mister-ede.de » Maidan http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die „westliche Provokation“ in der Ukraine http://www.mister-ede.de/politik/ukraine-westliche-provokation/3175 http://www.mister-ede.de/politik/ukraine-westliche-provokation/3175#comments Tue, 11 Nov 2014 16:57:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3175 Weiterlesen ]]> Der Ukraine-Konflikt kennzeichnet sich unter anderem dadurch, dass es zu jedem Ereignis mindestens zwei Sichtweisen gibt. Dies trifft allerdings nicht nur auf die Geschehnisse auf der Krim-Halbinsel und im Osten der Ukraine zu, sondern auch schon auf den Auslöser des Konflikts, also den Umsturz in Kiew. Während aus westlicher Sicht das ukrainische Volk seinen autokratischen Herrscher in die Wüste schickte, waren nach russischer Lesart maßgeblich „westliche Provokateure“ für den Umsturz in Kiew verantwortlich.

Und tatsächlich haben die Regierungen in der EU und den USA, bzw. die demokratischen Parteien, Stiftungen und Vereine dieser Länder, auch in vielfältiger Weise dazu beigetragen, dass das Stimmungsbild in der Ukraine so war, wie es war. Die westliche Medienaufmerksamkeit bei der Fußball-Europameisterschaft 2012, die Unterstützung der ukrainischen Opposition durch politische Organisationen aus dem Ausland oder der Druck auf Janukowytsch, z.B. im Bezug auf Frau Tymoschenko, sind Beispiele für diesen Einfluss. Ebenso wurde die Ukraine auch bei den jahrelangen Verhandlungen zu einer näheren Anbindung an die EU immer wieder zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ermahnt. All das zielte natürlich auf eine gesellschaftliche Veränderung im Sinne der westlichen Vorstellung einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ab. Aus russischer Sicht, wie auch aus Sicht einer jeden anderen Staatsführung, die eine solche Ordnung ablehnt, z.B. in China, ist dies natürlich eine Provokation.
Aus meiner Sicht handelt es sich hingegen bei dieser Form von Aufklärung und Unterstützung um die nachhaltigste und friedlichste Form, mit der gesellschaftliche Veränderungen erreicht werden können. Es wäre weder ratsam noch würde es unserer Verantwortung gerecht werden, wenn wir auf die Unterstützung demokratischer Bestrebungen in diesen Ländern verzichten würden, nur weil es für solche autokratischen Regime eine Provokation ist. Insoweit ist die russische Sichtweise in diesem Punkt zwar nachvollziehbar, aber bleibt erst mal abzulehnen.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob damit die Geschichte zu Ende erzählt ist. Auch wenn die jetzige Informationslage nur Vermutungen zulässt, will ich ein paar Punkte nennen, die mich an der bisherigen Erzählung ein wenig stutzen lassen.
So wurde auch in westlichen Medien von Geldströmen berichtet, die mit einer Unterstützung für politische Bildung in der Ukraine nur schwer zu erklären sind [1]. Die Aussage von Nuland ist, soweit ich weiß, nicht dementiert worden und aus meiner Sicht deutet dies zwei Dinge an. Über die Verbreitung liberaler Werte hinaus scheint es Interessen zu geben, ob nun geostrategischer oder ökonomischer Natur, die aus Sicht der Handelnden dieses besondere finanzielle Engagement rechtfertigen. Daneben deuten diese Summen darauf hin, dass das Geld für mehr als nur die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements eingesetzt wurde. Zumindest ist bei solchen Summen theoretisch viel denkbar, bis hin zur Bezahlung „inoffizieller Mitarbeiter“, die das Land durchsetzen.
Ein zweiter Punkt, der mich stutzen lässt, ist die Tatsache, dass es genau in jenem Moment zum Umsturz in der Ukraine kam, der für Putin, der bekanntermaßen ein Interesse am Machterhalt Janukowytschs hatte, wohl der ungeschickteste Zeitpunkt in den letzten Jahren war, nämlich während Russland die Olympischen Winterspiele zu Gast hatte. Der Auslöser für die rasante Entwicklung im Februar waren wohl letztendlich die Schüsse und Toten auf dem Maidan, ohne die mit großer Wahrscheinlichkeit die Geschichte anders verlaufen wäre. Bis heute scheint mir nicht geklärt [2], was die damalige Eskalation in genau diesem Moment auslöste, weshalb ich es zumindest für möglich halte, dass sich im Nachhinein die russische Lesart als realitätsnäher erweisen könnte als und lieb ist.

Auch weitere Punkte lassen meines Erachtens die Frage gerechtfertigt erscheinen, ob der Einfluss aus dem Westen nicht vielleicht doch größer war als das bislang bekannt ist. Wieso wurden manche nationalistischen Strömungen innerhalb der Protestbewegung so lange Zeit ausgeblendet? Wieso reagierte die westliche Wertegemeinschaft in Bezug auf die Ukraine ausnahmsweise so schnell und entschlossen? Immerhin dauerte es keine Woche bis die Interimsführung für den Westen hoffähig war und auch der IWF brauchte keine lange Prüfung für sein Hilfsprogramm. Wenn man das mit der Trägheit bei einer Vielzahl anderer Krisen vergleicht, ist das zumindest ungewöhnlich. Auch andere Entscheidung, z.B. in Bezug auf die Gas-Wirtschaft in der Ukraine, sind für die doch außergewöhnliche Situation sehr zügig getroffen worden.

Würde es sich allerdings bewahrheiten, dass der Westen doch mehr Einfluss genommen hat, als das bislang bekannt ist, müssten auch insgesamt die Geschehnisse rund um den Umsturz neu bewertet werden. Während es bislang abzulehnen ist, den westlichen Einfluss als „Provokation“ zu bezeichnen, hätte in diesem Fall die russische Lesart von der „westlichen Provokation“ dann durchaus eine Berechtigung.


Weitere Artikel zum Thema Ukraine-Konflikt auf www.mister-ede.de


[1] Beitrag des ARD-Magazins Monitor vom 13.03.2014 (Link zum Beitrag auf www.wdr.de)

[2] Beitrag des ARD-Magazins Monitor vom 10.04.2014(Link zum Beitrag auf www.wdr.de)

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Westliche und russische Lesart des Ukraine-Konflikts http://www.mister-ede.de/politik/lesarten-des-ukraine-konflikts/3096 http://www.mister-ede.de/politik/lesarten-des-ukraine-konflikts/3096#comments Thu, 09 Oct 2014 18:55:53 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3096 Weiterlesen ]]> Unterschiedliche Sichtweisen sind das Wesen eines Konfliktes. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch im Ukraine-Konflikt regelmäßig zwei Lesarten zu ein und demselben Ereignis vorhanden sind. Um sich bei einem Streitfall einen ersten Eindruck zu verschaffen, werden vor Gericht zunächst beide Seiten angehört, die dann jeweils ihre Sichtweise darlegen. Genau dies möchte ich mit diesem Beitrag auf den Ukraine-Konflikt übertragen.

Westliche Lesart:

Nach westlicher Lesart hat in der Ukraine mit Janukowytsch ein autokratischer Herrscher regiert, der den Staat im Wesentlichen für seinen Machtausbau und persönlichen Profit nutzte. Das Volk, das sich durch eine EU-Assoziation eine Verbesserung der Situation erhoffte, ging auf die Straße, nachdem das Abkommen gescheitert war. Während sich im Februar Janukowytsch politisch Raum verschaffen wollte, indem er nach langen Protesten einen Rücktritt für den Herbst 2014 anbot, versuchte er gleichzeitig, die Demonstranten auf dem Maidan mit aller Gewalt kleinzubekommen. Es fielen Schüsse und es gab Tote. In der Folge wurde Janukowytsch sprichwörtlich aus dem Amt gejagt. Unter dem Eindruck der Gewalt wählte das Parlament eine Interimsführung, die versuchte, die Ordnung im Land wiederherzustellen.
Allerdings annektierte Russland in der Folge die Krim, um den Einfluss auf diese Region zu behalten. Daneben wurden von Russland aus auch Kämpfer in die Ostukraine entsendet, die dann dort eine Abspaltung durch Separatisten initiieren sollten. Mit einem Anti-Terror-Einsatz versuchte die Kiewer Führung die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, war aber der militärischen Übermacht der aus Russland gesteuerten Kämpfer nicht gewachsen. In Minsk konnte man sich im vergangenen Monat nun vorläufig auf eine Waffenruhe einigen.

Russische Lesart:

Nach russischer Lesart hat hingegen der Westen aus wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen mit Hilfe von Provokateuren und rechten Kräften einen Umsturz in der Ukraine bewirkt und im Anschluss eine neue Interimsführung eingesetzt. Gestützt wurde diese nicht durch das Volk, sondern nur durch die westlichen Mächte, von der EU über die USA bis zur NATO, die damit ihre eigenen Interessen in der Ukraine verfolgten. Nach der Machtübernahme ging die Interimsführung dann aktiv gegen alles Russische in der Ukraine vor. Sie wollte die russische Sprache verbieten, missachtete das Autonomierecht der Krim-Region und ging außenpolitisch auf Konfrontationskurs zur Russland.
Um einen Unterdrückung der russischstämmigen Bevölkerung oder gar einen Genozid zu verhindern, aber auch um hochrangige russische Interessen zu schützen, hat Russland die Stabilität auf der Krim gesichert und dort entsprechend dem Wunsch der Bevölkerungsmehrheit die Loslösung von der Ukraine unterstützt. Obwohl die OSZE als Wahlbeobachter eingeladen war, sperrte sich der Westen gegen dieses Vorgehen, verurteilte und sanktionierte Russland. Nachdem die neuen Machthaber überdies begannen im Osten der Ukraine mit Gewalt gegen all jene vorzugehen, die sich nicht dem aufgezwungenen Regime in Kiew unterordnen wollten, war es die Pflicht von Russland, diejenigen zu unterstützen, die sich gegen den faschistischen Umsturz in Kiew zur Wehr setzten.
Die Kämpfe wurden immer brutaler und während die Regierung in Kiew billigend das Feuer auf die eigene Bevölkerung in Kauf nahm, schickte Russland Hilfskonvois um die notleidenden Menschen zu versorgen. In Minsk konnte man sich im vergangenen Monat nun vorläufig auf eine Waffenruhe einigen.

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Ukraine-Konflikt: Das Werk der Konfrontateure http://www.mister-ede.de/politik/das-werk-der-konfrontateure/2962 http://www.mister-ede.de/politik/das-werk-der-konfrontateure/2962#comments Tue, 12 Aug 2014 17:23:51 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2962 Weiterlesen ]]> Was sich in der Ukraine zurzeit abspielt, ist die logische Konsequenz einer Politik, die stets auf Konfrontation und nicht auf Ausgleich setzte. Alle Konfliktparteien wollten zu viel auf Kosten des Gegenübers und stehen nun doch mit leeren Händen da.

Die Nationalisten in der Ukraine wollten nach dem Sturz Janukowytschs ihre Ideologie zur ukrainischen Staatspolitik machen und müssen nun zusehen, wie die Ukraine sich über den selbst geschaffenen Spalt zerstört. Selbiges gilt für die pro-russischen Aktivisten, die statt mehr regionaler Autonomie gleich die Unabhängigkeit anstrebten und nun vor einem Scherbenhaufen stehen.
Russland, das alles daran gesetzt hat, den Einfluss auf die Ukraine nicht gänzlich zu verlieren, hat sich international isoliert und kann doch nur dem Schwinden seines Einflusses zusehen. Die USA wollten einen Handelspartner für ihre Fracking-Technologie und eine Sicherheitspartnerschaft, bekommen jetzt aber als Partner ein wirtschaftliches Entwicklungsland mit Sicherheitsrisiko. Ebenso wurde der Wunsch der EU, mit einer Partnerschaft zur Ukraine die wirtschaftlichen Beziehungen zur östlichen Nachbarschaft zu stärken, von der Realität eines Handelskriegs mit Russland abgelöst. Auch das zwischenzeitliche Ziel des Westens oder Kiews, mit Sanktionen die Abspaltung der Krim zu verhindern, hat lediglich die Spaltung zwischen den verschiedenen Konfliktparteien befördert.

Stets haben die beteiligten Akteure zu viel gewollt und damit nichts erreicht, das trifft auch auf den neu gewählte Präsident Poroschenko zu. Dieser suchte auf der einen Seite einen Ausgleich mit den Separatisten, auf der anderen Seite war er aber auch bemüht, den Forderungen der Hardliner in Kiew zu folgen. Zu hohe Vorbedingungen, zu wenige Zugeständnisse und ein zu zögerliches Zugehen auf die Separatisten haben dann auch dazu beigetragen, dass am Ende nicht der Ausgleich sondern die Konfrontation stand.
Bei so viel Starrsinn der Konfliktparteien verwundert es nicht, dass selbst der Abschuss von Flug MH 17 lediglich ein kurzes Bedauern auslöste und nicht zu einem Kurswechsel führte. Der Tod der 298 Insassen wird in diesem Konflikt damit lediglich eine Randnotiz bleiben.

Bereits jetzt sind weit über tausend Tote zu beklagen, die Infrastruktur ist geschädigt und zwischen einer halben Million und einer Million Menschen sind auf der Flucht. Wenn in den nächsten Tagen die ukrainische Armee Donezk erstürmt, wird die Gewaltspirale wohl ihren blutigen Höhepunkt erreichen. Selbst wenn Russland nicht militärisch eingreift, was ich trotz der Beteuerungen Putins für durchaus möglich halte, werden die bisherigen Opferzahlen noch einmal erheblich steigen.
Im Ergebnis werden dann aber tausende Tote, die Zerstörungen und die Flucht großer Bevölkerungsteile eine Rückkehr zu einem geordneten Leben in der Ostukraine vorerst verhindern. Daneben sind die Handelsbeziehungen zum wichtigsten ukrainischen Handelspartner, also zu Russland, eingefroren, was beim Gas in einem Vierteljahr sprichwörtlich zu verstehen ist.
Das Werk der Konfrontateure in Ost und West, in Kiew und Moskau, bei Separatisten und Nationalisten ist ein tiefer Spalt in Ost-Europa und eine Region, die droht zu einem zweiten Kosovo zu werden.


Ähnliche Artikel:
Die absehbaren Folgen der Eskalation in der Ukraine (www.mister-ede.de – 07.07.2014)

Kiew hat die Wahl zwischen Chaos und Verhandlungen mit Russland (www.mister-ede.de – 14.04.2014)

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Die absehbaren Folgen der Eskalation in der Ukraine http://www.mister-ede.de/politik/eskalation-in-der-ukraine/2709 http://www.mister-ede.de/politik/eskalation-in-der-ukraine/2709#comments Mon, 07 Jul 2014 05:28:20 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2709 Weiterlesen ]]> Gelingt es in den nächsten Tagen nicht, die Gewalt im Osten der Ukraine zu stoppen, sind zumindest einige Folgen der Eskalation absehbar. Russland wird keine Impulse mehr zur Überwindung des Konflikts liefern, sondern im Gegenteil den politischen und wirtschaftlichen Druck auf die Ukraine erhöhen und die Unterstützung für die Separatisten ausweiten, z.B. dort wo es geht Material zur Verfügung stellen.
Die Gaslieferungen von Russland an die Ukraine werden nun sicherlich eingestellt und es würde mich nicht wundern, wenn zusätzlich noch finanzielle Forderungen erhoben würden, z.B. für die Aufnahme von Flüchtlingen. Putin wird alles in seiner Macht stehende unternehmen um Sand in das Getriebe des Kiewer Apparates zu streuen.
Auf der anderen Seite wird weiterhin die EU erfolglos auf das Ende der Kämpfe drängen, während die USA Poroschenko in seinem Kurs bestärken werden, den militärischen Sieg zu suchen. In ein paar Monaten haben wir dann eine Ukraine, die wirtschaftlich am Ende ist, wahrscheinlich eine humanitäre Katastrophe in der Ost-Ukraine, wenn wir das nicht längst schon haben, und sicherlich auch nach einem Sieg des Militärs weiterhin immer wieder schwelende Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen Regierungstreuen und Regierungsgegnern.

Ich habe große Zweifel, dass es auf dieser Basis gelingen kann, die Ukraine in Nachbar- und Feindschaft zu Russland zu stabilisieren. Vor einiger Zeit habe ich geschrieben, Kiew hat die Wahl zwischen Chaos und Verhandlungen. Anscheinend hat sich Poroschenko nun für das Chaos entschieden.


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Ukraine-Konflikt: Von der Wortschlacht zur offenen Konfrontation http://www.mister-ede.de/politik/ukraine-nach-der-wortschlacht/2560 http://www.mister-ede.de/politik/ukraine-nach-der-wortschlacht/2560#comments Thu, 15 May 2014 07:48:18 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2560 Weiterlesen ]]> Nachdem sich im ukrainischen Konflikt die verschiedenen Seiten mit einer Wortschlacht überboten haben, erscheint die nun vorhandene offene Konfrontation folgerichtig. Aus den Menschen, die in Kiew und in anderen Städten auf der Straße waren, um für eine Verbesserung ihrer Lage zu streiten, wurden für die pro-russischen Aktivisten und Moskau Faschisten. Dafür wurde umgekehrt für die Übergangsregierung in Kiew der russischstämmige Teil der Bevölkerung zu Rebellen und Terroristen. Und während Turtschinow den Russen vorwarf, in der Ukraine den dritten Weltkrieg anzuzetteln, blieb für Moskau die Kiewer Übergangsregierung nichts weiter als eine Militärjunta, die ein Massaker an der eigenen Bevölkerung verübt.

So wurde mit diesen Hasstiraden auf beiden Seiten eine Front aufgebaut, die bis vor wenigen Monaten in einer geeinten Ukraine mit engen Beziehungen zu Russland gar nicht bestand. Es ist verständlich, dass nun die Regierung in Kiew gewaltsam versucht gegen die sogenannten Terroristen vorzugehen und sich jene Aktivisten in der Ost-Ukraine gegen die Faschisten aus Kiew zur Wehr setzen. Während sich die einen am vergangen Sonntag mit Hilfe eines Referendums unabhängig erklärten, ist die Regierung in Kiew weiter bemüht, die Hoheit in der Ost-Ukraine mit militärischen Mitteln zurückzuerlangen. Doch selbst wenn den Aktivisten die Abspaltung gelingt oder es die Führung in Kiew schafft, die staatliche Ordnung wiederherzustellen, werden die aufgebauten Spannungen in dieser Region nicht verschwinden.

Daher muss auch nach dieser aktuellen Eskalation aus meiner Sicht das Ziel bleiben, durch eine Verhandlungslösung den Konflikt zu entschärfen. Neben der Durchführung der Präsidentschaftswahl am 25. Mai könnte auch eine Zusage an die Regionen, in den nächsten Monaten ein von allen Seiten akzeptiertes Referendum durchzuführen, ein Weg sein, um eine Perspektive für eine Konfliktlösung zu schaffen.
Unabhängig von den aktuellen Militäreinsätzen im Osten und der anstehenden Präsidentenwahl sollte sich die Rada in Kiew aber auch mit einer Dezentralisierung der Ukraine auseinandersetzen, um die einzelnen Regionen in einem föderalen System zu stärken. So könnte, auch innerhalb einer vereinten Ukraine, in den unterschiedlichen Teilen des Landes individuell auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingegangen werden, zum Beispiel bei Fragen von Kultur oder Sprache.

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Die Schuldfrage in der Ukraine-Krise http://www.mister-ede.de/politik/schuldfrage-der-ukraine-krise/2461 http://www.mister-ede.de/politik/schuldfrage-der-ukraine-krise/2461#comments Sat, 22 Mar 2014 10:47:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2461 Weiterlesen ]]> Wenn man sich die Medienberichterstattung der vergangenen Wochen anschaut, so gewinnt man den Eindruck, als habe Vladimir Putin die krisenhafte Situation in der Ukraine höchstpersönlich und vor allem alleine zu verantworten. Schaut man sich die Tatsachen aber genauer an, dann erkennt man, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen zu dieser Eskalation geführt hat. Die Frage nach der Schuldverteilung ist aus meiner Sicht daher nicht ganz so leicht zu beantworten, wie das im ersten Moment scheinen mag.

Oligarchie, Korruption und mangelnde Rechtsstaatlichkeit:

Dass die Ukraine nie wirklich auf die Beine gekommen ist, hängt im Wesentlichen mit der post-sowjetischen Oligarchie, sowie der Korruption und der mangelnden Rechtsstaatlichkeit zusammen. Dafür einen konkreten Schuldigen zu finden, dürfte zwar schwer werden, man kann jedoch davon ausgehen, dass der „Westen“ nicht für das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verantwortlich zu machen ist. Allerdings schon bei der Korruption bin ich mir nicht mehr ganz so sicher.

Außenpolitischer Druck von Russland und EU:

Die Lage in der Ukraine verschärfte sich 2005 deutlich nach der orangenen Revolution auf Grund des gewachsenen außenpolitischen Drucks auf die Ukraine. Auf der einen Seite war die EU, die von der Ukraine viel forderte, sie aber nicht sonderlich unterstützte, und auf der anderen Seite stand Russland, das zum Beispiel die Abhängigkeit vom russischen Gas als Druckmittel gegen die Ukraine einsetzte, um eine weitere Westanbindung zu verhindern. Und auch wenn die europäischen Forderungen nach Rechtsstaatlichkeit oder demokratischen Prozessen legitim sind, so hat neben Russland eben auch die EU dazu beigetragen, dass sich die Ukraine zwischen beiden Seiten aufrieb. Eine größere Verantwortung sehe ich in diesem Zusammenhang aber dennoch bei der russischen Verhinderungspolitik als bei der europäischen Forderungspolitik.

Proteste auf dem Maidan:

Nachdem 2010 mit Janukowytsch in der Ukraine wieder ein Präsident an die Macht kam, der sich enger an Russland anband, gab es für Putin entsprechend auch keinen Grund, einen Umsturz herbeizuführen.
Zwar hat erneut der Druck Russlands zu den Protesten auf dem Maidan geführt, weil Janukowytsch zu einer Aufgabe des Assoziierungsabkommens und einem stärkeren Ostkurs gezwungen wurde, allerdings wäre es Russland wohl recht gewesen, wenn sich die Proteste des vergangenen Jahres einfach wieder beruhigt hätten. Umgekehrt hatte aber der „Westen“ ein Interesse an einem Westkurs der Ukraine und so wurde die ukrainische Opposition unterstützt. Anders ausgedrückt hat es in der Ukraine schon vorher gebrannt und sowohl Russland mit dem Druck auf Janukowytsch als auch der „Westen“ mit der Unterstützung der Opposition haben dann noch Benzin ins Feuer gegossen.

Machtwechsel in Kiew:

Das Anwachsen der Proteste hat dazu geführt, dass eine Reaktion der ukrainischen Regierung notwendig wurde. Mit Zugeständnissen an die Demonstranten, sowie der Ankündigung von vorgezogenen Neuwahlen sollte eine weitere Eskalation verhindert werden und sowohl Janukowytsch als auch Russland hatten die Hoffnung, dass sich dadurch ein Machtwechsel in Kiew verhindern lässt.
Dass nur Stunden nach der vermeintlichen Einigung, sich die Situation in der Ukraine durch die Absetzung und Flucht von Janukowytsch dramatisch veränderte, war somit absolut nicht im Sinne Russlands. Auf den Umsturz bezogen hat Putin aus dem eigenen Interesse heraus versucht, die Lage zu entschärfen, daher kann man ihm am Umsturz selbst sicherlich keine Schuld geben.

Die Folgen des Umsturzes:

Durch den Umsturz ist der Konflikt in der Ukraine dann weiter eskaliert. Eine Folge des Umsturzes war so zum Beispiel die Regierungsbeteiligung der nationalistischen Swoboda Partei und genauso ist auch die aufgeheizte Situation in der Ost-Ukraine eine Folge des Umsturzes in Kiew. Auch die russische Intervention mit anschließender Annexion auf der Krim, kann als eine Folge des Umsturzes betrachtet werden, so wie auch die daraus resultierenden Sanktionen gegen Russland.

Die Schuldfrage:

Müsste ich die Schuldverteilung einschätzen, würde ich die größte Verantwortung bei der ukrainischen Führung um Janukowytsch suchen. Diese hat zum Biespiel durch die Wahlmanipulationen von 2012 und diversen weiteren innenpolitischen Entscheidungen die Lage in der Ukraine maßgeblich verschuldet. Ihren Anteil würde ich vielleicht bei 55% sehen.
Daneben hat der Druck Russlands auf die Ukraine im vergangenen Jahrzehnt, und auch direkt im Vorfeld der Proteste zu dieser Eskalation beigetragen. Die Schuld an der Eskalation würde ich hier vielleicht bei 25% ansiedeln. Etwas niedriger sehe ich noch die Schuld des „Westens“, der die Opposition in der Ukraine aktiv unterstützte und damit ebenfalls den Konflikt in der Ukraine anheizte. Dem „Westen würde ich vielleicht 20% der Schuld zuweisen.
Zieht man die Folgen des Umsturzes mit ein, dann haben an der weiteren Eskalation der Lage auch die nationalistischen Oppositionskräfte, die nun mit in der Regierung sitzen, eine Mitschuld. Auch durch die Annexion der Krim hat Russland zu einer weiteren Verschärfung beigetragen, genauso wie die EU mit ihren Reaktionen. Sowohl die schnelle Anerkennung der neuen Regierung, trotz der widrigen Umstände der Machterlangung, als auch das Verhalten in Bezug auf Russlands Vorgehen auf der Krim, haben den Konflikt weiter eskaliert.

Gegenseitige Schuldzuweisungen:

Aus meiner Sicht macht es nun aber wenig Sinn, sich in der jetzigen Situation gegenseitig die Schuld zuzuweisen. Beide Seiten sollten eingestehen, dass sie keine weiße Weste haben und sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, die Gegenseite trage die volle Verantwortung an der Eskalation.
Wenn Grinin, der russische Botschafter in Deutschland, sagt, dass Russland nichts für den Umsturz kann, dann stimmt das, unterschlägt aber gleichzeitig, dass Russland durch seinen Druck auf die Ukraine sehr wohl zu den Protesten auf dem Maidan beigetragen hat.
Und wenn Merkel die russische Einmischung auf der Krim verurteilt, sollte man sie fragen, wieso sie nicht im gleichen Atemzug auch die amerikanischen Einmischungen auf dem Maidan durch die Unterstützung der Oppositionskräfte kritisiert.
Es wäre meines Erachtens an der Zeit, endlich die Phase der Schuldzuweisungen zu überwinden und die Frage in den Mittelpunkt rücken, wie mit der jetzt vorliegenden Situation umgegangen wird.


Eine ausführlichere Darstellung der Entwicklungen in der Ukraine und mögliche Lösungsansätze der Konfliktsituation habe ich in einem anderen Artikel beschrieben:
Der Konflikt in der Ukraine (www.mister-ede.de – 20.03.2014)

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http://www.mister-ede.de/politik/schuldfrage-der-ukraine-krise/2461/feed 0
Der Konflikt in der Ukraine http://www.mister-ede.de/politik/der-konflikt-in-der-ukraine/2453 http://www.mister-ede.de/politik/der-konflikt-in-der-ukraine/2453#comments Thu, 20 Mar 2014 10:07:04 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2453 Weiterlesen ]]> Um die Konfliktsituation in der Ukraine zu verstehen, muss meines Erachtens der Konflikt in zwei Bestandteile zerlegt werden. Zum einen handelt es sich um einen innerukrainischen Konflikt, der hauptsächlich durch Fehlentwicklungen in der Ukraine selbst ausgelöst wurde, und zum anderen um einen geopolitischen Konflikt, zwischen Russland und der EU bzw. der NATO. Dabei ist die grundsätzliche Frage, die beide Konflikte miteinander verbindet, wie souverän die Ukraine ist, also wie unabhängig sie sich entwickeln darf.

Die Ukraine der 1990er:

Nach dem Zerfall der Sowjetunion war die Führung der Ukraine eng an Russland angebunden. Das scheint verständlich, denn ähnlich wie in Russland, waren es die sowjetischen Machteliten selbst, die eine Neuausrichtung der Ukraine vorantrieben. Daher stand damals vor allem die Entwicklung der Ukraine aus der sozialistischen Planwirtschaft hin zu marktwirtschaftlichen Strukturen im Vordergrund. Ähnlich wie das Russland der 90er Jahre, suchte die Ukraine dabei auch die Partnerschaft zur EU und zu den USA. Dennoch war die EU zu diesem Zeitpunkt weit weg und mit dem Einzug Polens oder Tschechiens ins europäische Haus beschäftigt. Prägend in den 90er Jahren war deshalb für die Ukraine vor allem die Entwicklung hin zur Oligarchie an der Seite Russlands.

Die Ukraine der 2000er:

Anders als in Russland, in dem die Kremlkritiker in den 2000er Jahren scharf angegangen wurden, konnte sich in der Ukraine eine politische Opposition entwickeln. Diese war zwar häufig im Umfeld von Oligarchen zu finden, aber sie ermöglichte den Unmut der Bevölkerung zu kanalisieren. Mangelnde Rechtsstaatlichkeit, Korruption und wirtschaftliche Probleme führten so zur orangenen Revolution und 2005 zur Wahl von Präsident Juschtschenko oder später zur Wahl Julia Tymoschenkos zur Ministerpräsidentin der Ukraine.
Jedoch vermochte auch das neue Führungspersonal nicht, die vielen Probleme wie die Korruption im Land zu beseitigen. Auch die EU war damals mit ihren Unterstützungsangeboten sehr zögerlich und die engen Verflechtungen zu Russland, das zum Beispiel als Energielieferant eine große Bedeutung für die Ukraine hat, verhinderten zudem eine wirkliche Öffnung der Ukraine. So wurde unter anderem der Ukraine zwischenzeitlich von Moskau der Gashahn zugedreht, um den politischen Druck auf Kiew zu erhöhen. Dies zeigte schon damals, wie sehr Russland an der Verhinderung einer Westöffnung der Ukraine interessiert war.
Die stockenden Reformen in der Ukraine und die wachsenden wirtschaftlichen Probleme haben dann 2010 auch dazu geführt, dass mit Janukowytsch erneut ein Vertreter der alten Garde und nicht Tymoschenko ins Präsidentenamt gewählt wurde.

Die Ukraine der 2010er:

Nach seiner Wahl zum ukrainischen Präsidenten intensivierte Janukowytsch wieder die Verbindung zu Russland, was in Teilen der Bevölkerung als Rückschritt angesehen wurde. Gleichzeitig führte der Vertrauensverlust der bisherigen Machteliten zu einem Erstarken anderer Oppositionskräfte, wie der nationalistischen Swoboda oder der von Klitschko gegründeten UDAR. Zusätzlich hat auch der Korruptionsprozess gegen die ehemalige Ministerpräsidentin Tymoschenko diese Entwicklung befördert.
Und auch wenn Janukowytschs Partei der Regionen aus der von Wahlbeobachtern kritisierten Parlamentswahl 2012 als Sieger hervorging, wurde deutlich, dass sich die Oppositionsbasis insgesamt wieder vergrößerte. Als dann 2013 Janukowytsch das Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis legte und dafür eine noch stärkere Anbindung an Moskau suchte, führte dies zu Protesten in der Bevölkerung. In wie weit die Entwicklungen auch mit Hilfe von Geldern aus dem „Westen“ z.B. aus den USA befördert wurde, kann ich nicht beurteilen, jedoch sollte auch dieser Einfluss nicht unbeachtet bleiben [1].
Die Proteste wurden dann von den verschiedenen Oppositionskräften genutzt um den Druck auf Präsident Janukowytsch zu erhöhen. Dabei hat die Verhärtung der Fronten mit tödlichen Folgen im Februar 2014 die Gefahr einer weiteren Eskalation, bis hin zur offenen Konfrontation zwischen Regierung und Regierungsgegnern, erheblich steigen lassen. Trotz zwischenzeitlicher Einigung wurde Janukowytsch dann am 22.02.2014 als Präsident abgesetzt und während er kurze Zeit später aus der Ukraine fliehen musste, wurde unter dem Druck der Regierungsgegner im Parlament eine neue Führung gewählt.
Da aber die Frage nach der Entwicklung bzw. der außenpolitischen Anbindung der Ukraine auch für Moskau eine erhebliche Bedeutung hat, weitete sich dieser innerukrainische Konflikt immer mehr zu einem geopolitischen Gezerre aus.

Der geopolitische Konflikt:

Auf der einen Seite steht der „Westen“ also EU, USA und NATO und auf der anderen Seite Russland. Beide Seiten haben jeweils eigene Interessen in der Ukraine, wobei nicht unterschlagen werden darf, dass diese Interessen nicht deckungsgleich mit den Vorstellungen des ukrainischen Volkes sind. So dürfte der Gedanke, mit Hilfe von Fracking in der Ukraine die Energiesicherheit West-Europas auszubauen, eher einigen westeuropäischen Sicherheitsstrategen gefallen als ukrainischen Umweltaktivisten.
Und auch die russischen Interessen haben nur bedingt mit den Wünschen der ukrainischen Bevölkerung zu tun. Bis 1990 reichte der Einfluss Moskaus bis kurz vor Frankfurt, während heute die Staaten des Warschauer Paktes zu einem großen Teil Mitglieder der EU sind oder die Mitgliedschaft anstreben. Am Baltikum stößt die EU-Außengrenze an Russland und außer der Ukraine ist lediglich noch Weißrussland als direkter westlicher Grenznachbar Russlands kein EU-Mitglied. Dies alleine reicht schon für eine erhebliche strategische Bedeutung der Ukraine für Moskau. Daneben ist sie aber auch wirtschaftlich für Russland nicht uninteressant. Solange die Ukraine zum Beispiel von russischem Gas abhängig ist, fließen Moskau jährlich Milliarden zu.
Insofern würde Putin wohl den falschen Job machen, wenn er in dieser Situation nicht um den Einfluss Moskaus besorgt wäre. Außerdem dürfte Putin mit Blick auf sein eigenes Land noch ein ganz persönliches Interesse haben, denn ein erfolgreiches Umsturzvorbild in der benachbarten Ukraine ist sicher nicht ganz in seinem Sinn.
Es sollte damit deutlich sein, wieso die Frage nach der Souveränität der Ukraine übergeordnet ist. Würde die Souveränität der Ukraine bzw. der autonomen Krim-Region vollständig anerkannt, dann gäbe es dieses geopolitische Gezerre gar nicht. So allerdings gibt es nun für beide Seiten Überlegungen wie eine Entwicklung der Ukraine im eigenen Interesse beeinflusst werden kann.

Die Möglichkeiten der EU:

Betrachtet man die Ukraine im Ganzen, dann hat sie 45 Millionen Einwohner und eine Fläche von 600.000 km². Das sind mehr Einwohner und eine größere Fläche als Rumänien, Bulgarien, Ungarn und das Neumitglied Kroatien zusammen haben.
Zwar hat die EU durchaus die Möglichkeit mit Wirtschaftshilfen das Land zu unterstützen, allerdings sollten auf Grund von Größe und Einwohnerzahl die Fähigkeiten der EU nicht überschätzt werden. Dafür könnte die EU an anderer Stelle die Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördern. So könnte die EU den Aufbau und die Arbeit von Antikorruptionseinheiten oder Finanzbehörden unterstützen. Auch die Einbindung der Ukraine in gemeinsame Projekte, die Förderung des studentischen Austauschs oder erleichterte Reisemodalitäten sind Möglichkeiten, um der Ukraine bei dieser Entwicklung zu helfen.
Allerdings sehe ich es im Falle von Hilfsleistungen und gemeinsamen Projekten als notwendig an, auch die Lage in der Ukraine zu überwachen. Sollten zum Beispiel unter dem Druck der nationalistischen Swoboda Gesetze gegen einzelne Bevölkerungsgruppen, seien es Juden oder seien es Russen, verabschiedet werden, muss die EU in der Lage sein, die Unterstützung schnell zu streichen. Eine blinde Förderung nach dem Motto, der Feind meines Feindes ist mein Freund, ist aus meiner Sicht abzulehnen und dies gilt auch im Falle einer Teilung der Ukraine bzw. nach der Abspaltung der Krim durch das Referendum vom vergangenen Sonntag.

Die Krim als russischer Hebel:

Um den Einfluss auf die Ukraine nicht zu verlieren, hat Putin nach Janukowytschs Flucht die Krim, auf der es einen hohen Anteil russischer Bevölkerung gibt, unter den Schutz Russlands gestellt. Diesen Hebel zu nutzen, machte aus der russischen Perspektive in mehrfacher Hinsicht Sinn.
So konnte Russland die Unabhängigkeit der Region schnell vorantreiben, während die neue Regierung in Kiew zuschauen musste und zum Beispiel nichts gegen die Abspaltungsinitiative des Regionalparlamentes auf der Krim unternehmen konnte.
Außerdem könnte durch die jetzige Abspaltung ein Keil zwischen jene, die für eine Westanbindung auch zu einer Teilung der Ukraine bereit sind, und diejenigen, welche die Einheit der Ukraine als primäres Ziel verfolgen, getrieben werden. Auch damit lässt sich die neue Regierung in Kiew schwächen.
Überdies dürfte die Krim auch als Hebel für die restliche Ukraine dienen. Je weniger sich die Ukraine im Sinne Moskaus entwickelt, desto größer könnte der Druck aus Russland werden, dass sich nach dem Vorbild der Krim dann auch andere Landesteile abspalten.

Die akute Situation:

Nach dem Referendum vom 16.03.2014 zur Abspaltung der Krim, sind die Fronten zwischen dem „Westen“ und Putin, zwischen Kiew und Moskau und zwischen der Ukraine und der nun russischen Krim-Region festgefahren.
Während in den übrigen Regionen der östlichen Ukraine nun ebenfalls der Konflikt zwischen denen, die sich stärker Richtung Moskau orientieren wollen, und jenen, die ihre Hauptstadt in Kiew sehen, entbrennt, ist die Krisendiplomatie zwischen einer Ablehnung des Krim-Referendums und Wirtschaftssanktionen gegen Russland stecken geblieben.

Mögliche Lösungswege:

Geht man von dem Grundsatz der Souveränität einer Gesellschaft aus, dann sollte sowohl der „Westen“ als auch Kiew das Wahlergebnis auf der Krim akzeptieren. Auch wenn ein solches Referendum nicht der ukrainischen Verfassung entspricht und das Ergebnis auf Grund der gegenwärtigen Situation mit Vorsicht zu genießen ist, so drückt es doch den Wunsch zumindest eines erheblichen Teiles der Krim-Bevölkerung aus, sich von Kiew loszusagen. Es wäre ein Irrwitz, wenn sich gerade die westlichen Demokratien dieser Erkenntnis verschließen und sich gegen diese Form des Selbstbestimmungsrechts wehren würden.
Auch wenn nun der „Westen“ die Forderung nach einer Wiederholung des Referendums zu einem späteren Zeitpunkt und unter internationaler Wahlbeobachtung formuliert, glaube ich nicht, dass es tatsächlich noch eine Chance für die Rückabwicklung dieser Abspaltung gibt.
Zum einen ist mein Eindruck, dass tatsächlich eine Mehrheit in dieser Region von Kiew weg möchte, zum anderen hat Russland schon am 18.03.2014 durch eine Eingliederung der Krim in russisches Staatsgebiet Fakten geschaffen, die eine Wiederholung dieses Referendums ausschließen.

Bezogen auf die restliche Ukraine scheint mir eine Stabilisierung der Lage in den östlichen Provinzen vorrangig. Aus meiner Sicht muss aber auch hier der Grundsatz der Souveränität im Vordergrund stehen. Die ukrainische Regierungskrise, die mit Studentenprotesten begann und über den Sturz des Präsidenten bis hin zu Auflösungserscheinungen in der Ost-Ukraine führte, kann nur das ukrainische Volk selbst beenden.
Aus diesem Grund sollte das Ziel eine rasche Neuwahl des Kiewer Parlamentes sein, damit die Auseinandersetzungen der stark unterschiedlichen Interessensgruppen innerhalb der Ukraine wieder in einen demokratischen Prozess gelenkt werden. Daneben würde durch die neue demokratische Legitimation auch wieder eine Grundlage für souveräne ukrainische Entscheidungen geschaffen werden.

Allerdings halte ich auch dieses Vorgehen nicht gegen sondern nur mit Russland für möglich. Daher wollte ich schon nach dem Sturz von Janukowytsch schreiben, dass die EU zusammen mit Russland überlegen muss, wie eine Zukunft der Ukraine aussehen kann, so dass beide Seiten damit leben können und das ukrainische Volk eine Perspektive hat. Die Ukraine ist eben kein Kleinstaat, der schnell mit einer kleinen Finanzspritze stabilisiert werden kann, und für einen abrupten Kurswechsel ist sie zu eng mit Russland verflochten und in vielerlei Hinsicht einfach auf Russland angewiesen.
An dieser Situation hat sich auch nach der Abspaltung der Krim nichts geändert.
Das erste Ziel des „Westens“ muss es daher sein, Russland zurück an den Verhandlungstisch zu bringen. Sowohl Sanktionen bei einem Fernbleiben, als auch Zugeständnisse bei der Aufnahme von Gesprächen scheinen mir dafür ein probates Mittel, denn es muss für Putin am Ende schlicht attraktiver sein, zusammen mit der EU und den USA die Zukunft der Ukraine mitzugestalten, als die Konfrontation zu suchen.

Das Ziel von Gesprächen muss es in Bezug auf den innerukrainischen Entscheidungsprozess dann sein, dass das Wahlergebnis am Ende auch von beiden Seiten als souveräne Entscheidung des ukrainischen Volkes akzeptiert wird.
Dafür scheint es mir notwendig, dass schon im Vorfeld die Rahmenbedingungen für eine Anerkennung des Wahlergebnisses geschaffen werden. Die Kontrolle durch Wahlbeobachter beider Seiten scheint mir daher genauso unerlässlich, wie darauf zu achten, dass nicht radikale Strömungen Nutzen aus der verworrenen Lage ziehen. Eine faschistische Clique, die sich per Wahlbetrug ins Amt bringt oder die bis zur Wahl die politischen Gegner eliminiert, kann weder im Interesse Russlands noch im Interesse des „Westens“ sein.
Deshalb muss gerade das Verhalten der Swoboda-Partei kritisch gesehen werden. Und auch wenn das Gezerre des „Westens“ und Russlands um die Ukraine mit zu einem Erstarken jener Kräfte beigetragen haben dürften, halte ich es dennoch für notwendig, dass nun erneut Druck auf Kiew ausgeübt wird, damit Auswüchse in dieser Richtung unterbunden werden.

Doch auch wenn die Ukraine nach einer solchen Wahl politisch wieder souverän ist, wird sie trotzdem gegenüber dem Ausland und insbesondere Russland in verschiedenen Abhängigkeiten stehen.
So lässt sich die Frage, wie die künftigen Beziehungen zwischen der Ukraine und der Krim aussehen sollen, nicht ohne Russland klären. Beide Seiten müssen zum Beispiel Regelungen für den künftig grenzüberschreitenden Personen- und Warenverkehr finden oder entscheiden wie mit den Eigentumsrechten an privaten oder staatlichen Unternehmen umgegangen wird.

Neben den Fragen zur politischen Zukunft der Ukraine stehen aber auch noch die wirtschaftlichen Probleme im Raum, die nicht ohne die internationalen Partner der Ukraine, darunter eben vor allem Russland, gelöst werden können. Denn auch in diesem Punkt nützt der Ukraine die politische Souveränität wenig, wenn ihr gleichzeitig das Geld fehlt, um die Gasrechnung aus Moskau begleichen zu können.
Deshalb ist es aus meiner Sicht auch in diesem Punkt notwendig, dass sich der „Westen“ und Russland verständigen, um gemeinsam die Weichen für die wirtschaftliche Zukunft der Ukraine zu stellen.
Vermutlich wird eine Restrukturierung der Ukraine nur möglich sein, wenn beiden Seiten auf bisherige Forderungen verzichten und zusätzliche Finanzmittel für die Ukraine bereitgestellt werden. Dabei darf aber Russland nicht das Gefühl bekommen, bei einer Restrukturierung die Hauptlasten zum Beispiel durch einen Schuldenschnitt zu tragen, während der „Westen“ zukünftig von einer wirtschaftlich erstarkenden Ukraine profitiert. Umgekehrt darf aber auch nicht das Gefühl aufkommen, dass der „Westen“ für die Ukraine an Russland eine Ablösesumme zahlen muss.

Eine Zielvorstellung:

Kurzfristig muss das Ziel die Verhinderung einer Eskalation der Krise sein, damit nicht eine Kurzschlusshandlung, z.B. von einer in die Ecke gedrängten Führung in Kiew, zu einer Katastrophe führt. Auch die Wiederaufnahme von Gesprächsfäden mit Russland muss aus meiner Sicht so schnell wie möglich gelingen.
Das mittelfristige Ziel muss meines Erachtens sein, durch eine Wahl ein stabiles Fundament für die weitere Entwicklung der Ukraine zu legen. Ebenso muss die Schaffung einer wirtschaftlichen Perspektive ein mittelfristiges Ziel sein, sowie die Gestaltung der Beziehungen zur Krim.
Langfristig muss vor allem die Erholung der Wirtschaft sowie die Festigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein Ziel für die Ukraine sein. Dabei gilt es allerdings zu verhindern, dass die Ukraine, wie nach der orangenen Revolution, erneut zwischen westlichen Forderungen und russischen Drohungen zerrieben wird. Daneben kann ich mir langfristig auch die Entwicklung der Ukraine zu einem Bindeglied zwischen Russland und der EU mit guten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu beiden Seiten als mögliches Ziel vorstellen, welches zum Beispiel von einer neuen ukrainischen Regierung verfolgt werden könnte.

Insgesamt glaube ich, dass die Situation in der Ukraine zwar schwierig aber nicht unlösbar ist. Vielleicht gibt es ja doch eine Chance, dass am Ende die Ukraine sogar gestärkt aus der Krise hervorgeht. Zumindest zu hoffen bleibt es.


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Ukrainische Parlamentswahl 2012 (www.mister-ede.de – 29.10.2012)

Azarov bleibt wohl Ministerpräsident der Ukraine – Janukowytsch gestärkt (www.mister-ede.de – 11.12.2012)


[1] Beitrag der ARD-Sendung Monitor vom 13.03.2014 zu Hintergründen der Krise in der Ukraine (Link zum Beitrag auf www.wdr.de)

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Marina Weisband, die Piraten und die Ukraine http://www.mister-ede.de/4-fun/weisband-piraten-und-ukraine/2449 http://www.mister-ede.de/4-fun/weisband-piraten-und-ukraine/2449#comments Thu, 20 Mar 2014 09:31:49 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2449 Weiterlesen ]]> Vor rund zwei Jahren war Marina Weisband noch als Aushängeschild der Piratenpartei durch Deutschland unterwegs. Doch nun wagt sie den nächsten Schritt. Mit der Ukraine ist nicht mehr eine kleine Splitterpartei sondern gleich ein ganzes Land ihr politisches Thema [1][2][3]. Es bleibt wirklich zu hoffen, dass es der Ukraine in zwei Jahren dennoch besser geht als der Piratenpartei heute. Glück auf!


[1] Weisband am 02.03.2014 bei Günther Jauch (Link zur Sendung auf daserste.ndr.de)

[2] Weisband am 06.03.2014 bei Maybrit Illner (Link zur Sendung auf www.zdf.de)

[3] Weisband am 16.03.2014 beim Internationalen Frühschoppen (Link zur Sendung auf www.phoenix.de)

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