mister-ede.de » Wirtschaftspolitik https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Kompromissvorschlag für verträgliche Strompreise in Deutschland https://www.mister-ede.de/politik/kompromiss-strompreise/9320 https://www.mister-ede.de/politik/kompromiss-strompreise/9320#comments Wed, 25 Oct 2023 00:51:55 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9320 Weiterlesen ]]> Die Diskussion zur Entlastung der Unternehmen und Endverbraucher von den hohen Strompreisen in Deutschland hat bislang zu keinem konsensfähigen Ergebnis geführt. Es ist jedoch offenkundig, dass der hohe Strompreis zahlreichen Unternehmen, von kleinen Betrieben bis zu großen Konzernen, genauso wie auch vielen Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen macht. Es muss also etwas geschehen, wenn die Wirtschaftskraft in Deutschland erhalten und ein Wohlstandsverlust für die Menschen im Land abgewendet werden soll. 

Klar ist aber auch, dass der von Wirtschaftsminister Robert Habeck bislang angedachte Industriestrompreis aufgrund seiner Funktionsweise – egal in welcher konkreten Ausgestaltung – übermäßig missbrauchsanfällig ist und zu erheblichen Fehlallokationen führen würde. Das ist bei Produktionssubventionen, also wenn der Staat aktiv Geld zur Produktion oder dem Wareneinkauf dazugibt, fast zwangsläufig der Fall. Bestes Beispiel sind hier die Maskendeals während Corona. Und durch die bereits existierende Strompreisbremse kann man leider mit ziemlicher Gewissheit sagen, dass Unternehmen eine solche Industriestromsubvention ebenfalls schamlos bis auf den letzten Cent ausschlachten würden. Hinzu kommt, dass Habeck mit dem Industriestrompreis nur ein paar wenige große Unternehmen entlasten würde, während sich die Situation für über 99 % der konkurrierenden Betriebe, die z.B. als kleine Bäckerei nicht in den Genuss des Industriestrompreises kommen, noch weiter verschärft. Und das Ganze bezahlen müssten am Ende die Verbraucher und Steuerzahler, beim Brötchenkauf, über den höheren eigenen Strompreis und natürlich über die ganzen Steuermilliarden, die dann als Strompreissubvention an Großkonzerne fließen.

Genauso klar ist aber, dass der Strompreis in Deutschland auf lange Zeit nicht mehr auf jenes Niveau zurückgehen wird, das mit billigem Gas aus Russland, abgeschriebenen Atomkraftwerken, und günstigen CO2-Zertifikaten für Kohlekraftwerke vor Kurzem noch erreicht wurde. Zwar mag sich das Preisniveau vielleicht wieder ändern, wenn die Energiewende irgendwann mal vollendet ist, also nicht nur immer mehr Windräder und Solarpanelen installiert wurden, sondern auch Netzinfrastruktur und Speicherkapazitäten in der Lage sind, diesen grünen Strom bedarfsgerecht an Unternehmen und Verbraucher abzugeben. Aber davon sind wir zurzeit noch Lichtjahre entfernt, sodass wir momentan zum einen bei viel Sonne oder viel Wind für erneuerbaren Strom zahlen, der nicht produziert bzw. eingespeist oder gespeichert werden kann, und zum anderen dafür bezahlen, dass für dunkle und windstille Tage weiterhin fossile Kraftwerke am Laufen bzw. in der Reserve gehalten werden. Diese Doppelstruktur ist natürlich von vorneherein schon extrem kostspielig und zu diesen sehr hohen Betriebskosten unseres Stromsystems kommt natürlich noch hinzu, dass der Netzausbau in den nächsten Jahren massiv vorangetrieben und somit ebenfalls finanziert werden muss.

Wenn aber auf der einen Seite klar ist, dass wir mehr finanzielle Ressourcen für die Energiewende und insbesondere einen zügigen Netzausbau brauchen, und auf der anderen Seite aber auch klar ist, dass Unternehmen und Privatkunden nicht von den hohen Strompreisen überfordert werden dürfen, wird man nicht umhinkommen, zusätzliches Steuergeld in das System zu bringen. „Ins System bringen“ bedeutet allerdings etwas ganz anderes, als Habecks Industriestrompreis, der lediglich ein Scheck für ausgewählte Großkonzerne ist. Kein einziger Cent der von Robert Habeck angedachten 30 Mrd. (wenn das überhaupt reicht) würde in das Stromsystem gehen. Das muss sich jeder bewusstmachen! Das Geld würde einfach auf die Konten einiger weniger Unternehmen fließen. Es würde sich damit nichts an den strukturellen Problemen am Strommarkt ändern und es bliebe weiterhin beim zögerlichen Netzausbau. Statt das Loch im Eimer zu stopfen, will Habeck einfach auf Steuerkosten ständig Wasser nachfüllen, damit der Eimer nicht leer wird. Das wäre aber keine Lösung, sondern ein reines Verschleppen der Probleme.

Daher setzt der nachfolgende Kompromissvorschlag genau an dieser Stelle an, um tatsächlich etwas zur Lösung der Strompreisproblematik beizutragen. Lasst uns dafür gerne Steuergeld in die Hand nehmen, aber eben nicht, um damit Symptome zu übertünchen, sondern um mit diesem Geld ganz gezielt den Netzumbau zu beschleunigen. Bislang ist es nämlich so, dass der Netzausbau weitestgehend über die Netzentgelte finanziert wird, was den Strompreis zusätzlich verteuert und vor allem zu Ungerechtigkeiten führt und erhebliche Widerstände vor Ort hervorruft. Denn gerade jene Regionen, die besonders viel Wind- oder Solarenergie installieren, müssen durch die bisherige Regelung dann zusätzlich noch besonders hohe Entgelte für den Anschluss dieser Anlagen und den Netzumbau zahlen. Würden die Anschlusskosten für neue Anlagen und die notwendige Netzmodernisierung hingegen direkt vom Bund finanziert, würde das die Akzeptanz in den verschiedenen Regionen erhöhen und durch weniger Widerstände vor Ort und die langfristig gesicherte Finanzierung würde sich der Netzausbau auch beschleunigen lassen. Gleichzeitig blieben dabei aber Unternehmen und Privatkunden durch die Bundesfinanzierung von jenem Teil der Netzentgelte verschont, der zur Finanzierung eben dieses beschleunigten Netzumbaus erhoben werden müsste. Kurzfristig hätte man damit einen weiteren Anstieg der Netzentgelte (und damit der Strompreise) verhindert und mit der Zeit würden Netz und Speicherkapazitäten so fit, dass man nicht mehr massig erneuerbaren Strom verliert und endlich die teuren Doppelstrukturen abschaffen kann. So hätte man dann wenigsten in ein paar Jahren wieder die Rahmenbedingungen für niedrigere Strompreise geschaffen. Und das ist es ja, worauf es bei Investitionsentscheidungen von Unternehmen ankommt, die langfristige Perspektive.

Gleichwohl muss natürlich jedem klar sein, dass dieser Netzumbau auch bei bestem Willen und umfänglichster Bundesfinanzierung noch Jahre dauern wird. In diesem Zeitraum sollte man zwar keinen Industriestrompreis einführen, die Gründe hatte ich benannt, aber natürlich sollte der Staat dafür wenigstens andere Belastungen des Strompreises, also Abgaben und Steuern, so niedrige wie möglich halten. Der bisherige Spitzenausgleich für energieintensive Unternehmen könnte hierfür in reformierter Form eine Grundlage sein, um eine breitflächige Entlastung der Wirtschaft zu erreichen. So könnten auf die ersten 10.000 kWh Jahresverbrauch alle Steuern und Abgaben erhoben werden, auf die nächsten 90.000 kWh nur noch 75% der Steuern und Abgaben, auf die nächsten 900.000 kWh nur noch 50%, auf die nächsten 9 Mio. kWh noch 25% und der Stromverbrauch über 10 Mio. kWh, also die 10.000.001. kWh, würde dann mit dem minimalsten Steuersatz versteuert, den das EU-Recht zulässt. Dies schiene mir der einfachste, unbürokratischste und am wenigsten missbrauchsanfällige Ansatz, um die Wirtschaft insgesamt zu entlasten und durch die Staffelung in besonderem Maße den energieintensiven Unternehmen in Deutschland zu helfen.

Bei den privaten Endverbrauchern sollte eine Entlastung hingegen pauschal stattfinden, z.B. durch ein Klimageld. Denn anders als bei Unternehmen, bei denen wir ja gerade nicht wollen, dass sie durch Verlagerung der Produktion ins Ausland Strom einsparen, soll der Sparanreiz bei Privathaushalten natürlich unbedingt erhalten bleiben. Außerdem scheint im Hinblick auf Aspekte der sozialen Gerechtigkeit die Auszahlung eines einheitlichen Klimageldes, z.B. in Höhe von 100 Euro im Jahr, an jede Bürgerin und jeden Bürger zielführender als eine pauschale Reduktion der Stromsteuern. Der individuelle Sparanreiz bliebe auf diese Weise nämlich vollumfänglich erhalten, ohne dabei Haushalte mit geringen Einkommen durch die gestiegenen Strompreise zu überfordern. Solange man über das Klimageld die Belastungen für die ärmeren Teile der Bevölkerung abfedert, könnte man theoretisch sogar die Stromsteuern für Privatverbraucher auch wieder erhöhen. Aus kommunikativen Gründen sollte man diese Möglichkeit allerdings vorerst nicht nutzen, sondern erst dann, wenn der Netzausbau soweit vorangeschritten ist, dass die Strompreise in Deutschland wieder zurückgehen.

Fazit:

Um die Strompreise in Deutschland zu reduzieren, braucht es vor allem einen beschleunigten Netzausbau, finanziert direkt vom Bund. Gleichzeitig sollte für eine breite Entlastung der Wirtschaft der Spitzenausgleich reformiert werden, so dass der Staat die Unternehmen in Zeiten hoher Strompreise nicht noch mit zusätzlichen Steuern und Abgaben belastet. Eine Entlastung der Verbraucher sollte hingegen über das Klimageld stattfinden, sowohl um Sparanreize zu erhalten als auch um den sozialen Ausgleich zu befördern.
Der Kompromissvorschlag ermöglicht damit die Einführung des grünen Klimageldes, trägt der Forderung von FDP und Olaf Scholz nach einer Transformation hin zu strukturell niedrigen Strompreisen Rechnung und berücksichtigt den Wunsch von SPD-Fraktion und Robert Habeck nach schneller Entlastung für energieintensive Industrien. Die Kosten dieses Paketes schätze ich ganz grob auf 20 Milliarden Euro jährlich. Ein Großteil dieses Geldes würde aber über ein erhöhtes Wirtschaftswachstum sofort wieder zurückfließen, vermutlich sogar schon ab 2024, weil sich die Aussichten der Wirtschaft mit diesem Paket schlagartig verbessern würden und der Standort Deutschland auch auf mittlere und längere Sicht für Unternehmen wieder attraktiv würde.


Text als PDF: Kompromissvorschlag für verträgliche Strompreise in Deutschland


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Der menschenverachtende, demokratieschlachtende und umweltvernichtende Laissez-faire-Neoliberalismus gehört endlich auf den Friedhof der Wirtschaftssysteme. Allerdings nicht, um auf selbigem die Leiche des Sozialismus auszugraben. Denn allen Heilsversprechen zum Trotz endete bisher jedes sozialistische Experiment in Rechtlosigkeit und Unterdrückung. Wer „Mehr Sozialismus wagen!“ ruft, dem antworte ich deshalb: „Weniger Diktatur riskieren!“
Was wir stattdessen brauchen, ist einen Aufbruch zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft in einem föderalen, freiheitlich-demokratischen Europa.

Laissez-faire-Neoliberalismus, Staatskapitalismus und Sozialismus

Der Laissez-faire-Neoliberalismus und der Staatskapitalismus z.B. in China sind zwei Spielarten des Kapitalismus, die trotz ihrer Unterschiede eng miteinander verwandt sind. In beiden Systemen verschmelzen Politik und Wirtschaft faktisch zu einem einzigen Akteur. Im Laissez-faire-Neoliberalismus sind es die wirtschaftlich Starken und Mächtigen, die immer mehr Einfluss auf die Politik nehmen – mit Parteisponsoring, Lobbykampagnen, dem Institut Neue Soziale Marktwirtschaft oder der Bertelsmann-Stiftung. So bestimmen hierzulande und weltweit Unternehmen selbst mit, welche Regeln für sie gelten, wie hoch dieser oder jener Abgasgrenzwert oder eine Steuer sein soll. Im Staatskapitalismus sind diesbezüglich nur die Vorzeichen umgedreht. Dort ist es die politische Spitze, die nicht nur ordnungspolitische Macht über die Wirtschaft hat, sondern die großen Konzerne in weiten Teilen auch selbst beherrscht. Die chinesische Führung gibt also nicht nur den Rahmen vor, sondern legt gleichzeitig fest, wie Unternehmen diesen Rahmen ausfüllen sollen. Nur, wer ist in solchen Wirtschaftssystemen dann noch Kontrolleur und wer Kontrollierter?

Eine wehrhafte und nachhaltige Demokratie zeichnet sich durch ein funktionierendes System an „Checks and Balances“ aus. Die Gewaltenteilung ist daher ein unverzichtbares Element jeder demokratischen Grundordnung. Und dasselbe gilt für eine Marktwirtschaft. Neben den Konsumentinnen und Konsumenten, die frei über ihren Konsum entscheiden können und sollen, braucht es sowohl die staatliche Gewalt, die mit aller Macht versucht, die Wirtschaft in einen gemeinwohlfördernden Rahmen zu drücken, als auch jene unternehmerische Kraft, die innerhalb dieses ordnungspolitischen Rahmens alles gibt, um effektiv und effizient zu wirtschaften. Erst dieser Widerstreit der verschiedenen Kräfte macht aus einer Marktwirtschaft ein funktionierendes Wirtschaftssystem. Wie zuvor beschrieben, ist das aber weder im Staatskapitalismus noch im Laissez-faire-Neoliberalismus gegeben. Dort fehlt es an den gegeneinander gerichteten Interessen und so macht sich eine politisch-wirtschaftliche Machtclique ihre eigenen Gesetze. Und im Sozialismus ist zwar vieles anders, aber genau das nicht. Auch dort gibt es nur diese eine Instanz, die sowohl den Rahmen festlegt als ihn auch selbst ausfüllt – „der VEB Baukombinat wurde beauftragt 100 Wohnung zu bauen“. Es fehlt damit aber an genau dem, was ein nachhaltig funktionierendes Wirtschaftssystem ausmacht: Die Unabhängigkeit der rahmensetzenden staatlichen Gewalt von den rahmenfüllenden Akteuren, also Produzenten wie Konsumenten. Insofern kann aber auch der Sozialismus kein Fortschritt und schon gar kein Ausweg sein, denn auch dort würde sich schnell wieder jener allmächtige Führungskader etablieren, der sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert.

Sozial-ökologische Marktwirtschaft

Wofür ich wirtschaftspolitisch stattdessen eintrete, ist eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft. Das heißt zum einen, die Wiedererlangung des Primats der Politik über die Wirtschaft und das Aufräumen mit dem laissez-faire-neoliberalen „Markt-vor-Staat“-Irrglauben. Das heißt aber auch, den ordnungspolitischen Rahmen künftig so zu setzen, dass er den Herausforderungen unserer Zeit tatsächlich gerecht wird. Das gilt für die soziale Frage, das Auseinanderdriften von Arm und Reich, die Umbrüche am Arbeitsmarkt durch Robotik, Digitalisierung und Globalisierung, aber eben auch für die ökologische Frage – Nitrat in Böden und Grundwasser, (Mikro-)Plastik in den Weltmeeren, anthropogene Treibhausgase in der Atmosphäre oder die Endlichkeit der Ressourcen auf unserem Erdball.

Was den sozialen Rahmen anbelangt, so muss dieser künftig so gestaltet werden, dass das Auseinanderdriften der Gesellschaft in eine kleine reiche Vermögenselite und eine breite vermögenslose Masse gestoppt und die Ungleichheit wieder auf ein nach ökonomischen und vielmehr noch ethischen Gesichtspunkten verträgliches Maß zurückgefahren wird. Es braucht dazu unter anderem eine höhere Besteuerung der Vermögensmasse, höhere Steuern auf Spitzeneinkommen und Kapitalerträge sowie die Einführung einer Finanzmarktsteuer. Umgekehrt braucht es die Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen durch einen höheren Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer und Entlastungen bei den Sozialabgaben, ein ordentliches Kindergeld für alle Kinder und eine sanktionsfreie Mindestsicherung für alle Bürgerinnen und Bürger. Es braucht dazu aber genauso auch mehr Tarifbindung, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken, einen fairen Mindestlohn, Lohnzuschläge bei Leiharbeit und Befristung, den Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes für all jene, die trotz guter Qualifikation und Leistungswillen keine Chancen am regulären Arbeitsmarkt haben, eine soziale Absicherung für Crowd- und Clickworker und noch so unendlich vieles mehr, um wieder zu einer Gesellschaft zu werden, in der es einer breiten Masse möglich ist, durch Arbeit zu Wohlstand zu gelangen.
Daneben können und dürfen wir als Gesellschaft aber auch nicht über unsere ökologischen Verhältnisse leben. Das heißt beispielsweise, dass Emissionen künftig so besteuert werden müssen, dass auch ein tatsächlicher Anreiz zur Emissionsvermeidung entsteht. Im Verkehrsbereich müssen Alternativen zum CO2-intensiven Individualverkehr entwickelt werden. In Bezug auf Ressourcenschonung sind außerdem höhere Recyclingquoten und eine Verpackungssteuer sinnvolle Maßnahmen oder die Pflicht z.B. für Smartphone-Hersteller, Akkus und andere Teile ersetzbar zu gestalten. Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass Produkte länger halten, braucht es dafür aber gar nicht unbedingt detaillierte technische Vorgaben. Es reicht aus, den Garantie- und den anschließenden Gewährleistungszeitraum zu verlängern. Unternehmen werden dann von sich aus schauen, wie sie einen solchen neuen ordnungspolitischen Rahmen wieder effizient ausfüllen, also nicht allzu oft kostenlos reparieren, umtauschen oder zurücknehmen müssen.

Einzelmaßnahmen vs. Konzept

Man kann die Liste der notwendigen Maßnahmen für eine Umgestaltung hin zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft beliebig fortsetzen. Für die meisten Einzelmaßnahmen gilt dabei, dass sie verzichtbar wären, wenn denn alle anderen Maßnahmen erfolgreich umgesetzt würden. Wenn alle Erwachsenen genügend Geld haben, braucht es nicht mehr zwingend ein hohes Kindergeld. Bei einem hohen Kindergeld braucht es nicht mehr zwingend eine Gebührenfreiheit für KiTa-Plätze. Es bedeutet umgekehrt aber auch, dass aus vielen Einzelmaßnahmen noch lange kein Konzept wird. Das ist beispielsweise ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Kinderarmut in den letzten 20 Jahren – Einzelmaßnahmen gab es in diesem Bereich genügend, aber eben kein Konzept, schon gar kein stimmiges.
Wenn ich also von einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft spreche, meine ich damit mehr als eine Liste von Einzelmaßnahmen. Vielmehr geht es um eine Grundhaltung, aus der heraus sich dann konkrete Einzelmaßnahmen ableiten lassen. Am ehesten lässt sich die Grundhaltung dabei mit einem Vergleich verdeutlichen. Der Laissez-faire-Neoliberalismus steht für eine Marktwirtschaft mit einem schwachen und nur reaktiven Staat. Ich möchte hingegen eine Marktwirtschaft mit einem starken und aktiv gestaltenden Staat!

Das Primat der Politik

Ziel des Laissez-faire-Neoliberalismus ist, das Primat der Politik weitestgehend durch ein Primat des Kapitals zu ersetzen. Hierzu wurde das staatliche Gemeinwesen in den letzten 50 Jahren auf verschiedene Weise ausgehöhlt. Zum einen wurde der ordnungspolitischen Rahmen immer weiter und weicher gestaltet. So viele Bereiche wie möglich sollten dem Markt untergeordnet werden – auch die Daseinsvorsorge, der Soziale Wohnungsbau, die Alterssicherung – und zwar so umfassend wie es nur irgend geht, also ohne Mietpreisbindung, ohne Verbraucher- oder Umweltschutz und ohne Steuern oder Sozialabgaben. Zum anderen, und das ist noch viel gravierender, wurde von laissez-faire-neoliberalen Wirtschafts- und Staatenlenkern in den letzten Jahrzehnten eine globale Wirtschaftsstruktur etabliert, in der die Politik vom Schiedsrichter zum Spielball, vom „maker“ zum „taker“ degradiert wurde – eine Tatsache, die hierzulande totgeschwiegen wird und dennoch in aller Munde ist. Nicht mehr der Staat entscheidet über den ordnungspolitischen Rahmen für das Kapital, seien es nun Großkonzerne, Stiftungen, Investmentfonds oder Superreiche, sondern das Kapital entscheidet, in welcher ordnungspolitische Umgebung es sich ansiedelt, wo es wohnhaft wird, ein Werk errichtet oder eine Firmenzentrale baut. Damit stehen nicht länger Unternehmen mit ihren Produkten im Wettbewerb zueinander, sondern gleich die Staaten selbst mit ihren ordnungspolitischen Rahmen. Das ist die Perversion einer Marktwirtschaft und dennoch gehört es als Schlagwort vom „Wirtschaftsstandort Deutschland“ bzw. von der „Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“ zum Alltag der wirtschaftspolitischen Debatte im Vorzeigeland des Laissez-faire-Neoliberalismus.

Die Wiederherstellung des Primats der Politik ist unter diesen Gegebenheiten kein leichtes Unterfangen. Gleichwohl ist es für eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft zwingend erforderlich, denn nur wenn die demokratisch legitimierten Volksvertreterinnen und Volksvertreter überhaupt in der Lage sind, einen ordnungspolitischen Rahmen zu setzen, können sie diesen auch sozial und ökologisch ausgestalten.
Dem laissez-faire-neoliberalen Zerrbild des Gemeinwesens als „gierigem, verschwenderischem, störendem, verbietendem, einschränkendem Staat“ – wer möchte einen solchen Staat schon stärken – muss deshalb zunächst die Idee und das Bild eines Staates als „fairem Schiedsrichter“, „solidarischem Beistand“, „Schutzengel“ oder „Retter in der Not“ entgegengesetzt werden. Einen solchen Staat möchte man als Bürgerin oder Bürger doch schon viel eher fit und verlässlich an seiner Seite wissen. Und mit einer demokratischen Mehrheit im Rücken kann der Staat an vielen Stellen auch wieder dazu befähigt werden, der Wirtschaft eine soziale und ökologische Richtung zu geben. Das gilt vor allem dort, wo die Ordnungsrahmen nicht in Wettbewerb zueinander stehen. Die Paketzustellung innerhalb Deutschlands ist ein typisches Beispiel. Hier könnte der deutsche Gesetzgeber sowohl im Sozialen (Branchen-Mindestlohn) wie im Ökologischen (emissionsfreie Zustellung) sehr viel mehr machen, weil es sich um eine Dienstleistung handelt, die man nur in Deutschland selbst durchführen kann. In diesem Fall ist es also völlig unerheblich, welche ordnungspolitischen Rahmen für die Paketzustellung in Frankreich oder Polen gelten.

Daneben braucht es aber auch Konzepte, um das Primat der Politik in all jenen Bereichen wiederherzustellen, in denen es durch die laissez-faire-neoliberale Struktur der Weltwirtschaft ausgehebelt wurde. Was machen wir also überall dort, wo die Konkurrenz der unterschiedlichen ordnungspolitischen Rahmen zu einer Abwärtsspirale von Umwelt- und Sozialstandards, zu ruinösem Steuerwettbewerb und immer weniger Arbeitnehmerrechten führt?
Wenn der Gesetzgeber in Deutschland heute deutlich mehr Platz für Legehennen beschließt, stehen die Legebatterien morgen im EU-Ausland und die Eier werden einfach importiert. Um dieser Konkurrenz der Ordnungspolitik zu entgehen, muss deshalb wenigstens eine rudimentäre Rahmensetzung auf jener Ebene ermöglicht werden, auf der auch das Marktgeschehen stattfindet. Im Falle der Legehennen ist das auf europäischer Ebene gegeben und so hat die EU bereits 2012 die konventionelle Käfighaltung im gesamten Binnenmarkt komplett verbieten können. In vielen anderen Bereichen hat die EU aber bis heute keine oder nur eine sehr beschränkte Kompetenz zur Rahmensetzung, z.B. im sozialen Bereich, bei Steuern, bei Arbeitnehmerrechten. Das heißt, über ganz zentrale Elemente des ordnungspolitischen Rahmens – wie hoch sind Sozialabgaben, wie hoch die Stromsteuer, wie hoch der Mindestlohn, wie stark der Kündigungsschutz – entscheiden noch immer die einzelnen EU-Länder für sich alleine und zwar viel zu oft im Gegeneinander.
Eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft ist deshalb nur im Zusammenspiel mit europäischem Föderalismus denkbar. Es braucht eine Europäische Republik, die Vereinigten Staaten von Europa, einen Europäischen Bundesstaat, eine Europäische Föderation oder ein ähnliches Konstrukt, um eine demokratisch legitimierte rahmensetzende Gewalt auf jener Ebene anzusiedeln, auf der auch der Binnenmarkt steht, also auf der europäischen Ebene.

Ein föderales, freiheitlich-demokratisches und sozial-ökologisches Europa

Die Absatzüberschrift ist die Kurzfassung dessen, was ich für eine erstrebenswerte Zukunft für Europa halte. Es braucht eine föderale Struktur, um der europäischen Wirtschaft auf demokratischem Wege wieder einen adäquaten Ordnungsrahmen setzen zu können und zwar auch bei Steuern, Arbeitnehmerrechten oder Sozialstandards. Die dadurch entstehenden Freiräume für die Politik müssen dann aber auch auf allen Ebenen konsequent genutzt werden, um den europäischen Binnenmarkt zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft umzugestalten.

Gleichwohl bleibt damit aber noch immer eine wesentlich Frage unbeantwortet: Wie können wir auch anderen Erdteilen helfen, ein solches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem aufzubauen? Denn auch ein CO2-neutrales, an Fangquoten haltendes, arbeitnehmerfreundliches Europa ist nur ein Schritt zu einer nachhaltigen, sozial-ökologischen Weltwirtschaft. Ein Teil der Antwort kann aber darin liegen, die im Laissez-faire-Neoliberalismus vorherrschende Freihandels-Doktrin durch eine sozial-ökologische Fairhandels-Maxime zu ersetzen. Mit Blick auf den chinesischen Staatskapitalismus, arabische Scheichtümer oder afrikanische Militärregime stößt aber natürlich auch das an seine Grenzen. Hier bleibt dann vermutlich nur die altbewährte Strategie, schneller, besser und geschickter zu sein.

Noch ein Wort zum Sozialismus

Warum ich den Sozialismus als Wirtschaftssystem ablehne, habe ich dargestellt. Allerdings werden manche nun sagen, der Sozialismus sei über die Wirtschaft hinaus vielmehr ein Gesellschaftssystem und insofern greife der Gedanke einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft zu kurz. Für mich ist allerdings klar, dass ich an unserem grundlegenden Gesellschaftssystem, der freiheitlich-demokratischen Ordnung, gar nichts ändern möchte, weil ich darin mit Abstand den besten Schutz dessen sehe, was mir in einer Gesellschaft wichtig ist – Pluralismus, Menschenrechte, die bürgerlichen Freiheiten.
Und de facto ist bisher jedes sozialistische Land auf der Welt als Diktatur geendet, egal ob in der DDR, auf Kuba, in Venezuela, bei Lenin, Stalin oder Mao. Dass eine kleine, reiche Führungsclique entsteht, ist aus meiner Sicht ja gerade die logische Konsequenz daraus, dass wirtschaftliche und politische Macht im Sozialismus grundsätzlich in eine Hand gegeben werden. Insofern halte ich es diesbezüglich aber mit Albert Einstein, der mal gesagt haben soll, „die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Auch deshalb werbe ich für einen Aufbrauch zu einem anderen Ziel, nämlich einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft.


Text als PDF: Sozial-ökologische Marktwirtschaft statt Laissez-faire-Neoliberalismus oder Sozialismus


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Während die schlechteren Löhne und Renten auf der einen Seite zu einer Schwächung der Binnennachfrage in Deutschland führen, können auf der anderen Seite die hierzulande produzierenden Unternehmen durch die gesunkenen Lohnstückkosten die Weltmärkte mit billigen Waren überfluten. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist daher ein Außenhandelsungleichgewicht, das mit einem Exportüberschuss bzw. Importdefizit Deutschlands von rund 8% des BIP seinesgleichen sucht.

Vorschlag:

Als Gegenmaßnahme zu dieser Entwicklung schlage ich daher die Anhebung der Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung von aktuell 9,3% auf 11% und die Absenkung des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung von aktuell 9,3% auf 8,5% vor.

Sieben Verbesserungen:

1. Mehr Netto vom Brutto:
Durch die Absenkung des Arbeitnehmeranteils an der Rentenversicherung hätten die Arbeitnehmer künftig mehr Netto vom Brutto. Zusätzlich zu den Lohnerhöhungen, die durch die Tarifpartner vereinbart werden, würden die Nettolöhne um knapp 1% steigen.

2. Bessere Renten:
Durch die insgesamt um 0,9% der Bruttolöhne wachsenden Rentenbeiträge würde die Summe der abgeführten Rentenbeiträge um rund 4,8% ansteigen. Das Bruttorentenniveau könnte damit von aktuell 44,7% auf ca. 46,6% gesteigert werden. Für den sogenannten Eckrentner würde dies ein monatliches Plus bei der Rente von knapp 50 Euro monatlich bedeuten.

3. Stärkung der Binnennachfrage:
Die höheren Nettolöhne und die höheren Renten würden zu einem spürbaren Anstieg der Binnennachfrage führen.

4. Wirtschaftswachstum im Ausland:
Durch die leicht steigenden Lohnstückkosten, wären im Ausland produzierende Unternehmen, insbesondere aus dem Euro-Raum, im Vergleich wieder etwas wettbewerbsfähiger. In Verbindung mit der wachsenden Binnennachfrage in Deutschland würde dies im Ausland zu einer Stärkung des Wirtschaftswachstums führen.

5. Wirtschaftswachstum in Deutschland:
Sofern das Wachstum im Ausland zu einem Mehrexport führt, der den Minderexport durch die etwas niedrigere Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland produzierenden Unternehmen ausgleicht, bliebe das deutsche Exportvolumen unverändert. Gleichzeitig würde die wachsende Binnennachfrage den heimischen Absatz stärken, sodass sich ein zusätzliches BIP-Wachstum und damit ein Konjunkturschub für Deutschland ergeben würden.

6. Zusätzliche Jobs und Steuermehreinnahmen:
Ein zusätzliches Wirtschaftswachstum in Deutschland hätte positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Außerdem würden auch die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen steigen.

7. Abbau des Importdefizits bzw. des Exportüberschusses:
Überdies würde die wachsende Binnennachfrage den Güterimport nach Deutschland steigen lassen, sodass auch bei einem gleichbleibenden Exportvolumen der deutsche Exportüberschuss bzw. das deutsche Importdefizit reduziert würden.


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Sinkende Lohnstückkosten:

Die Entwicklung der Lohnstückkosten wird alleine durch die Entwicklung der Arbeitsentgelte im Verhältnis zur Produktivitätssteigerung bestimmt. Kann ein Arbeitnehmer je Stunde 25% mehr Güter herstellen, während der Arbeitgeber je Stunde nur 10% höhere Arbeitsentgelte zu zahlen hat, so sinken die Lohnstückkosten um 12%.

Tendenziell angebotsseitig sinkende Preise:

Über die gesamte Wertschöpfungskette beinhalten die Herstellungskosten eines Produktes einen sehr hohen Arbeitskostenanteil.
Ein Beispiel hilft, dies zu veranschaulichen: Mit Hilfe von Maschinen bauen Arbeitskräfte Kohle ab. Diese wird in einem von Arbeitskräften betriebenen Kohlekraftwerk, das von Arbeitskräften mit Hilfe von Maschinen konstruiert wurde, in Strom umgewandelt. Dieser Strom fließt beispielsweise in eine von Arbeitskräften gesteuerte Maschine und zusammen mit Rohstoffen, die von Arbeitskräften mit Hilfe von Maschinen gewonnenen und verarbeitetet wurden, wird dann irgendetwas produziert, z.B. wieder eine Maschine. Da aber alle Maschinen, die innerhalb dieser Wertschöpfungskette eingesetzt werden, ebenfalls das Produkt einer solchen Wertschöpfungskette sind, liegt der Arbeitskostenanteil an den Herstellungskosten von Endprodukten in einem mittleren bis hohen zweistelligen Prozentbereich. Hinzu kommen Forschung und Entwicklung, Transport von Vor- und Endprodukten sowie Verwaltung und Handel, deren Kosten ebenfalls maßgeblich durch Arbeitskosten bestimmt werden.

Durch diesen hohen Arbeitskostenanteil an den Herstellungskosten von Waren – und natürlich noch stärker von Dienstleistungen – sind die Produktionskosten wesentlich von der Entwicklung der Lohnstückkosten bestimmt. Sinken die Lohnstückkosten um 12%, kann ein Gut, dessen Herstellungskosten zu 50% aus Arbeitskosten bestehen, 6% billiger produziert und zum Verkauf angeboten werden.

Natürlich liegen nicht die Wertschöpfungsketten aller in Deutschland verkauften Produkte vollständig im Inland. Dennoch ist eine Folge des deutschen Lohndumpings, dass die Preise angebotsseitig tendenziell sinken.

Überangebot an Gütern:

Die Gesamtnachfrage nach Gütern innerhalb einer Volkswirtschaft (Binnennachfrage) bestimmt sich hauptsächlich durch das zur Verfügung stehende Einkommen der Bevölkerung. Nachdem die große Mehrheit der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt aus Arbeitseinkommen oder aus Transferleistungen, die an die Lohnentwicklung gekoppelt sind (z.B. Renten), bestreitet, ist die Entwicklung des zur Verfügung stehenden Einkommens eng mit der Entwicklung der Arbeitsentgelte verbunden.

Nimmt man für die gesamte deutsche Volkswirtschaft an, dass der inländische Arbeitskostenanteil an den hier verkauften Gütern durchschnittlich bei 50% liegt und die Produktivität um 25% und die Stundenlöhne um 10% steigen, so ergibt sich automatisch ein Produktionsüberschuss.

Während die Preise lediglich um 6% zurückgehen, sinken bei gleichbleibender Produktionsmenge die gesamten Arbeitsentgelte um 12%. Die Bevölkerung kann sich insgesamt also weniger Güter leisten. Hält man hingegen die Summe der Arbeitsentgelte konstant, dann steigt die gesamte Produktionsmenge um 13,6% an, während sich die Menschen aufgrund der niedrigeren Herstellungskosten bzw. Güterpreise nur 6,4% mehr Güter leisten können.

Im ersten wie im zweiten Fall entsteht zwingend ein Überangebot an Gütern.

Tendenziell nachfrageseitig sinkende Preise:

Bei einem Überangebot an Gütern reicht ein Teil der angebotenen Güter aus, um zum Marktgleichgewichtspreis die komplette Nachfrage zu bedienen. Dies führt im marktwirtschaftlichen Wettbewerb regelmäßig zu sinkenden Preisen, weil die Nachfrager zuerst auf die teuersten Angebote verzichten.

Tendenziell schwächere Inflation:

Die Auswirkungen der Lohnzurückhaltung sind angebotsseitig tendenziell sinkende Preise und nachfrageseitig eine unzureichende Binnennachfrage, durch die ein Überangebot an Gütern entsteht.

Innerhalb einer geschlossenen Volkswirtschaft führt beides im marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu sinkenden Marktpreisen. Verlässt man die Ebene der preisbereinigten Betrachtung, wird aufgrund sinkender realer Preise auch die Inflation tendenziell schwächer ausfallen als dies ohne Lohndumping der Fall wäre.

Tendenziell steigende Wettbewerbsfähigkeit:

Verändern sich die Wechselkurse zwischen Deutschland und anderen Volkswirtschaften nicht, führen die niedrigeren Lohnstückkosten tendenziell zu einer stärkeren Wettbewerbsposition der hierzulande produzierenden Unternehmen.

Exportüberschuss bzw. Importdefizit:

Da es innerhalb des Euro-Raums keine Wechselkursschwankungen gibt, wurde durch die Lohnzurückhaltung der vergangenen beiden Jahrzehnte die Wettbewerbsposition der in Deutschland produzierenden Unternehmen gestärkt. Sie können nun ihre Waren in den übrigen Euro-Ländern billiger anbieten. Gleichzeitig gehen durch die tendenziell nachfrageseitig sinkenden Preise die Absatzmöglichkeiten für ausländische Waren in Deutschland zurück.

Sofern Unternehmen nicht am Markt vorbei bzw. auf Lager produzieren, führt außerdem das Überangebot an in Deutschland produzierten Gütern dazu, dass entweder weniger ausländischer Waren importiert werden können oder mehr im Inland produzierte Waren exportiert werden müssen.

Das deutsche Lohndumping hat daher zwingend einen Exportüberschuss bzw. ein Importdefizit zur Folge.

Export von Arbeitslosigkeit:

Sofern sich die Wechselkurse nicht zu Ungunsten Deutschlands verändern bzw. andere Euro-Länder nicht ebenfalls auf Lohnzurückhaltung setzen, exportiert Deutschland mehr als es importiert. Damit geht einher, dass Deutschland auch Arbeitslosigkeit exportiert.

Gegebenenfalls Verlangsamung des Wirtschaftswachstums:

Sofern das Güterüberangebot nicht im Ausland abgesetzt werden kann, z.B. wegen einer Rezession in den importierenden Ländern, müssen Unternehmen ihre Produktionskapazitäten reduzieren, was zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führt. Dies wäre vor allem dann zwingend die Folge, wenn auch die Handelspartner Deutschlands auf Lohndumping setzen würden und damit die Produktivität dort ebenfalls stärker wachsen würde als die Reallöhne.


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Verstärkt durch politische Entscheidungen im Rahmen der Agenda 2010, z.B. die Ausweitung der Leiharbeit, die Einführung der „Ich-AG“ oder den damaligen Verzicht auf die Einführung eines Mindestlohns, entwickelten sich in der Folge die realen Stundenlöhne weit schlechter als die Arbeitsproduktivität. So stieg zwischen 1996 und 2007 die Arbeitsproduktivität um rund 20% an, während die realen Stundenlöhne insgesamt lediglich um 0,2% zulegten.

Die Ende der 90er Jahre entstandene Lohnlücke ist dann bis Mitte der 2000er Jahre angewachsen und beträgt seit 2010 kontinuierlich über 10% des Bruttolohns eines Arbeitnehmers. Doch anstelle besonders großer Sprünge beim Export hatte das deutsche Lohndumping einen ganz anderen Effekt. Das einzige Jahr nach der Wiedervereinigung, in dem der reale private Konsum zurückging, war nicht etwa das Jahr der großen Finanzkrise 2009, sondern das Jahr 2002. Mit einem Minus von 0,8% beim privaten Konsum [1] brach damals allerdings nicht nur die Binnennachfrage ein, sondern auch der Import von Gütern, sodass sich in Deutschland ein Importdefizit einstellte. Zwar entwickelten sich in den Folgejahren sowohl Exporte als auch Importe positiv, insgesamt wuchs das Importdefizit bis 2016 allerdings auf 8% des BIP.

Deutschland hat also auf Kosten seiner Arbeitnehmer, die nun weniger Lohn erhalten als ihnen angesichts ihrer Produktivität zusteht, einen erheblichen Außenhandelsüberschuss aufgebaut. Auf Dauer wird es jedoch nicht möglich sein, in Deutschland produzierte Güter zu exportieren, ohne umgekehrt in gleichem Umfang Güter nach Deutschland zu importieren.
So plant beispielsweise der neugewählte französische Präsident Macron ähnliche Arbeitsmarktreformen für Frankreich, wie sie einst unter Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 in Deutschland durchgeführt wurden. Mit Hilfe von Flexibilisierung, Sozialabbau und Lockerung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge sollen die französischen Arbeitskosten reduziert werden, um künftig wieder mit den niedrigen deutschen Lohnstückkosten Schritt halten zu können. Aber auch US-Präsident Trump will das deutsche Lohndumping nicht einfach hinnehmen und hat bereits Strafzölle für Importwaren ins Gespräch gebracht.

Anstatt weiterhin mit niedrigen Lohnstückkosten zu Lasten der hiesigen Arbeitnehmer den deutschen Export zu beflügeln und den Import auszubremsen, sollte deshalb in Deutschland auf ein Ende des Lohndumpings hingewirkt werden. So könnte die vorhandene Lohnlücke in den nächsten Jahren mit Reallohnsteigerungen leicht oberhalb der Zuwachsraten der Arbeitsproduktivität deutlich reduziert werden. Die aus der wieder anziehenden Binnennachfrage resultierenden Steuermehreinnahmen könnten dann genutzt werden, um die Rahmenbedingungen für die Exportindustrie anderweitig zu verbessern, z.B. mit Investitionen in die Infrastruktur und in die Ausbildung und Qualifikation von Arbeitnehmern.


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[1] Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.5, Tabelle 3.5, 2016, S. 128 (Link zur PDF auf www.destatis.de)

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Euro-Finanzminister haben durch Draghis Geldpolitik 150 – 200 Mrd. Euro mehr in der Kasse https://www.mister-ede.de/politik/geldpolitik-entlastet-haushalt/8546 https://www.mister-ede.de/politik/geldpolitik-entlastet-haushalt/8546#comments Sat, 21 Oct 2017 17:20:47 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8546 Weiterlesen ]]> Nach eigenen Berechnungen auf Basis von Eurostat-Daten werden die Haushalte der Euro-Länder durch die EZB-Politik des billigen Geldes um etwa 150 – 200 Mrd. Euro pro Jahr entlastet. Dies ergibt sich aus dem Vergleich der Schulden- und Zinslastquoten im Jahr 2016 mit denen der Jahre vor der Finanz- und Eurokrise.
So lag der Schuldenstand der 19 Euro-Länder im Jahr 2004 bei 68,4% des BIP und die Zinslast betrug 3% des BIP. Bis zum Jahr 2016 wuchsen die Schulden der Euro-Länder allerdings auf 89,2% des BIP, weshalb bei gleichem Zinsniveau wie im Jahr 2004 eine Zinslast von 3,9% des BIP zu erwarten gewesen wäre. Tatsächlich mussten die Mitgliedsländer der Eurozone im Jahr 2016 jedoch nur eine Zinslast von 2,2% des BIP tragen, was einer Ersparnis von rund 1,7% des BIP bzw. 180 Mrd. Euro entspricht. Wählt man 2005 oder 2006 als Vergleichsjahr, so liegt die jährliche Ersparnis bei rund 160 Mrd. Euro, im Vergleich zu 2007 bei rund 190 Mrd. Euro und im Vergleich zu 2008 bei rund 170 Mrd. Euro.

Durch die Leitzinssenkung der EZB Ende 2008 von 4% auf 1% und später dann sogar auf 0% sowie das Kaufprogramm der EZB für Staatsanleihen der Euroländer, genannt „quantitative easing“, wurden die Staatshaushalte in der Eurozone über die Jahre der Finanz- und Eurokrise massiv beim Schuldendienst entlastet. Neben den Staaten profitieren aber auch alle anderen Kreditnehmer, z.B. Unternehmen oder Häuslebauer, vom deutlich niedrigeren Zinsniveau. Umgekehrt leiden allerdings die Kreditgeber, z.B. private Rentenversicherer oder der ganz normale Sparer, unter den gesunkenen Renditen.

Für den deutschen Staatshaushalt errechnet sich für das Jahr 2016 im Vergleich zu 2007 eine Zinsersparnis von 35 – 40 Mrd. Euro verteilt auf Bund, Länder und Kommunen. Die gute Haushaltslage in vielen Bundesländern und im Bund ist damit vor allem auf die Geldpolitik der EZB zurückzuführen. Daneben profitiert der Fiskus aber auch von der wiederbelebten Konjunktur, die jedoch ebenfalls maßgeblich durch die EZB-Politik des billigen Geldes getragen wird. Entsprechend ist die gute wirtschaftliche Lage in Deutschland viel mehr Mario Draghi geschuldet als der Arbeit der Bundesregierung, die in den letzten Jahren kaum etwas für eine positive konjunkturelle Entwicklung in Deutschland unternommen hat. Umso unverständlicher ist es daher, dass hierzulande häufig auf den EZB-Chef Draghi geschimpft wird, während im gleichen Atemzug die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gelobt wird.
Eine Dauerlösung kann die aktuelle Niedrigzinspolitik der EZB allerdings nicht sein, weshalb es dringend erforderlich wäre, die entstandenen Spielräume endlich zu nutzen, um durch Infrastrukturmaßnahmen und Investitionen in Bildung und Qualifikation die Wirtschaft in Deutschland und der Eurozone anzukurbeln.

Anmerkung: Nachdem der Schuldenstand eine Bestandsgröße zum Ende eines Jahres ist, während sich die Zinslast auf den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12. eines Jahres bezieht, handelt es sich bei der errechneten Ersparnis nur um einen groben Wert. Außerdem sind die Daten von Eurostat gerundet, was ebenfalls zu Lasten der Genauigkeit geht. Aus diesem Grund wird in diesem Text für die Zinsersparnis keine genaue Zahl, sondern nur ein Korridor (150 – 200 Mrd. Euro für die Eurozone bzw. 35 – 40 Mrd. Euro für Deutschland) angegeben.

Entwicklung der Schulden und Zinsen in der Eurozone:


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Donald Trump – Der alte Mann im Greisen-Haus https://www.mister-ede.de/politik/der-alte-mann-im-greisen-haus/7776 https://www.mister-ede.de/politik/der-alte-mann-im-greisen-haus/7776#comments Sun, 05 Feb 2017 18:14:00 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=7776 Weiterlesen ]]> Es ist schon erstaunlich, dass so viele US-Amerikaner mit Donald Trump Aufbruch und Neuanfang verbinden. Ein 70-jähriger US-Präsident, der älter ist als George W. Bush und sogar älter als Bill Clinton, der vor fast 25 Jahren im Weiße Haus regierte, soll das Land nun mit frischem Wind und neuen Ideen modernisieren.

Doch diese Rechnung der Wähler wird nicht aufgehen. Schon jetzt zeigt sich an Trumps Politik, dass sein Denken fest in der Vergangenheit verwurzelt ist. So entspringt seine Wirtschaftspolitik den ökonomischen Theorien der 70er und 80er Jahre. Mit den alten Rezepten der Reaganomics des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan will Trump in den kommenden Jahren die Wirtschaft nach vorne bringen. Entsprechend kommen Digitalisierung, grüne Energien und globalisierte Wertschöpfungsketten beim neuen alten Mann im Weißen Haus nicht vor. Stattdessen geht es Trump um Stahl, Autos und Öl. Der neue US-Präsident steht also keineswegs für eine innovative und wettbewerbsfähige Ökonomie der Zukunft, sondern vielmehr für eine Wirtschaftspolitik, die zurück in das letzte Jahrhundert will.

Trumps rückwärtsgewandtes Denken zeigt sich allerdings auch bei der Frage der gesellschaftlichen Werte. Blickt man beispielsweise auf Trumps Frauenbild, fühlt man sich in die USA der 50er und 60er Jahre zurückversetzt. Emanzipation und Frauenrechte scheinen spurlos an diesem Fossil aus längst vergangener Zeit vorbeigegangen zu sein. Frauen gehören an den Herd und haben gefälligst dem Mann zu dienen – das ist die Sichtweise des neuen US-Präsidenten.
Ähnlich ergeht es Homosexuellen, die nach der Vorstellung von Donald Trump einfach krankhaft gestört sein müssen, oder Behinderten, über die er sich nur zu gerne lustig macht. Und auch in Bezug auf Ausländer und Muslime ist sein Denken wohl vor allem durch die Zeit der Rassentrennung geprägt. So verwundern auch Trumps Muslimban, also das Einreiseverbot für Muslime, und seine Abschiebeandrohung für Mexikaner nicht wirklich. Und sollte er bald Dekrete erlassen, die für Muslime und Lateinamerikaner gesonderte Toiletten, eigene Bänke, eigene Schulen und getrennte Sitzplätze in Bussen fordern, kann auch das eigentlich nicht mehr wirklich überraschen.

Alles in allem sind Trumps gesellschaftliche Wertvorstellungen ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der sich der weiße christliche heterosexuelle Mann an der Spitze der Menschheit sah. Und deshalb will der alte Mann im Weißen Haus auch genau dorthin zurück – weil früher ja sowieso alles besser war. Die künftige Devise der USA lautet somit, „Vorwärts in die Vergangenheit!“


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Die Lüge vom Schutz der Kohlekumpels – Deutschland ist Nettoimporteur https://www.mister-ede.de/wirtschaft/schutz-der-kohlekumpels/7767 https://www.mister-ede.de/wirtschaft/schutz-der-kohlekumpels/7767#comments Sat, 04 Feb 2017 13:06:05 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=7767 Weiterlesen ]]> In Deutschland sind aktuell Kohlekraftwerke mit einer Leistung von insgesamt über 40 GW elektrischer Energie am Netz – mehr als in Großbritannien, Polen und Italien zusammen. Sie sind für ein Viertel der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Allerdings wird eine Reduktion der Kohlekraftwerke in Deutschland immer wieder mit dem Hinweis auf die deutschen Kohlegebiete und drohende Arbeitsplatzverluste bei den Kohlekumpels abgewehrt. So kam es beispielsweise im Jahr 2015, als Sigmar Gabriel eine Klimaabgabe für die besonders dreckigen Kohlekraftwerke ankündigte, zu massiven Protesten der Kohlelobby, weil dies angeblich das Aus für den deutschen Kohlebergbau bedeuten würde.
Tatsächlich ist Deutschland allerdings der größte Nettoimporteur von Kohle in der EU [1]. Etwa ein Viertel des deutschen Kohlebedarfs wird also gerade nicht von den Kohlerevieren in Deutschland gedeckt, sondern durch zusätzliche aus dem Ausland eingeführte Kohle. Es ist also schlicht gelogen, dass eine Reduktion von Kohlekraftwerken in Deutschland automatisch zu Lasten der Kohleabbaugebiete, z.B. in der Lausitz, gehen würde. Zumindest 20 – 25% der Kraftwerke könnten problemlos stillgelegt werden, ohne damit die Kohlekumpels zu gefährden.


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[1] Bericht der EU-Kommission „Trends in Global CO2-Emissions“ von 2016, S. 27 – 29 (Link zur PDF auf ec.europa.eu)

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Glossar: Durchschnittseinkommen und Medianeinkommen https://www.mister-ede.de/politik/durchschnitt-und-median/7744 https://www.mister-ede.de/politik/durchschnitt-und-median/7744#comments Fri, 03 Feb 2017 18:42:01 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=7744 Weiterlesen ]]> Bei der Betrachtung von Einkommen werden Durchschnittseinkommen und Medianeinkommen immer wieder verwechselt oder unsauber getrennt. Gerade bei der Bewertung der Armut bzw. der Armutsgefährdung kommt es damit schnell zu falschen Vorstellungen und Eindrücken. Hier folgt deshalb eine Erklärung des Unterschieds.

Das Durchschnittseinkommen:

Das Durchschnittseinkommen gibt das arithmetische Mittel aller Einkommen einer Gruppe (z.B. Personen oder Haushalte) an. Es kann sowohl für Bruttoeinkommen als auch für Nettoeinkommen bestimmt werden.

Das Medianeinkommen (mittleres Einkommen):

Zur Berechnung des Medianeinkommens, oft auch mittleres Einkommen genannt, werden alle Einkommen einer Gruppe (z.B. Personen oder Haushalte) nach ihrer Höhe geordnet. Jenes Einkommen, das die Person oder der Haushalt in der Mitte dieser Liste hat, ist das Medianeinkommen. In der Regel wird das Medianeinkommen auf Basis der Nettoeinkommen berechnet, z.B. in Form von verfügbaren Haushaltseinkommen.

Median-Äquivalenzeinkommen:

Das Äquivalenzeinkommen wird zum Vergleich zwischen unterschiedlichen Haushaltsformen (Singlehaushalte, Zweipersonenhaushalte, Haushalte mit Kindern) herangezogen und rechnet das Nettoeinkommen, beispielsweise einer Familie mit zwei Kindern, auf das Nettoeinkommen eines Haushalts einer alleinlebenden Person um. Das Median-Äquivalenzeinkommen ist dementsprechend das umgerechnete Einkommen, das sich in der Mitte der nach der Höhe der Einkommen geordneten Liste befindet. Haushalte deren Äquivalenzeinkommen bei 60% oder weniger des Median-Äquivalenzeinkommens liegen, gelten als armutsgefährdet.

Beispiel:

Betrachtet werden 11 Haushalte von alleinlebenden Personen mit unterschiedlichem Nettoeinkommen.

Das Durchschnittseinkommen dieser 11 Haushalte beläuft sich auf 2.018 Euro. Das Medianeinkommen bzw. mittlere Einkommen liegt hingegen bei 1.600 Euro. Da es sich hierbei um die Haushalte von alleinlebenden Personen handelt, entsprechen die Haushaltseinkommen ohne weitere Umrechnungen dem Äquivalenzeinkommen dieser Haushalte. Das in der Mitte liegende Einkommen (Person 6) in Höhe von 1.600 Euro ist das Median-Äquivalenzeinkommen der betrachteten Haushalte. Die Armutsgefährdungsgrenze, die bei 60% des Median-Äquivalenzeinkommens liegt, beträgt in diesem Beispiel also 960 Euro.

Deutschland [1]:

2014 betrug das Durchschnittseinkommen von Alleinlebenden 2.497 Euro brutto und 1.913 Euro netto. Nach Ergebnissen der Untersuchung EU-SILC betrug das Median-Äquivalenzeinkommen aller Haushalte in Deutschland 1.644 Euro. Entsprechend lag der Schwellenwert für die Armutsgefährdung bei Alleinlebenden bei 987 Euro und bei Familien mit 2 Kindern bei 2.072 Euro. Werden die Werte der Fortschreibung des Mikrozensus 2011 verwendet, lagen die Schwellenwerte für die Armutsgefährdung sogar noch niedriger, bei 917 Euro für Alleinlebende bzw. 1.926 Euro bei Familien mit 2 Kindern. Im Bundesdurchschnitt kamen somit 16,7% der erwachsenen Personen (EU-SILC) bzw. 15,4% der Haushalte (Mikrozensus) in Deutschland auf ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze.

Verwechslungsgefahr und falsche Vorstellungen:

Liest oder hört man, dass die Armutsgefährdungsquote bei 60% des Einkommens oder des Durchschnitts liegt, und berechnet den Schwellenwert dann fälschlicherweise vom durchschnittlichen Nettoeinkommen, so kommt man auf falsche Beträge, die wesentlich höher sind als die tatsächlichen Schwellenwerte für die Armutsgefährdung. Dies kann zur falschen Vorstellung führen, dass ein Single mit 1.147 Euro Nettoeinkommen oder ein kinderloser Zweipersonen-Haushalt mit 2.294 Euro Nettoeinkommen als armutsgefährdet eingestuft wird. Hierdurch könnte wiederum der Eindruck entstehen, dass die Anzahl der armutsgefährdeten Personen übertrieben sei. Genau das ist allerdings gerade nicht der Fall.


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[1] Statistisches Jahrbuch 2016 des Bundesamtes für Statistik, S. 169, 179, 180 (Link zur PDF auf www.destatis.de)

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