mister-ede.de » Europäisches Parlament https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Vorläufige konsolidierte Sitzverteilung im Europaparlament 2019-2024 https://www.mister-ede.de/politik/sitzverteilung-europaparlament/8839 https://www.mister-ede.de/politik/sitzverteilung-europaparlament/8839#comments Wed, 29 May 2019 13:30:03 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8839 Weiterlesen ]]>

EVP (Konservative): 166 Sitze (22,1%)
S&D (Sozialdemokraten): 141 Sitze (18,8%)
ALDE&R (Liberale): 99 Sitze (13,2%)
Grüne/EFA: 69 Sitze (9,2%)
Rechtsaußen: 171 Sitze (22,8%)
Linksaußen: 40 Sitze (5,3%)
Fragwürdig: 43 Sitze (5,7%)
Sonstige: 22 Sitze (2,9%)

Erläuterung:

Die Konsolidierung bereinigt Fraktionen und Gruppen um jene Parteien, die zwar formal dieser Fraktion oder Gruppe angehören, politisch allerdings anderswo einzuordnen sind.

Zahlenbasis:

Hochrechnung des Europaparlaments vom 29.5.2019, 11:55 Uhr zur Sitzverteilung (https://europawahlergebnis.eu).

Zusammensetzung der konsolidierten Fraktionen und Gruppen:

EVP:

Die EVP setzt sich aus den Parteien der EVP-Fraktion (179) abzüglich der ungarischen Fidesz von Viktor Orbán (13) zusammen. Diese wird dem Rechtsaußen-Lager zugerechnet.

S&D:

Die S&D setzt sich aus den Parteien der S&D-Fraktion (153) abzüglich der rumänischen PSD (8) und der maltesischen Arbeiterpartei PL (4) zusammen. Beide Parteien sind in diverse Skandale verwickelt und sind als fragwürdig einzustufen.

ALDE&R:

Die ALDE&R setzt sich aus den Parteien der ALDE&R-Fraktion (105) abzüglich der tschechischen ANO2011 (6) zusammen. Auch sie gilt als fragwürdig, weil unter anderem von der EU gegen den Parteivorsitzenden, den aktuellen tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, wegen Subventionsbetrugs ermittelt wird.

Grüne/EFA:

Keine Konsolidierung erforderlich.

Linksaußen:

Die Linksaußen-Gruppe setzt sich aus den Parteien der Linksfraktion GUE/NGL (38) zuzüglich der radikalkommunistischen KKE (2) aus Griechenland zusammen.

Fragwürdig:

Neben den bereits genannten Parteien ANO2011 (6), PSD (8) und PL (4) gehören hierzu die europakritische italienische Fünfsternebewegung M5S (14), eine christlich-konservative Koalition in den Niederlanden (2), die Neue Flämische Allianz aus Belgien (3), die verbliebenen Torries aus Großbritannien (4) und die Satirepartei von Martin Sonneborn aus Deutschland (2). Bei all diesen Parteien ist zumindest fraglich, ob sie zu einer sinnvollen und ordentlichen Europapolitik etwas beitragen wollen.

Rechtsaußen:

Diese Gruppe setzt sich aus nachfolgenden Parteien zusammen, die vom nationalpopulistischen Spektrum bis hin zu Hardcore-Rechtsradikalen reichen:
Brexit Party von Nigel Farage (Vereinigtes Königreich, 29 Sitze),
Lega Nord von Matteo Salvini (Italien, 28 Sitze),
PIS von Jaroslaw Kaczyński (Polen, 26 Sitze),
Rassemblement National von Marine Le Pen (Frankreich, 22 Sitze),
Fidesz von Viktor Orbán (Ungarn, 13 Sitze),
AfD (Deutschland, 11 Sitze),
Fratelli d’Italia (Italien, 5 Sitze),
Schwedendemokraten (Schweden, 3 Sitze),
Vox (Spanien, 3 Sitze),
FPÖ (Österreich, 3 Sitze),
FvD (Niederlande, 3 Sitze),
Vlaams Belang (Belgien, 3 Sitze),
Für Vaterland und Freiheit (Lettland, 2 Sitze),
Wahre Finnen (Finnland, 2 Sitze),
Freiheit und direkte Demokratie (Tschechien, 2 Sitze),
Sloboda a Solidarita (Slowakei, 2 Sitze),
Kotleba (Slowakei, 2 Sitze),
Bulgarische Nationale Bewegung (Bulgarien, 2 Sitze),
Goldene Morgenröte (Griechenland, 2 Sitze),
DUP (Nordirland, 1 Sitz),
Dänische Volkspartei (Dänemark, 1 Sitz),
Griechische Lösung (Griechenland, 1 Sitz),
Jobbik (Ungarn, 1 Sitz),
Menschliches Schild (Kroatien, 1 Sitz),
Koalition kroatischer Souveränisten (Kroatien, 1 Sitz),
OĽaNO (Tschechien, 1 Sitz),
EKRE (Estland, 1 Sitz)

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Wie Winterzeit-Befürworter die Sommerzeit mit Falschbehauptungen madig machen https://www.mister-ede.de/medien/falschbehauptungen-sommerzeit/8736 https://www.mister-ede.de/medien/falschbehauptungen-sommerzeit/8736#comments Sun, 28 Oct 2018 13:46:05 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8736 Weiterlesen ]]> Im Sommer dieses Jahres führte die EU-Kommission eine Konsultation zur Zeitumstellung durch, an der sich 4,6 Mio. Menschen (3 Mio. davon aus Deutschland) beteiligten. In 26 der 28 EU Länder sprachen sich die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich für die Abschaffung der Zeitumstellung aus. Insgesamt lehnen 84% der Teilnehmer die Zeitumstellung ab. Im Falle einer Abschaffung haben 92% der Teilnehmer aus Deutschland eine klare Präferenz, welche Zeit dann gelten soll. 58% von ihnen wünschen sich die dauerhafte Sommerzeit (MESZ) und lediglich 42% die dauerhafte Winterzeit (MEZ) [1]. Doch seitdem das Ergebnis bekannt ist, verunsichern fanatische Anhänger der Winterzeit die Bürgerinnen und Bürger mit einer regelrechten Desinformations-Kampagne, die mit Falschbehauptungen und glatten Lügen nur so gespickt ist.

Fake 1: Die Sommerzeit sei künstlich, die Winterzeit natürlich

Weder Pflanzen noch das Wetter noch sonst irgendetwas Natürliches richtet sich nach der Uhrzeit. Kein Tier schaut auf die Uhr, wann es aufstehen muss. Die Uhrzeit ist eine menschliche Erfindung und daher ist die Winterzeit genauso künstlich wie die Sommerzeit, auch wenn ein Schlafforscher in der Landesschau Rheinland-Pfalz das genaue Gegenteil behauptet [2].

Fake 2: Zeitumstellung wird der Sommerzeit angelastet

Wissenschaftlich belegt ist, dass die Zeitumstellung, also das vor und zurück im Frühjahr bzw. Herbst, negative Auswirkungen auf den Menschen hat. Manche Winterzeit-Befürworter lasten diese negativen Folgen nun aber unzulässiger Weise der Sommerzeit an, denn, so deren Argumentation, ohne Sommerzeit bräuchte es die Zeitumstellung ja nicht. Gerne werden dann zum Beleg für die Schädlichkeit der Sommerzeit ältere Artikel verlinkt, in denen die Verbindung von Sommerzeit und Zeitumstellung noch als fix angenommen wurde, weil es damals schlicht und ergreifend keine Diskussion über die Einführung einer dauerhaften Sommerzeit gab [3]. Dass die Zeitumstellung bei permanenter Sommerzeit natürlich genauso entfällt, ist allerdings so simpel, logisch und einleuchtend, dass man bei dieser Argumentation der Winterzeit-Anhänger von einer bewussten Täuschung der Öffentlichkeit sprechen muss.

Fake 3: Die Sommerzeit sei ungesund

Wenn Prof. Dr. Till Roenneberg behauptet, die Sommerzeit mache dick, dumm und grantig, ist das natürlich eine Superschlagzeile, die von recherchescheuen Journalisten gerne aufgenommen wird [4]. Über die dpa gelangte die Meldung in dutzende Medien, von Bild über Zeit bis zum Focus. Und wenn die Maschinerie einmal läuft, dann hilft es leider auch nichts mehr, wenn Schlafforscher der Uni Salzburg umgehend widersprechen und das als reine Panikmache bezeichnen [5] [6].
Letztlich muss man sich hier fragen, ob die Triebfedern für die Wortmeldung des Professors aus München nicht vor allem Profilierungssucht und Mediengeilheit waren, denn seine Behauptung entbehrt einfach jeglicher Logik. Die Uhrzeit selbst, egal ob nun Sommerzeit, Winterzeit oder auch eine globale Einheitszeit, hat nämlich überhaupt keine Auswirkungen auf irgendwas. Wenn, dann sind es Termine, Arbeits- oder Schulzeiten, die möglicherweise einen negativen Einfluss auf den menschlichen Biorhythmus haben. Hätte der Professor allerdings korrekterweise, so wie das viele andere machen, z.B. den frühen Schulbeginn kritisiert, wäre er damit natürlich nie so prominent in die Medien gekommen. So aber geistert nun eine Falschmeldung durch die Welt, die von der Minderheit der Winterzeit-Anhänger gerne als Argument gegen die Sommerzeit herangezogen wird.

Fake 4: Wegen der Sommerzeit müssen Kinder im Dunkeln zur Schule

Bei dieser Falschbehauptung findet derselbe Mechanismus Anwendung wie beim vorherigen Fake. Von den Winterzeit-Befürwortern wird einfach ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang konstruiert, den es so überhaupt nicht gibt. Ob Schülerinnen und Schüler im Dunkeln zur Schule gehen müssen, hängt einzig und alleine davon ab, wann die Schule beginnt. Wer nicht möchte, dass unsere Kinder den Schulweg im Dunkeln meistern müssen, der muss den Schulbeginn auf einen Zeitpunkt legen, zu dem es hell ist. Und das ist völlig unabhängig davon, ob nun MEZ, MESZ, GZSZ oder die Sternzeit von Raumschiff Enterprise gilt.

Fake 5: Die EU-Konsultation war nicht repräsentativ

Konsultationen sind fester Bestandteil der EU-Gesetzgebung. Sie ermöglichen es interessierten Bürgerinnen und Bürgern, sich am Gesetzgebungsverfahren der EU zu beteiligen. So laufen aktuell ca. 400 – 500 Konsultationen und es ist überhaupt nicht das Ziel, dass sich daran stets jeder beteiligt. Im Übrigen gilt bei demokratischen Abstimmung und Wahlen grundsätzlich, dass das Ergebnis nicht repräsentativ sein muss. Bei der letzten Bundestagswahl haben im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr Ältere als Jüngere ihre Stimme abgegeben. So what? Niemand käme deshalb auf die Idee, das Wahlergebnis als „nicht repräsentativ“ zu bezeichnen. Der einzige Grund, warum Winterzeit-Anhänger das bei der EU-Konsultation dennoch machen, ist der Versuch, das Verfahren an sich zu diskreditieren, weil ihnen das Ergebnis nicht passt.

Fake 6: Die Mehrheit der Deutschen sei gar nicht für die Sommerzeit

An der EU-Konsultation haben sich 3 Mio. Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland beteiligt. Nachdem es dabei keinerlei Beschränkung gab, also Land- genauso wie Stadtbevölkerung, Nord- genauso wie Ost-, Süd- oder Westdeutsche, Junge genauso wie Alte, Frauen genauso wie Männer, Schwule genauso wie Heteros usw. teilnehmen konnten, ist aufgrund des Gesetzes der großen Zahlen davon auszugehen, dass das Abstimmungsergebnis ziemlich nah am Durchschnitt der Gesellschaft liegt. Und Überraschung, das tut es auch, wie die repräsentativen Umfragen von Emnid [7] oder Civey [8] aus dem Oktober 2018 belegen. Eine klare Mehrheit der Deutschen wünscht sich die dauerhafte Sommerzeit. Wer etwas anderes behauptet, der lügt.

Fake 7: Wunsch nach dauerhafter Sommerzeit sei ein deutsches Phänomen

Diese Behauptung ist ebenfalls schlicht falsch! In Polen gibt es schon länger Bestrebungen, die Sommerzeit dauerhaft einzuführen [9] genauso wie in Ungarn [10] oder Teilen Spaniens [11]. Auch in Österreich sprechen sich die Menschen nicht erst seit gestern für die Sommerzeit aus, die gerne auch dauerhaft beibehalten werden soll [12] [13].

Anmerkung:

Um es klar zu sagen, jeder hat alles Recht der Welt eine dauerhafte MEZ (Winterzeit) einer dauerhaften MESZ (Sommerzeit) vorzuziehen. Es ist aber nicht hinzunehmen, wenn eine Minderheit mit Falschbehauptungen die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten beeinflussen will, wie das z.B. beim Brexit-Diskurs in Großbritannien geschehen ist. Und genauso inakzeptabel ist es, wenn Winterzeit-Fanatiker die Sommerzeit-Befürworter als dumm, ungebildet und uninformiert verunglimpfen.


Ähnliche Artikel:
Die Lüge vom Schutz der Kohlekumpels – Deutschland ist Nettoimporteur (www.mister-ede.de – 04.02.2017)

Spin-Doctors machen die Staatsschulden schön (www.mister-ede.de – 14.10.2014)


[1] Ergebnisse der EU-Konsultation zur Zeitumstellung (Link zur PDF auf eur-lex.europa.eu)

[2] Beitrag der Landesschau RP vom 26.10.2018 (Link zum Video auf www.ardmediathek.de)

[3] Artikel zur Zeitumstellung von Spiegel-Online vom 28.03.2013 (Link zum Artikel auf www.spiegel.de)

[4] Focus-Online-Artikel “Ewige Sommerzeit macht uns dicker, dümmer und grantiger” vom 12.09.2018 (Link zum Artikel auf www.focus.de)

[5] Artikel der Salzburger Nachrichten vom 24.09.2018 mit Klarstellung zur Sommerzeit (Link zum Artikel auf www.sn.at)

[6] Pressemeldung der Schlafforscher der Uni Salzburg vom 24.09.2018 (Link zur Pressemeldung auf uni-salzburg.at)

[7] Meldung von Focus-Online vom 20.10.2018 zur Emnid-Umfrage zur Sommerzeit (Link zur Meldung auf www.focus.de)

[8] Ergebnisse der Civey-Umfrage zur Sommerzeit vom 25.10.2018 (Link zu den Umfrage-Ergebnissen auf civey.com)

[9] MDR-Meldung zu Sommerzeit-Wünschen in Polen vom 23.03.2018 (Link zur Meldung auf www.mdr.de)

[10] HNA-Artikel zu Sommerzeit-Wünschen in Ungarn vom 16.11.2016 (Link zum Artikel auf www.hna.de)

[11] Stern-Meldung zu Sommerzeit-Wünschen auf Mallorca vom 28.10.2016 (Link zur Meldung auf www.stern.de)

[12] Artikel von Der Standard zu Sommerzeit-Vorstellungen in Österreich vom 27.03.2016 (Link zum Artikel auf derstandard.at)

[13] Meldung von Kleine Zeitung zu Sommerzeit-Wünschen in Österreich vom 29.10.2016 (Link zur Meldung auf www.kleinezeitung.at)

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Ist der Beschluss des EU-Parlaments zum Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn rechtens? https://www.mister-ede.de/politik/artikel-7-verfahren-ungarn/8727 https://www.mister-ede.de/politik/artikel-7-verfahren-ungarn/8727#comments Thu, 13 Sep 2018 10:35:58 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8727 Weiterlesen ]]> Gestern stimmte das Europaparlament über die Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn ab. 448 Parlamentarier waren dafür, 197 dagegen und 48 enthielten sich. Um 13:10 Uhr war es dann soweit und Parlamentspräsident Antonio Tajani sprach das magische Wort: „Angenommen“. Doch Zweifel sind angebracht, ob das tatsächlich stimmt. Aber der Reihe nach.

Verletzt ein EU-Land die grundlegenden Werte der EU, die in Artikel 2 des EU-Vertrags (EUV) festgehalten sind, kann die EU ein Verfahren gegen das betreffende EU-Land einleiten. Die maßgeblichen Vorschriften hierzu sind in Art. 7 EUV festgehalten, woraus sich auch der Name für das Artikel-7-Verfahren ableitet. In Gang gesetzt werden kann das Verfahren vom Rat, von der EU-Kommission oder wie in diesem Fall vom Europäischen Parlament. Allerdings gelten für die Einleitung des Verfahrens strenge Vorschriften, die in Art. 354 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) zu finden sind [1]. Dort heißt es: „Für die Zwecke des Artikels 7 des Vertrags über die Europäische Union beschließt das Europäische Parlament mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen“. Soweit so einfach, doch nun wird es kompliziert.

Im Normalfall werden im Europaparlament als abgegebene Stimmen nur Ja- oder Nein-Stimmen gewertet. Das sieht die Geschäftsordnung des Europaparlaments in Artikel 178 Absatz 3 so vor („Für die Annahme oder Ablehnung eines Textes werden nur die abgegebenen Ja- und Nein‑Stimmen bei der Berechnung des Abstimmungsergebnisses berücksichtigt“) [2]. Wendet man diese Regel an, dann haben 448 von 645 (448 + 197) Abgeordneten für den Antrag gestimmt, also 69,46% und damit mehr als Zweidrittel.
Allerdings geht der Satz in Artikel 178 Absatz 3 noch weiter und zwar wie folgt: „ausgenommen in den Fällen, für die in den Verträgen eine spezifische Mehrheit vorgesehen ist.“ Wenn es also in den Verträgen, z.B. im EUV oder auch im AEUV, eine konkrete Vorgabe gibt, dann soll das vorher gesagte gerade nicht mehr gelten – es sollen offenkundig also nicht nur die Ja- und Nein-Stimmen bei der Berechnung des Abstimmungsergebnisses berücksichtigt werden. Eine andere Auslegung dieser Vorschrift macht keinen Sinn, denn sonst wäre der Satz schlicht überflüssig.

Wie oben bereits erwähnt, ist nun aber in Art. 354 AEUV für alle Abstimmungen im Europaparlament rund um das Artikel-7-Verfahren eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen vorgesehen. Das ist eine genau spezifizierte Mehrheit, weshalb es aus meiner Sicht folgerichtig wäre, entsprechend der vorgenannten Regelung in der Geschäftsordnung mindestens die Enthaltungen und vielleicht sogar ungültige Stimmen bei der Berechnung des Abstimmungsergebnisses zu berücksichtigen. Ungültige Stimmen gab es keine, dafür aber 48 Enthaltungen. Und berechnet man jetzt das Ergebnis, so haben 448 von 693 (448 + 197 + 48) Abgeordneten für die Einleitung des Verfahrens gestimmt, was nur 64,65% entspricht. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wäre bei dieser Auslegung nicht mehr erreicht.

Je nach Auslegung der entsprechenden rechtlichen Vorschriften, hat das EU-Parlament also knapp für bzw. knapp gegen die Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gestimmt. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn Ungarn, wie gestern bereits angedeutet, vor den EuGH zieht, um die Rechtmäßigkeit des Parlamentsbeschlusses überprüfen zu lassen. Die Frage, die die Richter in Luxemburg in diesem Fall zu klären hätten, dürfte sich dann letztlich darum drehen, was genau mit „abgegebenen Stimmen“ in Art. 354 AEUV gemeint ist. Schon innerhalb Deutschlands ist das nicht ganz einheitlich geregelt und EU-weit ist das sicher ähnlich. Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage schätze ich daher als durchaus gegeben ein, denn sowohl für die eine wie auch die andere Rechtsauffassung gibt es gute Argumente.


Ähnliche Artikel:
Ungarn, Rumänien, Bulgarien – Am Rande der EU (www.mister-ede.de – 21.02.2013)

Berechtigte und unberechtigte Kritik an Ungarns Flüchtlingspolitik (www.mister-ede.de – 08.09.2015)

Polen, quo vadis? (www.mister-ede.de – 31.01.2016)


[1] Artikel 354 AEUV (Link zum Gesetzestext auf dejure.org)

[2] Artikel 178 Geschäftsordnung des EP (Link zum entsprechenden Artikel auf www.europarl.europa.eu)

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https://www.mister-ede.de/politik/artikel-7-verfahren-ungarn/8727/feed 1
linked: Lost in EUrope – Der unabhängige EU-Blog aus Brüssel https://www.mister-ede.de/medien/lost-in-europe-eu-blog/8542 https://www.mister-ede.de/medien/lost-in-europe-eu-blog/8542#comments Sun, 15 Oct 2017 15:04:22 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8542 Weiterlesen ]]> „Lost in EUrope“ (lostineu.eu) ist ein Blog rund um europapolitische Themen. Er wird betrieben vom Journalisten und Publizisten Eric Bonse, der für diverse Tages- und Wochenzeitungen (z.B. taz, der Freitag) schreibt und ein gefragter Experte für EU-Politik ist. Entsprechend überzeugt „Lost in EUrope“ mit hochaktuellen Berichten, treffsicheren Analysen und sehr vielen Hintergrundinformationen. Bonse beschränkt sich bei seinen Artikeln aber nicht nur auf das Geschehen in EU-Parlament, EU-Kommission und Rat, sondern blickt auch auf die Entwicklungen in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und das sonstige Weltgeschehen. Damit gelingt es „Lost in EUrope“, seine Leser umfassend über die wesentlichen Themen in Europa zu informieren und europapolitische Sachverhalte für die Leser verständlich einzuordnen.

Von der politischen Ausrichtung ist „Lost in EUrope“ im linken Spektrum zu verorten. Deutlich wird das insbesondere bei wirtschaftspolitischen Themen, wie z.B. der Griechenland-Krise oder der Eurozone. Aber auch, wenn man nicht jede Sichtweise von Bonse teilt, ist „Lost in EUrope“ eine sinnvolle Ergänzung zu den gewohnten Leitmedien, um europapolitische Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Neben den zahlreichen Artikeln bietet „Lost in EUrope“ auch ein Forum an, in dem die jeweiligen Artikel und die dazugehörigen europapoltischen Fragen von Nutzern diskutiert werden können. Bis auf gelegentliche Ausnahmen sind die Nutzerbeiträge allerdings keine Leseempfehlung wert.

Insgesamt ist „Lost in EUrope“ ein Muss für europapolitisch Interessierte. Der Blog bietet seinen Lesern einen hohen Informationswert und stellt eine gute Ergänzung zu den bekannten Leitmedien dar.

Link zum EU-Blog lostineu.eu


Ähnliche Artikel:
linked: Die griechische Perspektive auf die Finanzkrise (www.mister-ede.de – 08.02.2015)

linked: Ulrike Guérots „Europäische Republik“ (www.mister-ede.de – 23.11.2016)

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https://www.mister-ede.de/medien/lost-in-europe-eu-blog/8542/feed 0
Die verkehrte Richtung der EU-Reformdebatte im Europaparlament https://www.mister-ede.de/politik/verkehrte-richtung-eu-reform/5309 https://www.mister-ede.de/politik/verkehrte-richtung-eu-reform/5309#comments Wed, 31 Aug 2016 13:58:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5309 Weiterlesen ]]> Seit dem Votum der Briten für einen Austritt aus der EU ist die Diskussion über die Zukunft des europäischen Einigungsprozesses voll entbrannt. Im Juli hat sich nun auch das Europaparlament in die Reformdebatte eingeschaltet und eigene Vorschläge für eine Weiterentwicklung der EU im Ausschuss für konstitutionelle Fragen vorgelegt.
Allerdings wiederholen die Europaparlamentarier dabei viele der Fehler, die bereits in der Vergangenheit gemacht wurden und die die EU mit der Zeit dorthin geführt haben, wo sie jetzt steht. Insgesamt bieten die Vorschläge wenig Neues und vor allem nichts Brauchbares, um die Probleme der EU zu lösen. Im Gegenteil ist sogar zu befürchten, dass der europäischen Einigungsprozesses mit den angestrebten Reformschritten vollends gegen die Wand gefahren wird.

Unter anderem fordern die Europaabgeordneten im Verfassungsausschuss eine weitere Vergemeinschaftung von Politikfeldern, ohne aber gleichzeitig passende demokratisch-rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen. Darüber hinaus sollen nach den Vorstellungen der EU-Parlamentarier sogar diejenigen EU-Länder, die im Moment keine weiteren Integrationsschritte unternehmen wollen, die EU wieder verlassen. Nun sei die Zeit gekommen, „in der man die Spreu vom Weizen auch trennen müsse“, erklärte dazu ein Abgeordneter in der Ausschusssitzung [1].
Damit aber schaffen die Europaparlamentarier nun tiefe Gräben, wo sich die nationalen Regierungen der EU-Mitgliedsländer nach dem Brexit-Referendum mal ausnahmsweise geschlossen zeigen. Keiner der Staats- und Regierungschefs hat gebrüllt „Jetzt wollen wir auch raus aus der EU!“, kein Kaczyński, kein Orbán, im Gegenteil. Nach dem Treffen der EWR-Gründungsmitglieder u.a. mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier oder dem gemeinsamen Besuch des Grabes des Antifaschisten und europäischen Vordenkers Altiero Spinelli durch Angela Merkel, François Hollande und Matteo Renzi [2], hatte man den Eindruck, als würden sich die östlichen EU-Länder sogar eine stärkere Einbindung in die EU wünschen und wären gerne bei diesen Treffen dabei gewesen. Aber auch hier beweisen die Bundesregierung oder Frankreichs Präsident Hollande sehr viel Fingerspitzengefühl, indem sie auch mit diesen EU-Mitgliedern zurzeit aktiv den Dialog über die Zukunft des gemeinsamen Projektes suchen. Allmählich scheinen die Regierungen der EU-Länder doch den Wert des europäischen Einigungsprozesses erkannt zu haben und nach der britischen Abstimmung ist ihnen vielleicht auch bewusst geworden, dass dieser Prozess sehr wohl scheitern kann. Zumindest ist aber ein solches Vorgehen, wie u.a. von der Bundesregierung praktiziert, doch wesentlich besser geeignet, um Europa zusammenzuhalten, als das engstirnige „Wir sind Brüssel, folgt uns gefälligst!“, das aus dem Europaparlament schallt.

Neben dieser doch eher brachialen Haltung der Abgeordneten sind es aber auch die im Verfassungsausschuss präsentierten Reformideen selbst, die in eine völlig falsche Richtung gehen. Es ist zwar zunächst erfreulich, dass Themen, wie die Verschiebung der politischen Macht in der EU von Parlamenten hin zu Regierungen [3], endlich von den Europaabgeordneten behandelt werden, allerdings müssen dann auch die richtigen Schlüsse gezogen werden. Es hilft dem europäischen Einigungsprozess nicht, wenn aus der richtigen Erkenntnis, dass an manchen Stellen eine tiefere Integration notwendig ist, aber in einigen Ländern hierfür keine Bereitschaft besteht, geschlossen wird, man müsse nun einen Teil der EU-Mitglieder wieder aus der Gemeinschaft werfen.
Anstelle eines solchen exklusiven Konzepts (Wer sich nicht weiter integrieren will, soll die EU verlassen) bräuchte es, um Europa zusammenzuhalten, viel eher ein inklusives Modell (Wer sich an die bislang vereinbarten Regeln der EU hält, bleibt in der EU willkommen). Anstatt die EU auf ein Kerneuropa einzuschmelzen, werbe ich daher für ein Kerneuropa, das sich innerhalb der EU befindet – die Europäische Föderation. Damit würde der Integrationsdruck von der EU genommen, so dass die EU und die Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses für alle erhalten werden können und gleichzeitig ein Kern von EU-Ländern die nächsten Integrationsschritte auf Basis fester Regeln, z.B. einer gemeinsamen Verfassung, gehen kann.
Während somit bei der Umsetzung der Vorschläge der EU-Abgeordneten in einigen Jahren vielleicht nur noch eine verkleinerte EU-22 in einem Europa der Nationalstaaten existiert, wäre die Europäische Föderation mit z.B. 10 EU-Staaten in einer möglicherweise sogar gewachsenen EU mit 29 oder 30 Ländern eingebunden. Und auch die übrigen Nationalstaaten Europas, wie z.B. Norwegen, hätten mit einer solchen nicht auf permanente Integration ausgelegten EU nicht mehr so eine große Hürde für einen Beitritt. Würde man hingegen die EU weiter vertiefen und dabei sogar auf manche Länder verzichten, käme der europäische Einigungsprozess für die nächsten Jahrzehnte aller Voraussicht nach zum erliegen.

Ich denke, auch in Brüssel muss endlich erkannt werden, dass der europäische Einigungsprozess mehr ist, als das Zusammenwachsen einiger Euroländer. Knapp 850 Mio. Menschen leben in den Ländern Europas und auch wenn man Russland, die Türkei, den Kaukasus, die Ukraine und Weißrussland abzieht, bleiben immerhin rund 550 Mio. Einwohner übrig, wovon in der gesamten Eurozone nur knapp 340 Mio. Personen leben. Die Leistung der EU ist es hingegen, zumindest knapp 510 Mio. Menschen in einem demokratischen europäischen System einzubinden. Es wäre daher absolut falsch, den Vorschlägen der EU-Parlamentariern zu folgen und jetzt für die tiefere Integration der Eurozone auf grundlegenden Errungenschaften, u.a. die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit), für einen Teil der 510 Mio. Menschen zu verzichten. Vielmehr muss es im Sinne des europäischen Einigungsprozesses darum gehen, eben jenes, was bisher erreicht wurde, zu erhalten und trotzdem einem Teil der EU die Möglichkeit zu geben, etwas Neues zu schaffen. Zu Ende gedacht kommt man dann aber zur Europäischen Föderation, also einem Kerneuropa innerhalb der EU.


Ähnliche Artikel:
Die Europäische Föderation: Plädoyer für unterschiedliche Integrationsstufen in Europa (www.mister-ede.de – 24.06.2016)

Ein Überblick über die Herausforderungen der Europäischen Union (www.mister-ede.de – 20.04.2014)

Reformvorschlag für das Wahlverfahren der EU-Kommission (www.mister-ede.de – 05.08.2014)

Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)


[1] Sitzung des Verfassungsausschuss des Europaparlaments am 12.07.2016 (Link zum Video auf www.europarl.europa.eu)

[2] Kommentar vom 23.08.2016 zum Dreier Gipfel bei taz-online(Link zum Artikel auf www.taz.de)

[3] Die Machtverschiebung von Parlamenten zu Regierungen in der EU (Link zum Artikel auf www.mister-ede.de)

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https://www.mister-ede.de/politik/verkehrte-richtung-eu-reform/5309/feed 0
Reformvorschlag für das Wahlverfahren der EU-Kommission https://www.mister-ede.de/politik/reform-wahl-eu-kommission/2936 https://www.mister-ede.de/politik/reform-wahl-eu-kommission/2936#comments Tue, 05 Aug 2014 19:32:09 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2936 Weiterlesen ]]> Die Europäische Kommission ist im Institutionengefüge der EU eine Art europäische Regierung. Für die Zusammensetzung der Kommission sind neben dem Europäischen Parlament auch die Staats- und Regierungschefs der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten verantwortlich.
Allerdings haben durch das Wahlverfahren die Regierungen der Nationalstaaten einen sehr großen Einfluss, während das Europäische Parlament nur einen geringen Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der Kommission hat. Dies führt zu einer Verzerrungen bei der parlamentarischen Kontrolle und der demokratischen Legitimation. Um die Europäische Union näher am Ideal einer gesamteuropäischen parlamentarischen Demokratie auszurichten, halte ich es daher für sinnvoll, die EU-Kommission und den EU-Kommissionspräsidenten durch ein neues Wahlverfahren stärker an das Europäische Parlament anzubinden und damit ein wenig vom Einfluss der nationalen Regierungen zu lösen.

Wahl des EU-Kommissionspräsidenten:

§1 Im Europäischen Parlament findet binnen eines Monats nach dessen Konstituierung die Wahl eines Anwärters für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten, im Folgenden „Anwärter“ genannt, statt.
§2 Für die Wahl des Anwärters werden von den Fraktionen des Europäischen Parlamentes Kandidatenvorschläge eingebracht. Ein vorgeschlagener Kandidat muss nicht selbst Mitglied des Europäischen Parlamentes sein. Jede Fraktion darf maximal einen Kandidaten vorschlagen.
§3 Das Europäische Parlament wählt im ersten Wahlgang aus den eingebrachten Vorschlägen mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Anwärter. Kann im ersten Wahlgang kein Kandidat die Mehrheit der Mitglieder auf sich vereinen, findet ein zweiter Wahlgang unter den beiden im ersten Wahlgang stimmenstärksten Kandidaten statt. Wird auch im zweiten Wahlgang keiner der beiden Kandidaten mit der Mehrheit der Mitglieder gewählt, findet ein dritter Wahlgang unter den beiden Kandidaten des zweiten Wahlgangs statt, bei dem der Kandidat zum Anwärter gewählt wird, auf den die meisten Stimmen entfallen.
§4 Wird binnen eines Monats der vom Europäischen Parlament gewählte Anwärter nicht mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Rates abgelehnt, ist der Anwärter zum EU-Kommissionspräsident gewählt.
§5 Wird ein Anwärter vom Europäischen Rat nach §4 mit einfacher Mehrheit abgelehnt, so kann das Europäische Parlament binnen eines Monats mit einer 2/3-Mehrheit seiner Mitglieder die Ablehnung des Europäischen Rates zurückweisen. Wurde die Ablehnung zurückgewiesen und der Anwärter nicht binnen eines Monats vom Europäischen Rat mit einer qualifizierten Mehrheit seiner Mitglieder abgelehnt, ist der Anwärter zum EU-Kommissionspräsident gewählt.
§6 Wurde ein Anwärter mit qualifizierter Mehrheit des Europäischen Rates abgelehnt oder wurde eine Ablehnung mit einfacher Mehrheit des Europäischen Rates nicht durch das Europäische Parlament binnen eines Monats zurückgewiesen, muss das Europäischen Parlament binnen eines Monats einen neuen Anwärter nach §3 wählen.
§7 Wird auch ein zweiter Anwärter mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit des Europäischen Rates abgelehnt, wählt der Europäische Rat zwischen den beiden abgelehnten Anwärtern binnen eines Monats den EU-Kommissionspräsidenten aus. Verstreicht diese Frist, gilt der zweite Anwärter als gewählt.
§8 Verstreicht die Frist zur Wahl eines Anwärters durch das Europäische Parlament, kann der Europäische Rat mit qualifizierter Mehrheit einen EU-Kommissionspräsidenten wählen.

Wahl der EU-Kommission:

§9 Die EU-Kommission besteht aus einem EU-Kommissionspräsidenten und 27 weiteren Kommissionsmitgliedern. Kommissionsmitglieder können Kommissare, Vize-Kommissare oder Kommissionsbeiräte sein. Alle Mitglieder der EU-Kommission haben das gleiche Stimmrecht. Die EU-Kommission ist so zu besetzen, dass alle 28 EU-Mitgliedsstaaten gleichmäßig vertreten sind.
§10 Der EU-Kommissionspräsident legt fest, wie viele und welche Politikbereiche in der EU-Kommission durch einen Kommissar vertreten werden. Werden weniger als 27 Politikbereiche durch einen eigenen Kommissar vertreten, wird die Differenz zur Anzahl der Kommissionmitglieder durch Kommissionsbeiräte ausgeglichen. Kommissionsbeiräte können als Vize-Kommissare einzelnen Politikbereichen zugeordnet werden.
§11 Der EU-Kommissionspräsident legt dem Europäischen Parlament einen Vorschlag zur Besetzung der EU-Kommission vor, der die vorgesehenen Politikbereich, die für die jeweiligen Politikbereiche vorgesehenen Kommissare, gegebenenfalls vorgesehene Vizekommissare sowie die keinem Politikbereich zugeordneten Kommissionsbeiräte enthält. Bestätigt das Europäische Parlament den Vorschlag mit der Mehrheit seiner Mitglieder oder lehnt das Europäische Parlament den Vorschlag nicht mit der Mehrheit seiner Mitglieder binnen eines Monats ab, gilt die EU-Kommission als gewählt.
§12 Eine Änderung der Zusammensetzung der EU-Kommission oder eine Änderung der Zuständigkeiten innerhalb der EU-Kommission, muss nach dem in §11 beschriebenen Verfahren vom Europäischen Parlament bestätigt werden.

Abwahl des EU-Kommissionspräsidenten oder der EU-Kommission:

§13 Das Europäische Parlament kann jederzeit mit der 2/3-Mehrheit seiner Mitglieder den EU-Kommissionspräsidenten abwählen. Die Abwahl des EU-Kommissionspräsidenten hat die Abwahl der EU-Kommission zur Folge. Wurde der EU-Kommissionspräsident abgewählt, findet binnen eines Monats eine Neuwahl eines Anwärters nach den Vorschriften dieses Gesetzes statt.
§14 Das Europäische Parlament kann jederzeit mit der 2/3-Mehrheit seiner Mitglieder die EU-Kommission im Ganzen oder einen einzelnen Kommissaren, Vize-Kommissaren oder Kommissionsbeirat abwählen, ohne gleichzeitig den EU-Kommissionspräsidenten abzuwählen. In diesem Fall legt der EU-Kommissionspräsident dem Europäischen Parlament einen neuen Vorschlag zur Besetzung der EU-Kommission nach §11 vor.


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Die Machtverschiebung von Parlamenten zu Regierungen in der EU (www.mister-ede.de – 22.07.2014)

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Die Machtverschiebung von Parlamenten zu Regierungen in der EU https://www.mister-ede.de/politik/machtverschiebung-in-der-eu/2913 https://www.mister-ede.de/politik/machtverschiebung-in-der-eu/2913#comments Tue, 22 Jul 2014 17:53:41 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2913 Weiterlesen ]]> Die Gewaltenteilung ist ein fundamentaler Bestandteil freiheitlicher Gesellschaftsordnungen. Durch die Aufteilung der staatlichen Macht in gesetzgebende, ausführende und rechtsprechende Gewalt soll verhindert werden, dass eines der Staatsorgane zu viel Macht oder gar die alleinige Macht im Staat inne hat.

In allen Ländern der EU gibt es daher für die Legislative, also die Gesetzgebung, ein Parlament und für die Exekutive, also die Ausführung der Staatsgeschäfte, eine Regierung. Es gibt zwar hier und da kleinere Vermischungen, z.B. wird in Deutschland die Regierung vom Parlament gewählt und die Bundesregierung hat auch kleinere Freiräume eigene Rechtsvorschriften zu erlassen, aber im Großen und Ganzen wird die Gewaltenteilung gut eingehalten. Dasselbe gilt auch für die übrigen EU-Mitgliedsstaaten, die zwar jeweils andere Ausgestaltungen ihres Staatswesens haben, aber allesamt auf dem Prinzip der Gewaltenteilung aufbauen.

Gewaltenteilung und Demokratie in Deutschland und der EU (www.mister-ede.de – 12.09.2012)

Durch die Konstruktion der EU haben sich jedoch die Zuständigkeiten zwischen Parlamenten und Regierungen in nicht unerheblichem Maße verschoben. Zwar gibt es auf der europäischen Ebene genauso wie in den Mitgliedsstaaten ein Parlament, das Europaparlament, und für die Ausführung der EU-Politik mit der EU-Kommission eine Art europäische Regierung, allerdings sind daneben auch die Regierungen der EU-Mitgliedsländer über zwei EU-Institutionen entscheidend an der Gestaltung der Europapolitik beteiligt. Über den Europäischen Rat, der mit den Regierungschefs der EU-Staaten besetzt ist, und den Räten der Europäischen Union, die sich aus den Ministern der verschiedenen nationalen Regierungen zusammensetzen, wirken die Regierung der EU-Mitgliedsländer an der europäischen Gesetzgebung mit. Dem Europaparlament, das wie die nationalen Parlamente direkt demokratisch legitimiert ist, stehen damit gleich zwei EU-Organe gegenüber, die sich ausschließlich aus den Regierungen der EU-Staaten zusammensetzen.
Daneben sind die Regierungen der EU-Mitgliedsländer über die verschiedenen Räte auch an der Wahl der Europäischen Kommission beteiligt, wodurch sich der Einfluss der nationalen Regierungen noch einmal ausweitet.

EU-Kommission wird zum verlängerten Arm nationaler Regierungen:

Im Wesentlichen wird die Europäische Kommission von den Regierungen der EU-Mitgliedsländer bestimmt, die sowohl ein Vorschlagsrecht für die EU-Kommission haben als auch am Ende die Kommission bestätigen müssen. Das Europaparlament hat somit lediglich die Möglichkeit, dazwischen Änderungen bei der Zusammensetzung der Europäischen Kommission einzufordern oder eine mögliche EU-Kommission abzulehnen bzw. nicht zu wählen. Selbst wenn man, das Vorschlagsrecht des Rates ignorierend, die Wahl Jean-Claude Junckers im Juli 2014 zum Kommissionspräsidenten als Erfolg des Europaparlamentes feiert, bleiben immer noch 27 weitere EU-Kommissare, die von den Regierungen der EU-Staaten entsandt werden, wie zuletzt Günther Oettinger für Deutschland. Auf diese Weise sind die ausgesuchten Kommissare sehr eng mit den jeweiligen Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten verbunden, auch wenn die EU-Kommission gegenüber den nationalen Regierungen am Ende nicht formell weisungsgebunden ist.

Während damit in allen EU-Staaten die Regierungen entweder direkt vom Wähler legitimiert oder über demokratisch breit legitimierte Parlamente gewählt werden, wird auf der europäischen Ebene die Regierung, also die EU-Kommission, im Wesentlichen durch 28 nationale Regierungen bestimmt, die zwar auch demokratisch legitimiert sind, allerdings nur in ihrem jeweiligen Land und nicht für die Europäische Union im Ganzen. Die EU-Kommission, also die europäische Exekutiv, wird damit ein wenig zu einer Art verlängertem Arm der nationalen Regierung bzw. der nationalen Exekutiven. Während insgesamt die parlamentarische Kontrolle hierdurch zurückgedrängt wird, wächst der Einfluss der Regierung der EU-Staaten auf die Politikgestaltung innerhalb der EU an.

Europaparlament ist nur halbe Legislative:

Neben der Wahl der Europäischen Kommission sind die nationalen Regierungen über die verschiedenen Räte an der Gesetzgebung der EU beteiligt, womit sie direkt in die legislative Arbeit und damit in die Kernaufgabe eines Parlamentes eingreifen.
Von zwei Seiten wird dabei das Europaparlament bei der Gesetzgebung in seiner Kompetenz beschnitten. Auf der einen Seite kann das Europaparlament keine eigenen Gesetze einbringen, weil ihm das Initiativrecht fehlt, und auf der anderen Seite kann das Parlament keine Gesetze alleine verabschieden, da stets auch die Zustimmung des Rates der Europäischen Union notwendig ist.
Während zum einen die EU-Kommission, die zumindest in einer gewissen formellen und informellen Abhängigkeit von den nationalen Regierung steht, für das Einbringen von Gesetzesinitiativen verantwortlich ist, müssen die EU-Gesetze nach der Verabschiedung im Parlament zum anderen auch noch von den Europäischen Räten, die direkt aus den Regierungen der EU-Staaten bestehen, bestätigt werden. Allerdings anders als zum Beispiel der Bundesrat in Deutschland, der nur in einzelnen Bereichen an der Gestaltung von Bundesgesetzen mitwirkt, sind die Räte der EU grundsätzlich immer an der legislativen Arbeit zu beteiligen und ein Beschluss der Räte kann auch nicht z.B. durch eine 2/3-Mehrheit des Parlamentes gekippt werden.

Die nationalen Parlamente, z.B. der Bundestag, verlieren somit einen Teil ihrer Gesetzgebungskompetenz an den europäischen Gesetzgeber. Nachdem jedoch die Kompetenzen des Europäischen Parlaments durch die Beteiligung der nationalen Regierungen an der Gesetzgebung beschränkt sind, kann das Europaparlament diesen Kompetenzverlust der nationalen Parlamente nicht vollständig ausgleichen. Umgekehrt gewinnen hierfür die nationalen Regierungen durch ihre Mitwirkung an der legislativen Arbeit über die europäischen Ebenen genau jenen Teil an Gesetzgebungskompetenz hinzu. Die nationalen Exekutiven haben damit nicht nur Einfluss auf die europäische Exekutive, also die EU-Kommission, sondern sind auch fester Bestandteil der europäischen Legislative.

Weitere Kompetenzverschiebungen:

Zusätzlich zu den Einschränkungen bei der Gesetzgebungskompetenz verschieben sich auch zwei weitere wesentliche Aufgaben vom Europäischen Parlament zu den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten.
Nachdem das EU-Parlament weder Steuern festlegen noch Kredite aufnehmen kann, ist es bei der Budgetplanung maßgeblich auf die Zusammenarbeit mit den nationalen Regierungen angewiesen, die für die Bereitstellung der Finanzmittel der EU verantwortlich sind. Somit ist auch beim Königsrecht eines Parlamentes, dem Budgetrecht, das Europaparlament in einer ziemlich schwachen Position. Es hat zwar die Möglichkeit, Änderungen zu dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Haushaltsplan einzubringen oder den Haushaltsplan abzulehnen, es kann damit allerdings, wie bei der Wahl der EU-Kommission, nur blockieren und nicht selbständig gestalten.

Daneben verschiebt sich auch das fundamentalste Recht der Legislative, die Möglichkeit die Verfassung zu ändern, stillschweigend vom Parlament hin zu den Regierungen und Regierungschefs der EU-Staaten. Eine Verfassung, wie zum Beispiel das deutsche Grundgesetz, sind die Spielregeln eines Staatswesens, weshalb nur unter engen Voraussetzungen, z.B. einer 2/3-Mehrheit, Verfassungsänderungen durch die demokratisch breit-legitimierten Parlamente möglich sind. Die EU ist allerdings kein Staat, weshalb die Spielregeln nicht in einer Verfassung, sondern in Verträgen zwischen den Mitgliedsländern festgeschrieben sind. Diese Verträge wurden jedoch von den Regierungen abgeschlossen, die entsprechend auch für Anpassungen der Verträge zuständig sind.
Während damit z.B. in Deutschland für eine Verfassungsänderung eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig ist, sind für die Änderungen dieser Spielregeln auf europäischer Ebene alleine die Regierungschefs verantwortlich. Auch wenn es hierbei Grenzen durch die Verfassungen der jeweiligen EU-Staaten gibt, verschieben sich, durch diesen Aufbau der EU mithilfe multilateraler Verträge, Macht und Einfluss weiter vom Parlament zu den Regierungen.

Zusammenfassung:

Durch die Konstruktion der EU verschiebt sich die politische Macht von Parlamenten zu Regierungen. Dies resultiert unter anderem aus dem großen Einfluss der nationalen Regierungen auf die Zusammensetzung der europäischen Kommission, den ausgeprägten Gesetzgebungskompetenzen für die von nationalen Regierungen besetzten Räte, der finanziellen Abhängigkeit der EU von den Nationalstaaten und dem grundsätzlichen Problem, dass die EU nicht auf einer Verfassung sondern auf multilateralen Verträgen beruht. Das Europaparlament, als einzige demokratisch direkt legitimierte Institution der EU, kann dabei den Matchverlust der nationalen Parlamente aufgrund seiner beschränkten Kompetenz nicht ausgleichen.
Insgesamt führt der Aufbau der EU damit zu einer erheblichen Machtkonzentration bei den nationalen Regierungen, die auf der europäischen Ebene weitreichenden Einfluss haben. Eine weitere Folge dieser Struktur ist eine verstärkte Vermischung von Legislative und Exekutive entgegen dem Prinzip der Gewaltenteilung sowie eine Schwächung der demokratischen Legitimation der EU-Politik.


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Die Konzentration von Vermögen und die Auswirkungen (www.mister-ede.de – 26.11.2012)

Die Struktur unserer Wirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)

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linked: Überblick und Einblick in die Fraktionen des Europaparlaments 2014 https://www.mister-ede.de/politik/fraktionen-des-ep-2014/2746 https://www.mister-ede.de/politik/fraktionen-des-ep-2014/2746#comments Sat, 12 Jul 2014 09:12:19 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2746 Weiterlesen ]]> Eine sehr gute Übersicht über die künftige Fraktionseinteilung im Europäischen Parlament liefert „Der (europäische) Föderalist“. In drei Artikeln werden die Fraktionen der großen Volksparteien (EVP und S&D) sowie die kleineren Fraktionen der Liberalen (ALDE), Grünen und Linken (GUE/NGL) als auch die Fraktionen des rechten Spektrums (EKR und EFDD) ausführlich beschrieben. Ebenso geht der Artikel auf die fraktionslosen Abgebordneten der ehemaligen EAF-Fraktion und anderer Parteien ein.

Der Autor Manuel Müller stellt dabei zum einen das Abschneiden der einzelnen Fraktionen und zum anderen die Veränderung der Fraktionen durch Neueintritte und Übertritte von Parteien oder Abgeordneten nach der Wahl dar. Neben der Zusammensetzung der künftigen Fraktionen geht Müller dabei auch auf die Ausrichtung einzelner Parteien innerhalb der Fraktionen ein, erläutert deren Unterschiede und zeigt Gemeinsamkeiten.
Insgesamt bieten die drei Artikel damit einen sehr guten Überblick über und Einblick in die einzelnen Fraktionen des künftigen Europaparlaments.

Artikel vom 01.07.2014 von Manuel Müller auf foederalist.blogspot.de – Die Fraktionen im neuen Europäischen Parlament (1): EVP und S&D

Artikel vom 04.07.2014 von Manuel Müller auf foederalist.blogspot.de – Die Fraktionen im neuen Europäischen Parlament (2): ALDE, Grüne/EFA und GUE/NGL

Artikel vom 10.07.2014 von Manuel Müller auf foederalist.blogspot.de – Die Fraktionen im neuen Europäischen Parlament (3): ECR, EFDD und Fraktionslose

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Nach der Europawahl: EU im Zangengriff der Kritiker und Gegner https://www.mister-ede.de/politik/eu-im-zangengriff-der-gegner/2666 https://www.mister-ede.de/politik/eu-im-zangengriff-der-gegner/2666#comments Wed, 25 Jun 2014 08:49:55 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2666 Weiterlesen ]]> Die aktuelle Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes erinnert ein wenig an den Reichstag der Weimarer Republik zum Ende der 20er Jahre. Ökonomische Probleme und soziale Spannungen führten damals zu einer breiten Ablehnung der noch jungen Demokratie und zu Wahlerfolgen jener Parteien, die sich gegen die Republik aussprachen. Ähnlich wie damals die Verteidiger der Weimarer Republik im Reichstag zwischen den linken und rechten Lagern der Demokratiefeinde eingeengt wurden, werden auch heute die etablierten Parteien im Europaparlament durch die EU-Gegner von links- und rechts-außen in die Zange genommen. Erneut sitzen mit beachtlicher Stärke genau jene im Parlament, die es am liebsten abschaffen wollen.
Zwar ist die Ausgangslage eine andere, da die EU im Gegensatz zur Weimarer Republik zum einen kein Nationalstaat ist und zum anderen eine weitaus höhere Akzeptanz in der Bevölkerung hatte und noch immer hat, allerdings droht nun der EU, dass sie nach dem gleichen Muster von innenheraus bekämpft wird wie damals die Weimarer Republik.

Auf insgesamt 154 von 751 Sitzen kommen die verschiedenen konservativen EU-Kritiker und Gegner, von Cameron und der AfD über UKIP und Orbán bis zu Geert Wilders, FPÖ und Le Pen. Dazu kommen die linken EU-Kritiker, von der griechischen KKE oder Syriza bis zur deutschen Linken, mit weiteren 55 Sitzen. Im Europaparlament sind damit 209 EU-Kritiker und Gegner vertreten, was einem Sitzanteil von 27,8% entspricht.

27,8% gegen die europäische Idee (www.mister-ede.de – 19.06.2014)

Im Vergleich dazu kommen die übrigen Fraktionen von der europäischen Volkspartei (203 Sitze) über Sozialdemokraten (191 Sitze) und Liberale (65 Sitze) bis zu den Grünen (54 Sitze) nur auf 513 Sitze, also auf gerade einmal 68,3%.Damit werden es diese Fraktionen künftig äußerst schwer haben, überhaupt eine Politik zu gestalten, die von genügend Abgeordneten mitgetragen wird.

Europawahlergebnis 2014: Sitzverteilung und Fraktionen (www.mister-ede.de – 14.06.2014)

Erschwerte Kompromissfindung:

Konnten die vier Parteienfamilien (ohne Fidesz-Partei) 2009 bei 596 von 766 Sitzen auch einen Kompromiss ausarbeiten, dem bis zu 212 Abgeordnete aus diesen vier Parteienfamilien nicht zustimmten, dürfen jetzt nur noch 137 Abgeordnete fehlen, um die absolute Mehrheit von 376 Stimmen auch gegen die im Parlament vertretenen EU-Kritiker zu erreichen. Während die Abgeordneten dieser Fraktionen bislang vor allem die Wahl hatten, entweder selbst am Kompromiss mitzuarbeiten oder zuzusehen wie die übrigen Abgeordneten ohne sie einen Kompromiss ausarbeiten, können die Abgeordneten nun ihre Zustimmung von wesentlich mehr Forderungen abhängig machen.
Besonders deutlich wird dies bei den beiden großen Parteienfamilien EVP und Sozialdemokraten, die zusammen nur noch auf 394 Sitze kommen. Bei einem gemeinsamen Vorhaben müssen nun entweder die Abgeordneten dieser Parteien aus allen Ländern zustimmen, wodurch der Einfluss der einzelnen Delegationen z.B. aus Deutschland oder Frankreich erheblich steigt, oder weitere Parteienfamilien, die im Gegenzug für die Zustimmung dann ebenso eigene Punkte in einen Kompromiss einbringen wollen, müssen mit ins Boot genommen werden. Umso mehr Gruppen aber an einer Kompromisssuche beteiligt sind und je größer der Druck ist, den die einzelne Gruppe ausüben kann, desto schwerer wird am Ende die Kompromissfindung, was dann häufig zu einer Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner führt.

Neben dem erhöhten Drohpotenzial der einzelnen pro-europäischen Abgeordneten und Gruppen, kommt erschwerend bei der Kompromissfindung hinzu, dass auch abgesehen von grundlegenden Strukturreformen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des Europaparlaments fallen, substanzielle Entscheidungen, z.B. bei der Finanzmarktregulierung, anstehen. Bislang hat die parteiübergreifende Zusammenarbeit mit wechselnden Mehrheiten im Europaparlament zwar gut funktioniert, allerdings hing dies im Wesentlichen damit zusammen, dass das Parlament bisher eben gerade keine Regierung mit einheitlicher Regierungspolitik tragen musste.
Auch wenn es sicherlich weiterhin möglich sein wird, im Europäischen Parlament in wechselnden Konstellationen einzelne Gesetzte zu verabschieden oder kleinere Vorhaben umzusetzen, dürften gerade bei so weitreichenden Entscheidungen wie bei der Bankenaufsicht, die teilweise tiefen ideologischen Gräben zwischen Liberalen, Grünen, Sozialdemokraten und Volkspartei als weiteres Hindernis bei der Kompromisssuche hinzu kommen. Zumal daneben auch die politischen Spektren innerhalb der europäischen Parteienfamilien, z.B. der EVP, wesentlich breiter sind als bei den Parteien der jeweiligen Länder, z.B. der CDU.

Der Einigungsdruck wird zwar bei jeder Verschärfung der Krise steigen, aber auch wenn ich es nicht für ausgeschlossen halte, habe ich zumindest erhebliche Zweifel, dass es in den kommenden vier Jahren gelingen wird, bei diesem äußerst breiten politischen Spektrum in wichtigen politischen Fragen Kompromisse zu finden, die von fast allen mitgetragen werden und dann auch noch eine Wirkung haben.
Neben dieser erschwerten Kompromissfindung droht aber auch an anderer Stelle durch die neue Zusammensetzung des Europaparlaments Ungemach, denn dort, wo sich die EU-Befürworter zu einer gemeinsamen Linie durchringen, liefern sie womöglich die Steilvorlage für die Populisten gleich mit.

Außenwirkung Einheitspartei:

Es wird schwer den Bürgern zu vermitteln, welche unterschiedlichen Auffassungen, Positionen und Interessen im Europaparlament aufeinandertreffen, wenn am Ende immer wieder der Konsens aller pro-europäischen Kräfte stehen muss, damit im Europaparlament überhaupt eine Mehrheit gegen die EU-Kritiker zustande kommt. Obwohl ein erheblicher Aufwand erforderlich sein wird, um die verschiedenen Positionen der EU-Befürworter unter einen Hut zu bekommen, dürfte in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die Auseinandersetzung auf dem Weg zum Kompromiss, sondern der am Ende stehende Konsens die wesentliche Rolle spielen.
An diesem Angriffspunkt werden dann auch wieder die Populisten ansetzen und versuchen diesen Eindruck für sich zu nutzen. So sind auch jene Stimmen der EU-Gegner nicht verwunderlich, die schon direkt am Wahlabend davon sprachen, dass sich nun die „Einheitspartei“ auf einen Kommissionspräsidenten einigen wird.
Daneben besteht für die EU-Befürworter im Parlament die Gefahr, über die schwierige Kompromisssuche den Dialog mit der Bevölkerung zu vernachlässigen. Gerade bei so einem wenig beachteten Thema wie der Europapolitik könnte dadurch aber die Deutungshoheit über die Europapolitik an die EU-Gegner verloren gehen.

Gefahr bei nationalen Wahlen:

Trotz der Folgen des Europawahlergebnisses für das Europäische Parlament sehe ich weiterhin die größte Bedrohung für die Europäische Idee in der Entwicklung in einzelnen Mitgliedsstaaten. Der legitime Wunsch in Teilen der britischen Bevölkerung, aus der EU auszutreten, sollte genauso beunruhigen wie die Entwicklung Ungarns, das sich z.B. bei der Pressefreiheit immer weiter vom europäischen Wertekanon entfernt.
Vor allem hat die Wahl aber gezeigt, dass besonders in den diversen Krisenstaaten inklusive Frankreich weiterhin die akute Gefahr besteht, dass auch bei nationalen Wahlen die Parteien am linken und rechten Rand eine beachtliche Stärke erreichen könnten. Und auch für eine noch so pro-europäische Regierung gilt in einer Demokratie am Ende, dass sie eben nicht davor sicher ist, bei der nächsten Wahl durch eine anti-europäischen Regierung ersetzt zu werden.
Sollte es aber tatsächlich soweit kommen, dass z.B. Großbritannien durch ein Referendum die EU verlässt oder Griechenland vielleicht in Folge eines Euro-Austrittes auch gleich die Mitgliedschaft in der Europäischen Union beendet, dann könnte dies auch eine fatale Signalwirkung für die übrigen EU-Mitgliedsländer haben und überdies die EU-Gegner auf ihrem Weg bestärken. Daneben würde dies auch der weltweiten Reputation der EU einen schweren Schlag versetzen und man müsste sich in einem solchen Fall fragen, was für eine Existenzberechtigung ein Integrationsprojekt ohne integrative Wirkung überhaupt noch hat.

Fazit:

Die größte Bedrohung für das Weiterbestehen der EU geht weiterhin von einzelnen Mitgliedsstaaten und nicht vom Europäischen Parlament aus, was aber im Wesentlichen daran liegt, dass das Europaparlament eben nur beschränkte Einflussmöglichkeiten hat.
In einigen Mitgliedsstaaten besteht die akute Gefahr, dass sich die Bevölkerungen von der europäischen Idee verabschieden und durch ein Referendum oder durch die Wahl einer Regierung von EU-Gegnern einen Austritt umsetzen.
Die erschwerte Kompromissfindung nach der Europawahl 2014, eine gelähmte Politik sowie eine mögliche negative Außenwirkung als „Einheitspartei“ könnten dabei die Ablehnung der EU zusätzlich verstärken.
Die große Gefahr für die europäische Idee ist daher nicht, dass linke und rechte EU-Kritiker und Gegner, die außer in der Ablehnung der EU sowieso nirgends einig sind, im Europäischen Parlament die Auflösung der EU beschließen, sondern dass durch eine Lähmung der europäischen Politik in den nächsten vier Jahren, die wesentlichen Probleme ungelöst bleiben und damit die Ablehnung der EU weiter steigt.

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https://www.mister-ede.de/politik/eu-im-zangengriff-der-gegner/2666/feed 0
27,8% gegen die europäische Idee https://www.mister-ede.de/politik/27-prozent-ablehnung/2636 https://www.mister-ede.de/politik/27-prozent-ablehnung/2636#comments Thu, 19 Jun 2014 19:14:56 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2636 Weiterlesen ]]> Bereits im Vorfeld der Europawahl habe ich vor dem drohenden Debakel für die europäische Idee gewarnt, doch die Befürchtungen haben sich leider bewahrheitet. Die größte Gruppe der Wähler bleibt weiterhin die Gruppe der Nichtwähler, 12% der Abgeordneten sind mindestens national-populistisch, wenn nicht gar faschistisch oder rechts-radikal und für 27,8% der Abgeordneten im Europaparlament ist die EU mehr Feindbild als Integrationsprojekt .

Auf national-populistische Parteien entfielen bei der Wahl 91 von 751 Sitzen. Im Einzelnen zogen der Front National (Frankreich, 24 Sitze), die UKIP (Großbritannien, 24 Sitze), die Lega Nord (Italien, 5 Sitze), die Freiheitspartei um Geert Wilders (Niederlande, 4 Sitze), die ehemals für Jörg Haider bekannte FPÖ (Österreich, 4 Sitze), die EU-skeptische KNP (Polen, 4 Sitze), Jobbik (Ungarn, 3 Sitze), die goldene Morgenröte (Griechenland, 2 Sitze), Sverigedemokraterna (Schweden, 2 Sitze), TT (Litauen, 2 Sitze), NPD (Deutschland, 1 Sitz), die Liste von ChristianUnion und SGP (Niederlande, 1 Sitz), Vlaams Belang (Belgien, 1 Sitz), die nordirische DUP (Großbritannien, 1 Sitz), Svobodní (Tschechien, 1 Sitz) und die Fidesz-Partei , die ich für das künftige Parlament nicht mehr der EVP zugerechnet habe (Ungarn, 12 Sitze), in das Europaparlament ein.
Allerdings will ich dabei gar nicht bewerten, in wie weit die verschiedenen Parteien vom national-populistischen ins offen faschistische übergehen, denn auch wenn die Vorstellung von 40 oder 50 echten Faschisten im Europaparlament erschreckend ist, halte ich es für falsch, die Debatte um das Wahldebakel auf diese Gruppe zu verengen.

Vielmehr muss in den Blick genommen werden, dass es neben diesen 91 Abgeordneten auch noch einige andere Gruppen gibt, mit denen eine vernünftige Europapolitik zumindest im Moment kaum machbar scheint. So sitzen mit der Fraktion der EKR, der sich auch die AfD mit ihren 7 Sitzen angeschlossen hat, weitere 63 Abgeordnete um die englischen Konservativen von Cameron im Europäischen Parlament, die die EU lediglich als Ballast für den Nationalstaat begreifen.
Wie aber soll dieser Politikansatz der Renationalisierung mit der europäischen Idee vereinbar sein, die auf der Grundüberzeugung basiert, dass sich Frieden und Wohlstand in Europa nur im Miteinander und nicht im Gegeneinander der Nationen sichern lassen?
Ich kann mir zumindest nicht vorstellen, dass eine Politik nach dem Motto, „was gehen uns die Probleme in Spanien, Rumänien oder Griechenland an“, auf Dauer Frieden und Stabilität in Europa schafft. Die Geschichte hat gezeigt, dass die europäische Integration nicht alternativlos ist, fraglich ist aber, ob die Alternativen mit Blick auf die Zeit vor diesem europäischen Einigungsprojekt wirklich anstrebenswert sind.

Neben jenen 154 Abgeordneten vom rechten Flügel sitzen dann noch weitere 3 Abgeordnete der radikal-linken KKE aus Griechenland sowie weitere 52 Abgeordnete der Fraktion der europäischen Linken (GUE/NGL) im Europaparlament.
Zwar stehen die links-außen Parteien für eine andere Form der EU-Kritik, allerdings ist diese oftmals mit nicht weniger Populismus und zum Teil auch nicht weniger Nationalismus verbunden als bei den konservativen EU-Kritikern. Was unterscheidet denn die Austrittsrufe aus dem Euro-Raum der linken Syriza in Griechenland von jenen Rufen der AfD in Deutschland? Beides zielt auf die nationale Identität der Wähler und weist die Schuld an den Problemen im eigenen Land den anderen EU-Partnern zu. Genauso populistisch ist auch die links-außen Forderung, Wirtschaft und Banken zu verstaatlichen. Abgesehen davon, dass so etwas den europäischen Werten von Freiheit und Liberalität völlig zuwiderläuft, gäbe es schwerste Verwerfungen innerhalb der EU. Ebenso ist das Versprechen die Staatsschulden zu streichen, eher der Flötenklang des Rattenfängers als mit den Realitäten globaler Märkte vereinbar.
Allerdings verfingen diese Klänge von links-außen wie zu erwarten gerade in jenen Ländern, in denen die verfehlte Euro-Rettungspolitik aus Hilfskrediten und Sparzwang dazu führte, dass Staatsschulden und Arbeitslosigkeit explodierten sowie Wirtschaft und Sozialsysteme kollabierten. So erreichten die Parteien der links-außen Fraktion (GUE/NGL) in Spanien 11 von 54 Sitzen, in Irland 4 von 11 Sitzen, in Griechenland 6 von 21 Sitzen, in Portugal 4 von 21 Sitzen und in Zypern 2 von 6 Sitzen. Rechnet man in Griechenland noch die oben erwähnte KKE mit ihren 3 Sitzen hinzu, dann haben links-außen Parteien in Griechenland beinahe 50% der Sitze errungen.

Insgesamt sitzen damit 209 von 751 (27,8%) Abgeordneten im europäischen Parlament, mit denen eine ernsthafte Europapolitik nur schwerlich möglich sein wird. Und so droht der eine mit Austritt und der andere mit einem Staatsbankrot, während die europäische Idee dabei auf der Strecke bleibt.

Europawahlergebnis 2014: Sitzverteilung und Fraktionen (www.mister-ede.de – 14.06.2014)

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