infektionskettenermittlung an das RKI zu melden.

Sofortige Gefahrenabwehr:
Ist eine Gefahrenlage erkennbar, z.B. eine Infektion in einer Tagespflege, sind unverzüglich Gegenmaßnahmen einzuleiten, z.B. die Durchführung von Notfalltests bei allen Betreuten und Angestellten der Einrichtung. Eine Gefahrenlage kann sich aber auch aus dem vermehrten Auftreten von Infektionsfällen innerhalb eines kurzen Zeitraums ergeben. Gibt es in einer Region mit ansonsten wenig Fällen zeitnah in einem Teilgebiet, z.B. einem kleinen Dorf oder in einem Stadtteil, drei oder vier positive Befunde mit unklarer Herkunft, ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es vor Ort zu einem bis dahin noch unbemerkten Infektionsgeschehen gekommen ist. Grundsätzlich gilt dabei, je geringer das Infektionsgeschehen in einer Region ist, umso mehr Aufmerksamkeit ist nötig und umso niedriger sollte die Interventionsschwelle sein.

Reihentests:
Regelmäßig getestet werden sollten alle Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen und mobilen Pflegediensten, außerdem Angestellte in Krankenhäusern und Arztpraxen inklusive Reinigungs- oder Kantinenpersonal. Zielführend kann es daneben sein, Personen mit einer hohen Kontaktzahl regelmäßig zu testen, z.B. in der Gastronomie, beim Handel oder im ÖPNV.
Auch an Schulen und Kitas sollten anlassbezogene und für den Besuch der jeweiligen Einrichtung zwingend erforderliche Tests durchgeführt werden, z.B. wenn es lokal ein bekanntes Ausbruchsgeschehen gibt oder wenn in einer Region vermehrt Fälle ungeklärter Herkunft auftreten. Auch ist eine Testung vor der Wiederaufnahme des Schul- oder des Kita-Betriebs nach Ferien sinnvoll. Zusätzlich sollten allerdings auch auf freiwilliger Basis Stichprobentests durchgeführt werden, z.B. jeden Tag bei einer anderen Schulklasse, sodass alle Schülerinnen und Schüler einmal im Monat getestet werden.

Aktualisiertes Nachwort

Da eine breitflächige Impfung erst weit im Laufe des nächsten Jahres möglich sein wird, wären die beschriebenen Verbesserungen noch immer zielführend. Und die zwischenzeitliche Verfügbarkeit von Schnelltests erlaubt es auch, ein solches SmartTesting-Konzept zügig zu etablieren. Neu kommt allerdings hinzu, dass mit den verfügbaren Schnelltests auch die Durchführung von Massentests in Regionen mit hohem Infektionsgeschehen realistisch wird. Eine solche Erweiterung des Test-Regimes sollte daher direkt mitgedacht werden.


Text als PDF: Ein flächendeckendes schnelles Test- und Meldesystem für den Corona-Winter


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Einschätzung der aktuellen Infektionslage und Vorschläge für den anstehenden Corona-Winter (www.mister-ede.de – 14.10.2020)

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https://www.mister-ede.de/politik/corona-test-und-meldesystem/9126/feed 0
Einschätzung der aktuellen Infektionslage und Vorschläge für den anstehenden Corona-Winter https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102 https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102#comments Wed, 14 Oct 2020 20:35:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9102 Weiterlesen ]]> Text als PDF

Lagebeurteilung:

Globale Corona-Lage:
In den USA und Kanada steigt die Zahl der Neuinfektionen seit September von unterschiedlichem Niveau aus wieder an. Ebenso in Russland und dem Iran. In Ostasien – Japan, Südkorea, Philippinen – sind nach einer Welle im August die Zahlen wieder etwas niedriger, aber ebenfalls höher als im Sommer. Die Corona-Herbstwelle ist auf der Nordhalbkugel mit voller Wucht angekommen!
In Süd- und Mittelamerika entspannt sich hingegen die Situation in den allermeisten Ländern, ebenso in Südafrika, Australien und Neuseeland. Argentinien, das sehr gut durch den Winter kam, hat inzwischen allerdings einen deutlichen Anstieg der Neuinfektionen zu verzeichnen.

Die Corona-Lage in Mittel- und Westeuropa:
Mittel- und Westeuropa hat mit einer massiven Corona-Herbstwelle und einem mehr oder weniger unkontrollierten Infektionsgeschehen zu kämpfen. Insbesondere Frankreich, Spanien und Großbritannien, sowie Tschechien, Belgien und die Niederlande, aber auch Schweden, die Schweiz und inzwischen auch Polen verzeichnen ein erhebliches Infektionsgeschehen. In den meisten Ländern ist allerdings die Zahl der schweren Covid-19-Fälle zumindest bislang deutlich geringer als im Frühjahr [1]. Bis in den November erwarte ich daher keine flächendecke Überforderung der Gesundheitssysteme in West- und Mitteleuropa. In einzelnen Regionen, z.B. in Tschechien mit zuletzt (12.10.2020) 467 Personen in intensivmedizinischer Betreuung [2] [3], steht allerdings tatsächlich zu befürchten, dass das Gesundheitswesen der steigenden Zahl an schweren Fällen mit intensivmedizinischem Betreuungsbedarf in nächster Zeit nicht mehr überall vollumfänglich gerecht werden kann [4]. Sollte dies der Fall sein, haben die weniger betroffenen Länder die Pflicht zu helfen. Ich bin mir sicher, Europa ist inzwischen gut genug vorbereitet, um im europäischen Miteinander ein solches Geschehen wie im Frühjahr in Norditalien zu verhindern.

Gleichwohl muss man sich bewusst machen, dass Europa mit seiner Altersstruktur in den nächsten Monaten vor einer gewaltigen Herausforderung steht. Sofern die Herbst- und Winterwelle nicht deutlich gebremst oder gebrochen wird, wird jedes Gesundheitssystem in Europa auf eine massive Belastungsprobe gestellt. Der Reproduktionsfaktor muss daher früher oder später mindestens wieder auf R = 1 gesenkt werden. Die Frage ist hierbei also nicht ob, sondern nur wann das geschieht. Denn spätestens wenn der Winter wirklich da ist, wird sich die Lage nach meiner Einschätzung noch einmal erheblich zuspitzen. Maßnahmen, deren Wirkung im Moment für ein R = 1 reichen würden, könnten möglicherweise im Dezember und Januar – das Weihnachtsfest, Silvester und die kälteste Jahreszeit stehen vor der Tür – zu schwach sein, um das zu schaffen. Das gilt europaweit und entsprechend logisch ist es, dass die ersten EU-Länder bereits in einen erneuten Lockdown gehen [5] [6]!

Die Corona-Lage in Deutschland:
Allen Unkenrufen – gelegentlich auch meinerseits – zum Trotz, ist Deutschland so gut aufgestellt wie kaum ein anderes Land. Noch klappt die Nachverfolgung von Infektionsketten einigermaßen gut und rund 20% der Bundesbürger nutzen die CoronaWarnApp, die zwar kein Glanzstück ist, aber zumindest einen Teil dazu beiträgt, dass sich Personen, die sich möglicherweise infiziert haben, testen lassen. Ähnliches gilt für die recht breitflächige Testung und Testkapazitäten von über einer Million Hochleistungs-PCR-Tests pro Woche, die übrigens nur in seltenen Ausnahmefällen ein falsches Resultat liefern und nicht, wie oft behauptet, bis zu einem Prozent falsch-positive Ergebnisse verursachen.
Seit dem Frühjahr wurde die Zahl der wöchentlich durchgeführten Tests hierzulande deutlich erhöht, weshalb davon auszugehen ist, dass wir einen guten Überblick über die Infektionslage haben. Das Phänomen der Testscham sowie die Verlagerung in jüngere Altersgruppen, die schlicht nicht merken, dass sie infiziert sind, könnten allerdings gegenläufige Effekte darstellen, sodass ohne tiefergehende Analyse eine Aussage über die absolute Entwicklung der Dunkelziffer unseriös wäre.

Ein großer Trumpf der hiesigen Strategie ist daher sicherlich das regionale Vorgehen anhand festgelegter Grenzwerte. Auf der einen Seite ermöglicht dies die nötige Flexibilität, auf der anderen Seite schafft es aber einen klaren und verständlichen Rahmen, ab wann Reaktionen erfolgen. Das macht es für alle Seiten leichter nachvollziehbar, warum an manchen Orten schärfere Maßnahmen getroffen werden müssen als an anderen, und es schafft auch eine gewisse Planbarkeit. Den Grenzewert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner für die Einstufung als Risikogebiet halte ich dabei weiterhin für angemessen. Das entspricht immerhin bundesweit 40.000 Neuinfektionen pro Woche und wenn der Grenzwert irgendwo gerissen wird, dann ja nur selten punktgenau.
Der klare Grenzwert und die Fokussierung auf die Zahl der Neuinfektionen – sie ist vielleicht nicht so präzise, dafür allerdings vergleichsweise schnell und sehr zuverlässig verfügbar – bringt im föderalen System einen weiteren Vorteil mit sich: Jede Landesregierung versucht, dass ihr Bundesland oder ihre Stadt nicht die Poleposition beim Infektionsgeschehen inne hat – Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.

Das Gesundheitssystem ist nach meiner Einschätzung aktuell nicht stärker belastet als außerhalb der Corona-Zeit. Die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen beträgt mit 602 am 14.10.2020 um 12:15 Uhr etwa ein Fünftel dessen, was wir im Frühjahr im Maximum gesehen haben. Im Vergleich zur Vorwoche hat die ICU-Belegung um etwa 130 Patienten zugenommen. Diese Zunahme im Vergleich zur Vorwoche setzt sich zusammen aus täglich etwa 90 Covid-19-Patientenaufnahmen auf deutschen Intensivstationen abzüglich etwa 400 in stabilem Zustand entlassen ICU-Patienten sowie rund 100 verstorben Intensivpatienten in der vergangenen Woche.
Würden morgen alle Infektionen unterbunden, würde die Herbstspitze nach meiner Einschätzung nicht über 60% der Frühjahrsspitze kommen. Umgekehrt erwarte ich bei einem weiter in der jetzigen Geschwindigkeit steigenden Infektionsgeschehen, dass im November, allerspätestens im Dezember in etwa dieselbe Lage auf den Intensivstationen wie im Frühjahr erreicht wird. Und dann kommen wir natürlich auch in Deutschland in eine Situation, die zwischen den Jahren deutliche Einschränkungen erforderlich machen würde. Der Umkehrschluss sollte daher sein, dass wir dringend versuchen sollten, vor die Welle kommen, um im Dezember und Januar einigermaßen ruhig ins neue Jahr zu starten.

Welche zusätzlichen Maßnahmen sollten ergriffen werden:

Festlegung von Hochrisikogebieten:
Neben Risikogebieten, die weiterhin ab einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 50 bestätigten Neuinfektionen je 100.000 Einwohner ausgewiesen werden sollten, halte ich einen zweiten Grenzwert und die Einstufung als Hochrisikogebiete ab einer 7-Tages-Inzidenz von 100 bis 150 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner für sinnvoll. Man kann da auch sagen, der Grenzwert muss 5 der letzten 7 Tage überschritten worden sein. Es wäre eine einfache und klar verständliche zweite Grenze, an die sich dann weitere, nochmals verschärfte Maßnahmen anschließen können.

Sperrstunden / Ausweitung der Maskenpflicht:
Eine bundesweite Maskenpflicht in allen Innenräumen außer der eigene Wohnung, inklusive Gängen und Aufzügen in Mehrfamilienhäusern, sollte spätestens ab einer 20er- oder 30er-Inzidenz eingeführt werden. Im gewerblichen Bereich – Einzelhandel, Restaurants, Bars, Fitnesscenter – sollte diese überall gelten, außer „am Platz“ und bei anderen geeigneten Hygienekonzepten (z.B. Plexiglas im Kassenbereich). Die Maskenpflicht soll sich dabei auch explizit auf den Eingangsbereich vor Geschäften, Restaurants oder Wohnhäusern erstrecken. Das Gleiche soll für alle übrigen Arbeitsplätze in Innenräumen gelten, sofern kein abgesegnetes Hygienekonzept vorliegt. Hingegen sollte bis auf Ausnahmefälle auf eine Maskenpflicht im Freien verzichtet werden, um die Menschen nicht unnötig in Innenräume zu drängen.
Bei überschreiten der 50er-Grenze sollte eine Sperrstunde ab 22 oder 23 Uhr gelten. Hier wäre dann vorstellbar, parallel auch eine Maskenpflicht beim Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen bis zum Morgen einzuführen. Hochrisikogebiete sollten auf die Öffnung von Bars und Restaurants grundsätzlich verzichten. Eine Maskenpflicht für den Aufenthalt im öffentlichen Raum – z.B. Warten an der Bushaltestelle, nicht aber der kurze Weg zum Nachbarhaus oder zum Auto – sollte dann entsprechend gelten.

Reihentestung in Alten- und Pflegeheimen:
Sobald die von Jens Spahn angekündigten Schnelltests verfügbar sind, sollte das Personal in Pflegeheimen arbeitstäglich vor dem Arbeitsbeginn mit diesen getestet werden. Gepaart mit den sonstigen Schutzmaßnahmen sollten damit Infektionen in den Alten- und Pflegeeinrichtungen deutlich reduziert werden. Gleiches gilt für die Beschäftigten in der mobilen Pflege sowie das gesamte Gesundheitswesen. Insgesamt besteht in Deutschland für eine umfängliche Testung ein Bedarf von 50 Mio. bis 100 Mio. Schnelltests pro Woche. Dies bedeutet, dass bei den aktuell verfügbaren Tests je nach Qualität eine PCR Nachtestung von 1 – 8 Mio. Tests nötig wäre, um die Schnelltestbefunde zu verifizieren. Damit wird deutlich, dass im Bereich der PCR-Testung die Kapazitäten zwingend nochmals gesteigert werden müssen, wenn wir wollen, dass die Schnelltests auch wirklich einen Wert haben. Wenn – wie Christian Drosten das in seinem Podcast mal sagte – Pooltests von 5 Proben im Rahmen des Möglichen liegen, sollte das jetzt forciert werden. Auch sollte eine Ausweitung der meines Wissens nach schon vorhandenen Unterstützung durch die Labordiagnostik aus dem Veterinärbereich in Betracht gezogen werden.

Testpflicht bei allen Reisen aus inländischen Risikogebieten sowie Ein- und Ausreisen aus Deutschland:
Sobald! die kostengünstigeren Antigen-Schnelltests in ausreichendem Maße verfügbar sind, sollten im Prinzip alle innerdeutschen Reisenden aus Gebieten mit mehr als 50 Infektionen je 100.000 Einwohner getestet werden. Das gilt für Berufspendler wie Tagesausflügler oder Urlauber. Entsprechend sollten diese Tests in Risikogebieten dann ausreichend, breitflächig sowie kostenlos angeboten werden können und auch überall sonst in Deutschland für einen geringen Betrag, zentral an Teststationen, erhältlich sein. Bei einem positiven Test erfolgt dann natürlich sofortige Quarantäne und ein umgehender PCR-Nachtest, der binnen 24 oder 58 Stunden vorliegen sollte. Eine ähnliche Regelung wäre auch für Einreisende aus dem Ausland sinnvoll und – europäisch gedacht – natürlich auch für Ausreisende aus einem unserer Corona-Hotspots. Damit es dabei aber nicht wieder zu Grenzproblemen kommt, sollte klarer kommuniziert, dass es nur um eine Schnelltestpflicht geht, und auch der Güterverkehr sowie jene, die in den direkt angrenzenden Regionen wohnen, sollten wieder ohne Test einreisen dürfen. Es sollte aber natürlich jedem beim Grenzübertritt für eine geringe Gebühr angeboten werden, sich testen zu lassen.

Ferien kurz halten und eventuell frühzeitig absagen:
Eine Idee könnte sein, bis März weitestgehend auf Ferien zu verzichten. Das wäre dann fest planbar für alle und man könnte in dieser Zeit an Schulen etwas von dem aufholen, was in 2020 nicht geschafft wurde. Die Frage, ob das in Präsenz- oder Fernunterricht stattfinden sollte, kann im Nachgang, zum Beispiel anhand der Risikoeinstufung einer Region, entschieden werden. Das muss auch nicht zwingend bundeseinheitlich sein.

Wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen für die kommenden Monate:
Beherbergungsbetriebe sollten einen Zuschuss erhalten, der sich nach der Auslastung der letzten drei Jahre richtet. Messebauer, Schausteller, Kinos, Kulturschaffende, Reisebüros und andere sind wegen der pandemiebedingten Umsatzausfälle ebenfalls angemessen zu unterstützen. Der durchschnittliche Umsatz der Vorjahre sollte dabei Richtschnurr für die Hilfe sein. Je nach Branche sollte der Umsatz dann anteilig als nicht zurückzuzahlender Zuschuss gewährt werden, z.B. 10%. Nicht sinnvoll erscheint hingegen ein reines Abstellen auf die bisherigen Steuerzahlungen, da eine solche Hilfe an den kleinen Gewerbetreibenden im Land am ehesten vorbeiginge.

Ergänzungen:

Ergänzende Abschätzung des Erkrankungsgeschehens:
Ich bin zwar kein Mediziner, allerding ein leidenschaftlicher Heuristiker und recht gut geübt in Datenanalysen. Meine Prognose der zu erwartenden Erkrankungszahlen, die ich im April entwickelt und bis Juni verfeinert habe, ist so simpel wie treffsicher, dass ich sie hier kurz darlegen will. Die einzige getroffene Annahme ist, dass nach den ersten sieben Folgetagen 50% jener Erkrankungen gemeldet sind, die insgesamt für diesen einen Tag gemeldet werden. Die Zahl 50% ist dabei keine grobe Näherung, sondern nach einem ersten Ansatz mit 55% und einem zweiten mit 52% seit Juni ganz bewusst gewählt. Auch wenn es für einzelne Tage nicht genau stimmt, im 7-Tages-Schnitt, liegt meine rote Prognose-Kurve, die tatsächlich einzig auf der Formel „Erkrankungs-Meldungen der ersten Wochen * 2“ aufbaut, frappierend eng an den tatsächlichen Erkrankungs-Meldungen, die bislang beim RKI eingegangen sind. Und die Zahlen im Juli ändern sich inzwischen auch nicht mehr wirklich. Ich kann nicht erklären, warum diese Formel so gut passt, ich kann nur sagen, dass sie seit Monaten, wenn man vom Tönnies-Ausschlag im Juni absieht, nahezu perfekt passt. Entsprechend gehe ich leider aber sehr überzeugt von einem starken Anstieg der Erkrankungszahlen in den nächsten Wochen aus.

Reproduktionszahl:
Auf Basis des vorgenannten Prognose-Models berechne ich seit April ein 7-Tages-R. Begonnen hatte ich damit, weil das RKI zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich ein sehr stark schwankendes 4-Tages-R veröffentlichte. Legt man meine Prognose auf Basis des 7. Folgetages auf das inzwischen vom RKI ebenfalls geschätzte 7-Tages-R (Prognose vom 4. Folgetag), wirkt mein R-Wert wie eine Glättung der RKI-Werte. Beide Werte werden dabei allerdings, wie dargestellt, mit ganz unterschiedlichen Prognose- und Berechnungsmodellen ermittelt. Die damit einhergehende Redundanz der statistischen Aussage erlaubt mir die Annahme, dass wir im bundesschnitt aktuell eine deutlich über eins liegende Reproduktionszahl (R > 1) haben.


Corona-Epidemie in Deutschland: Aktuelle Lage (6.5.) in Zahlen und Grafiken
(www.mister-ede.de – 06.05.2020)

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Wie wird sich die Corona-Pandemie in Deutschland, Europa und der Welt weiterentwickeln? (www.mister-ede.de – 31.03.2020)


[1] Übersicht der täglichen oder wöchentlichen ICU-Meldungen in Europa durch das European Centre for Disease Prevention and Control -> https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/download-data-hospital-and-icu-admission-rates-and-current-occupancy-covid-19

[2] Tagesschau-Meldung vom 30.09.2020 „Tschechien und Slowakei im Notstand“ -> https://www.tagesschau.de/ausland/corona-tschechien-notstand-101.html

[3] Dashboard des Tschechischen Gesundheitsministerium -> https://onemocneni-aktualne.mzcr.cz/covid-19/prehled-hospitalizaci

[4] Heise-Artikel vom 25.9. zur ICU-Auslastung in Europa -> https://www.heise.de/tp/features/Wie-ausgelastet-sind-die-Intensivstationen-4912024.html

[5] WDR-Bericht vom 14.10.2020 über anstehenden Lockdown in den Niederlanden -> https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/niederlande-verschaerfen-corona-regeln-100.html

[6] NZZ-Artikel vom 9.10.2020 zu Lockdown in Brüssel -> https://www.nzz.ch/panorama/belgien-bruessels-massnahmen-gegen-steigende-corona-fallzahlen-ld.1580860

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https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102/feed 0
Corona-Epidemie in Deutschland: Aktuelle Lage (6.5.) in Zahlen und Grafiken https://www.mister-ede.de/politik/corona-lage-deutschland/9060 https://www.mister-ede.de/politik/corona-lage-deutschland/9060#comments Wed, 06 May 2020 17:51:08 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9060 Weiterlesen ]]> Der RKI-Tagesbericht vom 5. Mai weist für das DIVI-Register an diesem Tag unter 2.000 durch COVID-19-Erkrankungen belegte Intensivbetten aus. Das ist ein deutlicher Rückgang zu Anfang April mit ca. 3.000 belegten Betten. Als freie Kapazität sind zum jetzigen Zeitpunkt über 12.000 solcher Intensivbetten gemeldet. Eine Überlastung der Intensivkapazitäten in den nächsten Wochen ist damit aktuell nicht zu erwarten. Noch deutlich stärker als die Zahl der intensivmedizinisch betreuten Personen ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen gesunken. Im 7-Tages-Schnitt kommt Deutschland auf täglich rund 1.000 Neuinfektionen, bislang mit klar sinkender Tendenz.

Diese Tendenz kann sich natürlich durch die neuen lockereren Rahmenbedingungen in nächster Zeit ändern. Aber selbst wenn die Reproduktionszahl auf 1,3 steigt, was einem täglichen Anstieg der Neuinfektionen von rund 5% entspricht, würde Deutschland erst nach 5, 6 Wochen wieder dort stehen, wo es in den bisherigen Spitzenzeiten der Corona-Epidemie Anfang April war. Und auch vor einem Monat stand das Gesundheitssystem ja nicht strukturell vor einem Kollaps, sondern es gab lediglich einen Mangel an Ausrüstung, der inzwischen weitestgehen behoben zu sein scheint. Die Lage hat sich damit ganz klar entspannt.

Weiterhin gibt es allerdings erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, wobei eine allmähliche Angleichung stattfindet. Insbesondere die stärker betroffenen Bundesländer konnten während des Shutdowns das Infektionsgeschehen breitflächig eindämmen. Umgekehrt verzeichnet aktuell Mecklenburg-Vorpommern, das bislang kaum Fälle hatte, einen leichten Anstieg. Dieser müsste jedoch gute ein bis zwei Monate anhalten, damit das Bundesland an den aktuell auch schon niedrigen, aber noch immer fünfmal höheren Bundesschnitt bei den Neuinfektionen herankommt.

Gerade in den schwächer betroffenen Flächenländern ist das Infektionsgeschehen weiterhin vor allem durch lokale Ausbrüche geprägt. So kommt es immer wieder in einzelnen Einrichtungen, z.B. in Pflegeheimen oder Krankenhäusern, oder auch in einzelnen Regionen zu einem deutlich vom Durchschnitt abweichenden Infektionsgeschehen. Exemplarisch wird hier die teils sehr unterschiedliche Entwicklung in den verschiedenen Kreisen des Dreiländerecks NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz dargestellt. Solche Unterschiede sind allerdings keine Seltenheit, sondern Kennzeichen des aktuell niedrigeren Infektionsgeschehens.

Während beim anfänglich erheblichen Seuchenausbruch solche lokalen Ereignisse in der Masse der Fälle untergegangen sind, machen diese inzwischen einen größeren Anteil des Infektionsgeschehens aus. Damit bleibt das Bild über das tatsächliche Infektionsgeschehen bundesweit diffus, auch wenn das Licht am Ende des Tunnels allmählich erkennbar wird. Was im einen Landkreis gilt, kann im Nachbarlandkreis schon wieder ganz anders aussehen. Weiterhin muss daher ein adäquates regionales Monitoring aufgebaut werden mit regelmäßigen Stichproben und einem Frühwarnsystem für den Fall, dass sich irgendwo Hotspots des Infektionsgeschehens entwickeln. Weitere Lockerungen unter Auflagen sind daher vertretbar, sollten allerdings besonders jene Bereiche umfassen, aus denen nur ein geringes zusätzliches Risiko resultiert, z.B. Lockerungen für Kleingruppen und Familien. All das, was viele Menschen anzieht, also Theater, Profifußball, Außer-Haus-Gastronomie, sollte hingegen erst nach einer sorgfältigen Überprüfung der Auswirkungen der jetzigen Öffnungen im Einzelhandel und bei Schulen in Betracht gezogen werden.


Text als PDF: Corona-Epidemie in Deutschland: Aktuelle Lage (6.5.) in Zahlen und Grafiken


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Coronavirus: Abschätzung der Testquote mittels Modellierung der tatsächlichen Infektionskurve https://www.mister-ede.de/natur/coronavirus-infektionskurve/9052 https://www.mister-ede.de/natur/coronavirus-infektionskurve/9052#comments Wed, 06 May 2020 13:12:00 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9052 Weiterlesen ]]> Der nachfolgende Beitrag erläutert einen Ansatz zur Abschätzung der Testquote. Diese sagt aus, wie hoch der Anteil der Corona-Infizierten ist, die positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet werden. Während allerdings die Zahl der täglichen positiven Befunde bekannt ist – sie wird vom Robert-Koch-Institut (RKI) regelmäßig veröffentlicht – liegt der Nenner, die Gesamtzahl der Infizierten, im Dunkeln. Um diese Dunkelziffer abzuschätzen, wird nachfolgend eine Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektion aus den Daten des Robert-Koch-Instituts heraus mit Stand 6.5.2020 modelliert.

Dem Modellierungsansatz liegt dabei die Annahme zugrunde, dass im Verlauf der Epidemie bei einem konstanten Anteil der Infizierten eine Erkrankung diagnostiziert wird. Eine solche konstante Diagnoserate dürfte jedoch nicht der Realität entsprechen, weil sich zum einen das Verhalten der Menschen im Verlauf der Epidemie vermutlich geändert hat, der Arzt wird also häufiger oder vielleicht umgekehrt auch seltener aufgesucht, und zum anderen weil inzwischen durch angeordnete Reihenuntersuchungen zusätzliche Erkrankte gefunden werden, die wegen schwacher Symptome von sich aus nie zu einem Arzt gegangen wären. Dies wird hier aber vernachlässigt.

Zur Abschätzung der Testquote werden pro Tag zwei RKI-Daten verwendet, zum einen die Infektionsmeldungen nach Meldedatum und zum anderen die Erkrankungsmeldungen nach Erkrankungsdatum. Das Meldedatum spiegelt dabei das Datum wieder, an dem ein meldepflichtiger Verdachtsfall vorliegt, bei dem später eine Coronavirus-Infektion bestätigt wurde. Das Erkrankungsdatum spiegelt hingegen jenen Zeitpunkt wieder, an dem aufgrund von Symptomen eine Erkrankung an COVID-19 festgestellt werden konnte. Somit liegen beispielsweise für den 9. April die Zahl der an diesem Tag neuen und später positiv auf das SARS-CoV-2 getesteten Verdachtsfälle vor (4.923) sowie die Zahl derjenigen, die an diesem Tag erste Symptome einer COVID-19-Erkrankung verspürt haben (1.683).

Modellierung der Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen:

Um die Daten des RKI für die Abschätzung der Testquote von Tages- und Wochenendeffekten zu bereinigen, wird jeweils der 7-Tages-Schnitt der Infektionsmeldungen (grüne Kurve) und der 7-Tages-Schnitt der Erkrankungsmeldungen (gelbe Kurve) verwendet. Weil es bei den jüngeren Daten noch eine gewisse Unsicherheit gibt, die auf verzögerter Übermittlung bzw. erst später festgestellten Erkrankungen beruhen, werden die Meldedaten hier nur bis zum 1.5.2020 und die diagnostizierten Erkrankungen nur bis zum 16.4.2020 ausgewiesen. Unter den zuvor getroffenen Annahmen kann dann zunächst eine Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen modelliert werden, indem die Parameter Inkubationszeit und Anteil der Erkrankungen unterschiedlich gesetzt werden.

Bei einer Diagnoserate von 5% und einer Inkubationszeit von 4 Tagen ist die modellierte Kurve der tatsächlichen Neuinfektion 20-mal höher und verläuft 4 Tage vor der Kurve der Erkrankungsmeldungen. Bei einer Diagnoserate von 20% und 6-tägiger Inkubationszeit ist die Kurve der tatsächlichen Neuinfektion hingegen nur 5-mal höher und verläuft dafür 6 Tage früher.

Deutlich wird, dass die Inkubationszeit keine sonderliche Rolle für die Abschätzung der tatsächlichen Neuinfektionen spielt, sehr wohl jedoch die Frage, wie viele der SARS-CoV-2-Infizierten eine positive COVID-19-Diagnose gestellt bekommen. Es wäre daher sinnvoll, durch eine repräsentative Studie einen näherungsweisen Wert für die aktuelle Diagnoserate in Deutschland insgesamt und den verschiedenen Regionen zu ermitteln. Denn der Vorteil einer Modellierung der tatsächlichen Infektionen anhand der Erkrankungsfälle besteht darin, dass diese zu Beginn einer Epidemie eher korrekt erfasst werden als die Gruppe der symptomlosen Infizierten. Außerdem ist die Zahl der Erkrankungsfälle nicht so stark von der Anzahl der Tests pro Einwohner in einem bestimmten Zeitraum oder einer bestimmten Region abhängig, wie das bei den Infektionsmeldungen der Fall ist.

Abschätzung der Testquote:

Vergleicht man die modellierte Kurve der tatsächlichen Neuinfektionen mit der Entwicklung der bestätigten Corona-Meldungen, kann in etwa abgeschätzt werden, wie viele der Corona-Infizierten über die durchgeführten Corona-Tests gefunden werden. Am Anfang der Epidemie waren das verständlicherweise nur wenige bis sich ab Ende März, Anfang April die beiden Kurven annähern. Um besser abzuschätzen, ob die Testquote zu diesem Zeitpunkt nur 15% – 20% oder doch schon deutlich mehr betragen hat, bräuchte es allerdings einen engeren Korridor für die Diagnoserate als die sehr groben 5% bis 20%. Schlussfolgern kann man aber schon aus dieser Modellierung, dass wir in Deutschland zumindest nicht mehr gänzlich im Dunkeln stochern.

Abschätzung der Testquote auf Basis prognostizierter Erkrankungsmeldungen:

Mit einer in Studien ermittelten Diagnoserate lässt sich die Genauigkeit der Kurve erhöhen. Die Aktualität lässt sich hingegen nur mit Hilfe von Prognosen verbessern. Das RKI verwendet hierzu ein eigenes Nowcast-Modell, um die aktuelle Zahl der Erkrankungsmeldungen zu prognostizieren. Diese Zahlen könnten als Basis für eine Modellierung verwendet werden. Für die nachfolgende Modellierung wird allerdings auf einen eigenen Prognose-Ansatz zurückgegriffen, um getroffene Annahmen und Schätzfehler (z.B. bei zusätzlichen Feiertagen) besser überblicken zu können. Während die gelbe Kurve die aktuellen Rohdaten des RKI zur Zahl der Erkrankungen im 7-Tages-Schnitt darstellt, ist die rote Kurve die rudimentär prognostizierte Gesamtzahl der Personen, deren Erkrankungsbeginn für diesen Tag irgendwann diagnostiziert worden sein wird.

Für die anschließende Modellierung der Gesamtzahl der Infizierten werden eine Diagnoserate von 12,5% und eine mittlere Inkubationszeit von 4 Tagen angenommen. Die blaue Kurve der tatsächlichen Infizierten verläuft damit 4 Tage früher und 8-mal höher als die rote Kurve der prognostizierten Erkrankungsmeldungen. Die auf Basis dieser Annahmen und Prognosen modellierte Kurve der täglichen Neuinfektionen würde dann wie folgt aussehen:

Die jeweilige Testquote zu einem bestimmten Zeitpunkt errechnet sich dann als Bruch aus den täglichen Infektionsmeldungen des RKI durch die modellierte Gesamtzahl der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen:

Während der Kurvenverlauf bis Mitte April einigermaßen der Realität entsprechen dürfte – danach nehmen die Unsicherheiten durch die Prognose der Erkrankungszahlen erheblich zu – ist die tatsächliche Höhe der Testquote ungewiss. So führen schon kleine Änderungen der angenommen Diagnoserate zu erheblich höheren oder niedrigeren Testquoten. Mit geeigneten Annahmen dürfte dies allerdings ein durchaus probater Ansatz sein, um einen Überblick zu erhalten, wie gut es gelingt, neue Infektionsfälle aufzuspüren.


Text als PDF: Coronavirus: Abschätzung der Testquote mittels Modellierung der tatsächlichen Infektionskurve


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Beide Ansätze sind von ihrer Intention absolut nachvollziehbar. Natürlich ist es zielführend, zunächst das Infektionsgeschehen möglichst klein zu bekommen. Allerdings ist es eben genauso wichtig, einen Kreislaufkollaps für Gesellschaft und Volkswirtschaft zu verhindern. Der Vorteil der gemächlicheren ersten Strategie ist deshalb, dass Deutschland bei einem R um die 1 ohne unnötig große wirtschaftliche und gesundheitliche Schäden bis in den Juni kommt. Im Sommer kann dann unterstützt von höheren Temperaturen mit den bis dorthin vorhandenen Schnell- und Reihentest, den aufgebauten Kapazitäten in den Gesundheitsbehörden oder auch einer neuentwickelten Corona-App das Infektionsgeschehen effektiv und effizient reduziert werden.
Der große Vorteil der aggressiveren zweiten Strategie wäre hingegen – so deren Befürworter – dass es durch ein sofortiges Senken der Reproduktionszahl schon bis zum Juni im Prinzip gar keine Infizierten mehr gibt. Und die wenigen Fälle, die dann noch auftreten oder die vom Ausland neu eingetragen werden, könnten dann wie bei der ersten Strategie durch breitflächige Tests, eine App und die Nachverfolgung von Infizierten durch Gesundheitsämter eingedämmt werden.

Unterstellt man zunächst, dass es möglich sei, die Reproduktionszahl signifikant zu senken, könnte die Dauer der Einschränkungen durch dieses schnellere Vorgehen deutlich verkürzt werden. Entsprechend viele Befürworter hat diese Strategie in der Wissenschaft (z.B. Helmholtz-Zentrum)[1], bei Journalisten (z.B. Mai Thi Nguyen-Kim)[2], in der Politik (z.B. Marina Weisband)[3] und in den sozialen Medien unter Hashtags wie #TurnTheTide, #StopTheVirus oder #BendTheCurve. In Modellrechnung wird dazu dargestellt, dass wir bei einer niedrigen Reproduktionszahl in wenigen Wochen die Chance hätten, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland weitestgehend hinter uns zu lassen. Und das ist natürlich eine verlockende Vorstellung, zumal bei der abwartenden Belagerungs-Strategie klar ist, dass wir bis weit in den Sommer mit einer Vielzahl von Verboten und Beschränkungen leben müssten. Doch es ist Vorsicht geboten, denn das einzige, worauf sich diese Angriffs-Strategie stützt, ist die Annahme, dass sich die Reproduktionszahl tatsächlich über ein paar Wochen auf ein sehr niedriges Niveau drücken lässt. Nur dann wäre es möglich, die Fallzahlen in wenigen Wochen erheblich abzusenken. Schon ein R von 0,75 führt bei einer Reproduktionsdauer von 5 Tagen dazu, dass sich die Zahl der Neuinfektionen erst nach 2,5 Monaten auf 2% des heutigen Stands verringert, also auf täglich grob 40 entdeckte Fälle in Deutschland. Und bei R = 0,85 ist dies sogar erst nach 4 Monaten der Fall. Der Zeitvorteil, den ein solches Vorgehen verspricht, würde bei einer höheren Reproduktionszahl also schnell verloren gehen, während die zusätzlichen Einschränkungen für Menschen und Unternehmen dennoch bestehen würden.

Für eine solche Angriffs-Strategie ist daher ein R von 0,5 oder niedriger über einen Zeitraum von 4 Wochen nötig, um auf rund 2% der aktuellen täglichen Fallzahlen zu kommen. Leider findet sich bei den Befürwortern dieses Ansatzes aber an keiner Stelle ein Hinweis, ob es in der jetzigen Situation in Deutschland überhaupt noch möglich ist, über einen solchen Zeitraum eine so niedrige Reproduktionsrate zu erreichen, und wenn ja, mit welchen Maßnahmen das gelingen soll. Wenn dafür beispielsweise Krankenhäuser und Arztpraxen geschlossen werden müssten, weil es dort trotz aller Sicherheitsvorkehrungen vermehrt zu Infektionen kommt, dann ist es vielleicht theoretisch möglich, auf ein R von 0,5 zu kommen, aber faktisch eben nicht, weil man das Gesundheitswesen schlicht nicht für vier Wochen stilllegen kann. Und das gilt genauso für die Versorgungsinfrastruktur, also die Lebensmittelgeschäfte wie auch Kraftwerke, Kläranlagen oder die Müllabfuhr. Das gilt für Polizei und Feuerwehr, für Gefängnisse und Pflegeeinrichtungen. Und das gilt für die Land- und Viehwirtschaft, die auch nicht eben mal 4 Wochen pausieren kann. Es gibt daher ganz viele Bereiche, bei denen eine weitere Senkung der Reproduktionszahl durch mehr Verbote und Schließungen ausgeschlossen ist. Hinzukommen auch noch einige weitere Gründe, die zumindest zweifeln lassen, dass beim jetzigen Infektionsgeschehen eine Reproduktionszahl von 0,5 über einen Zeitraum von vier Wochen schaffbar ist. Vielleicht wäre das Anfang März noch gegangen und irgendwann wird es auch sicher wieder gehen, beispielsweise wenn die richtigen Werkzeuge vorhanden sind oder ein Impfstoff zur Verfügung steht. Das ist aber in den nächsten vier Wochen nicht der Fall.

Wieso sich die Reproduktionszahl nicht beliebig weit senken lässt (www.mister-ede.de – 29.04.2020)

Warum eine hohe Testquote für Containment genauso wichtig ist wie eine niedrige Reproduktionszahl (www.mister-ede.de – 27.04.2020)

Insofern müssten die Befürworter der Angriffs-Strategie jetzt erst einmal plausibel darlegen, wie aktuell ein R von 0,5 erreicht werden soll. Erst wenn da etwas Konkretes vorliegt, kann bewertet werden, ob das für eine Dauer von 4 Wochen ein gangbarer Weg ist oder ob dann an anderer Stelle unverantwortlich hohe Schäden auftreten. Aber jetzt einfach nur auf Verdacht planlos loszurennen und zu versuchen, auf eine niedrige Reproduktionszahl zu kommen, erscheint nicht ratsam.
Zielführend ist in der jetzigen Situation daher zunächst, das Coronavirus so zu belagern, dass eine Vermehrung verhindert wird und im Idealfall die Zahl der Infizierten allmählich etwas abnimmt. Sobald es dann ein schlüssiges Konzept gibt, kann jederzeit aus dieser Belagerung heraus in den Angriff übergegangen werden. Es ist eine seit Jahrtausenden im Militär, im Wirtschafts- und Berufsleben wie auch privat erfolgreich praktizierte Taktik, auf eine günstige Gelegenheit, den richtigen Moment zu warten. Und der wird aus meiner Sicht erst dann kommen, wenn wir geeignete Werkzeuge (Tests, App, vorbereitete Gesundheitsbehörden) und Methoden (Teststrategien, Regionalisierungskonzept) haben, um das Coronavirus effektiv und effizient einzudämmen. Ich lasse mich allerdings auch sehr gerne von einem Konzept überzeugen, das schlüssig aufzeigt, wie man schon jetzt ohne all diese Instrumente ein Ende des Infektionsgeschehens herbeiführen kann. Es wäre daher an der Zeit, dass die Befürworter der Angriffs-Strategie konkrete Maßnahmen aufzeigen, wie ein R = 0,5 über 4 Wochen erreicht werden kann.


Text als PDF: Die richtige Strategie im Kampf gegen das Coronavirus: Belagerung oder Angriff?


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[1] Paper des Helmholtz-Zentrums aus dem April 2020: Link zum Paper auf www.helmholtz.de

[2] Ausgabe von maiLab vom 1.4.2020: Link zum Video auf YouTube

[3] YouTube-Video von Marina Weisband vom 24.4.2020: Link zum Video auf YouTube

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https://www.mister-ede.de/politik/corona-belagerung-oder-angriff/9033/feed 0
Wieso sich die Reproduktionszahl nicht beliebig weit senken lässt https://www.mister-ede.de/politik/die-reproduktionszahl-senken/9029 https://www.mister-ede.de/politik/die-reproduktionszahl-senken/9029#comments Wed, 29 Apr 2020 14:25:32 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9029 Weiterlesen ]]> Die Corona-Pandemie hat Deutschland voll im Griff und da ist es natürlich verständlich, dass die allermeisten Menschen auf ein möglichst schnelles Ende dieser Ausnahmesituation hoffen. Und nicht weniger als das verspricht ein Szenario, welches vor Kurzem von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums präsentiert wurde. Ihr Plan ist, die Reproduktionszahl für einige Wochen auf 0,5 oder niedriger zu senken, sodass nur noch wenige Fälle am Tag auftreten, welche dann durch die Gesundheitsbehörden nachverfolgt werden können. Ausgespart wurde bei der Darstellung dieses Szenarios allerdings die Frage, ob es überhaupt möglich ist, die Reproduktionszahl in einem so weit fortgeschrittenen Stadium der Ausbreitung auf einen so niedrigen Wert zu drücken und wenn ja, mit welchen Maßnahmen und unter welchen Bedingungen das gelingen kann.

Beispiele Taiwan und Südkorea

Häufig werden die beiden Vorzeigeländer Taiwan und Südkorea als Beispiele dafür angeführt, dass die Reproduktionszahl auf ein Niveau von 0,5 oder niedriger gedrückt und die Epidemie auf diese Weise unter Kontrolle gebracht werden kann. Und tatsächlich gibt es keinen ernsthaften Zweifel daran, dass diesen beiden Ländern das bislang gelungen ist. Sehr wohl kann man allerdings anzweifeln, dass die Situationen dort und in Deutschland wirklich miteinander vergleichbar sind.
Taiwan ist eine Insel, also ohne Massen an Grenzpendlern und mit Einreisemöglichkeiten nur an wenigen See- und Flughäfen. Und Südkorea ist zwar nur eine Halbinsel, allerdings hält sich der Grenzverkehr mit Nordkorea bekanntermaßen ebenfalls in überschaubarem Rahmen und ansonsten gilt für Südkorea dasselbe wie für Taiwan. Es gibt damit schon ganz unterschiedliche geografische Voraussetzungen wie in Deutschland. Noch wichtiger ist jedoch, dass beide Länder umgehend mit Gegenmaßnahmen begonnen haben, also noch zu einem Zeitpunkt, als es keine große Dunkelziffer in den Ländern gab. Wer neu einreiste, musste automatisch in Quarantäne. Und die wenigen Infektionsketten, die es schon bis ins Land geschafft hatten, konnten mit einigem Aufwand unterbrochen werden.
Hinzukommt aber noch ein dritter Punkt, nämlich dass die Fallzahlen insgesamt noch niedrig genug waren, um effektiv im Einzelfall vorzugehen. So konnte bei neuentdeckten Infizierten jeweils das komplette Umfeld, also die bisherigen Kontaktpersonen und womöglich auch deren Kontaktpersonen, die Arbeitskollegen oder die Leute im Supermarkt getestet oder vorsorglich in Quarantäne genommen werden. Das sind dann schnell 50, 100 oder 200 Leute bei einem einzigen entdeckten Infizierten. Jetzt kann sich jeder ausrechnen, was das für Deutschland bedeuten würde. Wenn aktuell 10.000 Infizierte pro Woche entdeckt werden, müssten gleich ein paar Hundertausend wenn nicht gar ein paar Millionen Menschen aufgespürt, isoliert und getestet werden – aktuell völlig illusorisch.

Die Dunkelziffer

Während es also in Taiwan und Südkorea gelungen zu sein scheint, das Infektionsgeschehen im eigenen Land klein zu halten und damit ein Anwachsen der Dunkelziffer zu verhindern, gibt es in Deutschland inzwischen zahlreiche unbekannte Infizierte. Damit ist aber nicht mehr nur eine kleine Gruppe von Einreisenden aus dem Ausland potentiell infiziert, sondern jeder Einwohner könnte ein Virusträger und Virusverbreiter sein. Und wie hoch diese Dunkelziffer in Deutschland ist, weiß aktuell niemand. Klar ist jedoch, dass man ganz anders suchen müsste, um diese Infektionsquellen zu finden. Wie das mit den jetzigen Kapazitäten und Methoden gehen soll, ist mir allerdings schleierhaft. Zurzeit können wir ja in vielen Fällen nur feststellen, dass es in einer Stadt, einem Pflegeheim oder einer Schule vermehrt Infizierte gibt, aber nicht wirklich erklären, wo diese Fälle jeweils herkommen. Solange das aber nicht klar ist, können wir das Infektionsgeschehen nicht reduzieren, sondern immer nur hinterherlaufen und die Verwüstungen des Coronavirus aufräumen.
Und was für das Infektionsgeschehen im Inland gilt, gilt genauso für Eintragungen aus dem Ausland. Auch hier wäre es notwendig, das Infektionsgeschehen so umfassend unterbrechen zu können, dass sich die Zahl der Infektionsquellen durch solche Eintragungen, z.B. durch LKW-Fahrer oder Berufspendler, nicht weiter erhöht.

Corona-App und Massentests

Immer wieder wird in der Diskussion über die Absenkung der Reproduktionszahl darauf hingewiesen, dass durch eine entsprechende Corona-App das Tracking (Verfolgen) von Infizierten und das anschließende Tracing (Aufspüren, Nachverfolgen) von Kontaktpersonen ermöglicht würden. Das ist allerdings nur insoweit richtig, als man zunächst natürlich erst einmal einen Infizierten finden muss, bevor man anhand der Trackingdaten eine Nachverfolgung starten kann. Und die Preisfrage bleibt: Wie will man ohne massenhaft Tests einen Infizierten finden, der selbst nicht mal den leisesten Verdacht hat, dass er infiziert sein könnte?
Was es neben einer App bräuchte, die von weiten Teilen der Bevölkerung auch wirklich genutzt werden müsste, wären daher ausreichend Tests, um überhaupt erst einmal Ansatzpunkte für das Tracking und das Tracing zu finden. Da es aktuell aber weder das eine noch das andere gibt, habe ich auch aus diesem Grund ernsthafte Zweifel, dass im Moment ein R von 0,5 erreichbar ist.

Inselgeschehen

Ein Fünf-Personen-Haushalt, in dem am Anfang des Monats ein aktiver Virusverbreiter lebt, kann am Ende des Monats noch immer einen aktiven Virusverbreiter unter sich haben, selbst wenn es in dieser Zeit keinerlei Kontakte nach außen gab. Man kann sich damit leicht ausrechnen, wie lange das Coronavirus in einzelnen Einrichtungen, wie in Senioren-, Pflege- oder Kinderheimen, in Bundeswehrkasernen oder Gefängnissen oder auch in Obdachlosenunterkünften zirkulieren kann, bis das Infektionsgeschehen zum erliegen kommt. Außerdem ist gerade in solchen Bereichen bei vielen Kontakten das Abstandhalten unmöglich, insbesondere natürlich bei der Pflege.
Das heißt, in solchen Einrichtungen kann es über mehrere Wochen oder gar Monate ein deutlich erhöhtes Infektionsgeschehen geben. Allerdings reicht ja schon ein R = 1 in mehreren dieser Einrichtungen aus, um selbst bei einem niedrigen Infektionsgeschehen im Rest des Landes die Reproduktionszahl insgesamt oben zu halten. Und Pflegeheime oder Ähnliches sind ja nicht gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten. Das Pflegepersonal oder die Schließer gehen nach der Arbeit weiterhin ganz normal nach Hause zu ihren Familien und die Obdachlosen verbringen üblicherweise ihren Tag irgendwo auf der Straße. Auch aufgrund solcher Sondersituationen ist es aus meiner Sicht aber fraglich, ob mit den jetzigen Werkzeugen und Methoden ein R von 0,5 erreichbar ist.

Fazit

Offenkundig ist es möglich, die Reproduktionszahl unter 1 zu drücken und damit eine großflächige Ausbreitung des Virus zu verhindern. Das konnte man in Deutschland und in vielen anderen Ländern sehen. Daraus folgt aber eben nicht, dass sich die Reproduktionszahl beliebig weit senken lässt. Und wie weit man sie senken kann, hängt von vielen Faktoren ab, wie der absoluten Zahl der täglichen Neuinfizierten, der Dunkelziffer, der Art und Intensität des grenzüberschreitenden Verkehrs oder den vorhanden Instrumenten und Methoden zur Eindämmung des Coronavirus. Eine Reproduktionszahl von 0,8 erscheint für Deutschland eine realistische Größe unter den bisherigen Shutdown-Bedingungen. Und mit noch strikteren Maßnahmen lässt sich vielleicht auch noch ein etwas niedrigerer Wert erreichen. Aber irgendwo ist dann halt einfach eine Grenze, unter die man aus einer gegebenen Situation heraus nicht drunter kommt. In Deutschland muss es daher zunächst darum gehen, die Gegebenheiten so zu verändern – insbesondere im Hinblick auf die Testmöglichkeiten und die Nachverfolgung – dass ein effektives Vorgehen gegen das Coronavirus möglich wird.


Text als PDF: Wieso sich die Reproduktionszahl nicht beliebig weit senken lässt


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Warum eine hohe Testquote für Containment genauso wichtig ist wie eine niedrige Reproduktionszahl https://www.mister-ede.de/politik/testquote-reproduktionszahl/9015 https://www.mister-ede.de/politik/testquote-reproduktionszahl/9015#comments Mon, 27 Apr 2020 11:24:57 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9015 Weiterlesen ]]> Die Reproduktionszahl R gibt an, wie viele Personen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Liegt R unter eins (R < 1), so gehen die Neuinfektionen mit der Zeit zurück. Daher wird diese Zahl aktuell sehr genau beobachtet und ihre Entwicklung bestimmt das Handeln der Politik. Das Problem an der Reproduktionszahl ist jedoch, dass zu ihrer Ermittlung nur diejenigen Infektionen herangezogen werden können, die bekannt sind. Aktuell sind das im Schnitt rund 2.500 Fälle am Tag. Darunter sind Personen, die selbst den Arzt aufgesucht haben, aber auch Befunde aus Reihenuntersuchungen oder präventiven Tests, z.B. beim medizinischen Personal. In all diesen Fällen können dann natürlich Maßnahmen eingeleitet werden, die das Infektionsgeschehen minimieren, z.B. das Aufspüren von Kontaktpersonen, die Anordnung einer Quarantäne oder Reihentestungen in der jeweiligen Umgebung des Infizierten, z.B. am Arbeitsplatz. Rund um die bekannten Infizierten sinkt dadurch die Reproduktionszahl erheblich. Wie sich allerdings das Infektionsgeschehen außerhalb dieses Hellfeldes entwickelt, kann man hieraus nicht ablesen. Vermutlich dürfte gerade im Dunkelbereich, also bei jenen Infizierten, die ohne Symptome bleiben und die auch nicht zufällig gefunden werden, die Ansteckungsrate deutlich höher sein. Das liegt zum einen daran, dass diese Personen keinerlei Verdacht auf ihre Infektion schöpfen, und zum anderen daran, dass insbesondere jüngere Menschen, die viele Kontakte haben, im Berufsleben stehen, studieren, Sport machen, diejenigen sind, die öfters ohne Symptome bleiben, vor allem natürlich Kinder. Und gerade wenn jüngere Menschen dann viele Kontakte mit Personen aus derselben Altersgruppe haben, z.B. zu Schulfreunden, Studien- oder Arbeitskollegen, kann die Reproduktionszahl in diesem Dunkelfeld, sozusagen Rdunkel, schnell und unbemerkt auf ein Vielfaches dessen steigen, was wir bei den bekannten Infektionsketten bzw. bei Rhell oder Rsichtbar beobachten. Im schlimmsten Fall, wenn die Gruppe im Hellfeld sehr groß ist, z.B. weil anfangs gezielt Urlaubsrückkehrer in Quarantäne geschickt wurden, kann es durch diese tatsächlich vorhandene Verzerrung der Reproduktionstätigkeit noch über Wochen eine spürbare Abnahme der Neuinfektionen geben, während sich unbemerkt im Hintergrund eine zweite Infektionswelle aufbaut. Möglicherweise sehen wir einen solchen Effekt momentan in Singapur. Für Deutschland ist das allerdings bisher eher unwahrscheinlich, weil ähnlich wie in der Schweiz reagiert wurde und dort bei einer guten Datenlage bislang keine zweite Infektionswelle erkennbar ist. Vermutlich haben die flächendeckenden Maßnahmen, wie Schul- und Geschäftsschließungen, auch die Kontakte der unbekannten Infizierten soweit eingeschränkt, dass Rdunkel ebenfalls nicht wesentlich über 1 oder vielleicht sogar unter 1 lag. Das wird sich in Deutschland aufgrund der zahlreichen zum Teil sehr weitgehenden Lockerungen so aber sicher nicht fortsetzen.

Kommt es dann allerdings dazu, dass Rdunkel ein gutes Stück über 1 liegt, verliert die Reproduktionszahl an Aussagekraft. Natürlich gilt weiterhin, wenn R insgesamt über 1 steigt, steht Deutschland wieder dort, wo es vor einem Monat schon einmal war, nämlich bei zunehmenden Infektionszahlen. Das möchte zwar niemand, aber bei den Bildern von Schlangen vor Baumärkten, Gedränge in Shoppingcentern und vollen Innenstädten ist das leider kein unwahrscheinliches Szenario.
Aber auch dann, wenn die Reproduktionszahl zunächst noch unter 1 bleibt, verliert die Betrachtung von R an Bedeutung für das Containment, weil der Rückgang der Infektionen im Hellfeld zunehmend durch Infektionseinträge aus dem Dunkelfeld ausgeglichen wird. Gelingt es nicht, die Zahl der unbekannten Infizierten zu verringern, wird die Reproduktionszahl damit automatisch immer wieder Richtung 1 steigen. Mit dem nachfolgendem Beispiel-Szenario wird dieser Effekt dargestellt:

Zu Beginn der Betrachtung gibt es 100 Infizierte im Hellfeld mit einem Rhell von 0,7 und daneben eine Dunkelziffer von 20 Infizierten mit einem Rdunkel von 1,5. In jeder Reproduktionsphase gelangt ein Drittel der Infizierten aus dem Dunkelfeld ins Helle. Somit bleibt die Dunkelziffer konstant bei 20 Infizierten (20 * 1,5 * 2/3) und in jeder Reproduktionsphase findet eine Eintragung von 10 Infizierten (20 * 1,5 * 1/3) aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld statt. Im Hellbereich haben wir dann nach der ersten Reproduktionsphase 70 Fälle (0,7 * 100), die sich aus dem Hellfeld selbst ergeben, plus 10 weitere Infektionen, die aus dem Dunkelfeld hinzukommen, also insgesamt 80 Fälle. Wir messen ein Rsichtbar = 0,8. In der nächsten Phase sind es im Hellfeld dann 56 plus wieder 10 Fälle aus dem Dunkelfeld, insgesamt also 66 Infizierte bzw. ein Rsichtbar = 66/80 = 0,82. Noch eine Phase später haben wir 56,2 Fälle bzw. Rsichtbar = 0,85. Das Ganze geht nun immer so weiter bis sich Rsichtbar an 1 annähert und die Zahl der täglich Neuinfizierten im Hellfeld an 33 Fälle, die sich jede Reproduktionsphase auf 23 reduzieren und durch 10 neue Eintragungen aus dem Dunkelfeld ergänzt werden.

Alleine die Tatsache, dass die Reproduktionszahl insgesamt wie auch Rsichtbar die ganze Zeit unter der magischen 1 lag, anfangs sogar recht deutlich, trägt damit noch lange nicht zu einer Situation bei, die zu einer Beendigung der Epidemie führt. Unerheblich ist dabei auch, ob Rhell im Hellfeld bei 0,7 oder 0,5 liegt oder sogar auf 0,2 gedrückt wird. Über kurz oder lang wird sich Rsichtbar wie auch die Reproduktionszahl insgesamt unweigerlich durch die Eintragungen aus dem Dunkelfeld wieder auf 1 heben und die tägliche Fallzahl wird sich auf die Eintragungen aus dem Dunkelfeld geteilt durch (1 – Rhell) einpendeln, also auf 33 Fälle bei Rhell = 0,7 bzw. 12,5 Fälle bei Rhell = 0,2.

Zur Beantwortung der Frage, ob eine Epidemie eingedämmt werden kann, reicht deshalb die Betrachtung des Hellfeldes und der Reproduktionszahl bzw. Rsichtbar nicht aus. Klar, wenn die Epidemie schon bei den bekannten Fällen außer Kontrolle ist, braucht man sich um die Dunkelziffer keine Sorgen mehr machen. Allerdings ist umgekehrt eben noch lange nicht alles gut, nur weil die sichtbare Reproduktionszahl unter 1 liegt.
Daher braucht es für jedes Containment neben der Reproduktionszahl eine weitere Kennzahl, die eine Aussage zur Entwicklung des Dunkelfeldes zulässt. Eine Möglichkeit hierfür ist die Bestimmung des Anteils der Corona-Infizierten, die positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wurden. Eine solche Testquote kann entweder durch repräsentative Studien ermittelt oder durch Modellrechnungen abgeschätzt werden.
Im dargestellten Beispiel-Szenario liegt die Testquote Anfangs recht hoch bei 100/120 (83%), während sie sich im Verlauf auf 33/53 also etwa 62,5% einpendelt. Die reine Prozentzahl selbst hat aber nur wenig Aussagekraft, solange die Größe des Reservoirs an Infizierten im Dunkelfeld und Rdunkel unbekannt sind. Dafür kann allerdings aus der Entwicklung der Testquote abgelesen werden, ob es „nur“ gelingt, die Fallzahlen zu senken, oder ob darüber hinaus auch immer weiter in das Duneklfeld vorgedrungen und damit ein Ende der Epidemie ermöglicht wird. Sinkt die Testquote, obwohl genügend Tests verfügbar sind und sich das Testschema nicht verändert hat, dann ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass sich das Infektionsgeschehen auch mit einem aktuell beobachtbaren R von 0,9 nicht auf null senken lässt, sondern sich wegen konstanter Einträge aus dem Dunkelfeld auf irgendeinem Niveau einpendelt, wie bei dem obigen Beispiel-Szenario. Oberflächlich betrachtet ist man zwar lange auf einem guten Weg in Richtung Containment. Man testet viel und findet auch viel und neben Rhell liegt sowohl die sichtbare Reproduktionszahl gut unter 1 wie auch die tatsächliche Reproduktionszahl. Aber allmählich drückt sich die Reproduktionszahl dann doch wieder gegen 1. Und auch wenn man in diesem Fall herginge und mit einem gewissen Aufwand Rhell nochmals auf 0,2 drückt, bekommt man zwar die Neuinfektionen auf 12,5 am Tag gesenkt, aber eben nicht das Problem beseitigt. Denn anstatt tiefer in das Dunkelfeld vorzudringen und das Reservoir der unbekannten Infizierten zu verkleinern, wird auf diese Weise einfach nur die Testquote gesenkt.

Für ein erfolgreiches Containment ist daher neben einer Reproduktionszahl kleiner 1 auch eine konstant hohe oder steigende Testquote unerlässlich – oder eben eine andere Maßzahl, mit der ein Rückgang der Dunkelziffer überwacht werden kann. Denn, solange es keine Herdenimmunität und keinen Impfstoff gibt, müssen auch die letzten aktiven Infizierten im Dunkelfeld gefunden worden sein oder zumindest gefunden werden können, um die Epidemie auf Dauer einzudämmen. Das heißt, es darf durchaus noch unbekannte Infizierte geben, aber es muss klar sein, dass neu auftretende Ausbrüche, egal ob durch eine Infektion aus dem Dunkelfeld oder durch eine Eintragung aus dem Ausland, immer wieder so schnell und umfassend unter Kontrolle gebracht werden können, dass sich daraus nicht wieder eine exponentielle Vermehrung ergibt. Und das gelingt eben nur, wenn ein ausreichend großer Anteil der Infizierten durch Tests gefunden wird. Daneben hat die Testquote aber auch noch aus einem anderem Grund Charme: Während man die Reproduktionszahl nur mit hohem Aufwand und sehr indirekt beeinflussen kann, ist eine Erhöhung der Testquote über die schlichte Ausweitung von Testkapazitäten und die vermehrte Durchführung von Reihentests vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen. Solange also die Reproduktionszahl unter 1 liegt und damit eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert wird, ist die Erhöhung der Testquote ein relativ einfacher und milder Ansatz, um das Infektionsgeschehen nach und nach unter Kontrolle zu bringen.

Disclaimer: Dieser Beitrag stellt ein logisches Grundproblem dar und basiert nicht auf tieferen Kenntnissen der Epidemiologie.


Text als PDF: Warum eine hohe Testquote für Containment genauso wichtig ist wie eine niedrige Reproduktionszahl


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