Euro-Finanzminister haben durch Draghis Geldpolitik 150 – 200 Mrd. Euro mehr in der Kasse

Nach eigenen Berechnungen auf Basis von Eurostat-Daten werden die Haushalte der Euro-Länder durch die EZB-Politik des billigen Geldes um etwa 150 – 200 Mrd. Euro pro Jahr entlastet. Dies ergibt sich aus dem Vergleich der Schulden- und Zinslastquoten im Jahr 2016 mit denen der Jahre vor der Finanz- und Eurokrise.
So lag der Schuldenstand der 19 Euro-Länder im Jahr 2004 bei 68,4% des BIP und die Zinslast betrug 3% des BIP. Bis zum Jahr 2016 wuchsen die Schulden der Euro-Länder allerdings auf 89,2% des BIP, weshalb bei gleichem Zinsniveau wie im Jahr 2004 eine Zinslast von 3,9% des BIP zu erwarten gewesen wäre. Tatsächlich mussten die Mitgliedsländer der Eurozone im Jahr 2016 jedoch nur eine Zinslast von 2,2% des BIP tragen, was einer Ersparnis von rund 1,7% des BIP bzw. 180 Mrd. Euro entspricht. Wählt man 2005 oder 2006 als Vergleichsjahr, so liegt die jährliche Ersparnis bei rund 160 Mrd. Euro, im Vergleich zu 2007 bei rund 190 Mrd. Euro und im Vergleich zu 2008 bei rund 170 Mrd. Euro.

Durch die Leitzinssenkung der EZB Ende 2008 von 4% auf 1% und später dann sogar auf 0% sowie das Kaufprogramm der EZB für Staatsanleihen der Euroländer, genannt „quantitative easing“, wurden die Staatshaushalte in der Eurozone über die Jahre der Finanz- und Eurokrise massiv beim Schuldendienst entlastet. Neben den Staaten profitieren aber auch alle anderen Kreditnehmer, z.B. Unternehmen oder Häuslebauer, vom deutlich niedrigeren Zinsniveau. Umgekehrt leiden allerdings die Kreditgeber, z.B. private Rentenversicherer oder der ganz normale Sparer, unter den gesunkenen Renditen.

Für den deutschen Staatshaushalt errechnet sich für das Jahr 2016 im Vergleich zu 2007 eine Zinsersparnis von 35 – 40 Mrd. Euro verteilt auf Bund, Länder und Kommunen. Die gute Haushaltslage in vielen Bundesländern und im Bund ist damit vor allem auf die Geldpolitik der EZB zurückzuführen. Daneben profitiert der Fiskus aber auch von der wiederbelebten Konjunktur, die jedoch ebenfalls maßgeblich durch die EZB-Politik des billigen Geldes getragen wird. Entsprechend ist die gute wirtschaftliche Lage in Deutschland viel mehr Mario Draghi geschuldet als der Arbeit der Bundesregierung, die in den letzten Jahren kaum etwas für eine positive konjunkturelle Entwicklung in Deutschland unternommen hat. Umso unverständlicher ist es daher, dass hierzulande häufig auf den EZB-Chef Draghi geschimpft wird, während im gleichen Atemzug die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gelobt wird.
Eine Dauerlösung kann die aktuelle Niedrigzinspolitik der EZB allerdings nicht sein, weshalb es dringend erforderlich wäre, die entstandenen Spielräume endlich zu nutzen, um durch Infrastrukturmaßnahmen und Investitionen in Bildung und Qualifikation die Wirtschaft in Deutschland und der Eurozone anzukurbeln.

Anmerkung: Nachdem der Schuldenstand eine Bestandsgröße zum Ende eines Jahres ist, während sich die Zinslast auf den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12. eines Jahres bezieht, handelt es sich bei der errechneten Ersparnis nur um einen groben Wert. Außerdem sind die Daten von Eurostat gerundet, was ebenfalls zu Lasten der Genauigkeit geht. Aus diesem Grund wird in diesem Text für die Zinsersparnis keine genaue Zahl, sondern nur ein Korridor (150 – 200 Mrd. Euro für die Eurozone bzw. 35 – 40 Mrd. Euro für Deutschland) angegeben.

Entwicklung der Schulden und Zinsen in der Eurozone:


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Die Entwicklung von Schuldenstand und Zinslast der Euro-Staaten in der Finanzkrise (www.mister-ede.de – 26.02.2015)

BIP, Finanzsaldo, Schulden und Zinsen der einzelnen Euroländer seit 2005 (www.mister-ede.de – 25.06.2015)

Die Wirkung von Zins, Inflation und Wachstum auf die Staatsschuldenquote (www.mister-ede.de – 10.08.2015)

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