mister-ede.de » Schere zwischen Arm und Reich http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Das Verfassungsgerichtsurteil zu Hartz-IV-Sanktionen ist ein Sieg des Sozialstaats http://www.mister-ede.de/politik/urteil-hartz-iv-sanktionen/8920 http://www.mister-ede.de/politik/urteil-hartz-iv-sanktionen/8920#comments Sat, 09 Nov 2019 17:52:26 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8920 Weiterlesen ]]> Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein regelrechter Befreiungsschlag für einen Sozialstaat, der seit zig Jahren von einer laissez-faire-neoliberalen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik konsequent ausgehöhlt wurde und zwar bis weit über die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen hinaus. Das wissen wir heute.

Und alle wussten es eigentlich auch schon immer. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in den letzten Jahren immer wieder klargestellt, dass unser Staat als demokratischer und sozialer Bundesstaat grundsätzlich verpflichtet ist, Menschen in einer existenziellen Notlage zu helfen. Lediglich die Beantwortung der Frage, wie und in welchem Maße Hilfe gewährt werden muss, haben die Verfassungsrichter entsprechend der Gewaltenteilung stets so weit wie möglich der Politik in Form des Gesetzgebers überlassen.
Insofern muss man aber kein promovierter Sozial- oder Staatsrechtler sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass eine vollständige Kürzung aller Hilfen bei Personen, die sich nicht selbst aus ihrer Existenznot befreien können, niemals und nimmer nicht diesen Anforderung genügen kann. Und so hat man zwischen den Zeilen bei diversen Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts und seiner Vertreter in der Vergangenheit einen gewissen Hilfeschrei an die Politik vernehmen können, man solle doch bitte in Berlin endlich handeln, damit Karlsruhe sich in dieser Frage nicht zum Ersatzgesetzgeber machen muss.
Diesen Ruf haben aber insbesondere CDU und CSU ganz bewusst überhört, denn für die langjährige Regierungspartei und ihre Kanzlerin bietet die jetzige Situation nur Vorteile. Zum einen wird ein innerparteilicher Streit über die Lockerung der Sanktionen vermieden und man kann nun ganz bequem sagen, das Verfassungsgericht hat uns halt zum Handeln gezwungen. Zum anderen dürfte die Kritik an dem bisherigen, in weiten Teilen massiv verfassungswidrigen Hartz-IV-Sanktionsregime insbesondere die SPD treffen. Sie hatte Hartz-IV und die Sanktionen eingeführt und das Urteil verdeutlicht nun einmal wieder, wie sehr bei der Sozialpolitik der SPD Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen.

Nun aber hat das Bundesverfassungsgericht sein Urteil gesprochen und damit erstmals ein Grenze festgelegt, die als absolutes Existenzminimum angesehen werden kann. 10 Euro am Tag, ein Dach über dem Kopf, Heizung und Krankenversicherung – darunter kommt der Staat nie mehr, bei niemandem der hierzulande in Existenznot ist. Und auch an diese absolut unterste Grenze kommt der Staat künftig nur noch in jenen Ausnahmefällen, in denen es absolut triftige Gründe für die Unterschreitung des vom Gesetzgeber festgelegten Existenzminimums gibt. Wenn aber eine 30% Sanktion das Maximum dessen ist, was im verfassungsrechtlichen Rahmen noch ausnahmsweise zulässig bleibt, wird man künftig bei einem ersten abgelehnten Jobangebot nicht gleich 30% sanktionieren. Das Urteil wird deshalb erhebliche Auswirkungen auf das bisherige Sanktionsregime insgesamt haben und auch die Debatte über eine Umstellung von Sanktionen auf Anreize dürfte wieder deutlich an Fahrt aufnehmen. Statt 10% Sanktionen für diejenigen, die Termine verpassen, sind ja auch 10% Bonus für all jene denkbar, die ihre Sachen mit dem Amt ordentlich regeln.

Möglich bleibt aber natürlich weiterhin, die Leistungen in den Fällen komplett zu streichen, in denen überhaupt keine Existenznot vorliegt, welche die Menschenwürde bedroht. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn und solange direkt verwertbare Rücklagen vorhanden sind, gegebenenfalls auch im Bereich des eigentlichen Schonvermögens, oder wenn und solange es zumutbare Arbeit gibt, z.B. durch ein staatliches Arbeitsprogramm, das eine jederzeitige Arbeitsaufnahme erlaubt. Gibt es solche Möglichkeiten, um direkt und unmittelbar für seine Existenzsicherung zu sorgen, so hat man durch das Nachrangprinzip auch weiterhin keinen Anspruch auf eine Hilfsleistung der Solidargemeinschaft. Zwar wird dies in einigen Veröffentlichungen zum Urteil als Hintertür bezeichnet, aber rechtsdogmatisch wie auch inhaltlich-logisch ist das konsistent und aus meiner Sicht war jetzt auch nicht zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht den lange entwickelten Nachranggrundsatz kippt.
Sobald in der nächsten Zeit die tatsächlichen Auswirkungen des Urteils sichtbar werden, z.B. durch die Aussetzung der Sanktionen auch für unter 25-Jährige, dürfte sich aber auch diese mancherorts noch vorhandene Skepsis gegenüber dem Urteil legen und noch viel deutlich werden, welchen Fortschritt der Richterspruch aus Karlsruhe für den Sozialstaat bedeutet.

Link zur Pressemeldung des BVerfG mit dem Urteil (www.bundeverfassungsgericht.de)


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Sozial-ökologische Marktwirtschaft statt Laissez-faire-Neoliberalismus oder Sozialismus http://www.mister-ede.de/politik/sozial-oekologische-marktwirtschaft/8866 http://www.mister-ede.de/politik/sozial-oekologische-marktwirtschaft/8866#comments Sun, 08 Sep 2019 13:21:52 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8866 Weiterlesen ]]> Die Gesellschaft zerreißt zusehends, die Demokratie wird Stück für Stück ausgehöhlt und die Natur immer weiter zerstört. Es muss sich ganz dringend etwas ändern!
Der menschenverachtende, demokratieschlachtende und umweltvernichtende Laissez-faire-Neoliberalismus gehört endlich auf den Friedhof der Wirtschaftssysteme. Allerdings nicht, um auf selbigem die Leiche des Sozialismus auszugraben. Denn allen Heilsversprechen zum Trotz endete bisher jedes sozialistische Experiment in Rechtlosigkeit und Unterdrückung. Wer „Mehr Sozialismus wagen!“ ruft, dem antworte ich deshalb: „Weniger Diktatur riskieren!“
Was wir stattdessen brauchen, ist einen Aufbruch zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft in einem föderalen, freiheitlich-demokratischen Europa.

Laissez-faire-Neoliberalismus, Staatskapitalismus und Sozialismus

Der Laissez-faire-Neoliberalismus und der Staatskapitalismus z.B. in China sind zwei Spielarten des Kapitalismus, die trotz ihrer Unterschiede eng miteinander verwandt sind. In beiden Systemen verschmelzen Politik und Wirtschaft faktisch zu einem einzigen Akteur. Im Laissez-faire-Neoliberalismus sind es die wirtschaftlich Starken und Mächtigen, die immer mehr Einfluss auf die Politik nehmen – mit Parteisponsoring, Lobbykampagnen, dem Institut Neue Soziale Marktwirtschaft oder der Bertelsmann-Stiftung. So bestimmen hierzulande und weltweit Unternehmen selbst mit, welche Regeln für sie gelten, wie hoch dieser oder jener Abgasgrenzwert oder eine Steuer sein soll. Im Staatskapitalismus sind diesbezüglich nur die Vorzeichen umgedreht. Dort ist es die politische Spitze, die nicht nur ordnungspolitische Macht über die Wirtschaft hat, sondern die großen Konzerne in weiten Teilen auch selbst beherrscht. Die chinesische Führung gibt also nicht nur den Rahmen vor, sondern legt gleichzeitig fest, wie Unternehmen diesen Rahmen ausfüllen sollen. Nur, wer ist in solchen Wirtschaftssystemen dann noch Kontrolleur und wer Kontrollierter?

Eine wehrhafte und nachhaltige Demokratie zeichnet sich durch ein funktionierendes System an „Checks and Balances“ aus. Die Gewaltenteilung ist daher ein unverzichtbares Element jeder demokratischen Grundordnung. Und dasselbe gilt für eine Marktwirtschaft. Neben den Konsumentinnen und Konsumenten, die frei über ihren Konsum entscheiden können und sollen, braucht es sowohl die staatliche Gewalt, die mit aller Macht versucht, die Wirtschaft in einen gemeinwohlfördernden Rahmen zu drücken, als auch jene unternehmerische Kraft, die innerhalb dieses ordnungspolitischen Rahmens alles gibt, um effektiv und effizient zu wirtschaften. Erst dieser Widerstreit der verschiedenen Kräfte macht aus einer Marktwirtschaft ein funktionierendes Wirtschaftssystem. Wie zuvor beschrieben, ist das aber weder im Staatskapitalismus noch im Laissez-faire-Neoliberalismus gegeben. Dort fehlt es an den gegeneinander gerichteten Interessen und so macht sich eine politisch-wirtschaftliche Machtclique ihre eigenen Gesetze. Und im Sozialismus ist zwar vieles anders, aber genau das nicht. Auch dort gibt es nur diese eine Instanz, die sowohl den Rahmen festlegt als ihn auch selbst ausfüllt – „der VEB Baukombinat wurde beauftragt 100 Wohnung zu bauen“. Es fehlt damit aber an genau dem, was ein nachhaltig funktionierendes Wirtschaftssystem ausmacht: Die Unabhängigkeit der rahmensetzenden staatlichen Gewalt von den rahmenfüllenden Akteuren, also Produzenten wie Konsumenten. Insofern kann aber auch der Sozialismus kein Fortschritt und schon gar kein Ausweg sein, denn auch dort würde sich schnell wieder jener allmächtige Führungskader etablieren, der sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert.

Sozial-ökologische Marktwirtschaft

Wofür ich wirtschaftspolitisch stattdessen eintrete, ist eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft. Das heißt zum einen, die Wiedererlangung des Primats der Politik über die Wirtschaft und das Aufräumen mit dem laissez-faire-neoliberalen „Markt-vor-Staat“-Irrglauben. Das heißt aber auch, den ordnungspolitischen Rahmen künftig so zu setzen, dass er den Herausforderungen unserer Zeit tatsächlich gerecht wird. Das gilt für die soziale Frage, das Auseinanderdriften von Arm und Reich, die Umbrüche am Arbeitsmarkt durch Robotik, Digitalisierung und Globalisierung, aber eben auch für die ökologische Frage – Nitrat in Böden und Grundwasser, (Mikro-)Plastik in den Weltmeeren, anthropogene Treibhausgase in der Atmosphäre oder die Endlichkeit der Ressourcen auf unserem Erdball.

Was den sozialen Rahmen anbelangt, so muss dieser künftig so gestaltet werden, dass das Auseinanderdriften der Gesellschaft in eine kleine reiche Vermögenselite und eine breite vermögenslose Masse gestoppt und die Ungleichheit wieder auf ein nach ökonomischen und vielmehr noch ethischen Gesichtspunkten verträgliches Maß zurückgefahren wird. Es braucht dazu unter anderem eine höhere Besteuerung der Vermögensmasse, höhere Steuern auf Spitzeneinkommen und Kapitalerträge sowie die Einführung einer Finanzmarktsteuer. Umgekehrt braucht es die Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen durch einen höheren Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer und Entlastungen bei den Sozialabgaben, ein ordentliches Kindergeld für alle Kinder und eine sanktionsfreie Mindestsicherung für alle Bürgerinnen und Bürger. Es braucht dazu aber genauso auch mehr Tarifbindung, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken, einen fairen Mindestlohn, Lohnzuschläge bei Leiharbeit und Befristung, den Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes für all jene, die trotz guter Qualifikation und Leistungswillen keine Chancen am regulären Arbeitsmarkt haben, eine soziale Absicherung für Crowd- und Clickworker und noch so unendlich vieles mehr, um wieder zu einer Gesellschaft zu werden, in der es einer breiten Masse möglich ist, durch Arbeit zu Wohlstand zu gelangen.
Daneben können und dürfen wir als Gesellschaft aber auch nicht über unsere ökologischen Verhältnisse leben. Das heißt beispielsweise, dass Emissionen künftig so besteuert werden müssen, dass auch ein tatsächlicher Anreiz zur Emissionsvermeidung entsteht. Im Verkehrsbereich müssen Alternativen zum CO2-intensiven Individualverkehr entwickelt werden. In Bezug auf Ressourcenschonung sind außerdem höhere Recyclingquoten und eine Verpackungssteuer sinnvolle Maßnahmen oder die Pflicht z.B. für Smartphone-Hersteller, Akkus und andere Teile ersetzbar zu gestalten. Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass Produkte länger halten, braucht es dafür aber gar nicht unbedingt detaillierte technische Vorgaben. Es reicht aus, den Garantie- und den anschließenden Gewährleistungszeitraum zu verlängern. Unternehmen werden dann von sich aus schauen, wie sie einen solchen neuen ordnungspolitischen Rahmen wieder effizient ausfüllen, also nicht allzu oft kostenlos reparieren, umtauschen oder zurücknehmen müssen.

Einzelmaßnahmen vs. Konzept

Man kann die Liste der notwendigen Maßnahmen für eine Umgestaltung hin zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft beliebig fortsetzen. Für die meisten Einzelmaßnahmen gilt dabei, dass sie verzichtbar wären, wenn denn alle anderen Maßnahmen erfolgreich umgesetzt würden. Wenn alle Erwachsenen genügend Geld haben, braucht es nicht mehr zwingend ein hohes Kindergeld. Bei einem hohen Kindergeld braucht es nicht mehr zwingend eine Gebührenfreiheit für KiTa-Plätze. Es bedeutet umgekehrt aber auch, dass aus vielen Einzelmaßnahmen noch lange kein Konzept wird. Das ist beispielsweise ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Kinderarmut in den letzten 20 Jahren – Einzelmaßnahmen gab es in diesem Bereich genügend, aber eben kein Konzept, schon gar kein stimmiges.
Wenn ich also von einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft spreche, meine ich damit mehr als eine Liste von Einzelmaßnahmen. Vielmehr geht es um eine Grundhaltung, aus der heraus sich dann konkrete Einzelmaßnahmen ableiten lassen. Am ehesten lässt sich die Grundhaltung dabei mit einem Vergleich verdeutlichen. Der Laissez-faire-Neoliberalismus steht für eine Marktwirtschaft mit einem schwachen und nur reaktiven Staat. Ich möchte hingegen eine Marktwirtschaft mit einem starken und aktiv gestaltenden Staat!

Das Primat der Politik

Ziel des Laissez-faire-Neoliberalismus ist, das Primat der Politik weitestgehend durch ein Primat des Kapitals zu ersetzen. Hierzu wurde das staatliche Gemeinwesen in den letzten 50 Jahren auf verschiedene Weise ausgehöhlt. Zum einen wurde der ordnungspolitischen Rahmen immer weiter und weicher gestaltet. So viele Bereiche wie möglich sollten dem Markt untergeordnet werden – auch die Daseinsvorsorge, der Soziale Wohnungsbau, die Alterssicherung – und zwar so umfassend wie es nur irgend geht, also ohne Mietpreisbindung, ohne Verbraucher- oder Umweltschutz und ohne Steuern oder Sozialabgaben. Zum anderen, und das ist noch viel gravierender, wurde von laissez-faire-neoliberalen Wirtschafts- und Staatenlenkern in den letzten Jahrzehnten eine globale Wirtschaftsstruktur etabliert, in der die Politik vom Schiedsrichter zum Spielball, vom „maker“ zum „taker“ degradiert wurde – eine Tatsache, die hierzulande totgeschwiegen wird und dennoch in aller Munde ist. Nicht mehr der Staat entscheidet über den ordnungspolitischen Rahmen für das Kapital, seien es nun Großkonzerne, Stiftungen, Investmentfonds oder Superreiche, sondern das Kapital entscheidet, in welcher ordnungspolitische Umgebung es sich ansiedelt, wo es wohnhaft wird, ein Werk errichtet oder eine Firmenzentrale baut. Damit stehen nicht länger Unternehmen mit ihren Produkten im Wettbewerb zueinander, sondern gleich die Staaten selbst mit ihren ordnungspolitischen Rahmen. Das ist die Perversion einer Marktwirtschaft und dennoch gehört es als Schlagwort vom „Wirtschaftsstandort Deutschland“ bzw. von der „Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“ zum Alltag der wirtschaftspolitischen Debatte im Vorzeigeland des Laissez-faire-Neoliberalismus.

Die Wiederherstellung des Primats der Politik ist unter diesen Gegebenheiten kein leichtes Unterfangen. Gleichwohl ist es für eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft zwingend erforderlich, denn nur wenn die demokratisch legitimierten Volksvertreterinnen und Volksvertreter überhaupt in der Lage sind, einen ordnungspolitischen Rahmen zu setzen, können sie diesen auch sozial und ökologisch ausgestalten.
Dem laissez-faire-neoliberalen Zerrbild des Gemeinwesens als „gierigem, verschwenderischem, störendem, verbietendem, einschränkendem Staat“ – wer möchte einen solchen Staat schon stärken – muss deshalb zunächst die Idee und das Bild eines Staates als „fairem Schiedsrichter“, „solidarischem Beistand“, „Schutzengel“ oder „Retter in der Not“ entgegengesetzt werden. Einen solchen Staat möchte man als Bürgerin oder Bürger doch schon viel eher fit und verlässlich an seiner Seite wissen. Und mit einer demokratischen Mehrheit im Rücken kann der Staat an vielen Stellen auch wieder dazu befähigt werden, der Wirtschaft eine soziale und ökologische Richtung zu geben. Das gilt vor allem dort, wo die Ordnungsrahmen nicht in Wettbewerb zueinander stehen. Die Paketzustellung innerhalb Deutschlands ist ein typisches Beispiel. Hier könnte der deutsche Gesetzgeber sowohl im Sozialen (Branchen-Mindestlohn) wie im Ökologischen (emissionsfreie Zustellung) sehr viel mehr machen, weil es sich um eine Dienstleistung handelt, die man nur in Deutschland selbst durchführen kann. In diesem Fall ist es also völlig unerheblich, welche ordnungspolitischen Rahmen für die Paketzustellung in Frankreich oder Polen gelten.

Daneben braucht es aber auch Konzepte, um das Primat der Politik in all jenen Bereichen wiederherzustellen, in denen es durch die laissez-faire-neoliberale Struktur der Weltwirtschaft ausgehebelt wurde. Was machen wir also überall dort, wo die Konkurrenz der unterschiedlichen ordnungspolitischen Rahmen zu einer Abwärtsspirale von Umwelt- und Sozialstandards, zu ruinösem Steuerwettbewerb und immer weniger Arbeitnehmerrechten führt?
Wenn der Gesetzgeber in Deutschland heute deutlich mehr Platz für Legehennen beschließt, stehen die Legebatterien morgen im EU-Ausland und die Eier werden einfach importiert. Um dieser Konkurrenz der Ordnungspolitik zu entgehen, muss deshalb wenigstens eine rudimentäre Rahmensetzung auf jener Ebene ermöglicht werden, auf der auch das Marktgeschehen stattfindet. Im Falle der Legehennen ist das auf europäischer Ebene gegeben und so hat die EU bereits 2012 die konventionelle Käfighaltung im gesamten Binnenmarkt komplett verbieten können. In vielen anderen Bereichen hat die EU aber bis heute keine oder nur eine sehr beschränkte Kompetenz zur Rahmensetzung, z.B. im sozialen Bereich, bei Steuern, bei Arbeitnehmerrechten. Das heißt, über ganz zentrale Elemente des ordnungspolitischen Rahmens – wie hoch sind Sozialabgaben, wie hoch die Stromsteuer, wie hoch der Mindestlohn, wie stark der Kündigungsschutz – entscheiden noch immer die einzelnen EU-Länder für sich alleine und zwar viel zu oft im Gegeneinander.
Eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft ist deshalb nur im Zusammenspiel mit europäischem Föderalismus denkbar. Es braucht eine Europäische Republik, die Vereinigten Staaten von Europa, einen Europäischen Bundesstaat, eine Europäische Föderation oder ein ähnliches Konstrukt, um eine demokratisch legitimierte rahmensetzende Gewalt auf jener Ebene anzusiedeln, auf der auch der Binnenmarkt steht, also auf der europäischen Ebene.

Ein föderales, freiheitlich-demokratisches und sozial-ökologisches Europa

Die Absatzüberschrift ist die Kurzfassung dessen, was ich für eine erstrebenswerte Zukunft für Europa halte. Es braucht eine föderale Struktur, um der europäischen Wirtschaft auf demokratischem Wege wieder einen adäquaten Ordnungsrahmen setzen zu können und zwar auch bei Steuern, Arbeitnehmerrechten oder Sozialstandards. Die dadurch entstehenden Freiräume für die Politik müssen dann aber auch auf allen Ebenen konsequent genutzt werden, um den europäischen Binnenmarkt zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft umzugestalten.

Gleichwohl bleibt damit aber noch immer eine wesentlich Frage unbeantwortet: Wie können wir auch anderen Erdteilen helfen, ein solches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem aufzubauen? Denn auch ein CO2-neutrales, an Fangquoten haltendes, arbeitnehmerfreundliches Europa ist nur ein Schritt zu einer nachhaltigen, sozial-ökologischen Weltwirtschaft. Ein Teil der Antwort kann aber darin liegen, die im Laissez-faire-Neoliberalismus vorherrschende Freihandels-Doktrin durch eine sozial-ökologische Fairhandels-Maxime zu ersetzen. Mit Blick auf den chinesischen Staatskapitalismus, arabische Scheichtümer oder afrikanische Militärregime stößt aber natürlich auch das an seine Grenzen. Hier bleibt dann vermutlich nur die altbewährte Strategie, schneller, besser und geschickter zu sein.

Noch ein Wort zum Sozialismus

Warum ich den Sozialismus als Wirtschaftssystem ablehne, habe ich dargestellt. Allerdings werden manche nun sagen, der Sozialismus sei über die Wirtschaft hinaus vielmehr ein Gesellschaftssystem und insofern greife der Gedanke einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft zu kurz. Für mich ist allerdings klar, dass ich an unserem grundlegenden Gesellschaftssystem, der freiheitlich-demokratischen Ordnung, gar nichts ändern möchte, weil ich darin mit Abstand den besten Schutz dessen sehe, was mir in einer Gesellschaft wichtig ist – Pluralismus, Menschenrechte, die bürgerlichen Freiheiten.
Und de facto ist bisher jedes sozialistische Land auf der Welt als Diktatur geendet, egal ob in der DDR, auf Kuba, in Venezuela, bei Lenin, Stalin oder Mao. Dass eine kleine, reiche Führungsclique entsteht, ist aus meiner Sicht ja gerade die logische Konsequenz daraus, dass wirtschaftliche und politische Macht im Sozialismus grundsätzlich in eine Hand gegeben werden. Insofern halte ich es diesbezüglich aber mit Albert Einstein, der mal gesagt haben soll, „die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Auch deshalb werbe ich für einen Aufbrauch zu einem anderen Ziel, nämlich einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft.


Text als PDF: Sozial-ökologische Marktwirtschaft statt Laissez-faire-Neoliberalismus oder Sozialismus


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Doch leider ist die finanzielle Ausstattung von Kindern in Deutschland noch immer reine Glückssache und hängt wesentlich von der wirtschaftlichen Lage der Eltern ab. Schlimmer noch, in Deutschland ist es sogar so, dass die Kinder einkommensstarker Familien von der Gesellschaft über den Kinderfreibetrag mit fast 300 Euro gefördert werden, während eine einkommensschwache Familie für ihr erstes Kind nur knapp 200 Euro Kindergeld erhält.

Das beschämende Ergebnis dieser am falschen Ende sparenden Politik ist, dass im reichen Deutschland rund 20% der Kinder in Haushalten leben, die mit ihren Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegen. War 1998 „nur“ jedes achte Kind von Armut gefährdet [1], lebt inzwischen jedes fünfte Kind, in Ostdeutschland sogar jedes vierte Kind [2], in Unwohlstand, insgesamt 3 – 4 Millionen Kinder [3]. Und das ist eben nicht nur eine traurige Zahl, sondern auch ein riesiges Potential, das wir auf diese Weise viel zu oft verschenken.


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[1] Dossier Kinderarmut des Familienministeriums von 2008, Seite 3 (Link zur PDF auf www.bmfsfj.de)

[2] Pressemeldung der Hans-Böckler-Stiftung von 2017 zu einer aktuellen Studie (Link zur Meldung auf www.boeckler.de)

[3] Tagesspiegel-Artikel vom 22.8.2018 mit Zahlen des Kinderschutzbunds (Link zum Artikel auf www.tagesspiegel.de)

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400 Euro monatlich für jedes Kind:

Jedes Kind ist gleich viel wert! Daher soll künftig nicht mehr das Einkommen der Eltern darüber entscheiden, mit wie viel Euro der Staat ein Kind fördert. Egal ob erstes, zweites oder drittes Kind, egal ob Baby oder fast schon erwachsen – der Staat zahlt ein Kindergeld von 400 Euro monatlich.

11 Milliarden durch Diesel und Dienstwägen:

Aktuell wird der Diesel mit 10 Mrd. Euro an den Zapfsäulen subventioniert und bei den günstigen Konditionen für die steuerliche Absetzbarkeit von Dienstwägen schätzt der Bundesrechnungshof einen Subventionsanteil von rund 4 Milliarden Euro [1]. Selbst wenn man beim Diesel eine Kompensation über die KfZ-Steuer gegenrechnet und das Dienstwagenprivileg nicht ganz abschafft, sondern nur einschränkt, bleibt ein Einsparpotential von gut 11 Milliarden Euro jährlich.

Abschaffung Kinderfreibetrag, Anpassung sonstiger Förderung:

Mit dem einheitlichen Kindergeld von 400 Euro soll auch der Förderungsdschungel gelichtet und die Kinderförderung entbürokratisiert werden. Der Kinderfreibetrag, der einkommensstarke Familien aktuell mit rund 260 Euro je Kind entlastet, wird daher ersatzlos gestrichen. Der Kinderzuschlag, durch den bei maximaler Nutzung aktuell eine Förderung von ca. 350 – 370 Euro pro Kind möglich ist, sollte mindestens überarbeitet werden. Und auch andere Förderungen, die beispielsweise wegen des bürokratischen Aufwands kaum genutzt werden, sollten überdacht und ggf. angepasst oder abgeschafft werden. Das Ziel muss künftig lauten: Kinder fördern, nicht Bürokratie!

Keine Anrechnung auf Hartz IV:

Um effektiv etwas gegen Kinderarmut zu unternehmen, müssen die Hartz-IV-Leistungen in Bezug auf Kinder überdacht werden. Sinnvoll erscheint, künftig den Regelsatz vollständig durch das Kindergeld von 400 Euro zu ersetzen und die Kinder nur noch bei Wohnkostenzuschüssen und Ähnlichem zu berücksichtigen. Letztlich soll ja die Kinderförderung von der Gesellschaft aus Steuermitteln gleistet werden und nicht primär Aufgabe der Arbeitsagentur sein. Umgekehrt darf dann aber auch keine Anrechnung des Kindergelds auf die Hartz-IV-Leistungen der übrigen Haushaltsangehörigen stattfinden, sodass das höhere Kindergeld auch tatsächlich bei den Familien ankommt.

Kopplung an gewöhnlichen Aufenthalt:

Für den Anspruch auf Kindergeld sollte künftig der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder maßgeblich sein. Haben Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland, sollte kein oder nur ein eingeschränkter Anspruch auf Kindergeld bestehen.

Kosten / Nutzen:

Millionen Kinder werden durch das einheitliche Kindergeld aus der Armut geholt. Familien werden gestärkt und von bürokratischen Hürden bei der Kinderförderung befreit. Deutschland investiert damit in seine Zukunft. Hingegen werden zwei andere Steuersubventionen abgeschafft, die auf dem Weg in eine ökologische Zukunft mehr schaden als nutzen. Ein Staat, der dicke Dienstwägen subventioniert, braucht sich nicht wundern, wenn er seine Klimaziele verfehlt. Und seit der Dieselaffäre ist bekannt, dass der Diesel zwar etwas weniger CO2 ausstößt, aber dafür andere Probleme in unseren Innenstädten verursacht. Insgesamt führt der Vorschlag daher zu einer Win-Win-Situation für Kinder und Klima, für Familien und saubere Luft.

Finanzierung:

Wenn sich bei Diesel und Dienstwägen 11 Milliarden Euro einsparen lassen, sind die zusätzlichen Ausgaben für das Kindergeld zu einem guten Teil finanziert. Weitere Finanzierungsmöglichkeiten sind die Anhebung von Tabak- und Alkoholsteuer oder die Einführung einer Verpackungs- oder Plastiksteuer.

Positive Effekte für den Handel:

Durch die Umschichtungen im Haushalt dürften positive Effekte auf die Wirtschaft ausgelöst werden. Viele werden auch ohne Subventionen weiterhin teure Dienstwägen kaufen, so dass nur marginale Effekte auf die Automobilindustrie zu erwarten sind. Beim Diesel werden sich die Kosten stärker verteilen, weil er häufig im gewerblichen Bereich (Güter-Transport, Handwerker, Taxi) zum Einsatz kommt. Das höhere Kindergeld wird hingegen den Konsum und die Binnennachfrage recht direkt ankurbeln, was insbesondere dem Handel zu Gute kommen dürfte.


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[1] Im Sonderbericht 2017 des Bundesrechnungshofes werden die Dienstwagen- (S.42) und Dieselsubventionen (S.43) auf Basis des Jahres 2015 berechnet (Link zum Sonderbericht 2017 auf www.bundesrechnungshof.de)

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Während die schlechteren Löhne und Renten auf der einen Seite zu einer Schwächung der Binnennachfrage in Deutschland führen, können auf der anderen Seite die hierzulande produzierenden Unternehmen durch die gesunkenen Lohnstückkosten die Weltmärkte mit billigen Waren überfluten. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist daher ein Außenhandelsungleichgewicht, das mit einem Exportüberschuss bzw. Importdefizit Deutschlands von rund 8% des BIP seinesgleichen sucht.

Vorschlag:

Als Gegenmaßnahme zu dieser Entwicklung schlage ich daher die Anhebung der Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung von aktuell 9,3% auf 11% und die Absenkung des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung von aktuell 9,3% auf 8,5% vor.

Sieben Verbesserungen:

1. Mehr Netto vom Brutto:
Durch die Absenkung des Arbeitnehmeranteils an der Rentenversicherung hätten die Arbeitnehmer künftig mehr Netto vom Brutto. Zusätzlich zu den Lohnerhöhungen, die durch die Tarifpartner vereinbart werden, würden die Nettolöhne um knapp 1% steigen.

2. Bessere Renten:
Durch die insgesamt um 0,9% der Bruttolöhne wachsenden Rentenbeiträge würde die Summe der abgeführten Rentenbeiträge um rund 4,8% ansteigen. Das Bruttorentenniveau könnte damit von aktuell 44,7% auf ca. 46,6% gesteigert werden. Für den sogenannten Eckrentner würde dies ein monatliches Plus bei der Rente von knapp 50 Euro monatlich bedeuten.

3. Stärkung der Binnennachfrage:
Die höheren Nettolöhne und die höheren Renten würden zu einem spürbaren Anstieg der Binnennachfrage führen.

4. Wirtschaftswachstum im Ausland:
Durch die leicht steigenden Lohnstückkosten, wären im Ausland produzierende Unternehmen, insbesondere aus dem Euro-Raum, im Vergleich wieder etwas wettbewerbsfähiger. In Verbindung mit der wachsenden Binnennachfrage in Deutschland würde dies im Ausland zu einer Stärkung des Wirtschaftswachstums führen.

5. Wirtschaftswachstum in Deutschland:
Sofern das Wachstum im Ausland zu einem Mehrexport führt, der den Minderexport durch die etwas niedrigere Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland produzierenden Unternehmen ausgleicht, bliebe das deutsche Exportvolumen unverändert. Gleichzeitig würde die wachsende Binnennachfrage den heimischen Absatz stärken, sodass sich ein zusätzliches BIP-Wachstum und damit ein Konjunkturschub für Deutschland ergeben würden.

6. Zusätzliche Jobs und Steuermehreinnahmen:
Ein zusätzliches Wirtschaftswachstum in Deutschland hätte positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Außerdem würden auch die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen steigen.

7. Abbau des Importdefizits bzw. des Exportüberschusses:
Überdies würde die wachsende Binnennachfrage den Güterimport nach Deutschland steigen lassen, sodass auch bei einem gleichbleibenden Exportvolumen der deutsche Exportüberschuss bzw. das deutsche Importdefizit reduziert würden.


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Die Konzentration wirtschaftlicher Macht (www.mister-ede.de – 17.07.2014)

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SPD braucht strategische, organisatorische, inhaltliche und personelle Erneuerung http://www.mister-ede.de/politik/spd-braucht-eine-erneuerung/8580 http://www.mister-ede.de/politik/spd-braucht-eine-erneuerung/8580#comments Sun, 19 Nov 2017 18:51:26 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8580 Weiterlesen ]]> Aller guten Dinge sind drei – aller schlechten leider auch. Nach der dritten Bundestagswahl in Folge mit einem SPD-Ergebnis weit unter der 30-Prozent-Marke muss sich die Sozialdemokratie nun grundlegend reformieren. Die älteste Partei Deutschlands muss die nächste Zeit nutzen, um sich strategisch, organisatorisch, inhaltlich und personell neu aufzustellen.

Strategisch:

Die gesellschaftliche Mitte ist eine Illusion – es gibt sie nicht! Vielmehr ist eine Gesellschaft eine Gesamtheit von Individuen, die sich bestenfalls als Milieus oder Gruppen zusammenfassen lassen. Anstelle einer Politik, die sich auf den Durchschnitt bezieht, z.B. auf eine Familie mit 1,6 Kindern oder auf einen 43,7 Jahre alten Arbeitnehmer mit 29.700 Euro Jahresgehalt, braucht es eine konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Bürgers.
Die SPD muss künftig politische Angebote machen, die der Lebenswirklichkeit der verschiedenen Gruppen und Milieus Rechnung tragen. Pflegende und Gepflegte, Homosexuelle, Menschen mit Migrationshintergrund, Erwerbsunfähige, Berufspendler oder Arbeitslose – um nur einige zu nennen – müssen sich gleichermaßen von der Sozialdemokratie vertreten fühlen. Alleinerziehende müssen sich von der Politik der SPD genauso angesprochen fühlen wie eine sechsköpfige Familie. Prekär Beschäftigte müssen sich in der Sozialdemokratie genauso aufgehoben fühlen wie die gewerkschaftlich organisierten Facharbeiter.
Basis für die Ausrichtung der SPD darf daher nicht länger ein fiktiver Durchschnitt sein, sondern muss die tatsächlich vorhandene Diversität sein. Denn unsere vielfältige Gesellschaft benötigt keine Politik für eine statistische Mitte, sondern eine Politik, die dieser Vielfalt am Ende auch gerecht wird.

Organisatorisch:

Die Digitalisierung hat unsere Gesellschaft grundlegend verändert, z.B. die Art und Weise der politischen Meinungs- und Willensbildung. Während das persönliche Gespräch immer stärker in den Hintergrund rückt, entstehen neue, digitale Räume des politischen Diskurses. Offline gilt, dass die SPD zu den Menschen hin muss – auf die Marktplätze, in die Vereine. Und dasselbe gilt online! Die SPD muss deshalb künftig für die Außenkommunikation viel stärker auf die von den Bürgern genutzten Plattformen im Netz gehen und darf dort nicht nur sein, sondern muss sich dort auch aktiv am politischen Diskurs beteiligen.
Daneben muss die SPD ihre Organisationsstruktur den Gegebenheiten unserer Zeit anpassen. Es braucht Netzangebote, die es ermöglichen, abseits traditioneller Parteistrukturen zielgerichtet über konkrete Themen zu diskutieren. Viele Bürger scheuen Parteien und auch viele Mitglieder wollen sich in ihrer Freizeit nicht damit beschäftigen, in welcher Farbe das Rathaus gestrichen werden soll, ob die Weihnachtsfeier im „Hirschen“ oder in der „Rose“ stattfindet oder ob man jetzt diese oder jene Kugelschreiber für den nächsten SPD-Stand organisiert. Sehr wohl aber interessieren sich zahlreiche Bürger und Mitglieder z.B. für Umweltschutzthemen, Migration, Friedenspolitik oder das Zusammenwachsen Europas.
Die SPD sollte daher nicht nur andere Plattformen bespielen, sondern dauerhaft eigene Netzpangebote für zeit- und ortsunabhängige Diskussionen entwickeln. Bürger können so aktiv in den Dialog eingebunden werden und losgelöst von Ortsvereinen von der SPD gezielt mit jenen Themen angesprochen werden, die sie besonders interessieren. Aber auch der Austausch unter den knapp 500.000 Mitgliedern kann gestärkt werden. Und wenn die Angebote entsprechend strukturiert und aufgebaut wären, könnten die Mitglieder darüber auch bei inhaltlichen Fragen am Entscheidungsprozess in der SPD mitwirken.

Inhaltlich:

Die SPD muss sich ein neues Grundsatzprogramm geben, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Es darf nicht länger zugelassen werden, dass Demokratie und Sozialstaat durch global agierende Großkonzerne ausgehöhlt werden. Vielmehr muss sich die SPD der Herausforderung stellen, die Globalisierung im Sinne von Demokratie und Sozialstaat zu gestalten. Dem Laissez-faire-Neoliberalismus der vergangenen Jahrzehnte muss daher endlich eine Absage erteilt werden und stattdessen müssen Wege zurück zur Sozialen Marktwirtschaft aufgezeigt werden. Anstelle von grenzenlosem Freihandel und nationalem Gegeneinander, braucht es Fairhandel und internationale Kooperation. Anstelle marktradikaler Deregulierung braucht es einen klaren ordnungspolitischen Rahmen. Denn nur eine Sozialdemokratie, die die Spaltung der Gesellschaft in Globalisierungsgewinner und Abgehängte verhindert, wird im 21. Jahrhundert noch eine Existenzberechtigung haben. Aus diesem Grund muss die SPD wieder zu der Partei werden, die dafür sorgt, dass nicht nur einige wenige vom technologischen Fortschritt und der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren, sondern die gesamte Gesellschaft.

Personell:

Wenn die Parteiführung eine grundlegende Reform der SPD glaubwürdig verkörpern will, darf sie sich bei diesem Erneuerungsprozess nicht ausnehmen. Anstelle ausgetretener Pfade braucht es neue Wege, anstelle des Verharrens im Gestern braucht es neue Ideen und anstelle von bestehenden Netzwerken braucht es einen frischen Wind. Statt Personalrochaden unter immer gleichen Köpfen durchzuführen, muss deshalb ein erkennbarer personeller Umbruch stattfinden.


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Arbeitsproduktivität, Arbeitnehmerentgelte und Nettolöhne 1970 – 2016 in der BRD http://www.mister-ede.de/politik/arbeitsproduktivitat-usw-brd/8555 http://www.mister-ede.de/politik/arbeitsproduktivitat-usw-brd/8555#comments Tue, 24 Oct 2017 17:00:58 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8555 Weiterlesen ]]> Nachfolgendes Schaubild stellt die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, der Arbeitnehmerentgelte und der Nettolöhne jeweils pro Arbeitsstunde im Zeitraum von 1970 – 2016 in der Bundesrepublik Deutschland dar:

Quelle der Daten:

Eigene Berechnungen auf Basis der vom Statistischen Bundesamt in der Fachserie 18, Reihe 1.5, 2016, Seite 36 (Tabelle 1.9) und 50 (Tabelle 1.14) veröffentlichten Daten.

Link zur entsprechenden PDF des Statistischen Bundesamtes auf www.destatis.de

Anmerkung:

Das Schaubild bezieht sich in den Jahren 1970 – 1991 auf die Entwicklung in Westdeutschland und von 1991 – 2016 auf die Entwicklung in Gesamtdeutschland.

Getroffene Annahmen:

1) Für das Schaubild wird angenommen, dass sich Arbeitsproduktivität, Arbeitsentgelte und Nettolöhne im Jahr 1991 (Datenumbruch) in Gesamtdeutschland genauso entwickelt haben wie in Westdeutschland.

2) Für die Aussagekraft des Schaubilds wird angenommen, dass sich die Arbeitsproduktivität der Erwerbstätigen (Selbstständige und Arbeitnehmer zusammen) genauso entwickelt hat wie die Arbeitsproduktivität der Arbeitnehmer.

Erläuterung:

Im Jahr 2016 stellten Erwerbstätige je Arbeitsstunde 2,7-mal so viel her wie im Jahr 1970. Im selben Zeitraum stiegen die von den Arbeitgebern gezahlten realen Arbeitnehmerentgelte je Arbeitsstunde (Bruttolöhne inkl. Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben) um den Faktor 2,35 und die realen Nettostundenlöhne der Arbeitnehmer (Bruttolöhne abzüglich Steuern und Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung) um das 1,8-fache.


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Mit Le Pen droht Europa ein Ende mit Schrecken, mit Macron ein Schrecken ohne Ende! http://www.mister-ede.de/politik/le-pen-macron-und-europa/8384 http://www.mister-ede.de/politik/le-pen-macron-und-europa/8384#comments Thu, 04 May 2017 19:34:27 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8384 Weiterlesen ]]> Es ist kein Geheimnis, dass Marine Le Pen für ein Ende der EU eintritt und zurück in den Nationalstaat will. Insofern bedarf es, was Le Pen anbelangt, keiner großen Erläuterungen. Gewinnt sie bei den französischen Stichwahlen um das Präsidentenamt am kommenden Sonntag, droht der EU, die nach dem Brexit bereits angezählt ist, das endgültige Scheitern. Doch auch mit Emmanuel Macron als nächstem Präsidenten Frankreichs sieht die Zukunft des europäischen Projektes alles andere als rosig aus.

Bereits in seiner Amtszeit als Wirtschaftsminister von 2014 – 2016 hat sich Macron als neoliberaler Ideologe entpuppt und auch in seinem jetzigen Wahlkampf hat er immer wieder erklärt, an dieser aktuellen EU der neoliberalen Ideologie festhalten zu wollen. Obwohl also die europäische Integration inzwischen zum Stillstand gekommen ist, sogar mit dem Brexit schon ein Zerfallsprozess eingesetzt hat, will Macron keine substanziellen Reformen am europäischen Projekt durchsetzen. Vielmehr beharrt er auf einem strikten „Weiter so“ und einem nochmals verstärkten gegenseitigen Wettbewerb der Nationalstaaten. Entsprechend wird Macron nach einem Wahlsieg dafür sorgen, dass sich Frankreich mit niedrigeren Steuern für Reiche und Vermögende, Lohn- und Sozialkürzungen sowie einem Abbau von Arbeitnehmerrechten einen Wettbewerbsvorteil innerhalb des EU-Binnenmarkts gegenüber den europäischen Partnern verschafft. Wenn aber künftig auch Frankreich kräftig an dieser Abwärtsspirale im Standortwettbewerb dreht, wird das erhebliche negative Auswirkungen für die restliche EU haben.

Deutschland wird in diesem Fall unter Druck geraten, den in den letzten Jahren begonnen Kurs der internen Aufwertung wieder zu verlassen, was insbesondere jenen Ländern schadet, die aufgrund der gemeinsamen Euro-Währung keine Abwertungsmöglichkeiten gegenüber Deutschland haben. Vor allem Italien, dessen Staatsfinanzen und Bankensystem bereits jetzt am Rande eines Kollaps stehen, würde durch die wachsende wirtschaftliche Konkurrenz aus Frankreich und Deutschland noch mehr in die Bredouille geraten. Aber auch der spanischen und portugiesischen Wirtschaft, die in den vergangenen zwei Jahren zumindest wieder einen leichten Aufwärtstrend verzeichnen konnte, droht damit der nächste schwere Schlag. Verzichten diese Länder auf ähnlich harte Einschnitte, wie Macron sie in Frankreich plant, werden bei ihnen Arbeitslosigkeit und Haushaltsdefizite steigen und die nächste Wirtschaftskrise in diesen Ländern wäre vorprogrammiert. Gehen sie allerdings denselben Weg wie Frankreich, droht die gesamte Eurozone in eine Rezessionsspirale zu geraten, wie wir sie bereits in der Folge der fatalen Austeritätspolitik erleben mussten.

Erneut werden die Leidtragenden dieser Entwicklung vor allem die normalen Bürger der EU-Länder sein – besonders innerhalb des Euro-Währungsraums. Entweder werden sie von steigender Arbeitslosigkeit betroffen sein oder von unsichereren Beschäftigungsverhältnissen, der Lockerung des Kündigungsschutzes und sinkenden Reallöhnen und Renten. Außerdem werden sie am stärksten unter dem Abbau des Sozialstaats, z.B. geringerem Kindergeld oder schlechterem Krankenversicherungsschutz, leiden.
Doch auch für die europäischen Einkommens- und Vermögenseliten könnte die Rechnung nicht aufgehen. Zwar werden sie von niedrigeren Steuern profitieren und ihre Unternehmen von geringeren Arbeitskosten und einem flexibleren Arbeitsmarkt. Doch ob diese Vorteile am Ende den Schaden einer von Macron ausgelösten europaweiten Rezession übersteigen, ist fraglich.

Klar ist hingegen, dass mit Macrons Wirtschaftspolitik eine wesentliche Grundlage des europäischen Einigungsprozesses zerstört wird, nämlich das Versprechen, gemeinsam in Europa den Wohlstand für alle Beteiligten zu mehren. Möglicherweise wird also gerade Macron, der im französischen Präsidentschaftswahlkampf als Fan dieser EU auftritt, ungewollt zu ihrem Totengräber. Insbesondere in jenen Ländern, in denen es bereits jetzt eine starke nationalistische Strömung gibt, könnte Macron mit seiner Politik des verschärften Standortwettbewerbs wie ein Brandbeschleuniger wirken.
Im schlimmsten Falle wäre dann zwar Le Pen in Frankreich verhindert worden, allerdings zum Preis, dass in anderen EU-Ländern die Nationalisten die Oberhand gewinnen. Aber selbst in Frankreich könnte es am Ende darauf hinauslaufen, dass Le Pen in fünf Jahren bei den nächsten Präsidentschaftswahlen von enttäuschten Macron-Wählern doch noch in den Élysée-Palast geschickt wird.

Insofern muss man zwar jedem, dem an einem europäischen Miteinander gelegen ist, abraten, Le Pen zu wählen und Europa damit den Todesstoß zu versetzen. Allerdings muss man auch Macron dringend davon abraten, seine angekündigte Politik tatsächlich zu verwirklichen und damit das Dahinsiechen Europas fortzusetzen.


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Glossar: Durchschnittseinkommen und Medianeinkommen http://www.mister-ede.de/politik/durchschnitt-und-median/7744 http://www.mister-ede.de/politik/durchschnitt-und-median/7744#comments Fri, 03 Feb 2017 18:42:01 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=7744 Weiterlesen ]]> Bei der Betrachtung von Einkommen werden Durchschnittseinkommen und Medianeinkommen immer wieder verwechselt oder unsauber getrennt. Gerade bei der Bewertung der Armut bzw. der Armutsgefährdung kommt es damit schnell zu falschen Vorstellungen und Eindrücken. Hier folgt deshalb eine Erklärung des Unterschieds.

Das Durchschnittseinkommen:

Das Durchschnittseinkommen gibt das arithmetische Mittel aller Einkommen einer Gruppe (z.B. Personen oder Haushalte) an. Es kann sowohl für Bruttoeinkommen als auch für Nettoeinkommen bestimmt werden.

Das Medianeinkommen (mittleres Einkommen):

Zur Berechnung des Medianeinkommens, oft auch mittleres Einkommen genannt, werden alle Einkommen einer Gruppe (z.B. Personen oder Haushalte) nach ihrer Höhe geordnet. Jenes Einkommen, das die Person oder der Haushalt in der Mitte dieser Liste hat, ist das Medianeinkommen. In der Regel wird das Medianeinkommen auf Basis der Nettoeinkommen berechnet, z.B. in Form von verfügbaren Haushaltseinkommen.

Median-Äquivalenzeinkommen:

Das Äquivalenzeinkommen wird zum Vergleich zwischen unterschiedlichen Haushaltsformen (Singlehaushalte, Zweipersonenhaushalte, Haushalte mit Kindern) herangezogen und rechnet das Nettoeinkommen, beispielsweise einer Familie mit zwei Kindern, auf das Nettoeinkommen eines Haushalts einer alleinlebenden Person um. Das Median-Äquivalenzeinkommen ist dementsprechend das umgerechnete Einkommen, das sich in der Mitte der nach der Höhe der Einkommen geordneten Liste befindet. Haushalte deren Äquivalenzeinkommen bei 60% oder weniger des Median-Äquivalenzeinkommens liegen, gelten als armutsgefährdet.

Beispiel:

Betrachtet werden 11 Haushalte von alleinlebenden Personen mit unterschiedlichem Nettoeinkommen.

Das Durchschnittseinkommen dieser 11 Haushalte beläuft sich auf 2.018 Euro. Das Medianeinkommen bzw. mittlere Einkommen liegt hingegen bei 1.600 Euro. Da es sich hierbei um die Haushalte von alleinlebenden Personen handelt, entsprechen die Haushaltseinkommen ohne weitere Umrechnungen dem Äquivalenzeinkommen dieser Haushalte. Das in der Mitte liegende Einkommen (Person 6) in Höhe von 1.600 Euro ist das Median-Äquivalenzeinkommen der betrachteten Haushalte. Die Armutsgefährdungsgrenze, die bei 60% des Median-Äquivalenzeinkommens liegt, beträgt in diesem Beispiel also 960 Euro.

Deutschland [1]:

2014 betrug das Durchschnittseinkommen von Alleinlebenden 2.497 Euro brutto und 1.913 Euro netto. Nach Ergebnissen der Untersuchung EU-SILC betrug das Median-Äquivalenzeinkommen aller Haushalte in Deutschland 1.644 Euro. Entsprechend lag der Schwellenwert für die Armutsgefährdung bei Alleinlebenden bei 987 Euro und bei Familien mit 2 Kindern bei 2.072 Euro. Werden die Werte der Fortschreibung des Mikrozensus 2011 verwendet, lagen die Schwellenwerte für die Armutsgefährdung sogar noch niedriger, bei 917 Euro für Alleinlebende bzw. 1.926 Euro bei Familien mit 2 Kindern. Im Bundesdurchschnitt kamen somit 16,7% der erwachsenen Personen (EU-SILC) bzw. 15,4% der Haushalte (Mikrozensus) in Deutschland auf ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze.

Verwechslungsgefahr und falsche Vorstellungen:

Liest oder hört man, dass die Armutsgefährdungsquote bei 60% des Einkommens oder des Durchschnitts liegt, und berechnet den Schwellenwert dann fälschlicherweise vom durchschnittlichen Nettoeinkommen, so kommt man auf falsche Beträge, die wesentlich höher sind als die tatsächlichen Schwellenwerte für die Armutsgefährdung. Dies kann zur falschen Vorstellung führen, dass ein Single mit 1.147 Euro Nettoeinkommen oder ein kinderloser Zweipersonen-Haushalt mit 2.294 Euro Nettoeinkommen als armutsgefährdet eingestuft wird. Hierdurch könnte wiederum der Eindruck entstehen, dass die Anzahl der armutsgefährdeten Personen übertrieben sei. Genau das ist allerdings gerade nicht der Fall.


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[1] Statistisches Jahrbuch 2016 des Bundesamtes für Statistik, S. 169, 179, 180 (Link zur PDF auf www.destatis.de)

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Veranstaltung „Erst Brexit, dann Trump und bald Le Pen? Wieso unsere Demokratie in Gefahr ist.“ http://www.mister-ede.de/politik/brexit-trump-und-bald-le-pen/5840 http://www.mister-ede.de/politik/brexit-trump-und-bald-le-pen/5840#comments Wed, 07 Dec 2016 07:17:07 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5840 Weiterlesen ]]> Immer mehr Menschen in den westlichen Demokratien sind abgehängt oder haben zumindest das Gefühl einer Entwurzelung. Rechtspopulisten und Nationalisten ziehen hieraus ihr Kapital und erstarken – in den USA, in Großbritannien, Österreich, Frankreich und auch bei uns in Deutschland.

Am Mittwoch den 14.12.2016 lädt Mister Ede deshalb recht herzlich in die Räumlichkeiten von Scoutopia zu einem Vortrag und Dialog zu dieser gesellschaftlichen Entwicklung ein. Ziel der Veranstaltung ist es, gemeinsam mit dem Publikum über die Gefahren für unsere Demokratie und unsere Gesellschaft zu diskutieren. Hierbei soll insbesondere den Ursachen dieser Entwicklung nachgespürt und die Wirkweise des Rechtspopulismus offengelegt werden. Außerdem sollen Ansätze für Auswege aufgezeigt und entwickelt werden.

Zeit: 14.12.2016, 19:00 Uhr

Ort: Scoutopia Uni Siegen, Weidenauer Str. 167, 57076 Siegen
(Wegbeschreibung auf scoutopia-siegen.de)

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