Ukrainische Parlamentswahl 2012

Mittlerweile leistet sich fast jedes Land eine Parlamentswahl. Freilich steht auf einem anderen Blatt, wie fair die Wahlen gestaltet sind und wie viel Macht und Einfluss diese Parlamente dann tatsächlich haben. So kann neben Einheitslisten oder einer „gelenkten Opposition“ auch das schlichte Instrument des Wahlbetrugs genutzt werden, um Parlamente und Wahlen ad absurdum zu führen.  Insgesamt macht es eine solche Gestaltung aber schwer, einen Staat als demokratisch oder undemokratisch zu beurteilen.

Betrachtet man die ukrainische Staatsspitze, dann sieht man, wie sich hier die politischen Lager im Laufe der Zeit abgewechselt haben. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatte erst lange Zeit Leonid Kutschma als Präsident der Ukraine das Zepter in der Hand. Unter anderem wurde er von diversen Industriellen gefördert, und unterstützte seinerseits Janukowytsch 2002 bei den Parlamentswahlen und der Wahl zum Ministerpräsidenten.[1] Bei den Präsidentschaftswahlen 2004 trat nicht mehr Kutschma sondern Janukowytsch an. Wegen Wahlbetrugs wurde sein Sieg über Juschtschenko aber für ungültig erklärt.[2] Im Jahr 2005 konnte sich dann Juschtschenko, der ebenfalls schon unter Kutschma Ministerpräsident war[3], im Rahmen der sogenannten „orangenen Revolution“, unterstützt durch ein breites Bündnis durchsetzen.[4] Julia Tymoschenko wurde Ministerpräsidentin, aber kurz darauf zerbrach das gemeinsame Bündnis wieder.[5]

Nach den Parlamentswahlen 2006 hat dann die Wahlallianz des neuen Präsidenten Juschtschenko in einer Koalition den alten Ministerpräsidenten Janukowytsch zurück ins Amt geholt.[6] Nachdem auch diese Regierung durch Richtungsstreit zerbrach, löste Juschtschenko das Parlament auf.[7] Bei den Parlamentswahlen 2007 wurde zwar Janukowytschs Partei wieder stärkste Kraft, aber am Ende wurde er dennoch von Julia Tymoschenko, die sich mit Juschtschenkos Wahlallianz erneut einigte, abgelöst.[8] Bis zu den Präsidentschaftswahlen 2010 entwickelte sich die Ukraine dann unter Juschtschenko und Tymoschenko in westlicher Richtung.

Drei Jahre später, bei den Präsidentschaftswahlen 2010,  ging dann aber Janukowytsch als Sieger hervor. Hiernach musste auch Julia Tymoschenko das Amt der Ministerpräsidentin niederlegen. 2011 wurde dann Mykola Asarow, der schon zweimal Mitglied der Regierung Janukowytsch war, durch das ukrainische Parlament zum neuen Ministerpräsident gewählt.[9]

Diese Veränderungen der Machtkonstellation im politischen Bereich zeigen, dass es sich nicht um eine festgefahrene Diktatur handelt. In wie weit allerdings die Regierenden bereit sind zum Amtsmissbrauch, Wahlbetrug oder zu anderen Maßnahmen wie Einschüchterungen, kann ich nicht beurteilen. Spiegel-Online berichtet zum Beispiel, dass bei vielen offiziell unabhängigen Kandidaten, die Vermutung besteht, es handelt sich um Janukowytschs Marionetten.[10]

Umgekehrt hat aber auch die Opposition Probleme. So sind die ukrainischen Parteien oft geprägt von Einzelpersonen, wie Julia Tymoschenko.[11] Auch Vitali Klitschko tritt mit einer selbstgegründeten Partei, der UDAR, an.[12] Hinter solchen Parteien kann man schnell eine erneute Vertretung von Einzelinteressen vermuten. Dies würde dann aber auch nicht die eigentliche Opposition abbilden.

Das Risiko ist ganz klar, dass bei einem Wahlsieg Janukowytschs die Oppositionsparteien mit Massenprotesten das Wahlergebnis in Frage stellen. Ferner könnte sich dann die Ukraine noch stärker in Richtung Russland orientieren. Dennoch sehe ich trotz widriger Umstände, neben den Risiken auch eine Chance für die Ukraine. Sollte die Opposition, evtl. trotz Wahlbetrug, gewinnen, könnte sich der Demokratisierungsprozess weiter entwickeln. Schließlich kann nur über die politische Debatte, eine Versöhnung unterschiedlicher Lager erreicht werden.

Erste Ergebnisse zu den Parlamentswahlen soll es heute Abend geben. Aber danach bleibt abzuwarten, wie die einzelnen Lager mit dem Wahlergebnis umgehen.


[1] Wikipedia-Eintrag zu Leonid Kutschma (wikipedia.org)

[2] Wikipedia-Eintrag zu Wiktor Janukowytsch (wikipedia.org)

[3] Wikipedia-Eintrag zu Wiktor Juschtschenko (wikipedia.org)

[4] Wikipedia-Eintrag zu Wiktor Janukowytsch (wikipedia.org)

[5] Wikipedia-Eintrag zu Julia Tymoschenko (wikipedia.org)

[6] Wikipedia-Eintrag zur ukrainischen Parlamentswahl 2006 (wikipedia.org)

[7] Artikel von Zeit-Online vom 03.04.2007 (www.zeit.de)

[8] Wikipedia-Eintrag zu Julia Tymoschenko (wikipedia.org)

[9] Wikipedia-Eintrag zu Mykola Asarow (wikipedia.org)

[10] Spiegel-Online-Bericht vom 28.10.2012 (www.spiegel.de)

[11] Wikipedia-Eintrag zu Julia Tymoschenko (wikipedia.org)

[12] Wikipedia-Eintrag zur UDAR (wikipedia.org)

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