mister-ede.de » Bildungspolitik http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Das gebrochene Schulversprechen: Warum es kam, wie es kommen musste! http://www.mister-ede.de/politik/gebrochene-schulversprechen/9131 http://www.mister-ede.de/politik/gebrochene-schulversprechen/9131#comments Sun, 20 Dec 2020 13:39:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9131 Weiterlesen ]]> Ich kann mich noch gut an den medienwirksamen Bildungsgipfel im August und das vollmundige Versprechen der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und der CDU-Bildungsministerin Anja Karliczek erinnern, flächendeckende Schulschließungen wegen Corona künftig zu verhindern [1]. Heute wissen wir, es waren nur leere Worte.
Dabei kann man wirklich nicht sagen, dass seit dem Sommer nichts unternommen worden wäre, um genau dieses Ziel auch zu erreichen – im Gegenteil! Man hat planmäßig und zielgerichtet wissenschaftliche Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen an Schulen [2] ignoriert oder fehlinterpretiert, um ja keine Schulschließungen zu riskieren. Man hat den Anstieg der Neuinfektionen so lange verharmlost und schöngeredet, wie es nur eben ging. Und man hat die Kritiker dieses Vorgehens als faktenresistente Egoisten verunglimpft, denen die Bildung der Kinder schlicht egal sei.

Doch nun sieht man, es war genau umgekehrt! Leuten wie mir ging es darum, an Schulen langfristig ein verlässliches, gutes und sicheres Bildungsangebot trotz Corona zu gewährleisten. Die Konzepte dafür gab es ja schon seit Mai: Raumluftreiniger wo Präsenz nötig ist (z.B. in KiTa und Grundschule), Hybrid- und Fernunterricht in höheren Klassenstufen (so wie es auch an Uni und FH läuft) und breitflächige Testung sobald Infektionsfälle an einer Schule auftreten. Doch genau solche sinnvollen Maßnahmen wurden von Union und SPD eben gerade nicht angepackt, geschweige denn umgesetzt!

Heute kann man daher konstatieren, dass es wohl eher Saskia Esken und Anja Karliczek sind, denen die Bildung der Kinder geschmeidig am Arsch vorbeigeht. Vermutlich ging es den beiden Frauen nur um Selbstdarstellung mit einem Versprechen, von dem sie wohl irrtümlich glaubten, es ohne große Anstrengungen halten zu können – also so, wie wenn ich Ihnen heute hoch und heilig verspreche, dass ich bis Juni für höhere Temperaturen in Deutschland sorge.
Doch genau mit diesem leichtfertigen Schulversprechen von Esken und Karliczek nahm das Elend seinen Lauf. Corona entwickelte sich nämlich doch eher so, wie es Wissenschaftler und Experten für Herbst und Winter prognostiziert haben und nicht so, wie es die beiden Laien-Wahrsagerinnen erhofft haben. Nur zurückrudern ging für die zwei Spitzenpolitikerinnen nun nicht mehr, ohne damit gleichzeitig einzugestehen, auf voller Linie versagt zu haben. Und so haben Esken und Karliczek einfach Däumchen drehend abgewartet, während die Zahlen der Infizierten, der Erkrankten, der Intensivpatienten und zuletzt dann auch der Toten Tag für Tag anstiegen. Oder haben Sie in den vergangenen Wochen nochmal etwas Substanzielles von den beiden zum Thema „sichere Bildung“ gehört?

Mit diesem unverantwortlichen Zuwarten haben Esken und Karliczek aber nicht nur Ihr Versprechen gebrochen, weil wir nun wieder alles andere als verlässliche, gute und sichere Bildung haben, nein, sie haben damit auch verhindert, dass das Infektionsgeschehen im Herbst klein gehalten wurde. Was sollen denn auch Kontaktbeschränkungen bringen, wenn zeitgleich 13, 14 Millionen Menschen fünfmal die Woche zur Corona-Party ins Klassenzimmer gepfercht werden?
Wären durch die zuvor beschriebenen Maßnahmen nur 25% der Infektionen unter den U20-Jährigen verhindert worden, hätten wir rechnerisch alleine dadurch heute 70 – 80% weniger Neuinfektionen und tausende Menschen wäre nicht an Covid19 gestorben.

Klar, man kann das so nicht rechnen, weil die Geschichte dann anders verlaufen wäre. Klar, es waren nicht Esken und Karliczek alleine, sondern auch 14! Kultus- und Bildungsminister, die diesen Wahnsinn vor Ort auch bei höchsten Inzidenzen noch exekutiert haben. Und klar, wenn die Inzidenz umgekehrt sehr niedrig ist, wie das in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern lange der Fall war, gibt es mehr Spielräume, die man prioritär für die Bildung einsetzen kann.
Im Gesamtblick komme ich aber dennoch zu dem Schluss, dass Esken und Karliczek die Hauptverantwortung für die jetzige Schulsituation tragen und mindestens mitverantwortlich dafür sind, dass das Infektionsgeschehen und damit auch die Todeszahlen in den letzten 8 Wochen in Deutschland durch die Decke geschossen sind. Sie hatten zwar keine direkte Entscheidungskompetenz für Schulen, aber sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, eine offene Debatte über die Gefahren an Schulen und Einschränkungen des Schulbetriebs verhindert zu haben.

Frau Esken (SPD) und Frau Karliczek (CDU), übernehmen Sie die politische Verantwortung und treten Sie zurück!


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[1] Vorwärts-Artikel vom 14.8.2020 zum „Bildungsgipfel“

[2] Drosten: „Wir werden Probleme kriegen mit der unbeschränkten Schulöffnung“ (RND, 21.9.2020)

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Corona-Pandemie: Empfehlungen zum weiteren Vorgehen in Deutschland http://www.mister-ede.de/politik/corona-empfehlung-deutschland/8984 http://www.mister-ede.de/politik/corona-empfehlung-deutschland/8984#comments Fri, 17 Apr 2020 13:46:02 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8984 Weiterlesen ]]> Aktuelle Lage

Seit Anfang April ist bundesweit, bei regionalen Unterschieden, ein Rückgang der bestätigten Neuinfektionen festzustellen. Nachdem gleichzeitig in diesem Zeitraum die Testkapazitäten ausgebaut wurden und entsprechend mehr und schneller getestet wird, ist davon auszugehen, dass dieser Rückgang nicht nur statistisch ist, sondern tatsächlich stattfindet. Die positive Nachricht ist daher zunächst, dass wir in Deutschland in der Lage sind, die Ausbreitung des Coronavirus bei weitestgehender Aufrechterhaltung der Produktion unter Kontrolle zu behalten.
Die aus den Meldezahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) ermittelte tägliche Abnahme von 3 bis 4 Prozent ist allerdings so gering, dass eine Entwarnung keinesfalls angebracht ist. Im Gegenteil: Dass trotz der verschiedenen, zum Teil sehr strikten Maßnahmen – in Bayern gilt seit über drei Wochen eine harte Ausgangssperre – die Fallzahlen nur so marginale zurückgehen, ist ziemlich ernüchternd.
Überdies gibt es große regionale und lokale Unterschiede, die eine pauschale Bewertung der Lage unmöglich machen. Während Bayern und das Saarland aktuell im Schnitt noch täglich 6 bis 7 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner melden, liegt dieser Wert in NRW bei etwa 3,5 und in Mecklenburg-Vorpommern bei nur 0,5. Damit ist das Infektionsgeschehen in Bayern und dem Saarland noch immer über zehnmal höher als an der Ostseeküste.

Zu den regionalen Unterschieden zwischen den Bundesländern kommen aber auch noch erhebliche lokale Unterschiede hinzu. So weist das RKI für den hiesigen Kreis Siegen-Wittgenstein aktuell eine 7-Tages-Corona-Aktivität von 12,2 Fällen je 100.000 Einwohner aus, während die 7-Tages-Corona-Aktivität im strukturell völlig vergleichbaren Nachbarkreis Olpe laut RKI aktuell bei 87,6 Fällen je 100.000 Einwohner liegt. Bezogen auf die täglichen Neuinfektionen bedeutet das für den Kreis Olpe rund 18 Fälle je 100.000 Einwohner, was NRW-weit der mit Abstand höchste Wert ist und problemlos mit den Fallzahlen in den stark betroffenen Regionen Süddeutschlands mithalten kann.

Regionalisierung der Schutzmaßnahmen

Neben bundesweiten und flächendeckenden Maßnahmen braucht es künftig deutlich mehr regionalspezifische Ansätze, die an die jeweiligen Rahmenbedingungen und das jeweilige Infektionsgeschehen angepasst sind. Denn während mancherorts die Lockerung der getroffenen Schutzvorkehrungen durchaus angebracht erscheint, könnte selbiges nur wenige Kilometer entfernt zum Brandbeschleuniger in einer laufenden Epidemie werden.
Bundesweite Regelung bedarf es insofern vor allem für das Verbot von Großveranstaltung und die Beschränkung der Reisefreiheit, z.B. das Verbot touristischer Busreisen, die Einschränkung des überregionalen ÖPV oder gegebenenfalls ein Ausreiseverbot aus stark betroffenen Bundesländern in das übrige Bundesgebiet. Auch was das allgemeine Verhalten im öffentlichen Raum anbelangt, machen bundesweite Regelungen Sinn, um Verwirrungen vorzubeugen.
Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit kleinerer Gruppen, der Erlass von Ausgangssperren oder der Umgang mit dem Schul- und KiTa-Betrieb sollten hingegen weitestgehend den Bundesländern oder den kommunalen Gebietskörperschaften überlassen werden, so wie das vom Infektionsschutzgesetz sinnvoller Weise bereits vorgesehen ist. Dasselbe gilt für die Frage, inwieweit und unter welchen Bedingungen Geschäfte geöffnet sein können, auch wenn hier eine Abstimmung zwischen benachbarten Regionen ratsam ist, um ungewollte Effekte beispielsweise an Landesgrenzen oder gegebenenfalls auch an Kreisgrenzen zu vermeiden.
Notwendig für eine solche Regionalisierungsstrategie ist jedoch ein entsprechendes Monitoring durch flächendeckende, engmaschige und zeitnahe Tests. Denn nur wenn es tatsächlich gelingt, Infektionsherde frühzeitig zu identifizieren, kann man die Eindämmungsmaßnahmen zielgerichtet und zeitlich begrenzt in diesen Gebieten durchführen, anstatt pauschal das öffentliche Leben überall und dauerhaft einschränken zu müssen.

Mundschutzpflicht

Zu den bundesweiten Maßnahmen kann eine Mundschutzpflicht im ÖPV (Bus, Zug, Flugzeug), in Geschäften oder sonstigen Innenräumen gehören. Gleichzeitig muss aber energisch dem Spin der Medien oder auch des Leopoldina-Präsidenten Haug widersprochen werden, dass mit einer Mundschutzpflicht eine Rückkehr zur Normalität möglich werden würde. Wenn Haug bereits wieder von vollgepackten U-Bahnen spricht, dann ist das geradezu absurd, denn es muss um das genaue Gegenteil gehen, also U-Bahnen und ähnliches möglichst leer zu halten.
Zwar ist das Tragen eines Mundschutzes sehr zu begrüßen, weil es das Ansteckungsrisiko unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen vermutlich verringert. Aber ob ein Mundschutz, womöglich auch nur ein Schal, in einem vollbesetzten Bus wirklich verhindert, dass sich irgendjemand ansteckt, kann man zumindest anzweifeln. Wenn also gleichzeitig zu der Einführung einer Mundschutzpflicht andere Schutzvorkehrungen reduziert werden, der Einzelne also beispielsweise wieder die U-Bahn nimmt, anstelle des Fahrrads, dann ergibt das in der Summe nicht mehr Ansteckungsschutz, sondern umgekehrt ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko. Insofern ist eine Mundschutzpflicht zwar ratsam, sie kann aber nur als Ergänzung zu anderen Maßnahmen und nicht als Ersatz für diese dienen.

Wiederöffnung des Einzelhandels

Nachdem Supermärkte und andere Geschäfte des täglichen Bedarfs während des Shutdowns geöffnet hatten, konnte man hier bereits erste Erfahrungen mit Zugangsbeschränkungen, Plexiglas in Kassenbereichen und Abstandsregeln sammeln. Und nach meinem Kenntnisstand gibt es bislang keine Anzeichen dafür, dass Einkaufsgeschäfte unter solchen Schutzbedingungen zu den wesentlichen Übertragungsorten des Coronavirus gehören. Das sieht bei Bars und Kneipen, in Pflegeheimen und vor allem natürlich innerhalb der Familien ganz anders aus. Insofern spricht aber viel dafür, die Wiederöffnung des Einzelhandels unter denselben Schutzvorkehrungen wie in den bislang schon geöffneten Läden zu ermöglichen.
Die in dieser Woche getroffenen Verabredungen der Bundes- und der Landesregierungen gehen daher in die richtige Richtung. Fraglich ist allerdings, ob die Beschränkung auf kleinere Geschäfte wirklich zielführend ist. Zum einen wird sich dadurch das Einkaufsgeschehen auf weniger Verkaufsfläche abspielen. Zum anderen fehlt es an einem hinreichenden Sachgrund für die willkürliche Grenzziehung. Warum nämlich das Ansteckungsrisiko in riesigen Möbelhäusern höher sein soll wie in einem kleinen Juweliergeschäft, dürfte mit den Mitteln der Logik nur äußerst schwer zu erklären sein.
Besser geeignet als eine feste Höchstgrenze für die Verkaufsflächen wäre deshalb eine Regelung, die auf Kunden je Quadratmeter abstellt. Damit wäre dann vermutlich sowohl dem Gesundheitsschutz wie auch den Einzelhändlern gedient.

Strikte Ausgangssperre vs. lockerere Kontaktbeschränkung

Wenn man sich die Entwicklung der Neuinfektionen in den Bundesländern anschaut, ist zu erkennen, dass die striktere Ausgangssperre in Bayern keinen höheren Effekt hat als die etwas lockereren Kontaktbeschränkungen im Rest der Republik. Das ist auch wenig verwunderlich, da sich die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger schon von sich aus vernünftig verhält und außerdem durch den weitgehenden Shutdown sowieso viele Aktivitäten gar nicht mehr möglich sind. Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, welche Ansteckungsgefahren reduziert werden sollen, indem man Menschen verbietet, auf einer Parkbank zu sitzen oder auf einer Wiese zu liegen und ein Buch zu lesen.
Künftig braucht es deshalb eine deutlich stärkere Orientierung am Ziel der Kontaktreduktion. Natürlich kann in besonders stark betroffenen Gebieten eine lokal begrenzte Ausgangssperre zielführend sein, um kurzzeitig wirklich jegliches öffentliches Leben stillzulegen. Im Allgemeinen ist es aber völlig ausreichend, die Ansammlung größerer Menschengruppen zu unterbinden, wie es durch die lockereren Kontaktbeschränkungen geschieht. Als Richtwert für eine bundesweite Regelung erscheint eine Obergrenzen für Gruppen zwischen 4 und 8 Personen sinnvoll. In stärker betroffenen Bundesländern sollte jedoch weiterhin die 2-Personen-Regelung gelten. Die flächendeckende strikte Ausgangssperre in Bayern muss hingegen mangels Wirksamkeit sofort gelockert und in eine mildere Kontaktbeschränkung umgewandelt werden.

Alten-, Behinderten-, Krankenpflege

Noch immer steht Deutschland, genauso wie Europa und die gesamte Welt, vor dem Problem, dass es nur wenige – faktisch oft keine – effektiven Maßnahmen gibt, die vor Ansteckungen im Pflegebereich schützen. Während man auf Kneipenbesuche verzichten und in Supermärkten und anderen Geschäften relativ leicht Abstand halten kann, handelt es sich im Bereich der Pflege um notwendige Kontakte, bei denen die räumliche Nähe meist zwingend ist. Genau jene Regeln, also die Kontaktreduktion und das Abstand halten, die in der restlichen Gesellschaft effektiv und vergleichsweise effizient den Reproduktionsfaktor R auf einen Bruchteil senken, laufen im Pflegebereich komplett ins Leere. Umso wichtiger ist es daher, die übrigen physischen und präventiven Schutzmöglichkeiten in diesem Bereich vollständig auszuschöpfen.
Das heißt, dass bei der stationären Pflege in Richtung Ganzkörperschutzanzüge und Desinfektionsanlagen vor den Einrichtungen gedacht werden muss, damit von Pflegekräften über Reinigungspersonal und sonstige Angestellte bis zu Besucherinnen und Besuchern wirklich jeder nur noch vollständig abgeschirmt und 100% virenfrei in Krankenhäuser, Altenheime oder sonstige Pflegeeinrichtungen gelangt. Auch in der mobilen Alten- und Krankenpflege müssen solche Schutzmaßnahmen entwickelt werden. Daneben müssen Pflegende wie auch Gepflegte zur Prävention regelmäßig auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet werden, um die Ansteckungsgefahren für die Hochrisikogruppe der Gepflegten so gering wie möglich zu halten. Das gilt allerdings nicht nur in der stationären und der mobilen gewerbsmäßigen Pflege, sondern insbesondere auch für die private Pflege innerhalb der Familie.
Bislang ist mein Eindruck aber leider, dass der Pflegebereich kaum Beachtung findet. Anstatt die Mundschutzpflicht im ÖPNV rauf und runter zu diskutieren oder zu überlegen, ob man 18-Jährige Abiturienten für 3 Stunden mit ausreichend Abstand in einen Raum setzen darf, sollte vielmehr der Schutz dieser schwächsten und zugleich gefährdetsten Gruppe unserer Gesellschaft in den Blick genommen werden.

Schulen und Kitas

Während es in Kitas unmöglich sein dürfte, die für einen Ansteckungsschutz notwendigen Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen einzuhalten, sollte dies bei oberen Klassenstufen grundsätzlich funktionieren. Eine einheitliche Regelung von den jüngsten Kita-Kindern bis zu den Abiturientinnen und Abiturienten kann insofern aber nicht zielführend sein.
In Kitas sollte deshalb vorerst weiter auf einen Notbetrieb gesetzt werden, wohingegen an Schulen durchaus wieder einige Aktivitäten durchgeführt werden können. Sinnvoll erscheint hierbei, zunächst mit den Abschlussklassen zu beginnen, während der Unterricht für die restlichen Klassenstufen weiterhin ausgesetzt bleibt. Damit stünden jetzt für die Abschlussklassen genügend Lehrkräfte und Räume zur Verfügung, um den Schulunterricht und die Prüfungsvorbereitungen in kleineren Gruppen mit dem nötigen Abstand fortzusetzen. Gelänge es auf diese Weise, die Abschlussprüfungen zu Ende zu führen, stünden im Anschluss wiederum für die restlichen Klassenstufen mehr Kapazitäten zur Verfügung. Gegebenenfalls könnte dann durch eine Verlängerung des aktuellen Schuljahres, verkürzte Sommerferien und einen späteren Beginn des nächsten Schuljahres ein Teil der verlorenen Lernzeit wieder aufgeholt werden.
Gleichwohl wird man auch bei diesem Vorgehen nicht ohne flankierende Maßnahmen auskommen, sobald die übrigen Klassenstufen wieder zur Schule gehen. Um das Ansteckungsrisiko ab diesem Zeitpunkt auf einem Minimum zu halten, sollte daher zumindest an weiterführenden Schulen ein Teil des Präsenzunterrichts durch E-Learning-Einheiten substituiert werden. Auch Schichtunterricht oder zeitversetzte Pausen können dazu beitragen, die Zahl der Kontakte und damit auch das Infektionsrisiko zu reduzieren.

Zusammenfassung

Nachdem es eine Vielzahl lokaler Infektionsgeschehen gibt, ist eine Regionalisierung der Maßnahmen zwingend erforderlich. Nur so ist es möglich, die verschiedenen flächendeckenden Einschränkungen zurückzunehmen, ohne damit die Gefahr von Infektionen zu erhöhen. Daneben muss das Augenmerk vielmehr auf dem Schutz der Risikogruppen liegen, insbesondere den pflegebedürftigen Personen. Während große Menschenansammlungen bundesweit für längere Zeit nicht möglich sein werden, erscheint eine moderate Lockerung der Kontaktsperre für Kleingruppen zumindest in schwächer betroffenen Regionen vertretbar. Selbiges gilt für die Wiederöffnung des Einzelhandels und die Beschulung der Abschlussklassen. Überdies kann eine Mundschutzpflicht in Innenräumen eine gute Ergänzung zu anderen Schutzmaßnahmen sein.


Text als PDF: Corona-Pandemie: Empfehlungen zum weiteren Vorgehen in Deutschland


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Doch leider ist die finanzielle Ausstattung von Kindern in Deutschland noch immer reine Glückssache und hängt wesentlich von der wirtschaftlichen Lage der Eltern ab. Schlimmer noch, in Deutschland ist es sogar so, dass die Kinder einkommensstarker Familien von der Gesellschaft über den Kinderfreibetrag mit fast 300 Euro gefördert werden, während eine einkommensschwache Familie für ihr erstes Kind nur knapp 200 Euro Kindergeld erhält.

Das beschämende Ergebnis dieser am falschen Ende sparenden Politik ist, dass im reichen Deutschland rund 20% der Kinder in Haushalten leben, die mit ihren Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegen. War 1998 „nur“ jedes achte Kind von Armut gefährdet [1], lebt inzwischen jedes fünfte Kind, in Ostdeutschland sogar jedes vierte Kind [2], in Unwohlstand, insgesamt 3 – 4 Millionen Kinder [3]. Und das ist eben nicht nur eine traurige Zahl, sondern auch ein riesiges Potential, das wir auf diese Weise viel zu oft verschenken.


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[1] Dossier Kinderarmut des Familienministeriums von 2008, Seite 3 (Link zur PDF auf www.bmfsfj.de)

[2] Pressemeldung der Hans-Böckler-Stiftung von 2017 zu einer aktuellen Studie (Link zur Meldung auf www.boeckler.de)

[3] Tagesspiegel-Artikel vom 22.8.2018 mit Zahlen des Kinderschutzbunds (Link zum Artikel auf www.tagesspiegel.de)

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400 Euro monatlich für jedes Kind:

Jedes Kind ist gleich viel wert! Daher soll künftig nicht mehr das Einkommen der Eltern darüber entscheiden, mit wie viel Euro der Staat ein Kind fördert. Egal ob erstes, zweites oder drittes Kind, egal ob Baby oder fast schon erwachsen – der Staat zahlt ein Kindergeld von 400 Euro monatlich.

11 Milliarden durch Diesel und Dienstwägen:

Aktuell wird der Diesel mit 10 Mrd. Euro an den Zapfsäulen subventioniert und bei den günstigen Konditionen für die steuerliche Absetzbarkeit von Dienstwägen schätzt der Bundesrechnungshof einen Subventionsanteil von rund 4 Milliarden Euro [1]. Selbst wenn man beim Diesel eine Kompensation über die KfZ-Steuer gegenrechnet und das Dienstwagenprivileg nicht ganz abschafft, sondern nur einschränkt, bleibt ein Einsparpotential von gut 11 Milliarden Euro jährlich.

Abschaffung Kinderfreibetrag, Anpassung sonstiger Förderung:

Mit dem einheitlichen Kindergeld von 400 Euro soll auch der Förderungsdschungel gelichtet und die Kinderförderung entbürokratisiert werden. Der Kinderfreibetrag, der einkommensstarke Familien aktuell mit rund 260 Euro je Kind entlastet, wird daher ersatzlos gestrichen. Der Kinderzuschlag, durch den bei maximaler Nutzung aktuell eine Förderung von ca. 350 – 370 Euro pro Kind möglich ist, sollte mindestens überarbeitet werden. Und auch andere Förderungen, die beispielsweise wegen des bürokratischen Aufwands kaum genutzt werden, sollten überdacht und ggf. angepasst oder abgeschafft werden. Das Ziel muss künftig lauten: Kinder fördern, nicht Bürokratie!

Keine Anrechnung auf Hartz IV:

Um effektiv etwas gegen Kinderarmut zu unternehmen, müssen die Hartz-IV-Leistungen in Bezug auf Kinder überdacht werden. Sinnvoll erscheint, künftig den Regelsatz vollständig durch das Kindergeld von 400 Euro zu ersetzen und die Kinder nur noch bei Wohnkostenzuschüssen und Ähnlichem zu berücksichtigen. Letztlich soll ja die Kinderförderung von der Gesellschaft aus Steuermitteln gleistet werden und nicht primär Aufgabe der Arbeitsagentur sein. Umgekehrt darf dann aber auch keine Anrechnung des Kindergelds auf die Hartz-IV-Leistungen der übrigen Haushaltsangehörigen stattfinden, sodass das höhere Kindergeld auch tatsächlich bei den Familien ankommt.

Kopplung an gewöhnlichen Aufenthalt:

Für den Anspruch auf Kindergeld sollte künftig der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder maßgeblich sein. Haben Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland, sollte kein oder nur ein eingeschränkter Anspruch auf Kindergeld bestehen.

Kosten / Nutzen:

Millionen Kinder werden durch das einheitliche Kindergeld aus der Armut geholt. Familien werden gestärkt und von bürokratischen Hürden bei der Kinderförderung befreit. Deutschland investiert damit in seine Zukunft. Hingegen werden zwei andere Steuersubventionen abgeschafft, die auf dem Weg in eine ökologische Zukunft mehr schaden als nutzen. Ein Staat, der dicke Dienstwägen subventioniert, braucht sich nicht wundern, wenn er seine Klimaziele verfehlt. Und seit der Dieselaffäre ist bekannt, dass der Diesel zwar etwas weniger CO2 ausstößt, aber dafür andere Probleme in unseren Innenstädten verursacht. Insgesamt führt der Vorschlag daher zu einer Win-Win-Situation für Kinder und Klima, für Familien und saubere Luft.

Finanzierung:

Wenn sich bei Diesel und Dienstwägen 11 Milliarden Euro einsparen lassen, sind die zusätzlichen Ausgaben für das Kindergeld zu einem guten Teil finanziert. Weitere Finanzierungsmöglichkeiten sind die Anhebung von Tabak- und Alkoholsteuer oder die Einführung einer Verpackungs- oder Plastiksteuer.

Positive Effekte für den Handel:

Durch die Umschichtungen im Haushalt dürften positive Effekte auf die Wirtschaft ausgelöst werden. Viele werden auch ohne Subventionen weiterhin teure Dienstwägen kaufen, so dass nur marginale Effekte auf die Automobilindustrie zu erwarten sind. Beim Diesel werden sich die Kosten stärker verteilen, weil er häufig im gewerblichen Bereich (Güter-Transport, Handwerker, Taxi) zum Einsatz kommt. Das höhere Kindergeld wird hingegen den Konsum und die Binnennachfrage recht direkt ankurbeln, was insbesondere dem Handel zu Gute kommen dürfte.


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[1] Im Sonderbericht 2017 des Bundesrechnungshofes werden die Dienstwagen- (S.42) und Dieselsubventionen (S.43) auf Basis des Jahres 2015 berechnet (Link zum Sonderbericht 2017 auf www.bundesrechnungshof.de)

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Neue Sprachregelung für Universitäten http://www.mister-ede.de/gesellschaft/sprachregelung-universitaeten/6048 http://www.mister-ede.de/gesellschaft/sprachregelung-universitaeten/6048#comments Fri, 20 Jan 2017 19:21:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=6048 Weiterlesen ]]> Die vielfältigen Probleme und Fehlausrichtungen der universitären Lehre in Deutschland sind bekannt. Um dem Zustand nun Rechnung zu tragen, schlage ich deshalb eine neue Sprachregelung für Universitäten vor.
Zunächst sollte der Name dieser Lehreinrichtung von „Universität“ auf „Uniformität“ geändert werden, damit deutlich wird, dass dort nicht eigenes kritisches Denken, sondern angepasstes und unterwürfiges Verhalten der Garant für gute Noten ist. Außerdem sollte, nachdem so viele Doktortitel nicht mit wissenschaftlicher Leistung zu begründen sind, wie Schavan über zu Guttenberg bis Chatzimarkakis zeigen, dieser akademische Grad umbenannt werden. „Staatlich geprüfter Betrüger“, „Schummel-Künstler“ oder „Wissensschwindler“ wären Namen, die von vorneherein den Wert dieses Titels korrekt ausdrücken würden.

Aber auch an anderer Stelle könnte eine Umbenennung helfen, Unklarheiten von Anfang an zu vermeiden. So sollte überlegt werden, ob Lehrstühle in Zukunft nicht besser „La Famila“ genannt werden, damit die hierarchische und intransparente Struktur besser zum Ausdruck gebracht wird. Nur wer sich stromlinienförmig dieser Familie anpasst und dem Stammeshäuptling bedingungslosen Gehorsam schwört, hat Chancen in der Hierarchie aufzusteigen. Wer hingegen wagt zu widersprechen, dem droht als schwarzes Schaf der Ausstoß aus der Lehrstuhlfamilie.
Und damit wären wir nun bei den Professoren, für die sich als neue Bezeichnung „die Paten“ eignen würde. Immerhin scheinen sie ihre Entscheidungen genauso einsam und unkontrolliert zu treffen wie das Familienoberhaupt eines Mafia-Clans. Womit sonst wäre jene Vielzahl an Doktortiteln zu erklären, die in den vergangenen Jahren aberkannt werden mussten, wenn nicht mit den schleierhaften Umständen der vorherigen Vergabe. Entweder konnten oder wollten die für die Prüfung zuständigen Professoren nicht genauer hinsehen.

Insgesamt glaube ich, dass mit dieser neuen Sprachregelung vielen Missverständnissen vorgebeugt werden könnte. Entsprechend würde die Promotion dann künftig in etwa so klingen: „Er oder sie wurde an einer Uniformität vom Clan-Oberhaupt, dem Paten, zu einem Wissensschwindler ausgebildet – summa cum laude.“


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Elitenversagen live: Erfahrungsbericht zu einem misslungenen Brexit-Vortrag http://www.mister-ede.de/gesellschaft/elitenversagen-live-erfahrung/5976 http://www.mister-ede.de/gesellschaft/elitenversagen-live-erfahrung/5976#comments Fri, 06 Jan 2017 18:25:51 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5976 Weiterlesen ]]> Es war der Donnerstagmorgen des 10.11.2016, als ich gespannt auf den Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema „Brexit-Referendum: Ursachen und mögliche Folgen“ wartete. Ich hoffte vom Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Siegen, Dr. Hannes Rösler, Neues zu erfahren und freute mich auf eine weitere Perspektive und die Möglichkeit, in der anschließenden Diskussion die Frage zu stellen, ob die Überschrift nicht schon einer Fehlannahme unterliege. Schließlich hat ja fast die Hälfte der am Referendum teilnehmenden Briten für einen Verbleib in der EU votiert, weshalb man bei ihnen ja nicht nach Ursachen suchen braucht. Vielmehr hätte man mit Hinblick auf die Ursachen also fragen müssen, warum im anderen Teil der Bevölkerung die „Leave“-Option als besser empfunden wurde.

Doch leider kam es erst gar nicht soweit, denn der Vortrag befasste sich fast ausschließlich mit der Geschichte und der Entwicklung des Rechts in Großbritannien. Einem Schüler hätte man für ein solches Referat wohl eine 6 mit dem Hinweis „Thema komplett verfehlt“ gegeben. Und so zog sich der mit unsinnigen Anekdoten, z.B. zum Fanshop eines britischen Gerichts, und zu meinem Erstaunen auch mit ziemlich schrägen Darstellungen durchsetzte Vortrag des Professors von der Magna Carta über die Kolonialgeschichte bis zum Zerfall des Commonwealth. Hingegen fiel kein Wort zum massiven Eliteversagen, kein Wort zu Cameron, kein Wort zu den Konstruktionsfehlern der EU, kein Wort zur Spaltung zwischen Arm und Reich oder zur neoliberalen Deindustrialisierungspolitik im Großbritannien der 80er- und 90er-Jahre.

Wer also Elitenversagen mal live erleben wollte, war bei diesem Vortrag auf jeden Fall richtig, wer sich aber für die Ursachen des Brexits interessierte, war hier definitiv falsch. Meine entsprechende Nachfrage gegen Ende des Vortrags, übrigens die einzige, trotz angekündigter Diskussion, empfand der Professor dann wohl auch als Majestätsbeleidigung. Dabei wollte ich nur wissen, ob er ernsthaft glaubt, dass das, was er uns da jetzt erzählt hat, irgendwas mit dem Brexit-Votum zu tun hat. Auf meine Ergänzung, dass GB auch keine 11 Mrd. zur EU beiträgt, sondern nur rund 4 Milliarden Euro, bezweifelte er einfach meine Zahlen. Diese kann man zwar bei der Bundeszentrale für politische Bildung nachlesen, aber ein Professor fällt halt lieber auf Zahlen der Brexiteers herein, bevor er vor Publikum seine Ahnungslosigkeit eingesteht. Auf seinen Vorschlag, ich solle doch einfach selbst einen Vortrag halten und er würde Fragen stellen, habe ich gleich nachmittags per Mail geantwortet – gehört habe ich seitdem aber nichts mehr von ihm…


Ergänzung vom 05.02.2017: Auf Grund eines Einmaleffektes, wie die Wirtschaftswoche im Sommer 2016 schrieb, lag der Nettobeitrag Großbritanniens 2015 bei 11,5 Mrd. Euro. (Link zur Auflistung der Nettozahler 2015 auf www.wiwo.de)


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Die Lehre aus „Faust“: Genügsam leben, anstatt nach immer mehr zu streben http://www.mister-ede.de/kultur/faust-lehre-der-genuegsamkeit/5895 http://www.mister-ede.de/kultur/faust-lehre-der-genuegsamkeit/5895#comments Thu, 22 Dec 2016 13:11:30 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5895 Weiterlesen ]]> Ach, was wird nicht alles in Goethes Faust hineininterpretiert. Dabei dreht sich das Faust-Motiv im Kern nur um die vielen Menschen innewohnende Ambivalenz, nach einem Zustand zu streben, der sie von diesem Streben befreien soll. Sie versuchen, immer wissender zu werden, bis sie Allwissenheit erlangen, immer reicher zu werden, bis ihnen die Welt gehört, immer mächtiger zu werden, bis sie allmächtig sind, und geliebt zu werden, bedingungslos und unendlich. Doch während sie damit nach eigener Göttlichkeit streben, um ihrem Menschsein Sinn und Erfüllung zu geben, verlieren sie ihr Kostbarstes – ihre Menschlichkeit.

Wer hingegen die Genügsamkeit als Ziel erkennt, steigt aus dem Hamsterrad des immer mehr, höher, schneller, teurer, neuer und weiter aus und fängt an, zufrieden im Einklang mit seiner eigenen Spiritualität und der ihn umgebenden Umwelt zu leben. Es ist das christliche und das jüdische Leben in Liebe zu Gott, seinen Mitmenschen und sich selbst. Es ist das buddhistische und das hinduistische Leben in vollendeter Erleuchtung. Es ist das islamische Leben mit Liebe zu Glaube und Menschheit. Es ist das Leben vieler traditioneller Religionen in Harmonie mit der Natur und ihren Geschöpfen. Und es ist das atheistische Leben nach Maßgabe des Kantschen kategorischen Imperativs.

Wer Gier, Hass und Selbstsucht überwindet, hat Faust nicht nur verstanden, sondern zieht daraus auch die richtigen Lehren. Er hört auf, nach immer mehr zu streben. Er beginnt, wahrhaftig zu leben.
Und so endet die Geschichte des Faust damit, dass daraus jeder lernen möge, genügsam das Sein zu schätzen und nicht, wie es einst Faust getan hat, dem Teuflischen in sich zu verfallen [1].


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[1] Satz entlehnt an einen Satz aus Kapitel 68 der „Historia von D. Johann Fausten“ von unbekanntem Autor. Erstdruck von Johann Spies, Frankfurt am Main, 1587. Vorlage für Goethes zwei Jahrhunderte später erschienenen Faust. Volltext auf www.zeno.org

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Die Unzulänglichkeiten der Wirtschaftswissenschaften (in Deutschland) http://www.mister-ede.de/wirtschaft/kritik-wirtschaftswissenschaft/5051 http://www.mister-ede.de/wirtschaft/kritik-wirtschaftswissenschaft/5051#comments Thu, 26 May 2016 17:07:59 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5051 Weiterlesen ]]> Im Betriebswirtschaftsstudium wird gelehrt, die Lohnkosten zu senken, um Unternehmen wettbewerbsfähig zu machen.

Im Volkswirtschaftsstudium wird gelehrt, die Kosten des Faktors Arbeit zu senken, um Länder wettbewerbsfähig zu machen.

Aber nirgends wird erklärt, was passiert, wenn gleichzeitig alle Unternehmen die Löhne und alle Länder die Sozialstandards absenken.

Dieser Widerspruch ist nur eines von vielen Beispielen für die Unzulänglichkeiten der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere in Deutschland.
Ein anderes Beispiel sind die hierzulande von Schulen über Universitäten bis in Zeitungen oder Talkshows von zahlreichen Ökonomen propagierten Modelle zur Bewertung des Mindestlohns. Noch vor wenigen Monaten wurde allerorten verkündet, unterrichtet und gelehrt, dass ein Mindestlohn zu weniger Beschäftigung führe und deshalb aus volkswirtschaftlicher Sicht abzulehnen sei. Nicht berücksichtigt wurde bei diesen Modellen allerdings der Druck auf geringqualifizierte Arbeitnehmer, einen Arbeitsplatz zu finden, und ein aus dieser schwachen Verhandlungsposition resultierendes Dumping in dieser Arbeitnehmergruppe. Unberücksichtigt blieben auch die durch die Regelungen zur Aufstockung vorhandenen Möglichkeiten für Unternehmen, den Lohn auf niedrigstes Niveau abzusenken und die Differenz durch die Arbeitsagentur ausgleichen zu lassen. Und auch Opportunitätskosten, wie die in dieser Arbeitszeit nicht mögliche Weiterbildung des Arbeitnehmers, oder andere Folgekosten, z.B. im Gesundheitssystem, fanden keinen Eingang in diese Modelle.
Zwar sind solche Berechnungen, die die Auswirkung des Mindestlohns auf die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse untersuchen, nicht falsch, allerdings erlauben sie eben nicht, den volkswirtschaftlichen Nutzen oder Schaden einer solchen Regelung zu bestimmen. Genau jene Schlussfolgerungen, die vorgegeben werden, aus solchen Modellen gezogen werden zu können, lassen sich also überhaupt nicht daraus ziehen.

Man kann die Reihe problemlos weiter fortsetzen, zum Beispiel mit der von Rogoff vor einigen Jahren ins Feld geführten These, Staaten könnten nur eine Verschuldung in Höhe von 90% des BIP verkraften. Obwohl das schlicht absurd ist, konnte diese These eine gewisse Zeit die Wirtschaftswissenschaften hierzulande prägen.
Genauso lässt sich fragen, ob angesichts der Euro-Realitäten jene volkswirtschaftlichen Modelle geeignet sind, welche nahelegen, dass eine Zentralbank die Geldmenge und damit die Preissteigerungsrate über den Leitzins maßgeblich steuern kann.
Zwar betreffen alle diese Beispiele für Unzulänglichkeiten der Wirtschaftswissenschaften verschiedene Teilbereiche und Aspekte, sie eint dabei jedoch, dass sie immer wieder zu den gleichen zentralen Fragen führen:

Wieso werden in den Wirtschaftswissenschaften Theorien und Modelle verwendet, die die Realität nicht nur ungenügend abbilden, sondern zum Teil von ihr widerlegt wurden und werden?

Ist das, was hierzulande als Wirtschaftswissenschaft bezeichnet wird, überhaupt eine erkenntnisorientierte Wissenschaft oder sind das nur noch Dogmen einer neoliberalen Ideologie?

Und was nutzt einer Gesellschaft eine solche Wissenschaft, die nicht erkenntnisorientiert ist, und eine Lehre, die sich in Indoktrination erschöpft?


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Offener Brief an die Universität Lübeck: Ehrendoktor für Steuerzahler http://www.mister-ede.de/4-fun/ehrendoktor-fuer-steuerzahler/2521 http://www.mister-ede.de/4-fun/ehrendoktor-fuer-steuerzahler/2521#comments Mon, 14 Apr 2014 09:06:58 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2521 Weiterlesen ]]> Sehr geehrte Damen und Herren der Universität Lübeck, im Namen der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schlage ich vor, jeden von uns zum Ehrendoktor zu ernennen.
Fälschlicherweise hatten Sie bereits Frau Schavan für Ihren Verdienst um die medizinische Fakultät mit diesem Titel ausgezeichnet, allerdings muss festgehalten werden, dass die für die Weiterführung des Betriebs notwendigen Gelder gar nicht von Frau Schavan, sondern von uns Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern stammen. Mit unermüdlichem Einsatz haben wir so den Fortbestand der medizinischen Fakultät in Lübeck gesichert und dies sollte aus meiner Sicht von Ihnen auch entsprechend gewürdigt werden. Ich halte es daher für angebracht, dass Sie uns Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zum Ehrendoktor ihrer Institution machen.

Und jetzt zieren Sie sich nicht so, bei Schavan hatten Sie ja schließlich auch keine Hemmungen.

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Der unehrenhafte Ehrendoktor http://www.mister-ede.de/politik/der-unehrenhafte-ehrendoktor/2503 http://www.mister-ede.de/politik/der-unehrenhafte-ehrendoktor/2503#comments Sun, 13 Apr 2014 08:28:59 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2503 Weiterlesen ]]> Ich war noch nie ein Fan von Annette Schavan. Mehrere verbockte Schulreformen in Baden-Württemberg gehen auf ihr Konto als damalige Kultusministerin und besonders verwerflich war ihre Arroganz und Überheblichkeit, mit der sie damals die angebrachte Kritik vom Tisch wischte.
Als zum Beispiel im Ländle Englisch in der Grundschule eingeführt wurde, hatte sie doch schlicht vergessen rechtzeitig genügend Grundschullehrer zu qualifizieren. Und dabei war allen bis auf Frau Schavan klar, dass es nicht funktionieren kann, zu Beginn eines Schuljahres ein neues Fach einzuführen und erst im Laufe des Schuljahres nacheinander Lehrer mit Crashkursen weiterzubilden. Sinnlos erschien auch ihre Entscheidung erst das „normale“ Abitur zu verändern, um es dann kurze Zeit später doch vollständig durch das Turbo-Abitur „G8“ zu ersetzen. Schon damals wunderte ich mich deshalb, wie es jemand so unfähiges schaffen konnte einen Doktortitel zu erwerben.

Seit einiger Zeit wissen wir es nun. Anscheinend hatte mal wieder ein Prüfer die Augen beim Lesen fest geschlossen und trotz erheblicher Mängel in der Arbeit wurde Schavan der Doktortitel verliehen. Zumindest ist sie, während die Lehrer und Schüler in Baden-Württemberg immer noch unter den Folgen von Schavans Inkompetenz leiden, heute als das entlarvt was sie ist – eine Schande für die Wissenschaft. Eine Wissenschaftsministerin, die nicht in der Lage ist wissenschaftlich zu arbeiten – selten hat der Satz „der Fisch stinkt vom Kopf her“ besser gepasst als hier.

So weit so beschissen, doch leider ist das nicht das Ende der Geschichte. Durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Schavan wurde dem Ganzen von der Universität Lübeck nun die Krone aufgesetzt. Dabei stellt sich nicht nur die Frage, wie man eine Person, die der Bildung und Wissenschaft einen solchen Bärendienst erwiesen hat, mit einem wissenschaftlichen Ehrentitel belohnen kann, sondern auch wofür genau sie diesen Titel eigentlich erhalten hat.

Stimmt der NDR-Bericht [1], dann wurde Schavan unter anderem dafür geehrt, dass sie in ihrer Zeit als Bundesministerin durch eine Entlastung des Landes Schleswig-Holstein um 25 Mio. Euro jährlich den Fortbestand der medizinischen Fakultät in Lübeck ermöglicht hat.
Allerding stammen diese Millionen ja nicht aus Schavans privatem Geldbeutel, sondern müssen vom Steuerzahler aufgebracht werden. Und wieso man nun eine Wissenschaftsministerin dafür ehren muss, dass sie einfach ihrer Tätigkeit nachgeht, dürfte auch schwer zu erklären sein.

Insgesamt empfinde ich es als ziemliche Frechheit, wie die Universität Lübeck die Ehrendoktorwürde mit so einer unehrenhaften Vergabe in den Dreck zieht. Wie aber schon in der Zeit als Schavan Kultusministerin war, werden die Leidtragende wieder andere sein, nämlich die anderen Universitäten und all jene die sich ernsthaft um die Wissenschaft verdient gemacht haben.


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[1] Bericht von NDR 1 Welle Nord zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Schavan vom 11.04.2014 (Link zum Bericht auf www.ndr.de)

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