mister-ede.de » Natur https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Video: Saisonalität beim Coronavirus (in Deutschland) https://www.mister-ede.de/natur/saisonalitaet-coronavirus/9216 https://www.mister-ede.de/natur/saisonalitaet-coronavirus/9216#comments Wed, 02 Jun 2021 21:39:30 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9216 Weiterlesen ]]> Was bedeutet Saisonalität? Welche Rolle spielt sie beim Coronavirus? Und warum sollte man bei Prozentangaben immer nach der Bezugsgröße fragen? In einem kurzen Video versuche ich das anschaulich für Deutschland darzustellen:


Das Video kann hier heruntergeladen werden:
http://www.mister-ede.de/video/saisonalitaet.mp4


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https://www.mister-ede.de/natur/saisonalitaet-coronavirus/9216/feed 0
Corona-Risiko-Rechner https://www.mister-ede.de/natur/corona-risiko-rechner/9201 https://www.mister-ede.de/natur/corona-risiko-rechner/9201#comments Thu, 25 Mar 2021 11:51:31 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9201 Weiterlesen ]]> Wie hoch ist das individuelle Risiko, sich mit Corona zu infizieren, wie hoch die individuelle Infektionssterblichkeit und wie hoch das individuelle Corona-Sterberisiko? Findet es mit dem Corona-Risiko-Rechner heraus:

-> zum Corona-Risiko-Rechner <-

Welche Faktoren berücksichtigt der Corona-Risiko-Rechner?
Neben persönlichen Faktoren, wie Alter, Geschlecht und Lebensweise, fließen unter anderem die jeweilige Inzidenz und die anzunehmende Dunkelziffer in die Berechnung ein. Grundlage für die Abschätzung des alters- und geschlechtsspezifischen Sterberisikos sind dabei die Daten des RKI zu Infektionen und Todesfällen in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Die Berechnungen im Einzelnen:

Die Vorsicht:
Für das Modell wird angenommen, dass das Ansteckungsrisiko ohne jegliche Vorsicht etwa das 4,5-fache des Durchschnitts beträgt. Grundlage für diese Annahme ist der geschätzte R-Wert des Coronavirus bei Fehlen sämtlicher Schutzmaßnahmen von etwa 4 bis 5. Dieser R-Wert konnte mehrfach in Deutschland und anderen Ländern durch Schutzmaßnahmen auf 1 oder sogar darunter gedrückt werden. Aus diesem Verhältnis wurde die zuvor beschriebene Annahme abgeleitet. Durch Verwendung einer nichtlinearen Funktion mit abnehmender Steigung wurde dabei der Tatsache Rechnung getragen, dass schon mit einfachen Maßnahmen, wie Abstand halten, ein hoher Schutzeffekt erreicht werden kann. Umgekehrt dürfte es aber nicht möglich sein, sich bei gefährlichen Kontakten vollständig zu schützen. Es wird daher beim 0,4-fachen des Durchschnitts eine Untergrenze angenommen.

Kontakte und persönlicher Risikofaktor:
Um die Wahrscheinlichkeitseffekte abzubilden, wird für den persönlichen Risikofaktor eine gestreckte Exponentialfunktion verwendet. Hierbei befindet sich die Chance, sich nicht anzustecken (1 – persönliche Vorsicht/100), in der Basis und das Kontaktniveau im Exponenten. Das hat zum Effekt, dass es bis zum gänzlichen Verzicht auf Kontakte eine lineare Abnahme gibt, während eine Steigerung der Kontakte über das durchschnittliche Maß hinaus einen unterproportionalen Effekt hat.

Umfeld und Dunkelziffer:
Die tatsächliche Inzidenz setzt sich aus den bestätigten Neuinfektionen sowie dem Dunkelzifferfaktor multipliziert mit den bestätigten Neuinfektionen zusammen. Sofern keine Änderungen vorgenommen werden, beträgt der Dunkelzifferfaktor 3, sodass sich die tatsächliche Inzidenz insgesamt auf das 4-fache der bestätigten Neuinfektionen beläuft.

Dauer und Infektionsrisiko:
Liegt der persönliche Risikofaktor für eine Infektion bei 0, gibt es logischerweise unabhängig der tatsächlichen Inzidenz kein Infektionsrisiko. Liegt der persönliche Risikofaktor für eine Infektion bei 1, also beim Durchschnitt, so spiegelt auch das angegebene Infektionsrisiko die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit wider, zu den bestätigten oder unbestätigten Neuinfizierten einer Woche zu gehören. Liegt der persönliche Risikofaktor für eine Infektion hingegen über 1, so nimmt das Infektionsrisiko weiter zu, allerdings auch hier wieder über eine Funktion, die das Risiko immer langsamer steigen lässt.
Aus dem Wochenrisiko errechnet sich dann das Infektionsrisiko für den angegebenen Zeitraum wieder nach der Formel (1 – (1 – Wochenrisiko)^Wochen). Bei einem Wochenrisiko von beispielsweise 10% liegt das Infektionsrisiko für zwei Wochen somit bei 1 – 0,9^2 = 1 – 0,81 = 19%.

Die Infektionssterblichkeit:
Die Daten des RKI liegen für Infektionen wie für Todesfälle nach Altersgruppen und Geschlecht aufgeschlüsselt vor, sodass für Männer und Frauen je nach Alter eine unterschiedliche Infektionssterblichkeit ausgegeben werden kann. Es ist bei diesen Daten allerdings davon auszugehen, dass von den jetzigen Infizierten auch noch weitere versterben werden, umgekehrt aber auch nur ein Teil der Infizierten überhaupt erfasst wurde. Außerdem ist anzunehmen, dass es aufgrund verschiedener Umstände (mildere Symptome, weniger Tests) besonders in jüngeren Altersgruppen eine hohe Dunkelziffer gibt. Um dies zu berücksichtigen, ist die verwendete Formel so skaliert, dass sie bei 0-Jährigen bei einer noch niedrigeren Infektionssterblichkeit startet als es die RKI-Daten hergeben, während bei 100-Jährigen die Formel Werte liefert, die etwas über den beobachteten bzw. erfassten Werten liegen.

Das Corona-Sterberisiko:
Dieses ergibt sich einfach zu errechnend aus dem Risiko, sich zu infizieren, multipliziert mit dem Risiko, an einer solchen Corona-Infektion zu versterben.


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Einschätzung der aktuellen Infektionslage und Vorschläge für den anstehenden Corona-Winter https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102 https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102#comments Wed, 14 Oct 2020 20:35:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9102 Weiterlesen ]]> Text als PDF

Lagebeurteilung:

Globale Corona-Lage:
In den USA und Kanada steigt die Zahl der Neuinfektionen seit September von unterschiedlichem Niveau aus wieder an. Ebenso in Russland und dem Iran. In Ostasien – Japan, Südkorea, Philippinen – sind nach einer Welle im August die Zahlen wieder etwas niedriger, aber ebenfalls höher als im Sommer. Die Corona-Herbstwelle ist auf der Nordhalbkugel mit voller Wucht angekommen!
In Süd- und Mittelamerika entspannt sich hingegen die Situation in den allermeisten Ländern, ebenso in Südafrika, Australien und Neuseeland. Argentinien, das sehr gut durch den Winter kam, hat inzwischen allerdings einen deutlichen Anstieg der Neuinfektionen zu verzeichnen.

Die Corona-Lage in Mittel- und Westeuropa:
Mittel- und Westeuropa hat mit einer massiven Corona-Herbstwelle und einem mehr oder weniger unkontrollierten Infektionsgeschehen zu kämpfen. Insbesondere Frankreich, Spanien und Großbritannien, sowie Tschechien, Belgien und die Niederlande, aber auch Schweden, die Schweiz und inzwischen auch Polen verzeichnen ein erhebliches Infektionsgeschehen. In den meisten Ländern ist allerdings die Zahl der schweren Covid-19-Fälle zumindest bislang deutlich geringer als im Frühjahr [1]. Bis in den November erwarte ich daher keine flächendecke Überforderung der Gesundheitssysteme in West- und Mitteleuropa. In einzelnen Regionen, z.B. in Tschechien mit zuletzt (12.10.2020) 467 Personen in intensivmedizinischer Betreuung [2] [3], steht allerdings tatsächlich zu befürchten, dass das Gesundheitswesen der steigenden Zahl an schweren Fällen mit intensivmedizinischem Betreuungsbedarf in nächster Zeit nicht mehr überall vollumfänglich gerecht werden kann [4]. Sollte dies der Fall sein, haben die weniger betroffenen Länder die Pflicht zu helfen. Ich bin mir sicher, Europa ist inzwischen gut genug vorbereitet, um im europäischen Miteinander ein solches Geschehen wie im Frühjahr in Norditalien zu verhindern.

Gleichwohl muss man sich bewusst machen, dass Europa mit seiner Altersstruktur in den nächsten Monaten vor einer gewaltigen Herausforderung steht. Sofern die Herbst- und Winterwelle nicht deutlich gebremst oder gebrochen wird, wird jedes Gesundheitssystem in Europa auf eine massive Belastungsprobe gestellt. Der Reproduktionsfaktor muss daher früher oder später mindestens wieder auf R = 1 gesenkt werden. Die Frage ist hierbei also nicht ob, sondern nur wann das geschieht. Denn spätestens wenn der Winter wirklich da ist, wird sich die Lage nach meiner Einschätzung noch einmal erheblich zuspitzen. Maßnahmen, deren Wirkung im Moment für ein R = 1 reichen würden, könnten möglicherweise im Dezember und Januar – das Weihnachtsfest, Silvester und die kälteste Jahreszeit stehen vor der Tür – zu schwach sein, um das zu schaffen. Das gilt europaweit und entsprechend logisch ist es, dass die ersten EU-Länder bereits in einen erneuten Lockdown gehen [5] [6]!

Die Corona-Lage in Deutschland:
Allen Unkenrufen – gelegentlich auch meinerseits – zum Trotz, ist Deutschland so gut aufgestellt wie kaum ein anderes Land. Noch klappt die Nachverfolgung von Infektionsketten einigermaßen gut und rund 20% der Bundesbürger nutzen die CoronaWarnApp, die zwar kein Glanzstück ist, aber zumindest einen Teil dazu beiträgt, dass sich Personen, die sich möglicherweise infiziert haben, testen lassen. Ähnliches gilt für die recht breitflächige Testung und Testkapazitäten von über einer Million Hochleistungs-PCR-Tests pro Woche, die übrigens nur in seltenen Ausnahmefällen ein falsches Resultat liefern und nicht, wie oft behauptet, bis zu einem Prozent falsch-positive Ergebnisse verursachen.
Seit dem Frühjahr wurde die Zahl der wöchentlich durchgeführten Tests hierzulande deutlich erhöht, weshalb davon auszugehen ist, dass wir einen guten Überblick über die Infektionslage haben. Das Phänomen der Testscham sowie die Verlagerung in jüngere Altersgruppen, die schlicht nicht merken, dass sie infiziert sind, könnten allerdings gegenläufige Effekte darstellen, sodass ohne tiefergehende Analyse eine Aussage über die absolute Entwicklung der Dunkelziffer unseriös wäre.

Ein großer Trumpf der hiesigen Strategie ist daher sicherlich das regionale Vorgehen anhand festgelegter Grenzwerte. Auf der einen Seite ermöglicht dies die nötige Flexibilität, auf der anderen Seite schafft es aber einen klaren und verständlichen Rahmen, ab wann Reaktionen erfolgen. Das macht es für alle Seiten leichter nachvollziehbar, warum an manchen Orten schärfere Maßnahmen getroffen werden müssen als an anderen, und es schafft auch eine gewisse Planbarkeit. Den Grenzewert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner für die Einstufung als Risikogebiet halte ich dabei weiterhin für angemessen. Das entspricht immerhin bundesweit 40.000 Neuinfektionen pro Woche und wenn der Grenzwert irgendwo gerissen wird, dann ja nur selten punktgenau.
Der klare Grenzwert und die Fokussierung auf die Zahl der Neuinfektionen – sie ist vielleicht nicht so präzise, dafür allerdings vergleichsweise schnell und sehr zuverlässig verfügbar – bringt im föderalen System einen weiteren Vorteil mit sich: Jede Landesregierung versucht, dass ihr Bundesland oder ihre Stadt nicht die Poleposition beim Infektionsgeschehen inne hat – Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.

Das Gesundheitssystem ist nach meiner Einschätzung aktuell nicht stärker belastet als außerhalb der Corona-Zeit. Die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen beträgt mit 602 am 14.10.2020 um 12:15 Uhr etwa ein Fünftel dessen, was wir im Frühjahr im Maximum gesehen haben. Im Vergleich zur Vorwoche hat die ICU-Belegung um etwa 130 Patienten zugenommen. Diese Zunahme im Vergleich zur Vorwoche setzt sich zusammen aus täglich etwa 90 Covid-19-Patientenaufnahmen auf deutschen Intensivstationen abzüglich etwa 400 in stabilem Zustand entlassen ICU-Patienten sowie rund 100 verstorben Intensivpatienten in der vergangenen Woche.
Würden morgen alle Infektionen unterbunden, würde die Herbstspitze nach meiner Einschätzung nicht über 60% der Frühjahrsspitze kommen. Umgekehrt erwarte ich bei einem weiter in der jetzigen Geschwindigkeit steigenden Infektionsgeschehen, dass im November, allerspätestens im Dezember in etwa dieselbe Lage auf den Intensivstationen wie im Frühjahr erreicht wird. Und dann kommen wir natürlich auch in Deutschland in eine Situation, die zwischen den Jahren deutliche Einschränkungen erforderlich machen würde. Der Umkehrschluss sollte daher sein, dass wir dringend versuchen sollten, vor die Welle kommen, um im Dezember und Januar einigermaßen ruhig ins neue Jahr zu starten.

Welche zusätzlichen Maßnahmen sollten ergriffen werden:

Festlegung von Hochrisikogebieten:
Neben Risikogebieten, die weiterhin ab einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 50 bestätigten Neuinfektionen je 100.000 Einwohner ausgewiesen werden sollten, halte ich einen zweiten Grenzwert und die Einstufung als Hochrisikogebiete ab einer 7-Tages-Inzidenz von 100 bis 150 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner für sinnvoll. Man kann da auch sagen, der Grenzwert muss 5 der letzten 7 Tage überschritten worden sein. Es wäre eine einfache und klar verständliche zweite Grenze, an die sich dann weitere, nochmals verschärfte Maßnahmen anschließen können.

Sperrstunden / Ausweitung der Maskenpflicht:
Eine bundesweite Maskenpflicht in allen Innenräumen außer der eigene Wohnung, inklusive Gängen und Aufzügen in Mehrfamilienhäusern, sollte spätestens ab einer 20er- oder 30er-Inzidenz eingeführt werden. Im gewerblichen Bereich – Einzelhandel, Restaurants, Bars, Fitnesscenter – sollte diese überall gelten, außer „am Platz“ und bei anderen geeigneten Hygienekonzepten (z.B. Plexiglas im Kassenbereich). Die Maskenpflicht soll sich dabei auch explizit auf den Eingangsbereich vor Geschäften, Restaurants oder Wohnhäusern erstrecken. Das Gleiche soll für alle übrigen Arbeitsplätze in Innenräumen gelten, sofern kein abgesegnetes Hygienekonzept vorliegt. Hingegen sollte bis auf Ausnahmefälle auf eine Maskenpflicht im Freien verzichtet werden, um die Menschen nicht unnötig in Innenräume zu drängen.
Bei überschreiten der 50er-Grenze sollte eine Sperrstunde ab 22 oder 23 Uhr gelten. Hier wäre dann vorstellbar, parallel auch eine Maskenpflicht beim Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen bis zum Morgen einzuführen. Hochrisikogebiete sollten auf die Öffnung von Bars und Restaurants grundsätzlich verzichten. Eine Maskenpflicht für den Aufenthalt im öffentlichen Raum – z.B. Warten an der Bushaltestelle, nicht aber der kurze Weg zum Nachbarhaus oder zum Auto – sollte dann entsprechend gelten.

Reihentestung in Alten- und Pflegeheimen:
Sobald die von Jens Spahn angekündigten Schnelltests verfügbar sind, sollte das Personal in Pflegeheimen arbeitstäglich vor dem Arbeitsbeginn mit diesen getestet werden. Gepaart mit den sonstigen Schutzmaßnahmen sollten damit Infektionen in den Alten- und Pflegeeinrichtungen deutlich reduziert werden. Gleiches gilt für die Beschäftigten in der mobilen Pflege sowie das gesamte Gesundheitswesen. Insgesamt besteht in Deutschland für eine umfängliche Testung ein Bedarf von 50 Mio. bis 100 Mio. Schnelltests pro Woche. Dies bedeutet, dass bei den aktuell verfügbaren Tests je nach Qualität eine PCR Nachtestung von 1 – 8 Mio. Tests nötig wäre, um die Schnelltestbefunde zu verifizieren. Damit wird deutlich, dass im Bereich der PCR-Testung die Kapazitäten zwingend nochmals gesteigert werden müssen, wenn wir wollen, dass die Schnelltests auch wirklich einen Wert haben. Wenn – wie Christian Drosten das in seinem Podcast mal sagte – Pooltests von 5 Proben im Rahmen des Möglichen liegen, sollte das jetzt forciert werden. Auch sollte eine Ausweitung der meines Wissens nach schon vorhandenen Unterstützung durch die Labordiagnostik aus dem Veterinärbereich in Betracht gezogen werden.

Testpflicht bei allen Reisen aus inländischen Risikogebieten sowie Ein- und Ausreisen aus Deutschland:
Sobald! die kostengünstigeren Antigen-Schnelltests in ausreichendem Maße verfügbar sind, sollten im Prinzip alle innerdeutschen Reisenden aus Gebieten mit mehr als 50 Infektionen je 100.000 Einwohner getestet werden. Das gilt für Berufspendler wie Tagesausflügler oder Urlauber. Entsprechend sollten diese Tests in Risikogebieten dann ausreichend, breitflächig sowie kostenlos angeboten werden können und auch überall sonst in Deutschland für einen geringen Betrag, zentral an Teststationen, erhältlich sein. Bei einem positiven Test erfolgt dann natürlich sofortige Quarantäne und ein umgehender PCR-Nachtest, der binnen 24 oder 58 Stunden vorliegen sollte. Eine ähnliche Regelung wäre auch für Einreisende aus dem Ausland sinnvoll und – europäisch gedacht – natürlich auch für Ausreisende aus einem unserer Corona-Hotspots. Damit es dabei aber nicht wieder zu Grenzproblemen kommt, sollte klarer kommuniziert, dass es nur um eine Schnelltestpflicht geht, und auch der Güterverkehr sowie jene, die in den direkt angrenzenden Regionen wohnen, sollten wieder ohne Test einreisen dürfen. Es sollte aber natürlich jedem beim Grenzübertritt für eine geringe Gebühr angeboten werden, sich testen zu lassen.

Ferien kurz halten und eventuell frühzeitig absagen:
Eine Idee könnte sein, bis März weitestgehend auf Ferien zu verzichten. Das wäre dann fest planbar für alle und man könnte in dieser Zeit an Schulen etwas von dem aufholen, was in 2020 nicht geschafft wurde. Die Frage, ob das in Präsenz- oder Fernunterricht stattfinden sollte, kann im Nachgang, zum Beispiel anhand der Risikoeinstufung einer Region, entschieden werden. Das muss auch nicht zwingend bundeseinheitlich sein.

Wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen für die kommenden Monate:
Beherbergungsbetriebe sollten einen Zuschuss erhalten, der sich nach der Auslastung der letzten drei Jahre richtet. Messebauer, Schausteller, Kinos, Kulturschaffende, Reisebüros und andere sind wegen der pandemiebedingten Umsatzausfälle ebenfalls angemessen zu unterstützen. Der durchschnittliche Umsatz der Vorjahre sollte dabei Richtschnurr für die Hilfe sein. Je nach Branche sollte der Umsatz dann anteilig als nicht zurückzuzahlender Zuschuss gewährt werden, z.B. 10%. Nicht sinnvoll erscheint hingegen ein reines Abstellen auf die bisherigen Steuerzahlungen, da eine solche Hilfe an den kleinen Gewerbetreibenden im Land am ehesten vorbeiginge.

Ergänzungen:

Ergänzende Abschätzung des Erkrankungsgeschehens:
Ich bin zwar kein Mediziner, allerding ein leidenschaftlicher Heuristiker und recht gut geübt in Datenanalysen. Meine Prognose der zu erwartenden Erkrankungszahlen, die ich im April entwickelt und bis Juni verfeinert habe, ist so simpel wie treffsicher, dass ich sie hier kurz darlegen will. Die einzige getroffene Annahme ist, dass nach den ersten sieben Folgetagen 50% jener Erkrankungen gemeldet sind, die insgesamt für diesen einen Tag gemeldet werden. Die Zahl 50% ist dabei keine grobe Näherung, sondern nach einem ersten Ansatz mit 55% und einem zweiten mit 52% seit Juni ganz bewusst gewählt. Auch wenn es für einzelne Tage nicht genau stimmt, im 7-Tages-Schnitt, liegt meine rote Prognose-Kurve, die tatsächlich einzig auf der Formel „Erkrankungs-Meldungen der ersten Wochen * 2“ aufbaut, frappierend eng an den tatsächlichen Erkrankungs-Meldungen, die bislang beim RKI eingegangen sind. Und die Zahlen im Juli ändern sich inzwischen auch nicht mehr wirklich. Ich kann nicht erklären, warum diese Formel so gut passt, ich kann nur sagen, dass sie seit Monaten, wenn man vom Tönnies-Ausschlag im Juni absieht, nahezu perfekt passt. Entsprechend gehe ich leider aber sehr überzeugt von einem starken Anstieg der Erkrankungszahlen in den nächsten Wochen aus.

Reproduktionszahl:
Auf Basis des vorgenannten Prognose-Models berechne ich seit April ein 7-Tages-R. Begonnen hatte ich damit, weil das RKI zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich ein sehr stark schwankendes 4-Tages-R veröffentlichte. Legt man meine Prognose auf Basis des 7. Folgetages auf das inzwischen vom RKI ebenfalls geschätzte 7-Tages-R (Prognose vom 4. Folgetag), wirkt mein R-Wert wie eine Glättung der RKI-Werte. Beide Werte werden dabei allerdings, wie dargestellt, mit ganz unterschiedlichen Prognose- und Berechnungsmodellen ermittelt. Die damit einhergehende Redundanz der statistischen Aussage erlaubt mir die Annahme, dass wir im bundesschnitt aktuell eine deutlich über eins liegende Reproduktionszahl (R > 1) haben.


Corona-Epidemie in Deutschland: Aktuelle Lage (6.5.) in Zahlen und Grafiken
(www.mister-ede.de – 06.05.2020)

Die Pandemie verschlafen: Jeder zweite Corona-Infizierte außerhalb Chinas ist in der EU (www.mister-ede.de – 10.03.2020)

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[1] Übersicht der täglichen oder wöchentlichen ICU-Meldungen in Europa durch das European Centre for Disease Prevention and Control -> https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/download-data-hospital-and-icu-admission-rates-and-current-occupancy-covid-19

[2] Tagesschau-Meldung vom 30.09.2020 „Tschechien und Slowakei im Notstand“ -> https://www.tagesschau.de/ausland/corona-tschechien-notstand-101.html

[3] Dashboard des Tschechischen Gesundheitsministerium -> https://onemocneni-aktualne.mzcr.cz/covid-19/prehled-hospitalizaci

[4] Heise-Artikel vom 25.9. zur ICU-Auslastung in Europa -> https://www.heise.de/tp/features/Wie-ausgelastet-sind-die-Intensivstationen-4912024.html

[5] WDR-Bericht vom 14.10.2020 über anstehenden Lockdown in den Niederlanden -> https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/niederlande-verschaerfen-corona-regeln-100.html

[6] NZZ-Artikel vom 9.10.2020 zu Lockdown in Brüssel -> https://www.nzz.ch/panorama/belgien-bruessels-massnahmen-gegen-steigende-corona-fallzahlen-ld.1580860

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https://www.mister-ede.de/politik/infektionslage-corona-winter/9102/feed 0
Coronavirus: Abschätzung der Testquote mittels Modellierung der tatsächlichen Infektionskurve https://www.mister-ede.de/natur/coronavirus-infektionskurve/9052 https://www.mister-ede.de/natur/coronavirus-infektionskurve/9052#comments Wed, 06 May 2020 13:12:00 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9052 Weiterlesen ]]> Der nachfolgende Beitrag erläutert einen Ansatz zur Abschätzung der Testquote. Diese sagt aus, wie hoch der Anteil der Corona-Infizierten ist, die positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet werden. Während allerdings die Zahl der täglichen positiven Befunde bekannt ist – sie wird vom Robert-Koch-Institut (RKI) regelmäßig veröffentlicht – liegt der Nenner, die Gesamtzahl der Infizierten, im Dunkeln. Um diese Dunkelziffer abzuschätzen, wird nachfolgend eine Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektion aus den Daten des Robert-Koch-Instituts heraus mit Stand 6.5.2020 modelliert.

Dem Modellierungsansatz liegt dabei die Annahme zugrunde, dass im Verlauf der Epidemie bei einem konstanten Anteil der Infizierten eine Erkrankung diagnostiziert wird. Eine solche konstante Diagnoserate dürfte jedoch nicht der Realität entsprechen, weil sich zum einen das Verhalten der Menschen im Verlauf der Epidemie vermutlich geändert hat, der Arzt wird also häufiger oder vielleicht umgekehrt auch seltener aufgesucht, und zum anderen weil inzwischen durch angeordnete Reihenuntersuchungen zusätzliche Erkrankte gefunden werden, die wegen schwacher Symptome von sich aus nie zu einem Arzt gegangen wären. Dies wird hier aber vernachlässigt.

Zur Abschätzung der Testquote werden pro Tag zwei RKI-Daten verwendet, zum einen die Infektionsmeldungen nach Meldedatum und zum anderen die Erkrankungsmeldungen nach Erkrankungsdatum. Das Meldedatum spiegelt dabei das Datum wieder, an dem ein meldepflichtiger Verdachtsfall vorliegt, bei dem später eine Coronavirus-Infektion bestätigt wurde. Das Erkrankungsdatum spiegelt hingegen jenen Zeitpunkt wieder, an dem aufgrund von Symptomen eine Erkrankung an COVID-19 festgestellt werden konnte. Somit liegen beispielsweise für den 9. April die Zahl der an diesem Tag neuen und später positiv auf das SARS-CoV-2 getesteten Verdachtsfälle vor (4.923) sowie die Zahl derjenigen, die an diesem Tag erste Symptome einer COVID-19-Erkrankung verspürt haben (1.683).

Modellierung der Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen:

Um die Daten des RKI für die Abschätzung der Testquote von Tages- und Wochenendeffekten zu bereinigen, wird jeweils der 7-Tages-Schnitt der Infektionsmeldungen (grüne Kurve) und der 7-Tages-Schnitt der Erkrankungsmeldungen (gelbe Kurve) verwendet. Weil es bei den jüngeren Daten noch eine gewisse Unsicherheit gibt, die auf verzögerter Übermittlung bzw. erst später festgestellten Erkrankungen beruhen, werden die Meldedaten hier nur bis zum 1.5.2020 und die diagnostizierten Erkrankungen nur bis zum 16.4.2020 ausgewiesen. Unter den zuvor getroffenen Annahmen kann dann zunächst eine Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen modelliert werden, indem die Parameter Inkubationszeit und Anteil der Erkrankungen unterschiedlich gesetzt werden.

Bei einer Diagnoserate von 5% und einer Inkubationszeit von 4 Tagen ist die modellierte Kurve der tatsächlichen Neuinfektion 20-mal höher und verläuft 4 Tage vor der Kurve der Erkrankungsmeldungen. Bei einer Diagnoserate von 20% und 6-tägiger Inkubationszeit ist die Kurve der tatsächlichen Neuinfektion hingegen nur 5-mal höher und verläuft dafür 6 Tage früher.

Deutlich wird, dass die Inkubationszeit keine sonderliche Rolle für die Abschätzung der tatsächlichen Neuinfektionen spielt, sehr wohl jedoch die Frage, wie viele der SARS-CoV-2-Infizierten eine positive COVID-19-Diagnose gestellt bekommen. Es wäre daher sinnvoll, durch eine repräsentative Studie einen näherungsweisen Wert für die aktuelle Diagnoserate in Deutschland insgesamt und den verschiedenen Regionen zu ermitteln. Denn der Vorteil einer Modellierung der tatsächlichen Infektionen anhand der Erkrankungsfälle besteht darin, dass diese zu Beginn einer Epidemie eher korrekt erfasst werden als die Gruppe der symptomlosen Infizierten. Außerdem ist die Zahl der Erkrankungsfälle nicht so stark von der Anzahl der Tests pro Einwohner in einem bestimmten Zeitraum oder einer bestimmten Region abhängig, wie das bei den Infektionsmeldungen der Fall ist.

Abschätzung der Testquote:

Vergleicht man die modellierte Kurve der tatsächlichen Neuinfektionen mit der Entwicklung der bestätigten Corona-Meldungen, kann in etwa abgeschätzt werden, wie viele der Corona-Infizierten über die durchgeführten Corona-Tests gefunden werden. Am Anfang der Epidemie waren das verständlicherweise nur wenige bis sich ab Ende März, Anfang April die beiden Kurven annähern. Um besser abzuschätzen, ob die Testquote zu diesem Zeitpunkt nur 15% – 20% oder doch schon deutlich mehr betragen hat, bräuchte es allerdings einen engeren Korridor für die Diagnoserate als die sehr groben 5% bis 20%. Schlussfolgern kann man aber schon aus dieser Modellierung, dass wir in Deutschland zumindest nicht mehr gänzlich im Dunkeln stochern.

Abschätzung der Testquote auf Basis prognostizierter Erkrankungsmeldungen:

Mit einer in Studien ermittelten Diagnoserate lässt sich die Genauigkeit der Kurve erhöhen. Die Aktualität lässt sich hingegen nur mit Hilfe von Prognosen verbessern. Das RKI verwendet hierzu ein eigenes Nowcast-Modell, um die aktuelle Zahl der Erkrankungsmeldungen zu prognostizieren. Diese Zahlen könnten als Basis für eine Modellierung verwendet werden. Für die nachfolgende Modellierung wird allerdings auf einen eigenen Prognose-Ansatz zurückgegriffen, um getroffene Annahmen und Schätzfehler (z.B. bei zusätzlichen Feiertagen) besser überblicken zu können. Während die gelbe Kurve die aktuellen Rohdaten des RKI zur Zahl der Erkrankungen im 7-Tages-Schnitt darstellt, ist die rote Kurve die rudimentär prognostizierte Gesamtzahl der Personen, deren Erkrankungsbeginn für diesen Tag irgendwann diagnostiziert worden sein wird.

Für die anschließende Modellierung der Gesamtzahl der Infizierten werden eine Diagnoserate von 12,5% und eine mittlere Inkubationszeit von 4 Tagen angenommen. Die blaue Kurve der tatsächlichen Infizierten verläuft damit 4 Tage früher und 8-mal höher als die rote Kurve der prognostizierten Erkrankungsmeldungen. Die auf Basis dieser Annahmen und Prognosen modellierte Kurve der täglichen Neuinfektionen würde dann wie folgt aussehen:

Die jeweilige Testquote zu einem bestimmten Zeitpunkt errechnet sich dann als Bruch aus den täglichen Infektionsmeldungen des RKI durch die modellierte Gesamtzahl der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen:

Während der Kurvenverlauf bis Mitte April einigermaßen der Realität entsprechen dürfte – danach nehmen die Unsicherheiten durch die Prognose der Erkrankungszahlen erheblich zu – ist die tatsächliche Höhe der Testquote ungewiss. So führen schon kleine Änderungen der angenommen Diagnoserate zu erheblich höheren oder niedrigeren Testquoten. Mit geeigneten Annahmen dürfte dies allerdings ein durchaus probater Ansatz sein, um einen Überblick zu erhalten, wie gut es gelingt, neue Infektionsfälle aufzuspüren.


Text als PDF: Coronavirus: Abschätzung der Testquote mittels Modellierung der tatsächlichen Infektionskurve


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Beide Ansätze sind von ihrer Intention absolut nachvollziehbar. Natürlich ist es zielführend, zunächst das Infektionsgeschehen möglichst klein zu bekommen. Allerdings ist es eben genauso wichtig, einen Kreislaufkollaps für Gesellschaft und Volkswirtschaft zu verhindern. Der Vorteil der gemächlicheren ersten Strategie ist deshalb, dass Deutschland bei einem R um die 1 ohne unnötig große wirtschaftliche und gesundheitliche Schäden bis in den Juni kommt. Im Sommer kann dann unterstützt von höheren Temperaturen mit den bis dorthin vorhandenen Schnell- und Reihentest, den aufgebauten Kapazitäten in den Gesundheitsbehörden oder auch einer neuentwickelten Corona-App das Infektionsgeschehen effektiv und effizient reduziert werden.
Der große Vorteil der aggressiveren zweiten Strategie wäre hingegen – so deren Befürworter – dass es durch ein sofortiges Senken der Reproduktionszahl schon bis zum Juni im Prinzip gar keine Infizierten mehr gibt. Und die wenigen Fälle, die dann noch auftreten oder die vom Ausland neu eingetragen werden, könnten dann wie bei der ersten Strategie durch breitflächige Tests, eine App und die Nachverfolgung von Infizierten durch Gesundheitsämter eingedämmt werden.

Unterstellt man zunächst, dass es möglich sei, die Reproduktionszahl signifikant zu senken, könnte die Dauer der Einschränkungen durch dieses schnellere Vorgehen deutlich verkürzt werden. Entsprechend viele Befürworter hat diese Strategie in der Wissenschaft (z.B. Helmholtz-Zentrum)[1], bei Journalisten (z.B. Mai Thi Nguyen-Kim)[2], in der Politik (z.B. Marina Weisband)[3] und in den sozialen Medien unter Hashtags wie #TurnTheTide, #StopTheVirus oder #BendTheCurve. In Modellrechnung wird dazu dargestellt, dass wir bei einer niedrigen Reproduktionszahl in wenigen Wochen die Chance hätten, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland weitestgehend hinter uns zu lassen. Und das ist natürlich eine verlockende Vorstellung, zumal bei der abwartenden Belagerungs-Strategie klar ist, dass wir bis weit in den Sommer mit einer Vielzahl von Verboten und Beschränkungen leben müssten. Doch es ist Vorsicht geboten, denn das einzige, worauf sich diese Angriffs-Strategie stützt, ist die Annahme, dass sich die Reproduktionszahl tatsächlich über ein paar Wochen auf ein sehr niedriges Niveau drücken lässt. Nur dann wäre es möglich, die Fallzahlen in wenigen Wochen erheblich abzusenken. Schon ein R von 0,75 führt bei einer Reproduktionsdauer von 5 Tagen dazu, dass sich die Zahl der Neuinfektionen erst nach 2,5 Monaten auf 2% des heutigen Stands verringert, also auf täglich grob 40 entdeckte Fälle in Deutschland. Und bei R = 0,85 ist dies sogar erst nach 4 Monaten der Fall. Der Zeitvorteil, den ein solches Vorgehen verspricht, würde bei einer höheren Reproduktionszahl also schnell verloren gehen, während die zusätzlichen Einschränkungen für Menschen und Unternehmen dennoch bestehen würden.

Für eine solche Angriffs-Strategie ist daher ein R von 0,5 oder niedriger über einen Zeitraum von 4 Wochen nötig, um auf rund 2% der aktuellen täglichen Fallzahlen zu kommen. Leider findet sich bei den Befürwortern dieses Ansatzes aber an keiner Stelle ein Hinweis, ob es in der jetzigen Situation in Deutschland überhaupt noch möglich ist, über einen solchen Zeitraum eine so niedrige Reproduktionsrate zu erreichen, und wenn ja, mit welchen Maßnahmen das gelingen soll. Wenn dafür beispielsweise Krankenhäuser und Arztpraxen geschlossen werden müssten, weil es dort trotz aller Sicherheitsvorkehrungen vermehrt zu Infektionen kommt, dann ist es vielleicht theoretisch möglich, auf ein R von 0,5 zu kommen, aber faktisch eben nicht, weil man das Gesundheitswesen schlicht nicht für vier Wochen stilllegen kann. Und das gilt genauso für die Versorgungsinfrastruktur, also die Lebensmittelgeschäfte wie auch Kraftwerke, Kläranlagen oder die Müllabfuhr. Das gilt für Polizei und Feuerwehr, für Gefängnisse und Pflegeeinrichtungen. Und das gilt für die Land- und Viehwirtschaft, die auch nicht eben mal 4 Wochen pausieren kann. Es gibt daher ganz viele Bereiche, bei denen eine weitere Senkung der Reproduktionszahl durch mehr Verbote und Schließungen ausgeschlossen ist. Hinzukommen auch noch einige weitere Gründe, die zumindest zweifeln lassen, dass beim jetzigen Infektionsgeschehen eine Reproduktionszahl von 0,5 über einen Zeitraum von vier Wochen schaffbar ist. Vielleicht wäre das Anfang März noch gegangen und irgendwann wird es auch sicher wieder gehen, beispielsweise wenn die richtigen Werkzeuge vorhanden sind oder ein Impfstoff zur Verfügung steht. Das ist aber in den nächsten vier Wochen nicht der Fall.

Wieso sich die Reproduktionszahl nicht beliebig weit senken lässt (www.mister-ede.de – 29.04.2020)

Warum eine hohe Testquote für Containment genauso wichtig ist wie eine niedrige Reproduktionszahl (www.mister-ede.de – 27.04.2020)

Insofern müssten die Befürworter der Angriffs-Strategie jetzt erst einmal plausibel darlegen, wie aktuell ein R von 0,5 erreicht werden soll. Erst wenn da etwas Konkretes vorliegt, kann bewertet werden, ob das für eine Dauer von 4 Wochen ein gangbarer Weg ist oder ob dann an anderer Stelle unverantwortlich hohe Schäden auftreten. Aber jetzt einfach nur auf Verdacht planlos loszurennen und zu versuchen, auf eine niedrige Reproduktionszahl zu kommen, erscheint nicht ratsam.
Zielführend ist in der jetzigen Situation daher zunächst, das Coronavirus so zu belagern, dass eine Vermehrung verhindert wird und im Idealfall die Zahl der Infizierten allmählich etwas abnimmt. Sobald es dann ein schlüssiges Konzept gibt, kann jederzeit aus dieser Belagerung heraus in den Angriff übergegangen werden. Es ist eine seit Jahrtausenden im Militär, im Wirtschafts- und Berufsleben wie auch privat erfolgreich praktizierte Taktik, auf eine günstige Gelegenheit, den richtigen Moment zu warten. Und der wird aus meiner Sicht erst dann kommen, wenn wir geeignete Werkzeuge (Tests, App, vorbereitete Gesundheitsbehörden) und Methoden (Teststrategien, Regionalisierungskonzept) haben, um das Coronavirus effektiv und effizient einzudämmen. Ich lasse mich allerdings auch sehr gerne von einem Konzept überzeugen, das schlüssig aufzeigt, wie man schon jetzt ohne all diese Instrumente ein Ende des Infektionsgeschehens herbeiführen kann. Es wäre daher an der Zeit, dass die Befürworter der Angriffs-Strategie konkrete Maßnahmen aufzeigen, wie ein R = 0,5 über 4 Wochen erreicht werden kann.


Text als PDF: Die richtige Strategie im Kampf gegen das Coronavirus: Belagerung oder Angriff?


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Die Pandemie verschlafen: Jeder zweite Corona-Infizierte außerhalb Chinas ist in der EU (www.mister-de.de – 10.03.2020)


[1] Paper des Helmholtz-Zentrums aus dem April 2020: Link zum Paper auf www.helmholtz.de

[2] Ausgabe von maiLab vom 1.4.2020: Link zum Video auf YouTube

[3] YouTube-Video von Marina Weisband vom 24.4.2020: Link zum Video auf YouTube

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https://www.mister-ede.de/politik/corona-belagerung-oder-angriff/9033/feed 0
Wieso sich die Reproduktionszahl nicht beliebig weit senken lässt https://www.mister-ede.de/politik/die-reproduktionszahl-senken/9029 https://www.mister-ede.de/politik/die-reproduktionszahl-senken/9029#comments Wed, 29 Apr 2020 14:25:32 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9029 Weiterlesen ]]> Die Corona-Pandemie hat Deutschland voll im Griff und da ist es natürlich verständlich, dass die allermeisten Menschen auf ein möglichst schnelles Ende dieser Ausnahmesituation hoffen. Und nicht weniger als das verspricht ein Szenario, welches vor Kurzem von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums präsentiert wurde. Ihr Plan ist, die Reproduktionszahl für einige Wochen auf 0,5 oder niedriger zu senken, sodass nur noch wenige Fälle am Tag auftreten, welche dann durch die Gesundheitsbehörden nachverfolgt werden können. Ausgespart wurde bei der Darstellung dieses Szenarios allerdings die Frage, ob es überhaupt möglich ist, die Reproduktionszahl in einem so weit fortgeschrittenen Stadium der Ausbreitung auf einen so niedrigen Wert zu drücken und wenn ja, mit welchen Maßnahmen und unter welchen Bedingungen das gelingen kann.

Beispiele Taiwan und Südkorea

Häufig werden die beiden Vorzeigeländer Taiwan und Südkorea als Beispiele dafür angeführt, dass die Reproduktionszahl auf ein Niveau von 0,5 oder niedriger gedrückt und die Epidemie auf diese Weise unter Kontrolle gebracht werden kann. Und tatsächlich gibt es keinen ernsthaften Zweifel daran, dass diesen beiden Ländern das bislang gelungen ist. Sehr wohl kann man allerdings anzweifeln, dass die Situationen dort und in Deutschland wirklich miteinander vergleichbar sind.
Taiwan ist eine Insel, also ohne Massen an Grenzpendlern und mit Einreisemöglichkeiten nur an wenigen See- und Flughäfen. Und Südkorea ist zwar nur eine Halbinsel, allerdings hält sich der Grenzverkehr mit Nordkorea bekanntermaßen ebenfalls in überschaubarem Rahmen und ansonsten gilt für Südkorea dasselbe wie für Taiwan. Es gibt damit schon ganz unterschiedliche geografische Voraussetzungen wie in Deutschland. Noch wichtiger ist jedoch, dass beide Länder umgehend mit Gegenmaßnahmen begonnen haben, also noch zu einem Zeitpunkt, als es keine große Dunkelziffer in den Ländern gab. Wer neu einreiste, musste automatisch in Quarantäne. Und die wenigen Infektionsketten, die es schon bis ins Land geschafft hatten, konnten mit einigem Aufwand unterbrochen werden.
Hinzukommt aber noch ein dritter Punkt, nämlich dass die Fallzahlen insgesamt noch niedrig genug waren, um effektiv im Einzelfall vorzugehen. So konnte bei neuentdeckten Infizierten jeweils das komplette Umfeld, also die bisherigen Kontaktpersonen und womöglich auch deren Kontaktpersonen, die Arbeitskollegen oder die Leute im Supermarkt getestet oder vorsorglich in Quarantäne genommen werden. Das sind dann schnell 50, 100 oder 200 Leute bei einem einzigen entdeckten Infizierten. Jetzt kann sich jeder ausrechnen, was das für Deutschland bedeuten würde. Wenn aktuell 10.000 Infizierte pro Woche entdeckt werden, müssten gleich ein paar Hundertausend wenn nicht gar ein paar Millionen Menschen aufgespürt, isoliert und getestet werden – aktuell völlig illusorisch.

Die Dunkelziffer

Während es also in Taiwan und Südkorea gelungen zu sein scheint, das Infektionsgeschehen im eigenen Land klein zu halten und damit ein Anwachsen der Dunkelziffer zu verhindern, gibt es in Deutschland inzwischen zahlreiche unbekannte Infizierte. Damit ist aber nicht mehr nur eine kleine Gruppe von Einreisenden aus dem Ausland potentiell infiziert, sondern jeder Einwohner könnte ein Virusträger und Virusverbreiter sein. Und wie hoch diese Dunkelziffer in Deutschland ist, weiß aktuell niemand. Klar ist jedoch, dass man ganz anders suchen müsste, um diese Infektionsquellen zu finden. Wie das mit den jetzigen Kapazitäten und Methoden gehen soll, ist mir allerdings schleierhaft. Zurzeit können wir ja in vielen Fällen nur feststellen, dass es in einer Stadt, einem Pflegeheim oder einer Schule vermehrt Infizierte gibt, aber nicht wirklich erklären, wo diese Fälle jeweils herkommen. Solange das aber nicht klar ist, können wir das Infektionsgeschehen nicht reduzieren, sondern immer nur hinterherlaufen und die Verwüstungen des Coronavirus aufräumen.
Und was für das Infektionsgeschehen im Inland gilt, gilt genauso für Eintragungen aus dem Ausland. Auch hier wäre es notwendig, das Infektionsgeschehen so umfassend unterbrechen zu können, dass sich die Zahl der Infektionsquellen durch solche Eintragungen, z.B. durch LKW-Fahrer oder Berufspendler, nicht weiter erhöht.

Corona-App und Massentests

Immer wieder wird in der Diskussion über die Absenkung der Reproduktionszahl darauf hingewiesen, dass durch eine entsprechende Corona-App das Tracking (Verfolgen) von Infizierten und das anschließende Tracing (Aufspüren, Nachverfolgen) von Kontaktpersonen ermöglicht würden. Das ist allerdings nur insoweit richtig, als man zunächst natürlich erst einmal einen Infizierten finden muss, bevor man anhand der Trackingdaten eine Nachverfolgung starten kann. Und die Preisfrage bleibt: Wie will man ohne massenhaft Tests einen Infizierten finden, der selbst nicht mal den leisesten Verdacht hat, dass er infiziert sein könnte?
Was es neben einer App bräuchte, die von weiten Teilen der Bevölkerung auch wirklich genutzt werden müsste, wären daher ausreichend Tests, um überhaupt erst einmal Ansatzpunkte für das Tracking und das Tracing zu finden. Da es aktuell aber weder das eine noch das andere gibt, habe ich auch aus diesem Grund ernsthafte Zweifel, dass im Moment ein R von 0,5 erreichbar ist.

Inselgeschehen

Ein Fünf-Personen-Haushalt, in dem am Anfang des Monats ein aktiver Virusverbreiter lebt, kann am Ende des Monats noch immer einen aktiven Virusverbreiter unter sich haben, selbst wenn es in dieser Zeit keinerlei Kontakte nach außen gab. Man kann sich damit leicht ausrechnen, wie lange das Coronavirus in einzelnen Einrichtungen, wie in Senioren-, Pflege- oder Kinderheimen, in Bundeswehrkasernen oder Gefängnissen oder auch in Obdachlosenunterkünften zirkulieren kann, bis das Infektionsgeschehen zum erliegen kommt. Außerdem ist gerade in solchen Bereichen bei vielen Kontakten das Abstandhalten unmöglich, insbesondere natürlich bei der Pflege.
Das heißt, in solchen Einrichtungen kann es über mehrere Wochen oder gar Monate ein deutlich erhöhtes Infektionsgeschehen geben. Allerdings reicht ja schon ein R = 1 in mehreren dieser Einrichtungen aus, um selbst bei einem niedrigen Infektionsgeschehen im Rest des Landes die Reproduktionszahl insgesamt oben zu halten. Und Pflegeheime oder Ähnliches sind ja nicht gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten. Das Pflegepersonal oder die Schließer gehen nach der Arbeit weiterhin ganz normal nach Hause zu ihren Familien und die Obdachlosen verbringen üblicherweise ihren Tag irgendwo auf der Straße. Auch aufgrund solcher Sondersituationen ist es aus meiner Sicht aber fraglich, ob mit den jetzigen Werkzeugen und Methoden ein R von 0,5 erreichbar ist.

Fazit

Offenkundig ist es möglich, die Reproduktionszahl unter 1 zu drücken und damit eine großflächige Ausbreitung des Virus zu verhindern. Das konnte man in Deutschland und in vielen anderen Ländern sehen. Daraus folgt aber eben nicht, dass sich die Reproduktionszahl beliebig weit senken lässt. Und wie weit man sie senken kann, hängt von vielen Faktoren ab, wie der absoluten Zahl der täglichen Neuinfizierten, der Dunkelziffer, der Art und Intensität des grenzüberschreitenden Verkehrs oder den vorhanden Instrumenten und Methoden zur Eindämmung des Coronavirus. Eine Reproduktionszahl von 0,8 erscheint für Deutschland eine realistische Größe unter den bisherigen Shutdown-Bedingungen. Und mit noch strikteren Maßnahmen lässt sich vielleicht auch noch ein etwas niedrigerer Wert erreichen. Aber irgendwo ist dann halt einfach eine Grenze, unter die man aus einer gegebenen Situation heraus nicht drunter kommt. In Deutschland muss es daher zunächst darum gehen, die Gegebenheiten so zu verändern – insbesondere im Hinblick auf die Testmöglichkeiten und die Nachverfolgung – dass ein effektives Vorgehen gegen das Coronavirus möglich wird.


Text als PDF: Wieso sich die Reproduktionszahl nicht beliebig weit senken lässt


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Warum eine hohe Testquote für Containment genauso wichtig ist wie eine niedrige Reproduktionszahl https://www.mister-ede.de/politik/testquote-reproduktionszahl/9015 https://www.mister-ede.de/politik/testquote-reproduktionszahl/9015#comments Mon, 27 Apr 2020 11:24:57 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9015 Weiterlesen ]]> Die Reproduktionszahl R gibt an, wie viele Personen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Liegt R unter eins (R < 1), so gehen die Neuinfektionen mit der Zeit zurück. Daher wird diese Zahl aktuell sehr genau beobachtet und ihre Entwicklung bestimmt das Handeln der Politik. Das Problem an der Reproduktionszahl ist jedoch, dass zu ihrer Ermittlung nur diejenigen Infektionen herangezogen werden können, die bekannt sind. Aktuell sind das im Schnitt rund 2.500 Fälle am Tag. Darunter sind Personen, die selbst den Arzt aufgesucht haben, aber auch Befunde aus Reihenuntersuchungen oder präventiven Tests, z.B. beim medizinischen Personal. In all diesen Fällen können dann natürlich Maßnahmen eingeleitet werden, die das Infektionsgeschehen minimieren, z.B. das Aufspüren von Kontaktpersonen, die Anordnung einer Quarantäne oder Reihentestungen in der jeweiligen Umgebung des Infizierten, z.B. am Arbeitsplatz. Rund um die bekannten Infizierten sinkt dadurch die Reproduktionszahl erheblich. Wie sich allerdings das Infektionsgeschehen außerhalb dieses Hellfeldes entwickelt, kann man hieraus nicht ablesen. Vermutlich dürfte gerade im Dunkelbereich, also bei jenen Infizierten, die ohne Symptome bleiben und die auch nicht zufällig gefunden werden, die Ansteckungsrate deutlich höher sein. Das liegt zum einen daran, dass diese Personen keinerlei Verdacht auf ihre Infektion schöpfen, und zum anderen daran, dass insbesondere jüngere Menschen, die viele Kontakte haben, im Berufsleben stehen, studieren, Sport machen, diejenigen sind, die öfters ohne Symptome bleiben, vor allem natürlich Kinder. Und gerade wenn jüngere Menschen dann viele Kontakte mit Personen aus derselben Altersgruppe haben, z.B. zu Schulfreunden, Studien- oder Arbeitskollegen, kann die Reproduktionszahl in diesem Dunkelfeld, sozusagen Rdunkel, schnell und unbemerkt auf ein Vielfaches dessen steigen, was wir bei den bekannten Infektionsketten bzw. bei Rhell oder Rsichtbar beobachten. Im schlimmsten Fall, wenn die Gruppe im Hellfeld sehr groß ist, z.B. weil anfangs gezielt Urlaubsrückkehrer in Quarantäne geschickt wurden, kann es durch diese tatsächlich vorhandene Verzerrung der Reproduktionstätigkeit noch über Wochen eine spürbare Abnahme der Neuinfektionen geben, während sich unbemerkt im Hintergrund eine zweite Infektionswelle aufbaut. Möglicherweise sehen wir einen solchen Effekt momentan in Singapur. Für Deutschland ist das allerdings bisher eher unwahrscheinlich, weil ähnlich wie in der Schweiz reagiert wurde und dort bei einer guten Datenlage bislang keine zweite Infektionswelle erkennbar ist. Vermutlich haben die flächendeckenden Maßnahmen, wie Schul- und Geschäftsschließungen, auch die Kontakte der unbekannten Infizierten soweit eingeschränkt, dass Rdunkel ebenfalls nicht wesentlich über 1 oder vielleicht sogar unter 1 lag. Das wird sich in Deutschland aufgrund der zahlreichen zum Teil sehr weitgehenden Lockerungen so aber sicher nicht fortsetzen.

Kommt es dann allerdings dazu, dass Rdunkel ein gutes Stück über 1 liegt, verliert die Reproduktionszahl an Aussagekraft. Natürlich gilt weiterhin, wenn R insgesamt über 1 steigt, steht Deutschland wieder dort, wo es vor einem Monat schon einmal war, nämlich bei zunehmenden Infektionszahlen. Das möchte zwar niemand, aber bei den Bildern von Schlangen vor Baumärkten, Gedränge in Shoppingcentern und vollen Innenstädten ist das leider kein unwahrscheinliches Szenario.
Aber auch dann, wenn die Reproduktionszahl zunächst noch unter 1 bleibt, verliert die Betrachtung von R an Bedeutung für das Containment, weil der Rückgang der Infektionen im Hellfeld zunehmend durch Infektionseinträge aus dem Dunkelfeld ausgeglichen wird. Gelingt es nicht, die Zahl der unbekannten Infizierten zu verringern, wird die Reproduktionszahl damit automatisch immer wieder Richtung 1 steigen. Mit dem nachfolgendem Beispiel-Szenario wird dieser Effekt dargestellt:

Zu Beginn der Betrachtung gibt es 100 Infizierte im Hellfeld mit einem Rhell von 0,7 und daneben eine Dunkelziffer von 20 Infizierten mit einem Rdunkel von 1,5. In jeder Reproduktionsphase gelangt ein Drittel der Infizierten aus dem Dunkelfeld ins Helle. Somit bleibt die Dunkelziffer konstant bei 20 Infizierten (20 * 1,5 * 2/3) und in jeder Reproduktionsphase findet eine Eintragung von 10 Infizierten (20 * 1,5 * 1/3) aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld statt. Im Hellbereich haben wir dann nach der ersten Reproduktionsphase 70 Fälle (0,7 * 100), die sich aus dem Hellfeld selbst ergeben, plus 10 weitere Infektionen, die aus dem Dunkelfeld hinzukommen, also insgesamt 80 Fälle. Wir messen ein Rsichtbar = 0,8. In der nächsten Phase sind es im Hellfeld dann 56 plus wieder 10 Fälle aus dem Dunkelfeld, insgesamt also 66 Infizierte bzw. ein Rsichtbar = 66/80 = 0,82. Noch eine Phase später haben wir 56,2 Fälle bzw. Rsichtbar = 0,85. Das Ganze geht nun immer so weiter bis sich Rsichtbar an 1 annähert und die Zahl der täglich Neuinfizierten im Hellfeld an 33 Fälle, die sich jede Reproduktionsphase auf 23 reduzieren und durch 10 neue Eintragungen aus dem Dunkelfeld ergänzt werden.

Alleine die Tatsache, dass die Reproduktionszahl insgesamt wie auch Rsichtbar die ganze Zeit unter der magischen 1 lag, anfangs sogar recht deutlich, trägt damit noch lange nicht zu einer Situation bei, die zu einer Beendigung der Epidemie führt. Unerheblich ist dabei auch, ob Rhell im Hellfeld bei 0,7 oder 0,5 liegt oder sogar auf 0,2 gedrückt wird. Über kurz oder lang wird sich Rsichtbar wie auch die Reproduktionszahl insgesamt unweigerlich durch die Eintragungen aus dem Dunkelfeld wieder auf 1 heben und die tägliche Fallzahl wird sich auf die Eintragungen aus dem Dunkelfeld geteilt durch (1 – Rhell) einpendeln, also auf 33 Fälle bei Rhell = 0,7 bzw. 12,5 Fälle bei Rhell = 0,2.

Zur Beantwortung der Frage, ob eine Epidemie eingedämmt werden kann, reicht deshalb die Betrachtung des Hellfeldes und der Reproduktionszahl bzw. Rsichtbar nicht aus. Klar, wenn die Epidemie schon bei den bekannten Fällen außer Kontrolle ist, braucht man sich um die Dunkelziffer keine Sorgen mehr machen. Allerdings ist umgekehrt eben noch lange nicht alles gut, nur weil die sichtbare Reproduktionszahl unter 1 liegt.
Daher braucht es für jedes Containment neben der Reproduktionszahl eine weitere Kennzahl, die eine Aussage zur Entwicklung des Dunkelfeldes zulässt. Eine Möglichkeit hierfür ist die Bestimmung des Anteils der Corona-Infizierten, die positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wurden. Eine solche Testquote kann entweder durch repräsentative Studien ermittelt oder durch Modellrechnungen abgeschätzt werden.
Im dargestellten Beispiel-Szenario liegt die Testquote Anfangs recht hoch bei 100/120 (83%), während sie sich im Verlauf auf 33/53 also etwa 62,5% einpendelt. Die reine Prozentzahl selbst hat aber nur wenig Aussagekraft, solange die Größe des Reservoirs an Infizierten im Dunkelfeld und Rdunkel unbekannt sind. Dafür kann allerdings aus der Entwicklung der Testquote abgelesen werden, ob es „nur“ gelingt, die Fallzahlen zu senken, oder ob darüber hinaus auch immer weiter in das Duneklfeld vorgedrungen und damit ein Ende der Epidemie ermöglicht wird. Sinkt die Testquote, obwohl genügend Tests verfügbar sind und sich das Testschema nicht verändert hat, dann ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass sich das Infektionsgeschehen auch mit einem aktuell beobachtbaren R von 0,9 nicht auf null senken lässt, sondern sich wegen konstanter Einträge aus dem Dunkelfeld auf irgendeinem Niveau einpendelt, wie bei dem obigen Beispiel-Szenario. Oberflächlich betrachtet ist man zwar lange auf einem guten Weg in Richtung Containment. Man testet viel und findet auch viel und neben Rhell liegt sowohl die sichtbare Reproduktionszahl gut unter 1 wie auch die tatsächliche Reproduktionszahl. Aber allmählich drückt sich die Reproduktionszahl dann doch wieder gegen 1. Und auch wenn man in diesem Fall herginge und mit einem gewissen Aufwand Rhell nochmals auf 0,2 drückt, bekommt man zwar die Neuinfektionen auf 12,5 am Tag gesenkt, aber eben nicht das Problem beseitigt. Denn anstatt tiefer in das Dunkelfeld vorzudringen und das Reservoir der unbekannten Infizierten zu verkleinern, wird auf diese Weise einfach nur die Testquote gesenkt.

Für ein erfolgreiches Containment ist daher neben einer Reproduktionszahl kleiner 1 auch eine konstant hohe oder steigende Testquote unerlässlich – oder eben eine andere Maßzahl, mit der ein Rückgang der Dunkelziffer überwacht werden kann. Denn, solange es keine Herdenimmunität und keinen Impfstoff gibt, müssen auch die letzten aktiven Infizierten im Dunkelfeld gefunden worden sein oder zumindest gefunden werden können, um die Epidemie auf Dauer einzudämmen. Das heißt, es darf durchaus noch unbekannte Infizierte geben, aber es muss klar sein, dass neu auftretende Ausbrüche, egal ob durch eine Infektion aus dem Dunkelfeld oder durch eine Eintragung aus dem Ausland, immer wieder so schnell und umfassend unter Kontrolle gebracht werden können, dass sich daraus nicht wieder eine exponentielle Vermehrung ergibt. Und das gelingt eben nur, wenn ein ausreichend großer Anteil der Infizierten durch Tests gefunden wird. Daneben hat die Testquote aber auch noch aus einem anderem Grund Charme: Während man die Reproduktionszahl nur mit hohem Aufwand und sehr indirekt beeinflussen kann, ist eine Erhöhung der Testquote über die schlichte Ausweitung von Testkapazitäten und die vermehrte Durchführung von Reihentests vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen. Solange also die Reproduktionszahl unter 1 liegt und damit eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert wird, ist die Erhöhung der Testquote ein relativ einfacher und milder Ansatz, um das Infektionsgeschehen nach und nach unter Kontrolle zu bringen.

Disclaimer: Dieser Beitrag stellt ein logisches Grundproblem dar und basiert nicht auf tieferen Kenntnissen der Epidemiologie.


Text als PDF: Warum eine hohe Testquote für Containment genauso wichtig ist wie eine niedrige Reproduktionszahl


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https://www.mister-ede.de/politik/testquote-reproduktionszahl/9015/feed 0
2017 war zweitwärmstes Jahr seit Beginn der Messungen im Jahr 1880 https://www.mister-ede.de/natur/2017-zweitwaermstes-jahr/8649 https://www.mister-ede.de/natur/2017-zweitwaermstes-jahr/8649#comments Sun, 07 Jan 2018 18:26:48 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8649 Weiterlesen ]]> Nachdem das alle paar Jahre auftretende Naturphänomen El Niño, das die weltweite Temperatur ab Ende 2015 auf Rekordwerte getrieben hatte, abgeklungen ist, ging die Globaltemperatur erwartungsgemäß wieder etwas zurück. Während im Rekordjahr 2016 die Globaltemperatur nach Angaben der NASA noch rund 1,25 Grad über der durchschnittlichen Temperatur der Jahre 1880 – 1920 lag, wird die Abweichung nach oben im Jahr 2017 rund 1,15 Grad betragen [1].

Legt man das meteorologische Jahr (1. Dezember 2016 – 30. Novemeber 2017) zugrunde, so war das Jahr 2017 seit Beginn der Messungen im Jahr 1880 global das zweitwärmste Jahr nach 2016 [2]. Auch für das Kalenderjahr 2017 (1. Januar – 31. Dezember) ist davon auszugehen, dass es hinter 2016 (wärmstes Jahr) und vor den Jahren 2015 (drittwärmstes Jahr) und 2014 (viertwärmstes Jahr) auf dem zweiten Platz in der Rangliste der wärmsten Jahre landen wird. Damit sind die Jahre 2014 – 2017 die heißesten Jahre auf der Erde seit mindestens 100.000 Jahren [3].

Zwar ist auch für 2018 davon auszugehen, dass die Globaltemperatur die Rekordwerte des Jahres 2016 nicht erreichen wird [4], doch es gibt beunruhigende Indikatoren, die auf eine weitere Verschärfung der Klimaerwärmung hindeuten. Im November 2017 erreichte die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nach Berechnungen der NASA einen saisonbereinigten Höchststand von 407,22 ppm [5] und auch der anthropogene CO2-Ausstoß dürfte 2017 ein neues Rekordniveau erreicht haben [6]. Was dies beides für die Entwicklung der Globaltemperaturen der nächsten Jahrzehnte bedeutet, habe ich Anfang letzten Jahres im Artikel „Klimawandel: Die Erde kocht bereits“ ausführlich beschrieben, weshalb ich mir an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichte.


Ähnliche Artikel:
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Einflussfaktoren auf das Klima und den Klimawandel (www.mister-ede.de – 16.03.2012)

Was ist Klima und Klimawandel (www.mister-ede.de – 16.03.2012)


[1] Datenreihe der NASA zur globalen Temperaturanomalie seit 1880 (Link zur Datenreihe auf nasa.gov)

[2] ebenda

[3] vgl. Die Entwicklung der Globaltemperatur bis 2016 (www.mister-ede.de – 23.01.2017)

[4] Einordnung des Wetters und Klimas des Jahres 2017 von Tagesschau.de (Link zum Beitrag auf www.ardmediathek.de)

[5] Messungen der NASA zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre (Link zur Datenübersicht auf nasa.gov)

[6] Artikel vom 13.11.2017 auf Zeit-Online zum CO2-Ausstoß 2017 (Link zum Artikel auf www.zeit.de)

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https://www.mister-ede.de/natur/2017-zweitwaermstes-jahr/8649/feed 0
Klimawandel: Die Erde kocht bereits https://www.mister-ede.de/politik/klimawandel-erde-kocht-bereits/7797 https://www.mister-ede.de/politik/klimawandel-erde-kocht-bereits/7797#comments Tue, 07 Feb 2017 19:39:21 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=7797 Weiterlesen ]]> Immer wieder wurde in der Vergangenheit das Ziel bekräftigt, die durch den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um so der Klimaerwärmung entgegenzuwirken. Doch am Ende konnten auch zahlreiche Klima-Gipfel und internationale Abkommen, wie das Kyoto-Protokoll, nichts daran ändern, dass sich der CO2-Ausstoß zwischen 1970 und 2015 von rund 15 Mrd. Tonnen pro Jahr auf über 35 Mrd. Tonnen mehr als verdoppelt hat [1]. Nach Messungen der NASA bzw. der US-Behörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) hat sich damit der CO2-Gehalt in der Atmosphäre von 0,28 ‰ im Jahr 1950 auf inzwischen 0,41 ‰ im Jahr 2016 erhöht [2]. Zum Vergleich: Vor 1950 lag der Wert für mindestens 400.000 Jahre nie über 0,3 ‰. Aber auch die Konzentration anderer Treibhausgase in der Atmosphäre hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Lag der Methan-Anteil seit 800.000 Jahren bis in das 18. Jahrhundert nie über 700 ppb (parts per billion / Teilchen pro Milliarde Teilchen), wuchs er bis 1950 auf etwa 1.100 ppb und schoss seitdem auf aktuell zum Teil über 1.800 ppb in die Höhe [3].

Entsprechend hat sich die Atmosphäre bereits jetzt massiv verändert und zu einer Erderwärmung geführt. Nach Daten der NASA bzw. der NOAA lag die Globaltemperatur 2016 rund 1,3°C über der durchschnittlichen Globaltemperatur der Jahre 1901 – 1920 und selbst im vierjährigen Mittel der Jahre 2013 – 2016 ist die Globaltemperatur rund 1,1°C höher als noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts [4]. Einen solchen Temperaturanstieg in nur 100 Jahren gab es, zumindest in den letzten 250.000 Jahren, kein einziges Mal [5]. Wenn man ehrlich ist, muss man deshalb sagen, dass die Erde bereits jetzt am kochen ist.

Geht der Anstieg der Globaltemperatur in derselben Geschwindigkeit weiter wie seit 1980, liegt sie im Jahr 2050 bereits bei 2,5°C über dem Wert der Jahre 1901 – 1920. Doch auch ein noch schnellerer Anstieg ist angesichts der hohen Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre sowie diversen Rückkopplungseffekten nicht unwahrscheinlich.
Auch wenn es in den nächsten Jahren wieder etwas kälter werden kann als im Rekordjahr 2016, ist die Erwärmung des Erdklimas inzwischen vorgezeichnet. Nachdem Methan bis zu 15 Jahre und CO2 sogar bis zu 120 Jahre in der Atmosphäre verweilt [6], würde selbst ein vollständiger Stopp der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen nichts mehr an dieser Entwicklung ändern.
Umso tragischer ist jedoch, dass auch weiterhin Unmengen an Treibhausgasen zusätzlich in die Atmosphäre geblasen werden. Zwar wird versucht, die Emissionen nicht weiter anwachsen zu lassen, doch selbst wenn sie auf dem aktuellen Level stabilisiert werden können, wird sich damit die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre noch weiter erhöhen. Die Frage ist also nicht mehr, ob sich der Klimawandel verhindern lässt, sondern nur noch, in welcher Geschwindigkeit er voranschreitet und wie sich die Menschheit auf ihn einstellen kann.


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Was ist Klima und Klimawandel (www.mister-ede.de – 16.03.2012)


[1] Bericht der EU-Kommission „Trends in Global CO2-Emissions“ von 2016, S. 13 (Link zur PDF auf ec.europa.eu)

[2] Messungen der NASA zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre (Link zur Datenübersicht auf nasa.gov)

[3] Darstellung der NASA zur Methan-Konzentration in der Atmosphäre (Link zur Darstellung auf nasa.gov)

[4] Datenreihe der NASA zur globalen Temperaturanomalie seit 1880 (Link zur Datenreihe auf nasa.gov)

[5] Untersuchungen des Vostok-Eiskerns nach verschiedenen Methoden unter anderem von C. Lorius, J. Jouzel, C. Ritz, L. Merlivat, N.I. Barkov, Y.S. Korotkevitch und V.M. Kotlyakov. Eine Übersicht der Auswertungen sowie Datenreihen hierzu gibt es beim „National Climatic Data Center” der NOAA (Link zur Übersicht auf ncdc.noaa.gov)

[6] Erläuterung des Bundesumweltamtes zu den verschiedenen Treibhausgasen (Link zur Erläuterung auf www.umweltbundesamt.de)

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Die Lüge vom Schutz der Kohlekumpels – Deutschland ist Nettoimporteur https://www.mister-ede.de/wirtschaft/schutz-der-kohlekumpels/7767 https://www.mister-ede.de/wirtschaft/schutz-der-kohlekumpels/7767#comments Sat, 04 Feb 2017 13:06:05 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=7767 Weiterlesen ]]> In Deutschland sind aktuell Kohlekraftwerke mit einer Leistung von insgesamt über 40 GW elektrischer Energie am Netz – mehr als in Großbritannien, Polen und Italien zusammen. Sie sind für ein Viertel der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Allerdings wird eine Reduktion der Kohlekraftwerke in Deutschland immer wieder mit dem Hinweis auf die deutschen Kohlegebiete und drohende Arbeitsplatzverluste bei den Kohlekumpels abgewehrt. So kam es beispielsweise im Jahr 2015, als Sigmar Gabriel eine Klimaabgabe für die besonders dreckigen Kohlekraftwerke ankündigte, zu massiven Protesten der Kohlelobby, weil dies angeblich das Aus für den deutschen Kohlebergbau bedeuten würde.
Tatsächlich ist Deutschland allerdings der größte Nettoimporteur von Kohle in der EU [1]. Etwa ein Viertel des deutschen Kohlebedarfs wird also gerade nicht von den Kohlerevieren in Deutschland gedeckt, sondern durch zusätzliche aus dem Ausland eingeführte Kohle. Es ist also schlicht gelogen, dass eine Reduktion von Kohlekraftwerken in Deutschland automatisch zu Lasten der Kohleabbaugebiete, z.B. in der Lausitz, gehen würde. Zumindest 20 – 25% der Kraftwerke könnten problemlos stillgelegt werden, ohne damit die Kohlekumpels zu gefährden.


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[1] Bericht der EU-Kommission „Trends in Global CO2-Emissions“ von 2016, S. 27 – 29 (Link zur PDF auf ec.europa.eu)

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