mister-ede.de » Fluchtrouten http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Flüchtlingspolitik: Alternativen zur Ägäis-Route http://www.mister-ede.de/politik/alternativen-zur-aegaeis-route/4841 http://www.mister-ede.de/politik/alternativen-zur-aegaeis-route/4841#comments Fri, 11 Mar 2016 08:39:25 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4841 Weiterlesen ]]> In der öffentlichen Diskussion über die Verhandlungen mit der Türkei zur Begrenzung der Migrationsbewegung in der Ägäis, wird immer wieder angeführt, dass ein Abkommen mit der Türkei ins Leere läuft, weil die Flüchtlinge im Zweifel einfach auf andere Routen ausweichen. Ob ein solches Szenario tatsächlich realistisch ist, soll ein genauerer Blick auf die möglichen Ausweichrouten zeigen.

Die Entwicklung der Flüchtlingsrouten:

Vergleicht man die Zahlen, flohen und fliehen seit etwa vier Jahren über die Staaten Nordafrikas und das Mittelmeer grob 200.000 Personen pro Jahr, während über die Türkei nach Griechenland bis zum Frühjahr 2015 nur einige tausend Schutzsuchende kamen. Dies änderte sich ab diesem Zeitpunkt, vermutlich weil erkennbar wurde, dass dieser Weg für Flüchtlinge mit weniger Risiko und Aufwand verbunden, aber genauso erfolgsversprechend ist. In den Sommermonaten 2015 reisten dann zum Teil 200.000 Flüchtlinge in einem einzigen Monat irregulär über die Türkei in Griechenland und damit der EU ein und selbst jetzt im Winter lag diese Zahl mit z.B. 67.000 Einreisen im Januar 2016 äußerst hoch.
Dies zeigt allerdings, dass es sich bei der Ägäis-Route schon um eine besondere Route und nicht nur um eine unter vielen handelt. Die geografischen Verhältnisse mit kilometerlangen Seegrenzen bei zum Teil wenigen Kilometern Abstand zwischen türkischem Festland und griechischen Inseln sind für eine irreguläre Einreise in die EU weit besser geeignet, als das bei allen bisherigen Wegen der Fall war. Gerade deshalb dürfte es für Schlepper und Flüchtlinge allerdings schwer werden, diese Route einfach durch eine andere zu ersetzen, zumal für die irreguläre Migration von monatlich 100.000 Menschen auch erst wieder eine gewisse Infrastruktur aufgebaut werden muss.

Alternative Routen:

Die naheliegendste Alternative ist der Geografie entsprechend eine Fluchtroute von der Türkei über das Schwarze Meer nach Bulgarien. Bei einem Abkommen mit der Türkei könnte allerdings genau das schon berücksichtigt werden, so dass einem Ausweichverhalten automatisch vorgebeugt wäre.
Nördlich der Türkei sind Wege über Russland denkbar, allerdings erscheint eine Fluchtbewegung in dieser Dimension über Russland bei aller Phantasie höchst unwahrscheinlich. Hingegen scheitern die südlich der Türkei gelegenen Fluchtrouten über Zypern daran, dass das EU-Mitglied bislang nicht in den kontrollfreien Schengenraum integriert ist.
Damit verbleiben jedoch nur wieder jene Fluchtrouten über Nordafrika, die von den Flüchtlingen, wenn es denn geht, gemieden werden. Hinzu kommt, dass die EU diesbezüglich ihre Kooperation mit Marokko, Algerien und Tunesien weiter vertieft, weshalb auch dort eine Entwicklung wie in der Ägäis zurzeit unwahrscheinlich ist. Übrig bleibt somit alleine die Fluchtroute über das Gebiet des früheren Libyens z.B. nach Lampedusa oder Malta. Doch selbst wenn sich an der dortigen Situation vorerst nichts ändert und es nicht gelingt, mit Hilfe einer neuen Regierung zu einer stabilen Lage an der libyschen Küste zu kommen, wird diese Route nur zum Teil einen Ersatz darstellen können. Immerhin ist es ein gewaltiger Unterschied, ob mit einem Boot im Mittelmeer eine Strecke von 3 oder 300 Kilometern überwunden werden muss und das zeigt sich eben auch darin, dass der sprunghafte Anstieg der Flüchtlingszahlen im Frühjahr 2015 eng mit der Ägäis-Route verbunden ist.

Fazit:

Kommt es zu einer Vereinbarung mit der Türkei, welche die irreguläre Migration in die EU deutlich erschwert, z.B. durch ein Rückführungsabkommen, wird der Druck auf andere Fluchtrouten zunehmen. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass dort ähnliche Dimensionen bei den Flüchtlingszahlen erreicht werden, wie auf der Ägäis-Route von der Türkei nach Griechenland. Die Vermutung, dass ein Abkommen mit der Türkei wegen eines Ausweichverhaltens der Flüchtlinge ins Leere läuft, ist deshalb zumindest gewagt.


Ähnliche Artikel:
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Flüchtlinge in der EU: Grenzsicherung durch Rückführungsabkommen http://www.mister-ede.de/politik/eu-rueckfuehrungsabkommen/4754 http://www.mister-ede.de/politik/eu-rueckfuehrungsabkommen/4754#comments Fri, 05 Feb 2016 20:52:18 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4754 Weiterlesen ]]> Zurzeit wird im Rahmen der gestiegenen Flüchtlingszahlen verstärkt über die Grenzsicherung an den Binnengrenzen innerhalb der EU oder auch an den EU-Außengrenzen diskutiert. Häufig stehen dabei jedoch Maßnahmen im Vordergrund, die darauf abzielen, einen Grenzübertritt zu verhindern, sei es mit Stacheldraht, mit verbotenen Push-Back-Operationen im Mittelmeer oder sogar mit Schießbefehl und Waffengewalt. Eine andere Variante, die leichter umzusetzen und zugleich auch wesentlich humaner wäre, wird in der Öffentlichkeit hingegen kaum diskutiert: Rückführungsabkommen.

Würde z.B. Deutschland jene Flüchtlinge, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen, wieder in diesen zurückführen, bräuchte es an der Grenze keinen Zaun, sondern einfach nur genügend Grenzpolizisten, die Schutzsuchende ohne gültige Papiere aufgreifen und festsetzen. Wenn die Flüchtlinge zuvor in einem anderen Dublin-Land registriert wurden, ist eine Rückführung rechtlich und faktisch kein Problem, sofern in dem betreffenden Land europäische Regeln beim Umgang mit Flüchtlingen eingehalten werden. Aber auch für den Fall, dass eine Person zuvor nirgends registriert wurde, könnte zum Beispiel mit Österreich eine Rückführung vereinbart werden, wenn bei der entsprechenden Person an einer Einreise aus Österreich keine begründeten Zweifel bestehen.

Ein europäischer Ansatz erscheint allerdings gerade bei dieser Variante der Grenzsicherung noch sinnvoller. Blickt man auf die Hauptfluchtrouten, so kommen aus Nordafrika über das Mittelmeer grob 200.000 Flüchtlinge im Jahr. Eine deutlich größere Zahl erreicht die EU hingegen aus der Türkei und zwar meist auf dem Weg von der türkischen Mittelmeerküste zu den nahegelegenen griechischen Inseln. Würde nun analog zur Zurückweisung von Schutzsuchenden an den offiziellen griechisch-türkischen Grenzübergängen auch ein Rückführungsabkommen für illegal eingereiste Flüchtlinge zwischen beiden Ländern vereinbart, könnte diese Fluchtroute schnell und ohne großen Personal- und Materialeinsatz ausgetrocknet werden. Kaum ein Flüchtling wäre dann nämlich noch bereit, für eine Überfahrt von der türkischen Küste auf eine griechische Insel einige tausend Dollar zu bezahlen und sein Leben zu riskieren, wenn er kurze Zeit später wieder in die Türkei zurückgeführt würde.

Anstelle immer kruderer Vorschläge zur Abwehr von Flüchtlingen an der Grenze, braucht es daher vor allem Gespräche mit jenen Ländern, aus denen die Flüchtlinge einreisen, sei es aus deutscher Sicht Österreich oder aus gesamteuropäischer Sicht die Türkei.
Mit Hinblick auf eine europäische Lösung sollte daher die EU auf ein Rückführungsabkommen mit der türkischen Regierung hinarbeiten, indem die EU zum Beispiel mit einer aktiven Beteiligung an der Flüchtlingshilfe in der Türkei dafür sorgt, dass Rückführungen dorthin rechtlich wie ethisch vertretbar sind. Gelingt es dann, sich mit der türkischen Regierung auf ein Abkommen zu einigen, das idealerweise auch für illegal nach Bulgarien eingereiste Flüchtlinge gilt, um einem möglichen Ausweichverhalten direkt vorzubeugen, sollte die Zahl der illegalen Einreisen in die EU wieder deutlich zurückgehen. Statt mit Waffengewalt, würden die Grenzen auf diese Weise mit einem Rückführungsabkommen gesichert.


Ähnliche Artikel:
Der künftige Umgang mit Schutzsuchenden aus sicheren Drittstaaten (www.mister-ede.de – 31.01.2016)

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Flüchtlingspolitik: Der Unterschied zwischen Kontingenten und Obergrenzen http://www.mister-ede.de/politik/kontingente-und-obergrenzen/4671 http://www.mister-ede.de/politik/kontingente-und-obergrenzen/4671#comments Mon, 23 Nov 2015 18:30:13 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4671 Weiterlesen ]]> Im Fokus der Asyldebatte stehen aktuell mit „Kontingenten“ und „Obergrenzen“ zwei grundverschiedene Konzepte, die allerdings häufig in einen Topf geworfen werden. So titelte gestern z.B. tagesschau.de „Die Obergrenze heißt jetzt Kontingent“ und auch der dazugehörige Artikel vermittelte den Eindruck, als würden sich beide Ansätze nur durch den Namen unterscheiden [1]. Um deshalb etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, stellt dieser Artikel zunächst beide Konzepte dar und im Anschluss kurz gegenüber.

Obergrenzen:

Geht es nach der bayerischen CSU, dann wird künftig eine Obergrenze eingeführt, die festlegt, wie viele Flüchtlinge in einem gewissen Zeitraum nach Deutschland einreisen dürfen, also z.B. 500.000 Flüchtlinge pro Jahr.

Eine solche Regelung wäre jedoch kaum mit Art. 16a GG und der Genfer Flüchtlingskonvention zu vereinbaren, denn beide Vorschriften stellen auf einen individuellen Schutzanspruch ab. Das heißt, dass es bei der Frage der Schutzgewährung nicht auf äußere Umstände ankommen darf, sondern nur darauf, ob eine Person die Voraussetzungen für einen Schutzanspruch erfüllt, z.B. eine Verfolgung vorliegt oder die Einreise nicht aus einem sicheren Drittland erfolgt. Lediglich bei einer objektiven Gefahr für die Existenz des Staates bzw. für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kann von dieser Maßgabe abgewichen werden. Allerdings dürfte es ebenfalls unzulässig sein, für einen solchen Fall unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten allgemein und schon im Voraus einen Grenzwert festzulegen.
Außerdem führt eine solche Obergrenze, wenn sie denn funktionieren soll, unweigerlich zu einem Bruch des Schengen-Abkommens, weil Deutschland, sobald die festgelegte Höchstzahl erreicht ist, seine Grenzen komplett schließen und jeden Einreisenden kontrollieren müsste. Daneben stellt sich aber auch die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit einer solchen Beschränkung, vor allem mit Blick auf ein mögliches Ausweichen auf die grüne Grenze. Ob dann Soldaten mit Gewehr im Anschlag die illegalen Eindringlinge – also unbewaffnete und unschuldige Flüchtlinge – am Grenzübertritt hindern sollen, hat die CSU bislang nämlich noch nicht erklärt.

Kontingente:

Geht es nach Angela Merkel, SPD, Grünen und auch Menschenrechtsorganisationen, werden künftig Kontingente eingeführt, um legale und vor allem sichere Wege für Flüchtlinge nach Deutschland zu eröffnen. Bereits in Krisenländern bzw. in Flüchtlingslagern vor Ort sollen Flüchtlinge die Möglichkeit haben, über dieses Instrument ihren Schutzanspruch geltend zu machen und dann z.B. aus der Türkei per Flugzeug direkt nach Deutschland zu reisen. Auf diese Weise sollen dann die EU-Außengrenzen, die Balkanländer und damit am Ende auch die deutsch-österreichische Grenze entlastet werden und geordnete Verfahren entstehen.

Sowohl das Recht auf Asyl als auch die Genfer Flüchtlingskonvention würden durch eine solche Regelung unberührt bleiben, weil es sich bei diesen Kontingenten nicht um einen Ersatz für diese Schutzrechte handelt, sondern um ein zusätzliches Aufnahmeangebot Deutschlands. Genau deshalb kann Deutschland im Rahmen solcher Kontingente dann aber auch einseitig eine Obergrenze festlegen oder weitere Vorgaben machen, z.B. im Bezug auf die Nationalität oder im Hinblick darauf, ob Familien, Waisenkinder, Menschen mit Behinderung oder Opfer von Gewalttaten innerhalb dieser Kontingente bevorzugt behandelt werden sollen.
Außerdem sind Grenzschließungen bei diesem Ansatz nicht notwendig, weil ein erschöpftes Kontingent lediglich zu einem Aufnahmestopp über den Weg der Kontingente führt, nicht jedoch zu einem Ende der Aufnahme im Rahmen des grundgesetzlichen Asylschutzes oder der Genfer Flüchtlingskonvention.

Gegenüberstellung:

Der wesentlichste Unterschied beider Konzepte ist, dass Kontingente neue Zugangswege für Flüchtlinge schaffen, während mit einer Obergrenze die vorhandenen Wege zur Schutzsuche eingeschränkt werden. Entsprechend setzen die Kontingente mit der Schaffung legaler Fluchtmöglichkeiten am Anfang der Fluchtkette an, wohingegen eine Obergrenze mit dem Ziel einer Abschottung Deutschlands am Ende dieser Fluchtkette ansetzt.
Im Gegensatz zu Kontingenten ist eine Obergrenze allerdings kaum mit Art. 16a GG und der Genfer Flüchtlingskonvention zu vereinbaren und führt zu weiteren rechtlichen und praktischen Problemen, sobald es tatsächlich zu Grenzschließungen kommen müsste.


Ähnliche Artikel:
Flüchtlingspolitik: Ein Anfang ist gemacht, doch es bleibt ein weiter Weg (www.mister-ede.de – 22.09.2015)

Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)


[1] Artikel auf Tagesschau.de vom 22.11.2015 (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

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