Glossar: Durchschnittseinkommen und Medianeinkommen
Bei der Betrachtung von Einkommen werden Durchschnittseinkommen und Medianeinkommen immer wieder verwechselt oder unsauber getrennt. Gerade bei der Bewertung der Armut bzw. der Armutsgefährdung kommt es damit schnell zu falschen Vorstellungen und Eindrücken. Hier folgt deshalb eine Erklärung des Unterschieds.
Das Durchschnittseinkommen:
Das Durchschnittseinkommen gibt das arithmetische Mittel aller Einkommen einer Gruppe (z.B. Personen oder Haushalte) an. Es kann sowohl für Bruttoeinkommen als auch für Nettoeinkommen bestimmt werden.
Das Medianeinkommen (mittleres Einkommen):
Zur Berechnung des Medianeinkommens, oft auch mittleres Einkommen genannt, werden alle Einkommen einer Gruppe (z.B. Personen oder Haushalte) nach ihrer Höhe geordnet. Jenes Einkommen, das die Person oder der Haushalt in der Mitte dieser Liste hat, ist das Medianeinkommen. In der Regel wird das Medianeinkommen auf Basis der Nettoeinkommen berechnet, z.B. in Form von verfügbaren Haushaltseinkommen.
Median-Äquivalenzeinkommen:
Das Äquivalenzeinkommen wird zum Vergleich zwischen unterschiedlichen Haushaltsformen (Singlehaushalte, Zweipersonenhaushalte, Haushalte mit Kindern) herangezogen und rechnet das Nettoeinkommen, beispielsweise einer Familie mit zwei Kindern, auf das Nettoeinkommen eines Haushalts einer alleinlebenden Person um. Das Median-Äquivalenzeinkommen ist dementsprechend das umgerechnete Einkommen, das sich in der Mitte der nach der Höhe der Einkommen geordneten Liste befindet. Haushalte deren Äquivalenzeinkommen bei 60% oder weniger des Median-Äquivalenzeinkommens liegen, gelten als armutsgefährdet.
Beispiel:
Betrachtet werden 11 Haushalte von alleinlebenden Personen mit unterschiedlichem Nettoeinkommen.
Das Durchschnittseinkommen dieser 11 Haushalte beläuft sich auf 2.018 Euro. Das Medianeinkommen bzw. mittlere Einkommen liegt hingegen bei 1.600 Euro. Da es sich hierbei um die Haushalte von alleinlebenden Personen handelt, entsprechen die Haushaltseinkommen ohne weitere Umrechnungen dem Äquivalenzeinkommen dieser Haushalte. Das in der Mitte liegende Einkommen (Person 6) in Höhe von 1.600 Euro ist das Median-Äquivalenzeinkommen der betrachteten Haushalte. Die Armutsgefährdungsgrenze, die bei 60% des Median-Äquivalenzeinkommens liegt, beträgt in diesem Beispiel also 960 Euro.
Deutschland [1]:
2014 betrug das Durchschnittseinkommen von Alleinlebenden 2.497 Euro brutto und 1.913 Euro netto. Nach Ergebnissen der Untersuchung EU-SILC betrug das Median-Äquivalenzeinkommen aller Haushalte in Deutschland 1.644 Euro. Entsprechend lag der Schwellenwert für die Armutsgefährdung bei Alleinlebenden bei 987 Euro und bei Familien mit 2 Kindern bei 2.072 Euro. Werden die Werte der Fortschreibung des Mikrozensus 2011 verwendet, lagen die Schwellenwerte für die Armutsgefährdung sogar noch niedriger, bei 917 Euro für Alleinlebende bzw. 1.926 Euro bei Familien mit 2 Kindern. Im Bundesdurchschnitt kamen somit 16,7% der erwachsenen Personen (EU-SILC) bzw. 15,4% der Haushalte (Mikrozensus) in Deutschland auf ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze.
Verwechslungsgefahr und falsche Vorstellungen:
Liest oder hört man, dass die Armutsgefährdungsquote bei 60% des Einkommens oder des Durchschnitts liegt, und berechnet den Schwellenwert dann fälschlicherweise vom durchschnittlichen Nettoeinkommen, so kommt man auf falsche Beträge, die wesentlich höher sind als die tatsächlichen Schwellenwerte für die Armutsgefährdung. Dies kann zur falschen Vorstellung führen, dass ein Single mit 1.147 Euro Nettoeinkommen oder ein kinderloser Zweipersonen-Haushalt mit 2.294 Euro Nettoeinkommen als armutsgefährdet eingestuft wird. Hierdurch könnte wiederum der Eindruck entstehen, dass die Anzahl der armutsgefährdeten Personen übertrieben sei. Genau das ist allerdings gerade nicht der Fall.
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[1] Statistisches Jahrbuch 2016 des Bundesamtes für Statistik, S. 169, 179, 180 (Link zur PDF auf www.destatis.de)
Verstehe den Sinn und Zweck der Ermittlung des Medianeinkommens nicht.
Die Personen sind doch willkürlich gewählt und beziehen sich auf unterschiedliche soziale Schichten von verschiedenen Standorten (Nord/Süd – Ost/West Einkommensverhältnisse) z. B. Akademiker, Handwerker usw. wie kann ich da mit der Medianermittlung zu einem brauchbaren und nachvollziehbaren Ergebnis kommen – wem nutzt das??????Die Ergebnisse sind doch kaum anwendbar, oder wer kann damit was anfangen? Es werden Äpfel mit Birnen verglichen.
Vielen Dank für eine Rückmeldung
ich will versuchen, es zu erklären. Zunächst einmal ist die Frage, welchen Mittelwert man verwendet, also z.B. Median oder arithmetisches Mittel, unabhängig von der Frage, wie die zu untersuchende Gruppe zusammengesetzt wird. Ob also ein ganzes Land, eine einzelne Stadt, nur Männer, nur Akademiker oder Personen im Alter von 20 bis 30 betrachtet werden, bleibt dem Anwender überlassen. Klar ist, je größer die Gruppe gefasst wird, desto mehr Einzelinformationen gehen verloren. Allerdings ist das verdichten von Informationen auf ein brauchbares Maß eben genau das Ziel von Mittelwerten.
Ob man als Mittelwert das arithmetische Mittel oder den Median verwendet, hängt davon ab, auf welche Information es einem ankommt. Angenommen, es geht um den Vergleich der Einkommenssituation in zwei Nachbarstädten. Nachdem die Städte unterschiedlich viele Einwohner haben, kann man nicht einfach die absoluten Werte 170 Mio. zu 370 Mio. Euro vergleichen. Man muss also die Informationen beider Städte erst auf einen Mittelwert verdichten, um sie vergleichen zu können. Nimmt man dafür das arithmetische Mittel, kann es aber schnell passieren, dass einzelne Ausreiser die Statistik extrem verzerren. Zum Beispiel lebt in einer der beiden Städte ein Milliardär. Auch wenn sich das überhaupt nicht im Leben der Menschen und in der Stadt widerspiegelt, liegt dadurch das Durchschnittseinkommen deutlich höher. Deshalb ist es durchaus üblich, insbesondere in den Sozialwissenschaften, auf die Person oder den Haushalt in der Mitte zu schauen. Das schließt Verzerrungen zwar auch nicht gänzlich aus, verringert aber das Risiko. Gleichwohl, aus einer einzelnen Kennzahl sollte man eh noch keine Schlüsse ziehen.